SPD muss schlechten Kompromiss jahrelang verteidigen

Geschrieben von: am 23. Dez 2013 um 0:03

Was die Mindestlohnregelung tatsächlich wert ist, wird schon ein paar Tage nach der freudetrunkenen Unterzeichnung des Koalitionsvertrages deutlich. Medien und politische Gegner arbeiten bereits kräftig an der Desavouierung des Punktes, der den Sozialdemokraten angeblich über alles geht (siehe auch hier im Blog). Die Genossen hätten wissen können, was auf sie zukommt und darauf bestehen müssen, den Mindestlohn sofort zu beschließen, anstatt häppchenweise irgendwann gegen Ende der Legislaturperiode. Stattdessen hat sich die SPD auf einen jahrelangen Abwehrkampf eingelassen, den sie mit der Union an ihrer Seite niemals gewinnen kann und damit die Wähler auch nicht beeindrucken wird.

Für Saisonarbeiter, Praktikanten, Ehrenamtliche und Rentner dürfe der Mindestlohn nicht gelten, so CSU-Chef Horst Seehofer wenig überraschend in der Welt am Sonntag. Seehofer wörtlich: “Ich möchte den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Ich werde aber aufpassen, dass er nicht zur Vernichtung von Arbeitsplätzen führt.” Heißt konkret, Seehofer möchte doch keinen Mindestlohn, weil dieser seiner Meinung nach der Lebenswirklichkeit vieler Menschen widerspricht. Diese besteht zum Beispiel darin, dass Rentner ihre aus Seehofers Sicht wohl üppigen Altersbezüge lediglich aufbessern möchten und daher ja gar keinen Mindestlohn bräuchten. Warum aber ein Rentner, der nach Definition eigentlich sein Einkommen ohne Arbeitsleistung erzielen müsste, weil er dafür schließlich auch versichert ist und Ansprüche erworben hat, dennoch arbeiten muss, beantwortet Seehofer nicht.

So normal ist es schon geworden, dass Rentner inzwischen wieder arbeiten gehen. Das müssten die späteren Rentner übrigens auch, wenn der Mindestlohn von 8,50 Euro Wirklichkeit werden würde. Er kommt viel zu spät und ist nach heutigen Maßstäben schon viel zu niedrig bemessen, um der Altersarmut zu entkommen. Ausnahmen wird es nicht geben, kontert Andrea Nahles und spricht von Fluchtfantasien auf Seiten der Union. Sie garantiere, dass ab dem 1. Januar 2017 niemand weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdienen werde. Von dieser Garantie ist in etwa so viel zu halten, wie von ihrem Wahlkampfversprechen, mit der Union kein Bündnis eingehen zu wollen. Das alles war vorhersehbar. Der demoskopisch festgestellten Freude über die Große Koalition dürfte recht bald die Ernüchterung folgen. Viele werden sich dann erinnern und sagen, die machen ja an der Stelle weiter, wo sie vor vier Jahren aufgehört hatten, als wir uns die GroKo zum Teufel wünschten.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. AnneKremer  Dezember 23, 2013

    4 Jahre sollen die Leute noch auf einen Mindestlohn warten, der dann wegen der Preissteigerungen eh nix mehr wert ist und wahrscheinlich sowieso nicht kommt.
    Pure Verarschung von der SPD wieder mal.
    Die SPD ist selbst schuld, daß sie untergeht.
    lG Anne

  2. Bonsta  Dezember 25, 2013

    Und immer wird die SPD daran erinnert werden, dass sie den Mindestlohn schon lange hätte haben können. Horst Seehofer plappert zwar Unsinn und die Union will sowieso den Mindestlohn nicht, aber eine große Mehrheit der Wähler will das. Das gute Ergebnis der Union sollte darüber nicht hinwegtäuschen. Der Wähler wird nur wieder mal der Union das Scheitern des Mindestlohns nicht vorwerfen, sondern der SPD. Die Union darf sich auch über massive Unterstützung all der pr-starken Mindestlohngegner freuen. Weiß die SPD wirklich nicht, worauf sie sich da einlässt? Vier Jahre mediales Dauerfeuer gegen den Mindestlohn und das an der Seite eines Koalitionspartners, der gar keinen Mindestlohn will. Und dazu noch eine Opposition, die gewillt und auch in der Lage dazu war, zusammen mit der SPD den Mindestlohn zu beschließen. Wie will diese Partei sich aus einer solchen Zwickmühle befreien?

  3. Kopfstaendler  Dezember 31, 2013

    Wann wählen die Bürger endlich mal mehr Linke?
    Als Korrektiv gegen SPD, diese Verräter, und gegen die CDU, die ihre Gesinnung des großen C so beschmutzte, durch ihre angebliche Pastorentochterfürsorge, die nur dem Militär, den Großkonzernen und Banken gilt.

    Davon haben die 60 % der arbeitslosen Jugendlichen in Griechenland gar nichts, denen eigentlich Hilfe von der EU zusteht.

    Schmach über Merkel und Gleichgesinnte.