Im Regelbetrieb hat Aufklärung nicht mal Teststatus

Geschrieben von: am 23. Jul 2013 um 7:59

Der Chef des Bundeskanzleramtes Ronald Pofalla ist ja bekannt für seine verbalen Ausraster. So soll er seinen Parteifreund (*lach) Wolfgang Bosbach im Anschluss an eine Sitzung der NRW-Landesgruppe vom 26. September 2011 mit den Worten angegriffen haben. “Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen.” Damals ging es um die Zustimmung zum EFSF, also dem erweiterten europäischen Rettungsschirm, über dessen unbedeutende Details wie die Höhe des deutschen Anteils an den Kreditbürgschaften viele Abgeordnete wenig wussten, wie ein Panorama-Beitrag von damals zeigt.

Panorama, 30.09.2011

Wolfgang Bosbach hatte seine Ablehnung des Gesetzes mit der im Grundgesetz garantierten Entscheidungsfreiheit von Abgeordneten begründet. Daraufhin soll Pofalla erwidert haben. „Ich kann den Scheiß nicht mehr hören.” Grundgesetz ist scheiße. Vielleicht erklärt ja das, warum Pofalla, der gleichzeitig Geheimdienstkoordinator ist, seit mehreren Wochen zum aufgedeckten Abhörskandal schweigt und sogar auf verbale Entgleisungen verzichtet. Immerhin soll es ja jetzt eine umfangreiche Prüfung geben, nachdem bekanntgeworden war, dass deutsche Geheimdienste eine US-Spähsoftware mit dem Namen “XKeyscore” verwenden.

Das ganze läuft dann auch noch unter dem absurden Label, zügige Aufklärung, die aber erneut dadurch gekennzeichnet ist, nur das auch zuzugeben, was bereits bekannt ist. So wie der neue Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, der zu Beginn des Monats noch behauptete, das ihm und seiner Behörde keine Informationen über die Abhörpraktiken der USA vorliegen würden. Jetzt räumt er aber kleinlaut ein, dass die Spähsoftware der NSA “XKeyscore” zu Testzwecken (*doppellach) eingesetzt werde.

Im Regelbetrieb von Politik und Geheimdiensten hat Aufklärung nicht mal einen Teststatus. Dort wird die Wahrheit lieber geschreddert, wie es scheint. Und das Volk? Das interessiert sich für andere Dinge, wie die Geburt eines noch namenlosen Kindes auf der britischen Insel.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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