Schon wieder Fachkräftemangel

Geschrieben von: am 08. Dez 2010 um 18:35

Bevor wir uns mit dem Fachkräftemangel beschäftigen, sollten folgende Fragen von Gustav A. Horn, Leiter des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in der Hans-Böckler-Stiftung (IMK), aus der Frankfurter Rundschau beantwortet werden:

“Es ist auffällig, dass gerade in der Industrie bislang das Beschäftigungsniveau der Vorkrisenzeit nicht erreicht wurde. Da die seinerzeit beschäftigten Arbeitskräfte nicht alle spontan in Rente oder ins Ausland gegangen sein dürften, müssten sie noch auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sein. Warum werden sie nicht eingestellt ? Und überhaupt, warum steigt das Lohnniveau der Fachkräfte nicht, wenn sie denn so knapp sind ? Und warum verweigern sich die Firmen einer Übernahmegarantie für Auszubildende, wenn sie dadurch die angeblich fehlenden Fachkräfte an sich binden könnten ? Erst wenn diese Fragen zufriedenstellend beantwortet sind, kann glaubwürdig gejammert werden.”

So und nun zur Jammermeldung des ifo-Instituts:

Ab 2015 rechnen zwei Drittel der Unternehmen mit einer „mittleren“ oder „starken“ Verknappung von Fachkräften, ergab eine am Dienstag vorgestellte Umfrage des Münchner Ifo-Instituts unter den Personalleitern von 1500 Firmen. Ab 2020 befürchten dies sogar 71 Prozent. Aktuell geben 40 Prozent der Unternehmen an, dass sie Schwierigkeiten bei der Besetzung von Stellen haben.

Ich halte mich zwar nicht für eine Fachkraft, aber neulich habe ich mich auf eine Stelle beworben, die über das Jobportal der Arbeitsagentur ausgeschrieben war und habe folgende Antwort vom Urheber der Anzeige erhalten.

Leider können wir Ihre Bewerbung nicht berücksichtigen.

Wir sind eine private Arbeitsagentur, benötigen einen Vermittlungsgutschein, den Sie nur erhalten, wenn Sie arbeitslos und bei einem Leistungsträger gemeldet sind.

Tolle Begründung. Man hätte auch schreiben können, wenn wir sie einfach so vermitteln würden, springt ja für uns nichts dabei heraus. Insofern Pech gehabt. Das man so etwas noch für seriös hält, ist mir ein Rätsel. Ich bin ja nicht arbeitslos, sondern nur in einem Beruf unterbeschäftigt tätig, der nicht meiner Qualifikation entspricht und würde daher gerne wechseln, weil ich gehört habe, dass ein großer Fachkräftemangel besteht. Aber so wie es aussieht, haben auch arbeitssuchende Beschäftigte ganz schlechte Karten. Laut statistischem Bundesamt wünschen sich ja rund neun Millionen Menschen in diesem Land mehr Arbeit.

Insgesamt 8,6 Millionen Menschen in Deutschland würden gerne mehr arbeiten, als sie es derzeit tun. Für die Betroffenen bedeutet der unerfüllte Wunsch nach Arbeit oder Mehrarbeit mitunter starke Einbußen in der Lebensqualität. Für die Volkswirtschaft ist es ungenutzte Arbeitskraft.

Die Zahl der Menschen mit unerfülltem Arbeitswunsch setzt sich aus unterschiedlichen Personengruppen zusammen. Neben den Erwerbslosen spielen bei der Diskussion um ungenutzte Arbeitskapazitäten noch unterbeschäftigte Erwerbstätige und Personen in der sogenannten Stillen Reserve eine Rolle.

Ob die Wirtschaft diese Tatsache einfach wissentlich ausblendet?

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Careca  Dezember 8, 2010

    Ich versteh einfach nicht, wieso der Fachkräftemangel nicht endlich mal als Fakt eingesehen wird. Er existiert! Zum Beispiel auf den Posten der Personalleiter, wie das ifo selber schreibt. Ja, denn es scheint wirklich an Fachkräften bei den Personalleitern zu fehlen. Warum stellen Firmen nicht mal Leiter ein, die fähig sind? Und was ist mit den ganzen Bankenmitarbeitern? Waren das etwa Facharbeiter, als die die Zukunft verzockten? Und was ist mit den Stellen im Regierungsbezirk in Berlin? Ich sag nur: „Fachkräftemangel“. Mal ehrlich: Würde ein Wirtshausbesitzer einen Alkoholiker als Geschäftsführer installieren und dann mit erhöhten Einkünften rechnen? Genau. Niemand würde das. Außer die Personen, die nicht vom Fach sind, also einen Mangel an Fachkraft jederzeit glauben, beweisen zu müssen. Viele Manager und viele Politiker.

    In der Automobilbranche brummt es inzwischen wieder brutal. Die Ergebnisse vom Frühjahr 2008 sind längst wieder erreicht. BMW und Volkswagen werden im Dezember nur an den Feiertagen nicht arbeiten lassen.
    In einer mir bekannten Firma wurden Anfangs 2008 Überlegungen getätigt, die Wochenarbeitszeit auf 45 Stunden die Woche hochzuziehen. Als die Fieberschübe beim Anblick der wegbrechenden Aufträge im September/Oktober 2008 einsetzten, wurden in der Folge 2009 die Belegschaft um 23% verringert: Arbeitnehmer wurden „ausgestellt“, „in Transfergesellschaften überführt“, Leiharbeiter nicht mehr benötigt. Kurzarbeit wurde eingeführt, es kam zur 35 Stundenwoche. Dieses Jahr zog die Auftragslage an. Die Kurzarbeit wurde schnell beendet und die 40 Stundenwoche wieder schnell eingeführt. Die ehemaligen Fachkräfte – zuvor von der Firma ausgestellt oder in Transfergesellschaften überführt – tauchten urplötzlich wieder in der Firma auf: als Leiharbeiter mit einem Stundensalär von mindestens 4 Stunden-Euro weniger als deren vormalige, nicht ausgestellte Kollegen. Eine Übernahme zu Firmenkonditionen wird den ehemaligen Fachkräften, jetzigen Leiharbeitern versprochen, wenn sie genügend Engagement zeigen. Zugleich stimmen aber die Manager in das Jammerlied der „fehlenden Fachkräfte“, dem „Fachkräftemangel“ ein. Die Verärgerung in der Firma ist vorhanden: die einen (Leiharbeiter) sind sauer, weil sie sich trotz ihrer jahrelangen Erfahrung in der Firma beweisen müssen, die anderen (Beschäftigte) befürchten, dass ihre Arbeitsleistung finanziell herab gestuft wird, weil selbst die der Leiharbeiter nicht gleich honoriert wird.

    Und an dieser Stelle die Schleife zu einer Meldung im Oktober, als andere „Fachkräfte“ die 45 Stundenwoche als unvermeidlich als Diskussionsvorgabe in die Medien warfen.

    Es fehlen in diesem Land ausgebildete Ingenieure, wird von einschlägiger Seite kolportiert. Ist das so? Selbst fertig ausgebildete Ingenieure machen noch immer am Anfang ihrer Berufslaufbahn, kostenlose Jahrespraktika oder steigen zu Löhnen in den Job ein, wo es an Attraktivität fehlt. Und dann kommt noch hinzu, dass der gut ausgebildete Dipl.Ing. in der Tat eine aussterbende Berufsgattung dar stellt. Denn weil es die Politik forderte (kürze Studienzeiten, schnellere Abschlüsse), wurde der „Bachelor“-Studiengang eingeführt. So eine Art Instant-Studiengang. Was dann weniger wundert, ist dass die „Bachelor“-Ingenieure aufgrund ihrer schlechteren Ausbildung erst einmal als preisgünstige Praktikant auf Stand der Technik gebracht werden. Merkelchen hatte in ihrem letztwöchigen Podcast bejammert, dass es so wenige Ingenieure gäbe und u.a.a. die von der Regierung ins Leben geprügelte Initiative „Girls-Day“ hervor gehoben. Aber das gibt es schon seit mehreren Jahren und sollte so etwas Keime setzen, die spriessen sollten, dann kommt garantiert eine Schröder oder Hermann daher und rasiert diese Bestrebungen mit dem eigenen gehegten und gepflegten Fachkräftemangel …

    Bildung kostet. Den unteren Schichten in Relation mehr als den mittleren oder oberen Schichten. Deshalb streicht man auch unten herum, reglementiert Hartz-IV auf niedrigstem Niveau und beklagt sich nachher über gescheitertes MultiKulti, brutale Hauptschulverhältnisse und arbeitslose Jugendliche. Denn man will eine dumme breite Unterschicht, die recht einfach zu steuern ist und erwartet dafür von anderen Gunstbezeugungen und opportunistische Dankbarkeit.

    Nur dumme kann man für dumm verkaufen. Zum Beispiel durch Leute, bei denen ein Mangel an Fachkraft augenfällig ist …

    • Einhard  Dezember 9, 2010

      Du sprichst mir aus der Seele

  2. Careca  Dezember 27, 2010

    Fachkräftemangel zu Weihnachten:

    http://www.hannes-comix.de/mappe/xmas/weihnachtshase.jpg

    :>>

  3. Peter Pan  Februar 19, 2011

    Ich glaubte bisher nicht an die Wiedergeburt !

    Aber er ist wiedergeboren unsere Herr Propagandaminister

    Goebels. ( Brüderle ) Der Alkohol auf den Weinfesten

    hinterlässt deutliche Spuren !

    Das (Schulden)Wachstumsbeschleunigunggesetz hat den Banken

    Hotelbesitzern und Autoherstellern aber nicht der Umwelt.

    geholfen ! :-)) Wachstum wo und für wen ?