Die SPD freut sich derzeit. Liegt sie doch zusammen mit den Grünen in den Umfragen auf Bundesebene vorn. Forsa hat heute im Auftrag des Magazins Stern und des Senders RTL neue Ergebnisse präsentiert.
Aktuell wäre also ein rot-grünes Bündnis auf Bundesebene möglich. Aber auch nur, weil die FDP unter der Fünf-Prozent-Hürde bliebe. Die Verlässlichkeit von Forsa-Projektionen steht aber weiterhin im Zweifel. Selten lag das Institut an den realen Zahlen, wie sie sich bei Wahlen schlussendlich darstellten (siehe 6 Wahlumfragen im Vergleich). Bei Forsa-Chef Güllner muss man daher immer fragen, welche Absichten er mit seinen Veröffentlichungen verfolgt.
Zum Beispiel ist er entschiedener Gegner eines Bündnisses mit den Linken. Das hat er einmal mehr bei der NRW-Wahl zum Ausdruck gebracht.
Die SPD hat nur 20 von 100 Wahlberechtigten mobilisieren können – das sind die Treuesten der Treuen, mehr nicht. Es ist auch ein Märchen, dass die Person Hannelore Kraft besondere Wirkung entfaltet hätte. Die SPD-Anhänger haben Kraft in Kauf genommen, weil sie Jürgen Rüttgers nicht wollten. Und auch wenn das oft anders beschrieben worden ist: Es gab in NRW keine Wechselstimmung. Wenn Kraft nun auf dieser dürren Zahlengrundlage einen Anspruch auf das Amt der Ministerpräsidentin formulieren will, ist das nicht durch den Wählerwillen gedeckt. Ich glaube nicht. Bei allen Unterschieden zwischen Andrea Ypsilanti und Hannelore Kraft – die Wähler hätten wieder das Gefühl: Hier ist eine Frau auf dem Ego-Trip. Denn auch die SPD-Anhänger wollen kein Linksbündnis. Würde es Kraft trotzdem machen, würde sie die Sozialdemokratie nachhaltig schädigen.
Quelle: Stern
Der erklärte Schröderianer Güllner hat also ein Interesse daran, die Chance für ein rot-rot-grünes Bündnis als Alternative zum Einheitsbrei der etablierten Parteien, wo inzwischen jeder mit jedem den gleichen politischen Unfug umsetzen kann, kleinzureden und der Öffentlichkeit zu signalisieren, dass diese Option gar keine ist. Unter diesem Gesichtspunkt müssen Umfragen aus dem Hause Forsa immer wieder kritisch betrachtet werden. Klar ist, dass die Wähler der schwarz-gelben Koalition nicht mehr vertrauen und der anfängliche Rückhalt für diese Bundesregierung in einem atemberaubendem Tempo verschwunden ist. Doch was ist die Alternative? Für Güllner und andere auf gar keinen Fall ein Bündnis aus SPD, Grünen und den Linken.
An der aktuellen Umfrage stellt sich daher die Frage, ob die FDP tatsächlich unter der Fünf-Prozent-Hürde liegt. Würde sie nämlich im Bundestag vertreten sein, kann eine rot-grüne Regierung nur mit Duldung der Linken funktionieren, analog zu der Situation in Nordrhein-Westfalen. Liegt sie aber unter der Sperrklausel könnten SPD und Grüne die Regierung stellen. Man hätte dann einen gefühlten Wechsel herbeigeführt, aber die Fortsetzung der immer gleichen Politik gesichert vor allem mit Blick auf die Agenda 2010 und die Kriegspolitik.
Man muss sich das nur einmal vorstellen. Die SPD wähnt sich mit einer Zustimmung von 28 Prozent bereits wieder auf der Siegerstraße und gibt vor, bei den Menschen wieder anzukommen. In der Praxis aber wird nur allzu deutlich wie wenig bereit sie tatsächlich ist, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Im Bundestag hat man sich als Oppositionspartei relativ zügig mit CDU und FDP auf eine Grundgesetzänderung verständigt, um die bis dahin verfassungswidrig betriebenen Jobcenter zu legalisieren. In Nordrhein-Westfalen traut sich Hannelore Kraft nicht, auf die Linken zuzugehen, um die eigenen Wahlversprechen umzusetzen. All das zeigt, dass die SPD aber auch die Grünen keine Alternative sind, wenn sie allein regieren könnten.
JUL
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.