Schäuble will kein Volkswirt, sondern Kaufmann sein

Geschrieben von: am 26. Jan 2014 um 0:58

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will in seinem Amt ein vorsichtiger Kaufmann sein. Die Medien nehmen es hin und applaudieren sogar, wenn er verspricht, im Jahr 2015 keine neuen Schulden mehr aufnehmen zu wollen (Wie oft hat das ein Finanzminister schon versprochen?). Doch was ein vorsichtiger Kaufmann im Bundesfinanzministerium zu suchen hat, interessiert niemanden. Nur wird in diesem Haus keine Fachkraft für Betriebswirtschaft benötigt, sondern jemand, der volkswirtschaftliche Zusammenhänge versteht und danach handelt. Das tut Schäuble aber nicht.

„Ich werde wie bisher nach den Prinzipien eines vorsichtigen Kaufmanns wirtschaften. Dass es geht, haben wir in den letzten vier Jahren bewiesen. Wenn es keine dramatische Verschlechterung der wirtschaftlichen Entwicklung gibt, bin ich zuversichtlich, dass es uns auch in diesem Jahr gelingt, mit weniger als geplant auszukommen.“

Vor ein paar Wochen traf Schäuble seinen amerikanischen Amtskollegen Jack Lew und verteidigte auf abenteuerliche Weise einmal mehr die deutschen Exportüberschüsse. Er sagte, dass das amerikanische Defizit nicht besser würde, wenn ein europäisches Defizit hinzukäme. In Davos erneuerte er nun diese eigenwillige Sicht der Dinge. Er akzeptiere die Kritik nicht und bezeichnete die Empfehlung des EU-Kommissars Rehn, wonach die Inflation in der Eurozone bei knapp zwei Prozent liegen sollte, um die wirtschaftlichen Probleme in den Griff zu bekommen, als Unsinn. Das, so Schäuble, würde ja bedeuten, dass Europa nur auf der Basis von Instabilität und Inflation funktioniere.

Inflation gleich Instabilität. Das ist ein weiterer Tiefpunkt in der Diskussion, die so arm an volkswirtschaftlichen Sachverstand ist. Die ominösen zwei Prozent Inflation sind ja nicht aus der Luft gegriffen und haben auch nicht viel mit Wahlkampf zu tun, wie Schäuble unseren hörigen Medien in die Blöcke diktiert, sondern gehen auf eine Zielvereinbarung zurück, die einzuhalten sich auch Deutschland bei der Gründung der Währungsunion verpflichtet hat. Worauf sonst sollte sich eine Währungsunion auch verständigen, wenn nicht auf eine Harmonisierung der Lohnstückkostenentwicklung, die die Inflation bestimmt?

Die Instabilität rührt schließlich nicht vom Inflationsziel her, sondern davon, es nicht einzuhalten. Schäuble findet offenbar Gefallen daran, wenn die Inflationsrate, wie zuletzt gemessen, bei unter 1 Prozent liegt. Denn die Deutschen fürchten Inflation so sehr, dass sie die Deflationsgefahr gar nicht mehr erkennen wollen oder können, die Europa inzwischen erfasst hat. Selbst die anhaltend niedrigen Zinsen der Zentralbank, die es ja nur deshalb gibt, weil die Rolle des Schuldners niemand mehr übernehmen möchte, zeigen das Ausmaß der Misere, die zu erkennen und zu bekämpfen aber mehr verlangt, als die Kurzsichtigkeit eines deutschen Finanzministers.

Der sähe es hingegen gerne, wenn alle sparen so wie er, irgendwann einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen und am Ende keine neuen Schulden mehr machen würden. Dann, so Schäubles Überzeugung, stünden auch die anderen wirtschaftlich so gut da wie die teutonische “Wachstumslokomotive” mit ihren lächerlich mickrigen 0,4 Prozent BIP-Zuwachs im abgelaufenen Jahr. In diesem desaströsen Klima der verordneten Sparsamkeit investiert nur niemand mehr, obwohl gerade Schäuble und die deutsche Wirtschaft weiterhin darauf hoffen. Sie haben ja bis jetzt auch davon profitiert. Denn ohne die Schuldner des Auslands, die man mit erhobenen Zeigefinger ordentlich beschimpft und maßregelt, gäbe es keinen Exportüberschuss, den man bejubeln könnte.

Einem Volkswirt mit makroökonomischen Sachverstand wäre das wohl klar, einem studierten Juristen, der gern ein Kaufmann sein möchte aber nicht. Der hat zu komplizierten ökonomischen Sachfragen nämlich nix zu sagen, und flüchtet sich daher ins Prozedurale, sagt Heiner Flassbeck.

Klar, wenn einer etwas Blödes tut, wird es nicht besser, wenn ein anderer das Gleiche tut, würde ein Jurist sagen. Dass ein europäisches Defizit vermutlich einen amerikanischen Überschuss erlauben würde, und dass ein solcher Überschuss nach vielen Defizitjahren auch gerechtfertigt sein könnte, kommt einem Juristen nicht in den Sinn. Und es kann ihm nicht in den Sinn kommen, wenn ihm niemand klipp und klar sagt, dass die Welt insgesamt keine Überschüsse oder Defizite aufweisen kann und man deswegen nicht so daherreden sollte, wenn man sich nicht lächerlich machen will. Wer aber soll Wolfgang Schäuble das sagen?

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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