Rainer Brüderle: Der wandelnde Regierungswiderspruch oder die Fortsetzung des (Un)Sinns

Geschrieben von: am 27. Jul 2010 um 19:01

Ich sage es ganz offen. Es gibt keine dümmere Sau in der Regierung als Rainer Brüderle. Das ist keine Beleidigung, sondern Realität. Denn kein Minister kann es sich erlauben, erst die Rentner zu verunsichern, in dem er ihnen mit dem Streichen der Rentengarantie Einkunftskürzungen androht und dann einen Tag später allen ernstes zu behaupten, dass der private Konsum im Laufe des Jahres aufgrund erneuter Klimamessungen der GfK ansteigen werde.

Karikatur von Klaus Stuttmann
Quelle: Klaus Stuttmann

Da wird Psychologie mit Psychologie geschlagen oder einfach Dummheit mit noch größerer Dummheit. ich weiß es nicht. Aber noch schlimmer als Rainer Brüderle sind die Medien, die den GfK-Konsumklimamüll genauso hochjubeln wie den „Partylaune“-Schwachsinn des Professor (Un)Sinn vor ein paar Tagen (siehe hier im Blog). Zunächst einmal ist die Messung einer Verbraucherstimmung ebenso blödsinnig wie die Befragung von 7000 Unternehmern nach deren Erwartungen. Beides hat mit der Realität überhaupt nichts zu tun. Wetten, dass das statistische Bundesamt in der nächsten Woche wieder einen Rückgang der Umsätze im Einzelhandel vermelden wird?

Selbst wenn sie steigen würden, hätte das wenig Aussagekraft, zumal im Jahr 2009 ein sehr tiefer Einbruch zu verzeichnen war. Am negativen Langzeittrend würde sich kaum etwas ändern, wie die realen Statistiken beweisen.

Grafik: Joachim Jahnke
Quelle: Joachim Jahnke

Die Begründungen werden auch immer abenteuerlicher. Die GfK schreibt das dann so:

Quelle: GfK

Das gute Abschneiden der deutschen Fußballer bei der Weltmeisterschaft, das hochsommerliche Wetter sowie die positiven Meldungen vom Arbeitsmarkt stimmen die Bundesbürger positiv. Die Konjunkturerwartung steigt im Juli deutlich.

Was ist denn das für eine Basis? Da sind die Wahrsagerinnen im Zelt auf der Kirmes oder auf Astro TV einfallsreicher. Und weil es so toll klang, wird es gleich noch einmal wiederholt:

Der erfolgreiche Auftritt von Schweinsteiger und Co. in Südafarika sowie das sonnige Wetter mit hochsommerlichen Temperaturen haben die Bundesbürger in gute Laune versetzt. Hinzu kommt die überraschend positive Arbeitsmarktsituation. Diese Faktoren überlagern offenbar drohende belastende Faktoren – wie Sparpaket und Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge.

Klar, das milliardenschwere Sparpaket, bei dem die halbe Regierung angedeutet hat, dass es nicht mehr nur ums Gürtel-enger-schnallen geht, sondern ums Schlinge-zuziehen, kann die Bundesbürger nicht beeindrucken. Und die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge natürlich auch nicht. Das zahlen alle aus der prall gefüllten Sparbüchse. Man hätte da jetzt noch die Rentengarantie anfügen können, deren Abschaffung der Bundeswirtschaftsminister in seiner Weisheit gerade gefordert hat. All das juckt nach Auffassung der GfK-Klimaforscher niemanden. Im Gegenteil, weil die Sonne scheint, steigt auch die Stimmung. Dumm nur, dass Stimmung keine Waren und Dienstleistungen einkauft, sondern Menschen, die gucken müssen, was sie sich von ihrem Einkommen noch leisten können.

Und was sie sich tatsächlich geleistet haben, sehen wir immer eine Woche nachdem die GfK ihren Blödsinn verkündet hat und das statistische Bundesamt seine Zahlen veröffentlicht. Nur das über diese bittere Wirklichkeit dann keiner mehr berichtet. Dabei wäre es noch einfacher, die GfK zu entzaubern. Denn selbst ihre eigenen Messungen rechtfertigen kaum die nach außen getragenen Jubelschreie. Vergleicht man nämlich einmal diesen Index, der wiederum auf eine Stelle nach dem Komma genau sein soll, so wird man feststellen, dass der auch einem negativen Trend folgt. Noch einmal Joachim Jahnke:

Tatsächlich ist das Konsumklima nach GfK gerade einmal um einen Punkt hinter dem Komma gestiegen und bleibt im längerfristigen Abwärtstrend und in der kürzerfristigen Stagnation (Abb. 04741). Lediglich die Zukunftserwartung ist stärker gestiegen, doch das ist nur Kaffeesatz und sehr wenig verläßlich.

Grafik: Joachim Jahnke

Unterm Strich bleiben ein unverschämt auftretender Wirtschaftsminister, bei dem ich immer an den ehemaligen irakischen Informationsminister Mohammed Sahid al Sahhaf denken muss…

Quelle: TU-Chemnitz

…und eine Presse, die sich immer noch als verlängerter Arm weissagender Kaffeesatzleser versteht. Da können sie auch den ganzen Tag Astro-TV schauen. Es macht keinen Unterschied.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Anonymous  Juli 27, 2010

    Wenn du nicht schon bei UNS wärst, müsste ich dich mit vorgehaltener Pistole engagieren…:))

  2. Ormuz  Juli 27, 2010

    Na der hat in der Schule eben aufgepasst –
    minus mal minus ergibt schließlich plus :>

  3. Jasmin90  Juli 27, 2010

    „Das gute Abschneiden der deutschen Fußballer bei der Weltmeisterschaft, das hochsommerliche Wetter sowie die positiven Meldungen vom Arbeitsmarkt stimmen die Bundesbürger positiv. Die Konjunkturerwartung steigt im Juli deutlich.“

    Eins zu eins eben bei RTL gesendet.

    Und das Märchen mit 3 Millionen Arbeitslosen gleich nochmal hintendran, Goebbels wäre über solche Regierungspropaganda Stolz gewesen.

  4. Anonymous  Juli 27, 2010

    Hallo,
    ich bitte in Zukunft Abkürzungen irgendwo zu erläutern (hier GfK).
    Ich drucke oft Artikel aus und gebe sie an Bekannte weiter, die kein Internet haben und bei denen ich nicht voraus setzen kann, dass sie wissen was GfK ist.
    Mit freundlichen Grüßen
    S. Döring
    P.S.
    Ich hätte gern eine automatische Kopie meines Kommentars in meinem Postfach, wie es bei ebay u. a. üblich ist.
    Falls das „Merken“ das bedeutet, wäre eine Erläuterung gut.

    • adtstar  Juli 27, 2010

      GfK bedeutet „Gesellschaft für Konsumforschung“. Es ist natürlich richtig, dass man Abkürzungen erklären muss. Bei der GfK habe ich aber auf die Medien vertraut, die die Meldung mit entsprechender Erklärung heute hoch und runter gebetet haben, so dass jeder mit der Abkürzung etwas anfangen kann. Falls das nicht so sein sollte, bitte ich dies zu entschuldigen.

      Eine automatische Kopie von Kommentaren ist meines Wissens nicht möglich. Daran kann ich aber auch nichts ändern. Das gibt die Blog-Software nicht her. Man wird aber per Mail informiert, sobald eine Antwort auf den Kommentar gegeben wird. Vorausgesetzt man gibt eine korrekte Email-Adresse an.