Der gestrige Bericht von Dr. Dietrich Krauß bei Plusminus über Parteispenden und die Verstrickungen von Politikern mit der Finanzindustrie würde ich mal als Sternstunde des Journalismus bezeichnen. Denn es wurde nicht nur aufgezählt von wem und wie viel gespendet wurde, sondern auch ein Zusammenhang zur betriebenen Politik hergestellt. Besonders gefallen hat mir der klare Hinweis von der Bremer Wirtschaftswissenschaftlerin Diana Wehlau, dass Spenden aus der Finanzbranche immer dann deutlich zugenommen haben, wenn Reformen anstanden, von denen dieser Sektor profitierte.
Wie zum Beispiel beim Thema Rente. Dass die Allianz AG zu diesem Zeitpunkt zwölf Mal mehr an alle Parteien spendete, die eine Rentenkürzung befürworteten, ist ein klarer Beweis dafür, wie die Menschen beim Thema Rente verschaukelt werden. Hier bestätigt sich auch, was Albrecht Müller von den NachDenkSeiten immer gesagt hat. Bei einem zu erwartenden Milliardenumsatz in der Versicherungsbranche durch Riester- oder Rüruprentenverträge ist es doch nur logisch, dass man im Vorfeld ein paar Millionen an „Scheinwissenschaftler“, PR-Agenten, Politiker und Parteien verteilt, um die nötigen politischen wie auch öffentlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.
Die Spendenpraxis beweist aber auch, dass die, im Bundestag von der Linken immer beklagte, Konsenssoße bei den anderen Parteien keine Einbildung ist. Warum auch sollten sich Union, SPD, FDP und Grüne ernsthaft mit dem Thema Rente auseinandersetzen, wenn ihnen das Erklärungsmodell samt Spendenquittung frei Haus geliefert wird? Interessant war auch zu erfahren, dass viele Abgeordnete im Deutschen Bundestag für die Finanzbrache tätig waren und sind.
Gleichzeitig stellte Wehlau fest, dass immerhin zehn Prozent aller Volksvertreter, vor oder während ihrer Abgeordnetentätigkeit, für die Finanzbranche tätig waren. Im Finanzausschuss sogar 17 Prozent. Schließlich wurde die Versicherungs- und Investment-Lobby im Rahmen der Rentenreform 2001 zum ersten Mal als Sachverständige bei einem Sozialgesetz gehört. Am Ende wurde nicht nur wegen, aber ganz sicher im Sinne der Finanzlobby, Reformen vorgenommen: Die Ansprüche aus der gesetzlichen Rente wurden gekürzt und die private Vorsorge staatlich subventioniert.
Dass die Lobbyarbeit der Finanzbranche ziemlich erfolgreich war, ist mittlerweile für jeden spürbar: Da die Leistungen der gesetzlichen Rente drastisch gekürzt wurden, ist die private Altersvorsorge mittlerweile für jeden einzelnen zwingend notwendig, andernfalls droht Altersarmut.
Der letzte Satz stimmt nicht ganz. Auch mit privater Altersvorsorge droht Altersarmut. Nämlich immer dann wenn das gesetzliche Rentenniveau unter dem Niveau der Grundsicherung liegt, wie das bei vielen Geringverdienern im Alter der Fall sein dürfte. Dann werden die Ersparnisse aus der privaten Altersvorsorge, sofern vorhanden, mit der staatlichen Grundsicherung verrechnet, so dass der Betroffene umsonst privat vorgesorgt hat. Dieser Riester-Renten-Schwindel der Bundesregierung wurde bereits durch das Magazin Monitor in der Sendung vom 10.01.2008 aufgedeckt, im Übrigen ebenfalls von Dietrich Krauß (siehe alternativ auch hier).
Besonders gefreut hat mich dann natürlich der Nachweis einer Verbindung zwischen Guido Westerwelle und der Finanzbranche, den man dank aufmerksamer Internetbeobachter führen konnte, obwohl die entsprechenden Quellen offiziell gelöscht worden sind. Die Glückwünsche der Deutschen Vermögensberatung DVAG in ihrem Unternehmensblog an das Beiratsmitglied Westerwelle vom 28. September 2009 wurden durch Screenshots (siehe bei mir hier) gesichert und konnten gestern am Ende des Beitrags gezeigt werden. Dietrich Krauß hatte auch mich diesbezüglich angesprochen.
Die Gratulation hat die DVAG inzwischen überall löschen lassen und mit Plusminus sprechen will man auch nicht. Unsere Fragen will man noch nicht einmal schriftlich beantworten. Das zumindest hat man uns mitgeteilt. Zitat: Erfahrungsgemäß gehen wir nicht davon aus, dass unsere Antworten irgendeine Relevanz auf den von Ihnen beabsichtigten Beitrag haben würden.
Ob und wie die Wünsche der Finanzbranche in die Koalitionsverhandlungen einfließen, das lässt sich natürlich nicht nachweisen. Dass die Finanzwirtschaft für ihre Großzügigkeit aber leer ausgeht, scheint eher unwahrscheinlich.
Das Video zum Beitrag gibt es hier.
http://mediathek.daserste.de/daserste/servlet/content/3133486?pageId=487872&moduleId=432744&categoryId=&goto=1&show=
OKT
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.