Regiert vom organisierten Geld

Geschrieben von: am 26. Jan. 2012 um 10:17

“Vom organisierten Geld regiert zu werden, ist genauso schlimm wie vom organisierten Verbrechen regiert zu werden”, sagte Sahra Wagenknecht heute Vormittag im Deutschen Bundestag. Um einzelnen Protesten aus dem Plenum gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen, fügte sie umgehend an:

“Meine Damen und Herren vom Verfassungsschutz: Sie müssen diesen Satz nicht mitschreiben. Er stammt nicht von einem Kommunisten – sie sagen Blödsinn – dieser Satz stammt von dem amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt. Und FDR hat den Satz nicht einfach nur dahergeredet, sondern er hat die Konsequenzen gezogen, indem er in seiner Regierungszeit den Finanzsektor massiv reguliert hat.”

Quelle: Bundestag

Sahra Wagenknecht hat es erneut geschafft, in der Debatte um neuerliche Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzmarktes, die Widersprüchlichkeit auf den Punkt zu bringen. Milliarden werden für Banken zur Verfügung gestellt und auf der anderen Seite bei den Menschen und der Infrastruktur gekürzt.

“Die Idee, sich das Geld von den Banken zurückzuholen, die wieder Boni ausschütten, liegt völlig außerhalb der Vorstellungskraft dieser Bundesregierung.”

Laut einer Schätzung von Peer Steinbrück hätte die Deutsche Bank beispielsweise 30 Mrd. Euro abschreiben müssen, wenn ihr nicht die Staaten mit ihren Rettungsmaßnahmen (IKB, HRE, AIG) unter die Arme gegriffen hätten.

Das Beispiel Commerzbank, bei der der Bund mit 18 Mrd. einstieg, auf Stimmrecht und Zinsen aber verzichtete, sei ein Beleg für die Harakiri-Politik der Bundesregierung. Die Commerzbank schreibe nämlich schon längst wieder Gewinne, Zinsen für die stille Einlage des Bundes zahle sie aber noch immer nicht. Eine abenteuerliche Konstruktion, meint Wagenknecht, mit der dem Bund mindestens 2 Mrd. Euro an zusätzlichen Einnahmen verloren gingen.  

“Mit diesen 2 Mrd. Euro hätten sie übrigens 20 Jahre lang, ohne Probleme, für alle Wohngeldempfänger in Deutschland den Heizkostenzuschuss zahlen können. Aber sie brauchen ja keinen Heizkostenzuschuss zu zahlen, weil der ja wegen unerbittlicher Sparzwänge von dieser neoliberalen Koalition mal eben gestrichen wurde. Den konnte man sich nicht mehr leisten.

Das zeigt doch offensichtlich: Wir müssen scheinbar immer nur deshalb sparen, um uns immer wieder solche Rund-um-sorglos-Pakete für die Banken leisten zu können.

Zum Schluss verwies Wagenknecht darauf, dass eine Behörde wie der Verfassungsschutz durchaus etwas zu tun hätte. Der könne sich nämlich um Leute kümmern, die zum Zwecke der Bankenrettung das Budgetrecht des Parlaments einschränken oder umgehen wollen oder um die, die der Meinung seien, dass parlamentarische Prozesse eigentlich nur stören, wenn sie denn die Märkte beunruhigen.

“Oder um die, die ins Gespräch bringen, dass wir plötzlich eine marktkonforme Demokratie brauchen. Keine dieser Absurditäten ist im Grundgesetz vorgesehen. Sie widersprechen ihm sogar ausdrücklich!”

Im Anschluss an Sahra Wagenknechts Äußerungen konnte sich der Bundesminister der Finanzen, Wolfgang Schäuble, die Feststellung nicht verkneifen, dass sie wohl die Überwachung anderer Parlamentarier durch den Verfassungsschutz wünsche. Im Übrigen blieb der Finanzminister auch auf Nachfrage die Zahlen schuldig, die der Finanzmarktstabilisierungsfonds SoFFin bereits durch die Bankenrettung verloren hat. Die stünden abschließend noch nicht fest, hieß es von Schäuble lapidar, der nach eigener Aussage eine unnötige Verunsicherung vermeiden wolle. Vertreter von SPD und Grünen gaben jedenfalls an, die Zahlen öffentlich nicht nennen zu dürfen. Das spricht Bände.  

EDIT: Die Neuauflage des Ende 2010 stillgelegten Bankenrettungsfonds SoFFin ist beschlossene Sache. Der Bundestag billigte in Berlin mit der Mehrheit der schwarz-gelben Koalition die bis Jahresende befristete Reaktivierung des 480 Milliarden Euro schweren Hilfsfonds. (Quelle: Augsburger Allgemeine)

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Joseph  Januar 27, 2012

    Sarah for President!

  2. rainer1  Januar 27, 2012

    …..Wagenknecht und Weisband……wär das nicht eine Kombination?

  3. Anonym  Januar 27, 2012

    •Was nützt eine noch so schlüssige Argumentation, wenn selbst die „Opfer“ dieser Politik ihre „Täter“ immer wieder wählen?
    Sie attestieren der Wagenknecht wie Recht sie doch hat und verweigern ihr dennoch das Vertrauen, mit dem Stammtischargument: „Wenn sie an der Macht ist, macht sie ´s auch nicht besser“.
    Gegen diese Dummheit scheint kein Kraut gewachsen zu sein.

  4. Oller  Januar 27, 2012

    Manche scheinen zu glauben, daß Verbrecher das Wohl ihrer Mitmenschen inm Auge haben. In sofern dürfen die Handlungen des organisierten Geldes und ihrer Erfüllungsgehilfen in den staatlichen Organen aber nicht als falsch oder inkompetent sondern müssen als in ihrem Sinne richtig und zielführend angesehen werden.

  5. zdago  Januar 27, 2012

    Einmal davon abgesehen, daß die Bananenrepublik keine verfassung sondern ein Grundgesetz (der Besatzer) für die BRD.
    Insofern gibt es keine Verfassung zu schützen.

    Und ein bekannter Grundgesetzfeind ist doch wohl Wolfgang Schäuble, der dieses Gesetz umschreiben will, um seine bisher ungesetzlichen Vorhaben scheinlegal zu machen.
    Und als grundgesetzfeinde sehe ich auch die Politiker, die in der Vergangenheit dieses Vrundgesetz nach ihrem Gusto beliebig verändert haben – sozusagen ein Grundgesetz der Beliebigkeit!

    Wo bleiben das „Verfassungsschützer“ und Beobachter?
    mfg zdago

    • 230343  Januar 27, 2012

      Hallo, die Annahme, dass die BRD keine Verfassung hat, ist falsch. Nach der Wende wurde im Bundestag abgestimmt, ob das alte GG als Verfassung weiter geführt werden könne. Es wurde angenommen und so ist unser GG auch unsere Verfassung.

      Dass hin und wieder verändert wird, liegt an der Tatsache, dass sich auch Sachverhalte verändern und diese angepasst werden können/sollen. Beliebig geht auch nicht. Es braucht Mehrheiten.
      Es ist aber auch richtig, dass politische Strömungen versuchen, ihre Sicht der Dinge auch verfassungsmäßig zu zementieren oder es durch kleinere Gesetze ohne Mehrheiten durchzusetzen versuchen, quasi am GG vorbei.

      • zdago  Januar 27, 2012

        @wurde im Bundestag abgestimmt,

        eine Verfassung wird vom Volk angenommen – nicht vom Bundestag. Der Bundestag .. K A N N .. kein Grundgesetz zu einer Verfassung umfirmieren – das ist nur orwell’sches Neusprech.
        Es hat die gleiche Bedeutung, wie die von Banken und Konzernen die gedichteten Gesetze – in einem Rechtsstaat Null und Nichtig – weil sie nuicht vom Chef signiert sind !
        Auf diese Art werden Politiker nur zu kriminellen Diktatoren, deren Legalität auf den Gewehrläufen ruht – und der Dummheit der Bürger !
        mfg zdago

  6. W-Cross  Januar 27, 2012

    Es kommt der Tag da wird sich wenden das Blatt für uns
    er ist nicht fern.
    Da werden wir das Volk beenden den großen Krieg der großen
    Herren.
    Es wird der Tag doch wann er wird, hängt ab von mein und
    Deinem Tun.
    Drum wer noch nicht mit uns marschiert, der mach sich auf
    die Socken nun!
    (Nach Brecht)