An Stelle der S21-Gegner wäre ich schon längst aufgestanden und gegangen. Aber auch dann könnte die Bahn/Landesregierung sagen, die wollten gar nicht verhandeln. Die Strategie der Bahn wird im dritten Schlichtungsgespräch sehr schön deutlich. Man versucht die Gegner vorzuführen oder zur Aufgabe zu zwingen. Eine Fachschlichtung ist das nicht! Auch der Moderator Geißler ignoriert ständig, dass die Bahn Millionen und Milliarden-Beträge erhalten hat, um schöne Folien, Expertisen und Behauptungen einzukaufen. Die Gegner hatten nicht die Mittel. Trotzdem sollen sie Alternativen nennen, womit die Zuschauer etwas anfangen können.
Man diskutiert gerade über die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm, die Bestandteil des Gesamtprojekts ist, das Kosten/Nutzen-Verhältnis, Trassenpreise und über einen Porsche und mehrere VW-Golf. Aber über das eigentliche Thema, nämlich K21, wird bis jetzt noch nicht geredet.
Es fällt auf, dass die Bahn diese Diskussion mit Provokationen absichtlich zu torpedieren versucht, in dem der Bahn-Vorstand Kefer nach der Mittagspause mehrfach behauptete, dass es einen Konsens zwischen den Streitenden gäbe hinsichtlich der Notwendigkeit einer Hochgeschwindigkeitsneubaustrecke. Seit dem geht es um die Frage, ob die Neubaustrecke wirtschaftlich sei oder nicht. Am Ende heißt es Uneinigkeit ohne Alternativangebot auf Seiten der Bahn/Landesregierung. Sehr schön. Den schwarzen Peter über Stunden an die Gengner weitergereicht. Die Schlichtung zeigt, wie in den gehobenen Kreisen getrickst und getäuscht wird, um den Gegner dumm aussehen zu lassen, ohne eigene schlüssige Argumente vortragen zu müssen.
Dass das gesamte Projekt immer noch ein dümmliches Vorhaben ist, steht gar nicht zur Debatte, obwohl der Schlichter Geißler permanent unterstellt, dass es die Zuschauer interessieren würde, welche Alternativen die Gegner anzubieten hätten. Die Zuschauer, die noch da sind, dürfte wohl eher interessieren, mit welcher Selbstgefälligkeit die Bahn/Landesregierung Steuermittel in die Hand nimmt und behauptet, sie sinnvoll in eine Verkehrsinfrastruktur zu stecken, die auf breite Ablehnung trifft, weil man nicht ehrlich gegenüber der Öffentlichkeit war.
Die meisten Zuschauer dürften wahrscheinlich gar nicht mehr zum Klientelbereich der Bahn gehören. Die Bahn begreift sich nämlich noch immer als Konkurrenz zum Flugverkehr. Und auch Stuttgart 21 soll in diesem Zusammenhang einen Beitrag zur Konkurrenzfähigkeit der Bahn leisten. Mal abgesehen von dem Unsinn, dass sich nach den milliardenschweren Bauvorhaben deutlich mehr Fahrgäste realisieren ließen, mit denen sich die Kosten, bei angeblich konstanten Fahrpreisen, so Frau Gönner vollmundig, wieder einspielen ließen, hätte vielleicht einer klarstellen sollen, dass es nicht Aufgabe der Bahn ist, konkurrenzfähig zu sein, sondern Menschen und Güter in der Fläche zu transportieren.
Aber davon sind wir ja schon seit der Wandlung von der Behörden- zur Börsenbahn weit entfernt. Wenn ich mir den Rechts- und Wortverdreher sowie Dummschätzer Kefer anschaue, der als leitender Angestelter bei der Bahn tätig ist und sich aufspielt, als müsse er neben Geißler die Diskussion leiten, dann wünscht man sich doch den Beamten zurück, der wenigstens klar Auskunft erteilen musste, weil er als Staatsdiener dazu verpflichtet war. Der Manager Kefer kann genauso wie Ministerin Gönner straffrei behaupten, was er will. Er haftet ja nicht, wenn sich in zehn Jahren herausstellt, dass alle Behauptungen, die teuer eingekauft wurden, falsch waren.
Kefers Salär orientiert sich nämlich nicht am passenden Kosten/Nutzen-Verhältnis eines Bahnprojekts, sondern am Ergebnis des Gesamtkonzerns. Und wenn Herr Kefer und Herr Grube dafür mit der Bahn auf dem Mond fahren müssten, um den dort lebenden Staubkörnern Versicherungen zu verkaufen, würden sie auch dies tun und das in einer öffentlichen Anhörung mit PR-mäßig vorgetragenen Schwachsinnsbehauptungen gekaufter Gutachter auch noch selbstsicher vertreten.
Das Ganze ist und bleibt eine Farce, die in erster Linie ablenken soll. Einige Unionspolitiker haben diesbezüglich schon die Nerven verloren und Protestteilnehmer übel beschimpft. Vielleicht will man in den Schlichtungen nun die S21-Gegner provozieren, es den verantwortungslosen S21-Befürwortern gleichzutun. Manchmal hat man auch das Gefühl, als würde bald eine Beleidigung durch den Raum fliegen…
NOV
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.