Als ich zum erstem Mal von der „Schweinegrippe“ hörte, habe ich gedacht, jetzt hat man dem pandemischen Manager- und Politikerversagen einen Namen gegeben. Aber nein. Es ist doch ein neuer Influenza-Stamm, der sich bedrohlich durch alle Redaktionen frisst. Dahinter verschwinden die wahnwitzigen Schadenregulierungsversuche der Bundesregirung in Sachen Wirtschaftskrise zusehends. Und von wegen soziale Unruhen. Die sind doch nun passé. Wenn schon nicht die Krise den erhofften Zusammenhalt herstellt, der gerade von jenen Versagern eingefordert wird, dann doch mit Sicherheit die Angst vor einer weltweiten Killergrippe. Da sitzen wir doch alle im gleichen Boot. Manager, Politiker und der gemeine Pöbel. Es kann doch jeden treffen.
Vor allem die viel reisende Kanzlerin trägt doch ein erhöhtes Infektionsrisiko oder etwa nicht? Da müssen wir jetzt einfach mal abwarten. Schließlich nehmen es die Medien auch nicht so genau. Denn noch immer heißt es wie abgesprochen und unisono „Schweinegrippe“, dabei haben Schweine nun überhaupt nichts damit zu tun. Ginge es danach könnte man die „Schweinegrippe“ auch „Vogelgrippe“ nennen. Enthält der neue Virenstamm doch auch Gensegmente der bei uns so kläglich gescheiterten „Vogelgrippe“. Sie erinnern sich doch noch? Damals 2006. Da kamen auch die Zugvögel zurück und die Vogelgrippe war plötzlich weg. Komisch.
Doch nun haben wir es mit einem noch viel gefährlicheren Virus zu tun. Ist doch auch logisch. Bei dem Frühjahrsgutachten. Jetzt weiß ich übrigens auch, warum Olaf Scholz kürzlich Rentenkürzungen für die Zukunft ausgeschlossen hat. Mit der „Schweinegrippe“ löst sich das Problem vielleicht auf natürlichem Wege. Das muss man doch auch mal so glasklar sagen dürfen. Bei der Sachlage, die uns nun wochenlang als Top-Thema präsentiert werden wird. Da muss man die Szenarien im Kopf durchspielen. Das ist nachhaltige Politik, würde Münte jetzt vielleicht sagen.
Und so eine „Schweinegrippe“ macht sich natürlich auch gut im Superwahljahr. Perfektes Timing. Nicht so wie vor drei Jahren, als gar keine Wahlen stattfanden, weil Gazprom-Gerd der Vogelgrippe zuvor gekommen war. 2005 wütete die ja noch irgendwo in Asien. So schnell konnten die Vogelschwärme dann gar nicht reagieren. Dafür hat Gerd am Wahlabend eingrucksvoll vorgeführt, wie man eine Infektion mit was auch immer in positive Energie umwandeln kann. Es hat nur leider nicht ganz gereicht. Seinerzeit hatte vor allem Guido Westerwelle unüberwindbare Resistenzen ausgebildet.
Aber egal. Nun kann die Bundesregierung auftrumpfen und Handlungsfähigkeit demonstrieren. Wahrscheinlich werden jetzt wieder Unmengen des teuren Impfstoffs Tamiflu gekauft. Denn ausgerechnet der soll auch bei der neuen Todesgrippe helfen.
Na ja, subjektiv gesehen, gibt es Schlimmeres. Weisheitszähne zum Beispiel. Heute habe ich deren gleich zwei herausgebrochen bekommen. Sehr unangenehm. Vor allem wenn die Betäubung nachlässt und das Hirn einem signalisiert, dass die Nervenbahnen noch funktionieren. Oder das eigene Spiegelbild plötzlich die unglaubliche Ähnlichkeit zu einem Hamster offenbart. Aber das gehört hier eigentlich gar nicht her…
APR
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.