Was hat das Senken von Löhnen mit sparen zu tun?

Geschrieben von: am 09. Feb 2012 um 12:11

In Athen wird immer noch über das Sparpaket verhandelt. Wie absurd dessen Inhalt ist, zeigen die Details, die Stück für Stück die Öffentlichkeit erreichen. So soll Griechenland vor allem zustimmen, die Löhne von Arbeitnehmern zu kürzen. Die Rede ist von einem drastisch sinkenden Mindestlohn und von einem Einfrieren der Einkommen in der Privatwirtschaft. Ziel der Übung soll sein, dadurch die Arbeitslosenquote von derzeit mehr als 19 Prozent auf 10 Prozent zu drücken.

Verlangt wird also das Einsparen von Arbeitslosigkeit. Denn für sich genommen, hat das Kürzen von Mindestlöhnen und Einkommen in der Privatwirtschaft überhaupt nichts mit der Haushaltkonsolidierung zu tun, die permanent als Ziel aller Bemühungen ausgegeben wird. Indirekt erhöht sich sogar die Belastung der öffentlichen Kassen, weil niedrigere Löhne ganz konkret auch niedrigere Steuereinnahmen bedeuten. Der Gedanke, der dieses Treiben bestimmt, entspringt zweifelsfrei dem neoliberalen Kartoffelmarktdogma, wonach das drastische Absenken der Löhne die Kosten der Unternehmen vermindere, den Wettbewerb dadurch verbessere und zudem Beschäftigung auf wundersame Weise gefördert werde.

Das Problem dabei ist nur, dass die griechische Wirtschaft wie auch alle anderen in der Eurozone an einer sich verstärkenden Nachfrageschwäche leiden, die politisch vor allem von Deutschland aus befördert wird. Denn wer an Einkommen und öffentlichen Ausgaben spart, spart auch an jenem Motor, der eine Volkswirtschaft antreibt. 

Insgesamt ist von Einsparungen in Höhe von 3,3 Milliarden Euro die Rede. Das Senken von Löhnen hat damit aber nun gar nichts zu tun und soll wohl davon ablenken, dass der Staat vor allem bei den Ausgaben für Renten und Sozialleistungen einsparen soll, die er ja der Logik nach erbringen muss, wenn er das Existenzminimum seiner Bürger garantieren will. Das Senken der Löhne soll dabei die Notwendigkeit eines Konjunkturprogramms ersetzen, für das nach herrschender Lehre kein Geld ausgegeben werden darf.

Am Ende wird der griechische Staat sich aber noch höher verschulden müssen, um das weitere Schrumpfen seiner Volkswirtschaft gegenfinanzieren zu können. Das ist nicht zuletzt auch als Ergebnis der ersten Sparmaßnahmen festzustellen, die das Land schon vorgenommen hat.

Deutscher Staatssekretär schiebt Frust

Für deutsche Bürokraten wie Thomas Steffen sind die andauernden Verhandlungen über den griechischen Selbstmord nur noch frustrierend. Sie wünschen sich einen zügigen Beschluss und stellen fest, dass seit dem Beginn der Krise kaum Fortschritte gemacht worden seien.

“Ich glaube, dass wir heute sagen können, dass wir seit 2010 wenig Fortschritte gemacht haben bei Griechenland”, sagte Steffen am Mittwochabend in Berlin, “erschreckend wenig Fortschritte”.

Quelle: Spiegel Online

Die Führung des Landes sei deutlich verbesserungsfähig und manchmal nicht auf dem “Niveau eines europäischen Landes”, meint der Staatssekretär, dessen Geist offenbar unterhalb des für diese Angelegenheit notwendigen Sachverstandsniveau schwebt. Sonst würde sich Herr Steffen an die Rolle seiner Chefin erinnern, die eine rechtzeitige Lösung der griechischen Misere aus innen- und parteipolitischem Interesse – es galt Landtagswahlen zu bestreiten – lange Zeit verweigerte und somit die Spekulation auf eine Pleite Griechenlands immer weiter anheizte.

Nun sollen nach dem Willen Deutschlands die Löhne in Griechenland sinken oder eingefroren werden. Wahrscheinlich aus der tiefen Überzeugung heraus, dass die Tarifautonomie ein wesentlicher Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft ist.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Ormuz  Februar 9, 2012

    Aber ich bitte dich, das hat doch hier auch ganz wunderbar funktioniert, seit dem hier auch fast ein Viertel aller Leute zu Mickerlöhnen arbeiten, haben wir hier doch auch Aufschwung wie verrückt :>

  2. Berlingonaut  Februar 10, 2012

    Der Hosenanzug wird Europa im Namen Deutschlands nach über sechzig Jahren wieder einmal ins Chaos stürzen, nur, dass es dieses Mal ohne Waffengewalt stattfindet. Und wieder einmal findet sich niemand, der das verhindern will.

    Ich verstehe aber auch die griechischen Politiker nicht: Es liegt doch klar auf der Hand, dass das Spardiktat kontraproduktiv wirkt. Ich bin kein Anhänger von Verschwörungstheorien, aber so langsam bekomme ich das Gefühl, hier herrscht Methode.

    • adtstar  Februar 10, 2012

      Man muss einfach sehen, dass den Menschen hier bewusst Sand in die Augen gestreut wird. Die griechische Regierung wurde bereits vorsorglich auf Druck von EU und Deutschland umgebaut. Papadimos ist von Haus aus Banker. Bei seiner Einsetzung wurde ihm gerade von deutscher Seite eine hohe Kompetenz angedichtet. Gewählt wurde er aber nicht.

      Beide Seiten arbeiten meiner Meinung nach Hand in Hand an einer Verschleppung der Krise. Das sieht man auch daran, dass der ehemalige Ministerpräsident Papandreou ebenfalls an den Verhandlungen teilnimmt.

  3. hubwenzl  Mai 14, 2012

    Ein sehr interessanter Beitrag!
    „Der Gedanke, der dieses Treiben bestimmt, entspringt zweifelsfrei dem neoliberalen Kartoffelmarktdogma, wonach das drastische Absenken der Löhne die Kosten der Unternehmen vermindere, den Wettbewerb dadurch verbessere und zudem Beschäftigung auf wundersame Weise gefördert werde.“

    Das ist wieder mal ein klassischer neoliberaler Denkfehler, dass niedere Löhne die Beschäftigung fördern würde. Bei dem Heer von Arbeitenden, die nur mickrige Hungerlöhne beziehen, müsste nach dieser Logik in ganz Europa Vollbeschäftigung herrschen. Die Wirklichkeit sieht wie wir wissen gänzlich anders aus, zum Beispiel in Spanien mit 25 Prozent Arbeitslosigkeit. Wahrscheinlich glauben an diese Theorie die neoliberalen Apologetiker selbst nicht, sondern behaupten das ideologiegerecht nur, weil sich so noch ungenierter ausbeuten lässt.

    Ich glaube auch, dass Europas Politiker hilf- und ratlos sind und die Krise von Griechenland nur verschleppen. Wie es jetzt aussieht kommt es im Juni in Griechenland zu Neuwahlen und die Sparpolitik eine entschiedene Absage. Griechenland hat dann die Chance nach einer folgenden Pleite von neu anzufangen. Schlechter wie jetzt kann es dem griechischen Volk ja nicht mehr gehen.

    Kaum zu glauben, dass Griechenland hauptsächlich auch in die EU aufgenommen wurde, weil es die „Wiege der Demokratie“ gewesen sei. Man kann das von den zuständigen Politikern nur als unverantwortlich bezeichnen, wenn man die wirtschaftliche Kraft, die Strukturen des griechischen Staates wissentlich außer acht gelassen hat, und die Staatsbilanz nicht genauer kontrolliert hat. Das ist so, wie wenn ein Autofahrer in einer Kurve überholen würde und sich denken würde, es wird schon gut gehen. Die europäischen Steuerzahler (besonders aus den „stärkeren“ Ländern, vorneweg die BRD) können diesen Unfug nun ausbaden.

    Merkel, Schäuble und Co. werden von dieser strikten Sparpolitik abrücken und für Wachstum sorgen müssen, auch wenn das etwas kostet. Wohin das Abwürgen der Wirtschaft, der Löhne und Pensionen geführt hat, hat man ja gesehen. Es kam so weit, dass Mütter ihre Kinder in Heime stecken mussten, weil sie diese nicht mehr ernähren konnten.

    „Écrasez l’infâme!“ – ein Spruch, dem ich auch zustimme, nicht nur auf die katholische Kirche gemünzt, sondern auch auf die Regierung der BRD.