Gerade bin ich über einen Artikel bei Spiegel Online (Marode Länderhaushalte) gestolpert, der sich mit dem Thema Sparen in den Länderhaushalten beschäftigt. Es geht dabei um die skandalöse Aufdeckung, dass die Länder mit dem verfassungstechnisch vorgeschriebenen Sparen erst nach den jeweiligen Wahlen beginnen wollen. Wie überraschend übrigens. Der erste Satz im Artikel beschreibt mal wieder eine Situation, die angeblich zu einem alternativlosen Handeln zwingt.
Es wird ernst: Ab dem Jahr 2020 sind die Bundesländer zu ausgeglichenen Haushalten verpflichtet – sie müssen bis dahin teils gigantische Neuverschuldungen reduzieren. Das schreibt die Schuldenbremse vor, die im Grundgesetz verankert ist.
Hier steckt ein logischer Fehler drin. Die Konsequenz aus der Tatsache, dass es eine Schuldenbremse gibt, die die Länder dazu zwingt, ihre gigantischen neuen Schulden, deren Herkunft den Spiegel Redakteur nur am Rande interessiert, drastisch zu reduzieren, besteht doch nicht in der Erfüllung dieser scheinbar rechtfertigungslosen Verpflichtung, sondern in deren Abschaffung. War es denn überhaupt richtig, in Zeiten des Aufspannens milliardenschwerer Bankenrettungsschirme eine Schuldenbremse ins Grundgesetz zu schreiben? Im Nachhinein müsste man doch zu dem Ergebnis kommen, dass das eine total bescheuerte Idee gewesen ist?
Aber nicht für den Spiegel und weite Teile der Öffentlichkeit. Die glauben ja noch immer, dass die gesetzlich vorgeschriebene Schuldenbremse endlich ein Mittel sei, Verschuldung einzudämmen. Dabei ist das grober Unfug. Neuverschuldung lässt sich nicht durch eine restriktive Ausgabenpolitik zurückführen. Das ist historisch mehrfach widerlegt. Und schon gar nicht in einer Wirtschaft, die gerade im Begriff ist, ihren Einbruch aus dem letzten Jahr wieder wettzumachen. Was passiert denn, wenn der Staat seine Ausgaben kürzt? Er verschiebt die Finanzierung von Dingen gerade auf diejenigen, die mit ihren Einkommen gleichzeitig für den Aufschwung sorgen sollen. Die werden sich dann aber eins von beiden sparen, weil sie den Euro nur einmal ausgeben können.
Das Ganze funktioniert also nicht. Die Schuldenbremse steuert im Prinzip nur einen Beitrag zur Handlungsunfähigkeit des Staates bei. Das gibt der Spiegel-Artikel ja auch zu, wenn er davon berichtet, dass die Entscheidungen über Sparmaßnahmen hinter Wahltermine verschoben werden. Wieso macht man denn das? Weil es unpopulär ist und weil jeder weiß, dass öffentliches Sparen übersetzt einen großen Griff in die Geldbörsen der Menschen bedeutet.
Dennoch wird so getan, als ob ein ausgeglichener Haushalt jenes erstrebenswerte Ziel sei, dem sich alles unterzuordnen habe. Dabei wird dann auch arglistig getäuscht und gelogen.
Nur Bayern hat es gut: Als einziges West-Land besitzt es bereits einen ausgeglichenen Haushalt.
Für diesen Satz gehört der Redakteur mit dem Kürzel fdi wegen Schlampigkeit und Ahnungslosigkeit hochkant rausgeschmissen. Bayern besitzt nur deshalb einen ausgeglichenen Haushalt, weil man die zehn Milliarden Finanzspritze für das BayernLB-Desaster als Sonderkapitel im Haushalt verbucht hat. Mit anderen Worten, es taucht in der Bilanz nicht auf. Man könnte daher auch von Bilanzfälschung und Bilanzfälschern da unten in München sprechen. Bis in die Hamburger Spiegelredaktion scheint das aber noch nicht vorgedrungen zu sein.
Den Griechen hat man übrigens das Fälschen von Haushaltszahlen permanent zum Vorwurf gemacht.
OKT
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.