Heinemann: Herr Solms, was spricht gegen einen höheren Steuersatz bei einem Einkommen zwischen 53.000 und 250.000 Euro?
Solms: Die Steuerzahler sind heute schon extrem hoch belastet. Sie zusätzlich zu belasten, würde den Leistungsprozess stören und gerade diese Menschen, die besonders leistungsfähig sind, in hohem Maße weiter ins Ausland treiben. Das können wir uns einfach nicht erlauben. Man muss im Übrigen bedenken, dass die höheren Einkommensbezieher – also die zehn Prozent Bestverdienenden – über 50 Prozent des Steueraufkommens erbringen. Das heißt, die sind hochbelastet, mehr wäre einfach unvernünftig.
Heinemann: Sie sprechen von besonders Leistungsfähigen – nennen wir sie doch einfach mal besonders Reiche!
Solms: Nein, die sind nicht reich, sondern durch ihre Arbeit haben sie ein höheres Einkommen, weil ihre Arbeit so hoch geschätzt wird. Und genau das sind diejenigen, die die Arbeitsplätze für die anderen mitschaffen, die für den Aufschwung in Deutschland gesorgt haben, und die sollen für diese Arbeit nicht bestraft werden, sondern auch deren Arbeit muss sich weiterhin lohnen. Im Übrigen dürfen Sie nicht vergessen, dass heute diejenigen, die hohe Einkommen beziehen, schon – wenn sie Soli und Kirchensteuer obendrauf rechnen – mit rund 50 Prozent besteuert werden. Mehr ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten.
Quelle: dradio
Hermann Otto Solms fährt noch einmal das gesamte Repertoire längst widerlegter Behauptungen auf, wonach die Besser- und Bestverdienenden durch Steuern unglaublich hoch belastet seien und auf gepackten Koffern säßen, um das Land sofort zu verlassen, falls die Abgabenschraube nach oben gedreht würde. Warum sind die hoch Geschätzten und keinesfalls reichen Menschen eigentlich noch hier, wenn nach Solms eine steuerliche Hochbelastung längst Realität ist?
Damit könnte man schon schließen und die FDP bei ihren drei Prozent belassen. Doch sollte man noch einmal darauf hinweisen, dass die oberen 10 Prozent eben nicht über 50 Prozent des Steueraufkommens erbringen, sondern nur über 50 Prozent der Einkommenssteuer die mit weniger als 40 Prozent zum Gesamtsteueraufkommen beiträgt.
2010 betrug der Anteil der Steuern vom Einkommen 38,5 %; er verringerte sich damit seit 2000 um gut 5 Prozentpunkte und seit 1990 sogar um fast 8 Prozentpunkte.
Quelle: BMF
Das ist kein feiner, sondern ein elementarer Unterschied, weil der Anteil der indirekten Steuern mit 51,8 Prozent (für 2010) am Gesamtsteueraufkommen deutlich höher ist. Dazu kommt, dass die von Solms angeführten oberen 10 Prozent bei näherer Betrachtung nur einen Anteil von 37,9 Prozent am zu versteuernden Einkommen haben und über 60 Prozent des Gesamtprivatvermögens verfügen, wohingegen die unteren 70 Prozent nicht mal auf einen Anteil von 9 Prozent kommen.
Über die Hälfte des Steueraufkommens wird demnach über die Umsatzsteuer (33,9 Prozent), Energiesteuer, Versicherungssteuer, Tabaksteuer usw. bestritten, also Steuerarten, die nicht progressiv am jeweiligen Einkommen oder Vermögen, sondern absolut nach dem Modell einer Flat-Tax erhoben werden. D.h., dass Geringverdiener gemessen an ihren Einkommen deutlich höher belastet werden, als Besserverdiener, die von ihren Einkommen nur einen geringen Teil für den Konsum einsetzen müssen und den Rest sparen bzw. anlegen können.
Durch politische Entscheidungen wurde eine Verschiebung der Finanzierungsbasis des Staates zu Gunsten höherer Einkommensbezieher und Vermögender erreicht. Diese Entwicklung bleibt weitgehend unerkannt. Im Durchschnitt zahlen Besserverdienende auch nicht den Spitzensteuersatz, der gilt ja nur für einen bestimmten Teil des Einkommens.
Quelle: NachDenkSeiten
Umgekehrt profitieren höhere Einkommen auch von einer Senkung der Steuersätze in unteren Progressionszonen. Wenn man also nur Normalverdiener entlasten wollte, müsste Herr Solms und seine FDP die Spitzensteuersätze anheben, um nicht gleichzeitig eine viel stärkere Entlastung der Besserverdienenden im Vergleich zu den Normalverdienern auszulösen. Aber dieser angenehme Nebeneffekt käme den Liberalen und ihrer Klientel nicht wirklich ungelegen. Darüber sprechen tut man aus Imagegründen freilich nicht. Denn wie sagte der neue Parteifurzende und andere Jungliberale einmal. Es gehe nicht darum liberale Grundsätze aufzugeben, sondern sie so zu verkaufen, dass sie sozialer aussehen.
„Der FDP fehlen nicht kluge Konzepte in den verschiedenen Politikfeldern. Daran herrscht kein Mangel. Wir glauben aber nicht daran, dass eine Partei nur wegen sinnvoller Maßnahmevorschläge gewählt wird.
Sie erhält vielmehr Zustimmung, wenn sie mit einer positiven politischen Erzählung verbunden wird, die das Lebensgefühl der Menschen trifft und ihnen Hoffnung auf eine bessere Zukunft macht.“
Quelle: tautenhahn.blog
JUL
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.