Die SPD macht sich lächerlich (Teil 2)

Geschrieben von: am 09. Sep 2012 um 19:10

In der Rentendiskussion hat sich die SPD zu Verhandlungen mit der Union grundsätzlich bereiterklärt, sofern ein paar Bedingungen erfüllt würden. Die Chancen für einen Kompromiss hält SPD-Chef Gabriel allerdings für sehr gering. Das politische Schwergewicht findet, dass die Löhne endlich wieder steigen müssten, um Altersarmut wirksam zu bekämpfen.

Solange die schwarz-gelbe Regierung den Niedriglohnsektor ausbauen wolle, Leih- und Zeitarbeit nicht vernünftig bezahlt werde und es Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern für die gleiche Arbeit gebe, „solange gibt es keinen Konsens“, betonte Gabriel in der ARD.

Quelle: ARD

Mal abgesehen von der Tatsache, dass es die SPD war, die den Niedriglohnsektor ausgebaut und die Leiharbeit dereguliert hat, setzt Gabriel noch einen drauf. Den Forderungen der Parteillinken und der Jusos, die eine Anhebung des Rentenniveaus fordern, erteilte er eine klare Absage.

Diese Forderung würde rund 30 Milliarden Euro kosten, die die Beitragszahler aufbringen müssten. Zusammen mit Problemen im Bereich der Erbwerbsminderungsrente und den Erwerbstätigen, die zu niedrige Renten hätten, würden sogar Kosten von mehr als 40 Milliarden Euro entstehen. Das sei schlichtweg unbezahlbar.

Wäre die Rentenkasse eine Bank, würde man sagen: „Was, nur 40 Milliarden?“

Vielleicht erinnert sich Gabriel noch an den Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin), der in diesem Jahr noch einmal verlängert wurde. Er stützt derzeit Banken mit Hilfen in einer Gesamthöhe von 30,8 Milliarden Euro. Vor vier Jahren erblickte der Fonds binnen einer Woche im deutschen Bundestag das Licht der Welt. Damals sagten auch die Sozialdemokraten ja zu 480 Milliarden Euro.

Unbezahlbar? Diese Frage stellte damals keiner in der SPD, weil alle daran glaubten, dass die Banken systemrelevant seien und deren Rettung alternativlos. Die Rente hingegen ist ein System minderer Relevanz, wie es scheint. In dieser Sache weiß Sigmar Gabriel jetzt schon ganz genau, dass er sie nicht bezahlen kann. Deshalb habe es auch keinen Sinn, eine Wiederherstellung der Rentenformel den Wählern zu versprechen. Doch was will der Vorsitzende der SPD seinen Wählern anbieten? Mal wieder einen Kompromiss mit der CDU?

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Arnold  September 10, 2012

    Wenn man bedenkt, dass die 40 Mrd. für die Rentner praktisch umgehend zurück in die Wirtschaft fließen und somit neue Steuern generieren, während das Geld für die Bankenrettung fast komplett in irgendwelchen Fonds versackt, sind die Kosten der Renten sogar noch weit geringer anzusetzen als die bloße Zahl vermuten lässt.
    Vielleicht wären Nachilfestunden in Sachen Volkswirtschaft für Herrn Gabriel eine lohnende Investition. – Herrn Rösler und Frau Merkel könnte man gleich mit in den Kurs stecken.

  2. Kopfstaendler  September 11, 2012

    “ Doch was will der Vorsitzende der SPD seinen Wählern anbieten? Mal wieder einen Kompromiss mit der CDU? „

    Keinen Kompromiss – nur eine Neuauflage der Großen Koalition. Darauf arbeitet die SPD doch hin. Es war so kuschelig in der Großen Koalition von anno dunnemals. Man konnte sich als liebenswert darstellen, aber die CDU …… !

    Reisen im Windschatten eben!

  3. xyz  Dezember 2, 2012

    Vollzeit für alle ist unrealistisch. Die Rente muss wie in Holland vom Vollzeitzwang entkoppelt werden. Und wieso zahlen nur die Beitragszahler? Es muss mehr über Steuern cofinanziert werden – das ist anderswo auch so. Dann zahlen nicht nur die 27 Mio., von denen viele auch nur Schlechtverdiener sind. 70% der Niedriglöhner in DE sind Frauen. Diese verdienen auch mit Vollzeit und Mindestlohn von 10 Euro nicht genug für auskömmliche Renten. Das Witwenrentensystem in bisheriger Form ist auch nicht angepasst an neue Familienformen, viele Alleinerziehende, hohe Scheidungsraten etc.

    Sinnvoller wäre eine gute Grundrente für alle, egal ob Vollzeit oder Teilzeit (siehe Holland). Darüber hinaus kommen dann evtl. noch weitere Renten, je nach dem, manche haben ja Betriebsrenten.

    Die Menschen brauchen endlich Rechtssicherheit und ein Niveau mit dem man fest kalkulieren kann. Das deutsche Sozialversicherungssystem berücksichtigt weder den Wandel der Familienformen (ich bin z.B. mit 34 immer noch alleinstehend) noch die Tatsache sinkendes Arbeitsvolumen, Produktivitätssteigerung, Rationalisierung und Automatisierung.

    Es werden künftig noch mehr Stellen wegfallen durch EGovernment, SB-Kassensysteme im Handel, technischen Fortschritt. Evtl. wird sogar noch schneller automatisiert, um Kosten zu sparen.

    im Ausland wie Dänemark gibts schon die ersten Supermärkte, wo es keinen Kassierer mehr gibt. Da werkeln nachher nur noch 2 Leute pro Schicht ein bisschen im Laden rum. Technik war immer dazu da, die Arbeit zu erleichtern und Arbeitsaufwand zu reduzieren. Kann man nicht aufhalten mit Niedrigstlöhnen, das wäre wie Maschinenstürmen.

    stattdessen: Teilzeit für immer mehr, Umschulungen und Wieterbildungen für möglichst alle, Rente entkoppelt vom Vollzeiterwerbszwang und 45jähriger Betriebszugehörigkeit in einem Betrieb. DE hängt immer noch zu sehr einem alten, maskulinem Typus an: Vollzeitler mit kontinuierlicher Erwerbsbiographie in der gut zahlenden gewerblichen Wirtschaft im Betrieb von Ausbildung mit 16 an bis 65.

    Das ist nicht mehr zeitgemäß. Hollands Rentensystem ist darauf eingentlich besser eingestellt mit seiner entkoppelten Rente. Dann zahlt man mehr über Steuern, die Arbeitgeber kann man ja trotzdem beteiligt lassen mit den jetzigen Anteilen. Aber NUR noch über Sozialabgaben — das ist aus einer anderen Zeit und wird den Geringverdienern und Frauen auch nicht gerecht.

    die Gesellschaft muss sich mehr auf Umverteilung einstellen — von hohen Renten zu niedrigen, von Vollzeit auf Teilzeit für viele. Von Männern mit hohen Rentenansprüchen zu Frauen mit niedrigen.

    Deren Arbeit muss ja auch gemacht werden. Wenn man die Renten so weiterabsenkt, warum soll dann jemand noch Arzthelferin werden oder Krankenschwester? Wenn man damit Hartzer wird, lohnt doch nicht mehr. Am Ende steht eine Gesellschaft die Frauentätigkeiten nicht würdigt und die leistungsfeindlich ist und in der alle nur noch Beamte oder BWLer werden wollen.

    das Erwerbspersonenpotential ist in DE angestiegen, v.a. weil immer mehr Frauen arbeiten, oft in schlecht bezahlten Stellen. Viele Frauen wollen auch nur Teilzeit arbeiten und das sollte man denen auch zugestehen. Abgesehen davon: würden alle Vollzeit arbeiten wollen, dann hätten wir 13 Mio. Arbeitslose.

    Die Arbeitszeiten müssen sinken. Also kann man die Rente nicht nur über Vollzeiterwerbszwang finanzieren.