Sommervorführung des ZDF

Geschrieben von: am 13. Jul 2009 um 14:23

Gestern sollte Oskar Lafontaine vom ZDF-Vorzeigejournalisten Peter Frey interviewt werden. Dabei kam es zu einem bemerkenswerten Schlagabtausch zwischen einem parteiischen Meinungsmacher, der so tat, als würde er objektive Maßstäbe anlegen und „anständig“ sein und Oskar Lafontaine, der endlich mal die Kampagnenpolitik der Medien im Allgemeinen und beim ZDF im Besonderen zum Thema machte. Ich hätte mir da noch einen Zuschauer aus dem Off gewünscht, der mit Hilfe eines Zwischenrufes, man kennt ja sowas aus den Parlamenten, lautstark gegen Peter Freys grottige Vorstellung angegangen wäre. Aber man kann ja nicht alles haben. Dafür darf Peter Frey selber auf der Seite des ZDF zu dem arg entglittenen Interview Stellung nehmen und behaupten, die Angriffe Lafontaines seien ein Ausdruck von Schwäche. Frey habe quasi einen „Wunden Punkt“ getroffen. Man muss schon sehr weichgekocht in der Birne sein, es als journalistische Leistung zu verstehen, zwanzig Minuten damit zu vergeuden, einen Gesprächspartner mit der Wiederholung der immer gleichen falschen Behauptung provoziert zu haben.

Weil immer wieder behauptet wird, Oskar Lafontaine habe wortlos „hingeschmissen“, ohne zu erklären warum, dem sei bitte Lafontaines eigenes Buch „Das Herz schlägt links“ aus dem Jahre 1999 zu empfehlen. Darin legt er unmissverständlich klar, warum es zu diesem Schritt kam. Im Vorwort heißt es:

„Auch als der Rücktritt von einigen mir weniger wohlgesonnen Zeitgenossen so dargestellt wurde, als hätte ein pflichtvergessener Mensch einfach die Arbeit niedergelegt, änderte ich meine Auffassung nicht. Der Ministerrücktritt als politische Entscheidung ist ein fester Bestandteil demokratischer Kultur. Ein Minister sollte nicht nur dann zurücktreten, wenn die Medien ihn aufgrund eigenen Fehlverhaltens dazu drängen, sondern insbesondere dann, wenn er mit der Politik seines Regierungschefs oder seiner Regierung nicht mehr einverstanden ist. Doch dies scheinen Teile der deutschen Öffentlichkeit völlig vergessen zu haben.“

Oder auch nicht. Als Franz Müntefering zweimal „hinschmiss“, einmal als Vorsitzender der SPD, der seinen Kandidaten für den Posten als Generalsekretär 2005 nicht durchbekam und ein weiteres Mal als Vizekanzler, der aus familiären Gründen Ende 2007 zurücktrat, akzeptierten alle Medien dieses Vorgehen mit sehr viel Verständnis. Die Rückkehr Münteferings nur ein paar Wochen nach dem Tod seiner Frau im Sommer 2008 und vollends nach dem Sturz Kurt Becks im September 2008 wurde von den Medien als Großereignis inszeniert. Ihm wirft man nicht in zwanzig Minuten vor, alles „hingeschmissen“ zu haben, als es um die Wurst ging.

Oskar Lafontaine schreibt 1999:

„Unmittelbar nach meinem Rücktritt hatte ich nicht die Absicht, die Gründe darzulegen, die zu diesem Entschluss geführt haben. Die Verpflichtung zur Solidarität mit der eigenen Partei und ihrem Führungspersonal schien mir wichtiger als Klarstellungen. Sie werden allzuoft vom politischen Gegner missbraucht. Ich dachte an die Europa-, die Landtags- und Kommunalwahlen und wollte keinen Streit, der die Partei belastet hätte. Daher gab ich ein einige Tage nach meinem Rücktritt nur ein kurzes Interview, in dem ich im wesentlichen auf das schlechte Mannschaftsspiel der Regierung hinwies. Ich war der Auffassung, dass der Hinweis deutlich genug sei und die eigene Partei und die Anhänger der SPD sich durchaus ihren Reim darauf machen könnten. Hierin sollte ich mich täuschen.“

Denn unmittelbar nach Lafontaines Rücktritt am 11. März 1999 folgte am 8. Juni 1999 bereits in London die Vorstellung des Schröder-Blair-Papiers, in dem eine Änderung der Grundzüge rot-grüner Wirtschafts- und Finanzpolitik für die kommenden Jahre festgeschrieben wurde. Denn auf einmal trat an die Stelle des handelnden Staates, der Politik aktiv gestalten könne, die nebulösen Gebote einer globalisierten Welt, die den Staat zu ganz bestimmten Reformen zwängen. Die Durchsetzung eines solchen Glaubensdogmas kommt nicht über Nacht.
Lafontaine sagt bereits 1999 dazu:

„Wir hatten mit dem Versprechen einer anderen Politik, mit dem Versprechen, mehr soziale Gerechtigkeit in unserem Land zu verwirklichen, die Wahl gewonnen.“

Man kann es auch deutlicher sagen. Schröder konnte nach dem freiwilligen Rückzug Lafontaines aus der Regierung und aus der Partei den größten Wahlbetrug der bundesdeutschen Geschichte durchziehen, der die SPD noch auf viele Jahre hinaus lähmen wird. Wie sagte der Kanzler doch am 10. März in der Kabinettssitzung, eine wirtschaftsfeindliche Politik sei mit ihm nicht zu machen. Am nächsten Tag bereichtete Bild, Schröder habe mit Rücktritt gedroht und Lafontaine angegriffen. Es war also abzusehen, dass Lafontaine sich dem hätte fügen müssen, was in der Folge sehr rasch an Reformen eingeleitet wurde.

Gestern nun behauptet Peter Frey, dass Oskar Lafontaine einer der mächtigsten Männer der Republik gewesen sei, der politische Entscheidungen hätte herbeiführen können. Diese Unterstellung ist aus historischer Perspektive schlicht gelogen, wie auch das jämmerliche Anfügen des Beispiels, Lafontaine hätte die Änderung der Rentenformel ja zu diesem Zeitpunkt angehen können.

Antwort Lafontaine: „Sehen Sie, wenn Sie schon sagen, wir hätten die Rentenformel damals ändern können, dann sind Sie jetzt so tief in die Geschichte gegangen, dass Sie die Fakten nicht mehr präsent haben. Die Rentenformel war damals ausgezeichnet, die hätte ich gerne heute wieder.“

Ach ja. Vergleichen sie bitte auch die anderen Sommerinterviews im ZDF.

Sommerinterviews_Terminplan

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Jan Hanfeld  Juli 25, 2009

    Hier ein erhellender Zusammenschnitt des Interviews:

    Mit dem Zweiten propagiert man besser – Oskar Lafontaine im Sommerinterview

    Zitat Peter Frey [1:02 – 1:05]: „Wenn Sie mit dem ‚anständig‘ vielleicht mich gemeint haben, dann weise ich das zurück“

    Quelle:
    http://www.nachdenkseiten.de/?p=4091

    • adtstar  Juli 25, 2009

      Sehr schöner Zusammenschnitt. Jetzt müsste man dem noch einen entsprechenden Beitrag aus dem kommenden Merkelinterview gegenüberstellen, um die Deutlichkeit der Manipulation aufzuzeigen.