Die private Hand an der Notenpresse

Geschrieben von: am 22. Dez 2011 um 7:58

Seit Monaten warnt die Politik vor dem sprichwörtlichen Anwerfen der Notenpresse – obwohl längst geschehen. Gerade in Deutschland wurde immer wieder gesagt, dass frisch gedruckte Euros die Sparabsicht konterkarieren und zudem für Inflation sorgen könnten. Nun stellt die EZB den privaten Geschäftsbanken eine halbe Billion Euro für drei Jahre zur Verfügung und der Aufschrei ist, sagen wir mal, eher verhalten. Denn wenn die private Hand an der Notenpresse das Sagen hat, geht es ja um das so wichtige Vertrauen der Märkte, das nur hergestellt werden könne, wenn Ackermann und Co. auch flüssig bleiben.

So ist es auch nicht sonderlich überraschend, dass der Bankenverband die Maßnahme begrüßt und eine mögliche Kreditklemme für abgewendet hält.

Die Frage ist aber, warum eine halbe Billion Euro für die Banken, die das frische Geld gegen weitaus höhere Zinsen an die Staaten weiterverleihen werden, besser sein soll, als die direkte Finanzierung der Staatsschulden durch die EZB?

Eigentlich müsste jeder das irre Spiel so langsam durchschauen und zu der Erkenntnis gelangen, dass die privaten Geschäftsbanken, die sich untereinander erneut misstrauen, überflüssig geworden sind. Zur Finanzierung einer Volkswirtschaft braucht man sie einfach nicht mehr, wohl aber für die kriminellen Akte an den Märkten, die den spekulierenden Anteilseignern hohe Renditen versprechen. Inzwischen ist ja auch das Geschäft mit Staatsschulden sehr lukrativ geworden. Das lehrt die Eurokrise eindrucksvoll.

Wie gut, dass das Thema Wulff die Gazetten landauf landab in Atem hält. Bis zu dessen Rücktritt wird der sich im Gange befindliche europäische Selbstmordversuch eine Randnotiz bleiben. Auf den Trümmern des europäischen Hauses werden wir aber dann wenigstens wissen, ob der Bundespräsident als niedersächsischer Landeschef das Parlament belog.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Careca  Dezember 22, 2011

    Ernsthafte Frage: Was verleitet dich dazu zu meinen, dass die jetzige Situation eine Sache der Notenpresse ist. Ich bin seit der Mortgage-Geschichte zu der Überzeugung gekommen, dass das Ganze mit Notenpressen nicht mehr im geringsten zu tun hat sondern mit übergeordneten Derivaten, welchen dem normalen Menschen nicht zur verfügung stehen, aber real existierendes Zahlungsmittel darstellen, welches auf Knopfdruck geschaffen und vernichtet wird …

    • adtstar  Dezember 23, 2011

      Unter normaler Mensch verstehe ich jetzt mal Volkswirtschaft. Fakt ist, dass der Anteil unproduktiver Finanzgeschäfte am Bruttoinlandsprodukt deutlich zugenommen hat. Die Volkswirtschaften leisten sich also einen aufgeblähten Sektor, der nichts herstellt, dessen Verluste aber wegen der angeblichen Systemrelevanz ausgeglichen werden müssen. Um die so entstehenden Buchgewinne tatsächlich realisieren zu können, muss in der Volkswirtschaft umverteilt werden.

      Es besteht also ein Zusammenhang zwischen diesem Sektor und der realen auf Produktion ausgelegten Wirtschaft und damit im engeren Sinne auch zu den normalen Menschen.

      Die Notenpresse ist aber nur ein Teilaspekt. Die Amerikaner drucken schon seit geraumer Zeit ohne Ende Dollar, um der Krise Herr zu werden und um ihre Schulden zu finanzieren. Mit mäßigem Erfolg. Eine andere Herangehensweise, wie sie zum Beispiel den deutschen „Finanzexperten“ vorschwebt, wäre allerdings noch katastrophaler. Im Augenblick wird die Deflation/Depression im Dollarraum durch die expansive Geldpolitik hinausgezögert. Aber ohne eine begleitende Besteuerung der Vermögen, wird die Ökonomie nicht zu retten sein. Ein New Deal, der die Zwangsschrumpfung des Finanzsektors vorschreibt, wäre mal wieder nötig.

      Wenn dabei einige aus der Branche zu dem Schluss kommen, sich aus dem Fenster zu stürzen oder sich auf die Gleise zu legen, weil sie ihr Vermögen verlieren müssen, wäre das ein hinzunehmender, aber auch vertretbarer Kollateralschaden.

      In Europa ist die Deflation bereits voll im Gange. Mit Zeitverzögerung werden das auch die deutschen Aufschwungprediger zur Kenntnis nehmen müssen. In diesem Zusammenhang ist die Logik einfach nicht nachvollziehbar, warum Merkel sich weigert, die EZB als Waffe einzusetzen. Stattdessen dürfen die privaten Geschäftsbanken ohne Ende Geld aufnehmen und einen Zinsvorteil ausnutzen. Der Staat und die reale Wirtschaft haben das Nachsehen. Während ersterer bei diesen Banken als gewöhnlicher Schuldner auftritt, um einen Kredit in seiner eigenen Währung aufzunehmen – das klingt nicht nur bescheuert, das ist es auch – sieht letzterer von dem Geld nichts, weil die Anlage in die reale Wirtschaft, in Produkte und Innovationen aus Sicht der Investmentbanker viel zu unattraktiv geworden ist.

      Die Banken haben keine dienende Funktion mehr, sondern eine beherrschende. Selbst Kapitalismus-Freunde müssen in dieser Rollenverkehrung eine Systemkrise erkennen.

      Unabhängig davon ist die direkte Finanzierung staatlicher Schulden durch die EZB nicht die Lösung der bestehenden Systemkrise. Lediglich die Refinanzierung einzelner Staaten würde erleichtert und die Angriffsfläche für Spekulanten eingedämmt. Der angerichtete Schaden durch ungleiche Wettbewerbsbedingungen muss behoben werden. Oder anders formuliert: Der Kapitalismus muss entweder in seiner Funktionsweise wieder richtig verstanden oder aber abgeschafft und durch etwas Anderes ersetzt werden.