Sie haben es vielleicht schon gemerkt. An den Tankstellen steigen die Preise wieder, obwohl die Ferien mittlerweile vorbei sind. Einen nachvollziehbaren Grund gibt es dafür nicht. Dennoch werden Konzerne sicherlich einen Sack Reis irgendwo auf der Welt finden, den sie umstoßen können, um zu behaupten, dass dadurch die Preise naturgemäß steigen müssten. Das ist alles quatsch. Noch immer haben wir Krise. Also einen Zustand, in dem deutlich weniger Nachfrage an Waren besteht. Die aktuellen volkswirtschaftlichen Daten haben das noch einmal deutlich gezeigt. Demzufolge besteht auch weniger reale Nachfrage nach realen Rohstoffen, aus denen man Waren produzieren könnte. Und dennoch ziehen die Preise für Rohstoffe an.
Öl kostet inzwischen mehr als 80 US-Dollar je Barrel (159 Liter), nachdem es sich in Folge der Weltwirtschaftskrise Anfang 2009 innerhalb weniger Monate von fast 150 auf gut 30 Dollar verbilligt hatte. Einer Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge legten zwischen Februar und November 2009 die Preise für Rohstoffe um 40 Prozent zu. Der IWF spricht im Zusammenhang mit diesem Index von einem sehr ungewöhnlichen Anstieg, da in vergleichbaren Phasen früherer Krisen die Preiserholung im Schnitt nur bei fünf Prozent lag.. In zahlreichen Indizes und bei einzelnen Rohstoffen wurden in den zurückliegenden Monaten sogar historisch einmalige Preisexplosionen festgestellt. Der bekannte Standard-&-Poors-GSCI-Rohstoffindex, der 20 sehr verschiedene Güter wie Getreide, Gold, Öl oder Kakao und Aluminium bewertet, legte 2009 beispielsweise um mehr als 50 Prozent zu der stärkste Kursanstieg seit dessen Einführung 1970. Rekorde können inzwischen auch die Notierungen für Zucker und Kakao verbuchen, die sich auf dem höchsten Niveau seit gut drei Jahrzehnten bewegen.
Quelle: junge Welt
Dass die Preise für Rohstoffe rasant ansteigen, liegt also nicht an einer stärker werdenden realwirtschaftlichen Warennachfrage, sondern daran, dass auf den Finanzmärkten munter weitergezockt werden darf. Mit der Erfahrung, dass ein Crash und die damit verbundenen hohen Verluste durch Staaten und deren Steuerzahler aufgefangen und beglichen werden, ohne dass die Branche Konsequenzen zu fürchten bräuchte, steigt auch das Risikoverhalten auf dem Börsenparkett.
Doch wenn die Preise für Rohstoffe steigen, werden auch Waren zwangsläufig teurer. In einer noch nicht überstandenen Wirtschaftskrise wird somit eine konjunkturelle Erholung bereits von vornherein verhindert, da die ohnehin schwache Kaufkraft für Güter des Grundbedarfs vollständig eingesetzt werden muss. Wo sollen also zusätzliche Mittel für eine konjunkturbeflügelnde Nachfrage herkommen? Aus Steuersenkungen wie die FDP meint? Aus Steuersenkungen, die die kritische Finanzlage von Bund und vor allem Kommunen noch weiter verschärfen würde und die zwangsläufig zu geringeren öffentlichen Leistungen, höheren Gebühren und damit zu einer höheren Belastung vor allem jener führt, die ihr gesamtes Einkommen verbrauchen müssen, um zu leben?
Bundeswirtschaftsminister Brüderle schaute ja gestern wieder besonders tief ins Glas und sagte, dass die Bürger mehr Geld in der Tasche bräuchten, um die Konjunktur durch mehr Konsum anzukurbeln. Mehr Geld heißt natürlich übersetzt mehr Netto vom Brutto durch Verzicht auf das „Geschenk der Bürger an den Staat“ mit Namen Steuerabgaben, um mal bei der Worthampelei des durchgeknallten Parteichefs Westerwelle zu bleiben. Mehr Geld durch höhere Bruttolöhne und vor allem Mindestlöhne, die erstens eine relative Einkommenssicherheit bedeuten und zweitens eine breite Verbesserung der Kaufkraft, die dann auch in mehr Konsum umgesetzt werden könnte, schließen der Fachidiot Brüderle wie auch sein weggetretener Parteichef kategorisch aus. Und Schlecker spendet wahrscheinlich noch Beifall, während die Bundesregierung untersuchen will, ob ein Gesetz, das zum Missbrauch bei der Zeitarbeit einlädt, weil es die Politik genau so wollte, missbräuchlich ausgenutzt werde. Das ist doch verrückt.
Übrigens meint der Brüderle angesichts der heute veröffentlichten Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt 2009 (ich habe darüber in meinem letzten Beitrag berichtet) doch tatsächlich, dass sich die deutsche Wirtschaft deutlich erholt habe. Quelle: Blöd-Zeitung
Na wenn das so ist, sollte ich vielleicht auch mal zum Glas greifen und einen Artikel übers Schönsaufen verfassen. :roll:
JAN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.