Die Auswirkungen des Kassensturzes

Geschrieben von: am 12. Okt. 2009 um 9:13

In Berlin melden die Arbeitsgruppen der künftigen Koalitionäre eine Zumutung nach der anderen. Die katastrophale Haushaltslage wirft ihre Schatten voraus. So als ob nicht schon längst klar gewesen wäre, dass es nach bisherigen Maßstäben keine Gestaltungsspielräume geben würde. Überall wird das Wahlvolk auf harte Einschnitte vorbereitet. Plötzlich und unerwartet. Man tut überrascht, so als ob die Auswirkungen der Wirtschaftskrise erst ab dem 28. September spürbar geworden seien. So auch die Neue Presse Hannover mit ihrem PR-Agenten Christoph Slangen aus dem Berliner PR-Büro Slangen & Herholz. Für die heutige Ausgabe liefert er zwei Beiträge. Ein Interview mit dem niedersächsischen Wirtschaftsminister Philipp Rösler, der in Berlin mitverhandelt und einen Kommentar mit dem bezeichnenden Titel:

„Schwarz-Gelb in der Finanzklemme“

Da wundert man sich schon einmal. Warum heißt es nicht, Schwarz-Gelb in der Glaubwürdigkeitsfalle oder Schwarz-Gelbe Wortbrüche? Nein, die völlig überraschende Finanzklemme befreit die handelnden Akteuere von jedem Schuldvorwurf.

„Durch die Wirtschaftskrise ist die Ausgangslage prekär. Auf einen schnellen, kräftigen Aufschwung kann die neue Regierung nicht bauen. Zudem ist ihre Handlungsfreiheit stark eingeschränkt. Der Weg des geringsten Widerstands, mit massiven Steuersenkungen und Ausgabenprogrammen auf Pump die Wirtschaft anzukurbeln, ist verstellt. Die Schuldenbremse des Grundgesetzes verlangt ab dem Jahr 2011 striktere Haushaltsdisziplin als je zuvor. Schwarz-Gelb müsste sich nach Lage der Dinge für Steuererhöhungen und/oder drastische Einsparungen entscheiden, um den Vorgaben gerecht zu werden. Da wundert es nicht, dass die Koalitionsverhandlungen bisher so zäh verlaufen. Die Finanzfrage ist der Schlüssel für viele Bereiche. Heulen und Zähneklappern also auch diesmal? In jedem Fall werden die Entlastungen deutlich geringer ausfallen, als mancher Wahlkämpfer verkündet hatte – und Einschnitte stehen bevor. Die Qualität und Haltbarkeitsdauer des Koalitionsvertrages wird sich daran bemessen, wie engagiert die Koalition die Finanzprobleme angeht.

Unglaublich oder? Die Qualität des Koalitionsvertrages bemisst sich also nicht daran, was man vor der Wahl versprochen hat, sondern schlicht daran, wie man unter dem Diktat der Sachzwänge engagierte Haushaltspolitik betreibt. Als Müntefering einst verkündete, Politiker dürfe man nicht an den abgegebenen Wahlversprechen bemessen, hat er noch ordentlich eins auf die Mütze bekommen. Doch jetzt übernimmt die Presse genau dieses Argument, weil sie ihre Wunschkoalition nun schon verteidigen muss, bevor sie überhaupt angetreten ist. Slangen stimmt die Leser der Neuen Presse Hannover ganz im Sinne der zukünftigen Regierung ein. Mit Formulierungen wie „striktere Haushaltsdisziplin“, „Finanzfrage ist der Schlüssel“ und „Entlastungen deutlich geringer – Einschnitte stehen bevor“ bereitet Slangen die Grundlage für die kommende Kampagne zur Rechtfertigung eines harten Sparkurses und Sozialabbauprogramms.

Im Interview mit Rösler fragt Slangen noch nach dem Wahlbetrug der FDP, die mit ganz klaren Forderungen angetreten war. Die Antworten von Rösler sind erbärmlich. Doch finden sie im Slangen-Kommentar keine Berücksichtigung. Dort genießt die FDP den vollen Schutz des Autors.

Slangen: „Ihre Partei ist mit einem Steuersenkungsprogramm von 35 Milliarden Euro im Wahlkampf gestartet. FDP-Chefunterhändler Hermann Otto Solms stimmt nun auf Mini-Entlastungen ein. Bricht die FDP Wahlversprechen?“
Rösler: Nein, es war immer klar, dass die einzelnen Arbeitsgruppen nicht mit riesigen Wunschkatalogen kommen können. Es ist die originäre Aufgabe von Haushaltspolitikern, ein entsprechend deutliches Signal an alle Beteiligten zu geben. So verstehe ich Hermann Otto Solms. Gute Politik mit wenig Geld zu machen, ist unsere Herausforderung.“
Slangen: „Es bleibt bei dem Versprechen, die FDP werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, der kein einfacheres, gerechteres und niedrigeres Steuerrecht enthält?“
Rösler: „Die Zahlen zum Haushalt und zu Entlastungen werden in der Hauptgruppe der Koalitionsverhandlungen in dieser Woche vorgelegt. Dann werden wir entscheiden, ob wir einen vernünftigen Koalitionsvertrag zustande bekommen oder nicht. Ich glaube, das wird gelingen. Der Vertrag wird in allen Teilbereichen aus Sicht der FDP mehr als zufriedenstellend sein.“

Man muss sich das mal vorstellen. Der Linkspartei unterstellte man auch dann noch Unseriösität und das Blaue vom Himmel zu versprechen, als selbst Wirtschaftswissenschaftler beim Durchrechnen der Vorschläge zu dem Ergebnis kamen, das stimmt alles. Bei der FDP reicht ein einfacher Verweis auf die Haushaltslage, um über jeden Zweifel erhaben zu sein. Rösler darf sogar dreist behaupten, dass es schon immer klar gewesen sei, dass die Wunschkataloge nicht umgesetzt werden können. Auch hier erkennen sie den Spruch von Müntefering über das natürliche Recht, Wahlversprechen einfach brechen zu dürfen. Doch stört es den angeblichen Journalisten Christoph Slangen?

Als die Union im Wahlkampf auf konkrete Steuerversprechen verzichtete, kommentierte Slangen am 16. Juni 2009 das noch so.

In Zeiten der Krise erscheint ihr ein solches Wahlversprechen, an dem man sie messen könnte, wenig ratsam. Und schließlich gilt es doch auch, das Versprechen von Zukunftsinvestitionen in die Bildung zu erfüllen und die Staatsverschuldung wieder in den Griff zu bekommen. So präsentieren CDU und CSU vergleichsweise vorsichtige steuerpolitische Absichtserklärungen.“

Und die FDP hat vollmundig verprochen und kommt bei Slangen jetzt ungeschoren davon. Wenn es aus Sicht von Slangen also ratsam war, auf konkrete Wahlversprechen in der Krise zu verzichten, wieso ist ihm das Verhalten der FDP keine Kritik mehr wert? Einem wirklichen Journalisten würden diese Widersprüche in der eigenen Argumentation auffallen. Bei einem PR-Agenten gehört der Widerspruch zum Geschäft. Bei PR geht es nur darum, ein Produkt möglichst gut zu verkaufen. Nichts anderes betreiben Slangen und die Neue Presse Hannover. Sie haben Schwarz-Gelb immer gewollt und nun müssen sie das auch vermarkten, egal wie groß der Widerspruch auch sein mag.

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Auch die Neue Presse Hannover jubelt über Jamaika

Geschrieben von: am 11. Okt. 2009 um 21:01

Mission erfüllt! So lautet nicht die morgige Schlagzeile der Neuen Presse Hannover, sondern…

Grüne segeln nach „Jamaika“

Und im nebenstehenden Leitkommentar von Claus Lingenauber heißt die Überschrift hoffnungsfroh…

Die Republik wird bunter

Nur mal zum Vergleich. Als in Hessen der Landtag aufgelöst wurde und Neuwahlen ausgerufen, da titelte die Neue Presse Hannover mit dem Satz „Die Wähler haben eine Chance verdient“. Als Andrea Ypsilanti bei ihren Bemühungen, die Republik bunter werden zu lassen, scheiterte, titelte Claus Lingenauber mit der Schlagzeile „Blind ins Verderben“. Das war am 4. November 2008. Lingenauber sprach damals vom politschen Autismus. Diesem schrägen Kommentar von Lingenauber in der Neuen Presse Hannover widmete ich meinen zweiten Eintrag in diesem Blog überhaupt. Lesen sie noch einmal, was dieser angebliche Journalist über Ypsilanti und ihre Absicht, ein Dreierbündnis in einem Fünfparteienparlament zu Stande zu bringen, schrieb, und wie er den vier, mittlerweile des Betruges überführten, Abweichlern dankte (Siehe hier).

„Ihr Ziel, Roland Koch als Regierungschef abzulösen, hat sie unempfänglich gemacht gegenüber Stimmungen in der eigenen Fraktion und taub gegenüber Bedenken aus Berlin. Dabei war sie bereits einmal gescheitert, gelernt hatte sie aus dem Debakel aber nichts. Augen zu und vorwärts … Politischer Autismus in Reinkultur.

Ypsilanti wäre wahrlich eine schlechte Wahl gewesen: machtbesessen, blauäugig, selbstbezogen, beratungsresistent. Sie dürfte ihre Zukunft hinter sich haben.“

Doch nun wird es das Menetekel Ypsilanti nicht geben. Den vier Rebellen sei Dank.

Vergleichen sie das mit der morgigen Tonlage, die sie in nahezu allen Medien vorfinden werden. Zitat Lingenauber 12.10.2009:

„An der Saar soll jetzt geschwampelt werden, soll es eine schwarze Ampel geben – oder wie man auch so schön sagt, eine Jamaika-Koalition. Die Grünen schwimmen sich frei und eröffnen sich neue Bündnis- und Machtperspektiven.
Nach dieser Parteitagsentscheidung sind sie nicht mehr automatisch dem linken Lager zuzurechnen, sondern koalitionsfähig bis weit in die Mitte hinein. Besonders die unberechenbare Art von Linken-Chef Oskar Lafontaine mag mit dazu beigetragen haben, dass die Grünen jetzt sogar bereit sind, mit der FDP zusammenzugehen, einer Partei also, mit der sie bisher eine herzliche Abneigung verband.
Auch wenn landesspezifische Besonderheiten eine wesentliche Rolle gespielt haben mögen, kann die bundespolitische Bedeutung gar nicht überschätzt werden. Indem die Grünen sich in beide Richtungen flexibel zeigen und die Rolle als Zünglein an der Waage annehmen, machen sie die Republik regierbarer.
Weil das politische Parteienspektrum bunter und breiter geworden ist, absolute Mehrheiten nicht mal mehr für die CSU selbstverständlich sind und selbst klassische Zweierkoalitionen seltener möglich werden, wird die koalitionspolitische Offenheit zur staatspolitischen Notwendigkeit.

Und am Ende legt er nartürlich auch der FDP nahe, sich für’s „Ampeln“ bereit zu halten. Das versteht man dann wohl unter journalistischer Ausgewogenheit. Es darf aber nicht der Zusatz fehlen, dass eine Ampel eben nur dann möglich sei, wenn die SPD nicht so weit nach links abdrifte…

„Das wird die FDP hoffentlich auch noch lernen, denn wer schwampeln kann, muss irgendwann auch ampeln können. Dafür aber darf die SPD nicht allzu sehr nach links abdriften.“

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Jamaika kommt und die Springer-Presse jubelt

Geschrieben von: am 11. Okt. 2009 um 16:24

Die Grünen im Saarland haben sich festgelegt. Sie werden in Koalitionsverhandlungen mit der Union und FDP eintreten. Die Springer-Presse jubelt bereits und spricht von der längst überfälligen Abkehr des Lagerdenkens. Lesen sie sich mal den aktuellen Kommentar auf Welt-Online durch und vergleichen sie das mit dem von mir zuvor zitierten Kommentar von Horst Schmuda in der Neuen Presse Hannover vom Samstag und der Meldung bei NDR-Info. Die Ähnlichkeiten sind verblüffend.

„Sollte es in Saarbrücken zu einer Jamaika-Koalition kommen, darf sich ausgerechnet Lafontaine als ihr Pate verstehen. Seine plötzliche Andeutung, dem langweiligen Landtag an der Saar treu zu bleiben, hat die Grünen kräftig verschreckt und in die Arme von CDU und FDP getrieben.

Das „bürgerliche“ Lager hatte den Grünen zuvor weit reichende Zugeständnisse gemacht: ein längeres gemeinsames Lernen an den Schulen, die Abschaffung der Studiengebühren und ein Bekenntnis zum Atomausstieg. Zudem sollen die Grünen gleich zwei Ministerien erhalten. Viel mehr kann man mit sechs Prozent (und drei Abgeordneten) kaum erreichen. Gleichwohl steht ihnen eine Zerreißprobe bevor. Es ist ungewiss, ob ihr erratisch agierender Vorsitzender Hubert Ulrich dem Unmut der Basis gewachsen ist.

Eine Jamaika-Koalition wäre ein Novum. Reiz und Risiko von Jamaika besteht darin, dass eine kleine Partei mit zwei Partnern des gegnerischen Lagers regiert. Schon CDU und Grünen haben in Hamburg das Lager-Denken überwunden. Dafür ist es höchste Zeit in der deutschen Fünfparteienlandschaft.

Man stelle sich nur vor, in Hessen (erfolgreiche), in Thüringen und in Hamburg hätte es rot-rot-grüne Koalitionsverhandlungen gegeben. Hätte dann die Welt auch von „höchster Zeit in der Fünfparteienlandschaft“ geschrieben? Und wie zuvor von mir bereits angeführt, weigert sich die rechtskonservative Presse bei den Zugeständnissen von CDU und FDP von Wortbrüchen zu reden. Nicht Union und FDP stünden vor einer Zerreißprobe, weil sie ihrer Wählerschaft erklären müssten, warum sie nun für Dinge eintreten wollen, die sie vor der Wahl ausgeschlossen haben, es seien die Grünen. Ich will nicht falsch verstanden werden, die Grünen werden mit Sicherheit Ärger bekommen, doch rein logisch, ergibt es keinen Sinn. Sollten die Forderungen der Grünen tatsächlich umgesetzt werden, gäbe es keinen Grund für eine Zerreißprobe. Die bestünde nur, wenn Schwarz-Gelb einfach weiterregiert und die Grünen der abzusehenden Trickserei bei den Sachthemen zustimmen werden.

Für die Welt ist indes klar, die SPD bleibt der Verlierer. Der Kommentator genießt den Triumpf.

„Eine „Ampel“ aber ist vorerst nirgends in Sicht, was an der strukturellen Schwäche der SPD und der Unbeweglichkeit der FDP liegt. Die Sozialdemokraten wären ohnehin der große Verlierer an der Saar, sollte der lädierte Ministerpräsident Peter Müller weiter regieren. Ihr „gefühlter Sieg“ vor sechs Wochen schlägt in Katzenjammer um. In Thüringen zerfleischt sich die SPD nach hessischem Vorbild.“

Fazit: Die Medienkampagne hatte Erfolg. Wie die Neue Presse Hannover darauf reagieren wird, erfahren sie vielleicht noch heute Abend, wenn die morgige Ausgabe online gestellt ist. Auch da haben die Grünen mitgespielt, sie haben sich noch vor dem Redaktionsschluss entschieden…

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Neue Presse Hannover setzt weiterhin auf die Kapapgne gegen die Linke

Geschrieben von: am 11. Okt. 2009 um 11:17

Am Freitag konnten sie einen aufschlussreichen Beitrag von Wolfgang Lieb auf den NachDenkSeiten lesen, in dem darüber berichtet wird, dass Steinmeier in den Springer Medien eine öffentliche Plattform erhält, um sein politisches wie persönliches Versagen wettmachen zu können. Im Gegenzug erhalten die rechtskonservativen Blätter einen SPD-Fraktionschef, der auch weiterhin auf einen Ausgrenzungskurs zu den Linken setzt.

Es war natürlich zu erwarten, dass die Neue Presse Hannover mit ihrem Berliner PR-Agenten Christoph Slangen aus dem PR-Büro Slangen & Herholz am Samstag nachlegt und ebenfalls ein Interview mit Steinmeier abdruckt, in dem dieser noch einmal bekräftigen konnte, dass nicht die SPD, sondern die Linkspartei sich öffnen müsse, um eine künftige Zusammenarbeit zu ermöglichen. Steinmeier durfte wieder wahrheitswidrig behaupten, dass die Linke sich nicht zu den internationalen Verträgen bekenne und kein eigenes Programm hätte. Auffallend sind aber auch die Fragestellungen, die ganz bewusst formuliert sind und erneut belegen, dass mindestens die SPD-Fraktion auch künftig fremdgesteuert sein wird. Ferner liefert das Slangen-Interview auch einen neuerlichen Beweis für die Medien-Gleichschaltung. Denn das Büro Slangen & Herholz wird dieses Interview an die zahlreich angeschlossenen regionalen Tageszeitungen mitverteilt haben.

„Slangen: Welchen Umgang werden Sie in der Opposition mit der Linkspartei pflegen?

FWS: Es gibt keine Koalition in der Opposition. Die SPD wird Oppositionsführerin sein. Wir werden eine eigene Strategie verfolgen. Wir werden unverkrampft mit der Linkspartei umgehen. Nicht die SPD muss sich öffnen – die Linkspartei muss ihre Positionen klären und verändern, wenn sie eines Tages für uns auch im Bund koalitionsfähig werden will. Sie bekennt sich nicht zu den internationalen Verträgen, die Deutschland eingegangen ist. Sie hat bis jetzt nicht einmal ein Programm vorgelegt.

Slangen: Oskar Lafontaine will sich von der Führung der Bundestagsfraktion zurückziehen. Erleichtert das die Zusammenarbeit mit der Linken?

FWS: Entscheidend sind für mich nicht Personen, sondern die politischen Aussagen. Aber die SPD wird nicht in erster Linie auf die Linkspartei schauen. Unser Gegner sind nicht die anderen Oppositionsparteien – unser Gegner ist die Regierung.

Slangen: Die Linkspartei fordert den schnellen Abzug aus Afghanistan. Wann ist er möglich?

FWS: Ich habe vor der Wahl ein Konzept vorgelegt, wie wir schneller an den Punkt kommen, dass Afghanistan selbst für seine Sicherheit sorgen und dann die Bundeswehr abziehen kann. Bis zum Jahr 2013 sollen die Voraussetzungen geschaffen sein. Dieses Konzept gilt auch nach der Wahl.“

Die Kampagne wird in der Neuen Presse Hannover zusätzlich mit einem Kommentar von Horst Schmuda aus der internen Redaktion des Blattes unterstützt. Er befasst sich mit dem Thema Lafontaine. Dieser hatte ja erklärt, auf den Fraktionsvorsitz im Bundestag verzichten zu wollen. Daraufhin schrieben wiederum zahlreiche Medien, Lafontaine schmeiße erneut hin. So auch Horst Schmuda, dessen Beitrag man so gesehen als eingekaufte Meinung interpretieren muss.

„Leute erschrecken, das kann er: Kaum hatte Oskar bei den Vorstandswahlen der linken Bundestagsfraktion den Oskar gemacht, herrschte an der Saar Oskar-Alarm. Lafontaine ante portas – ein Schreckensruf, der im grünen Lager Irritationen auslöste, wo die Angst umgeht, der unberechenbare Linksparteichef plane womöglich, sich bei einem rot-rot-grünen Bündnis als Neben-Ministerpräsident zu installieren. Eine eher diffuse Vorstellung, weil Lafontaine dergleichen nie öffentlich erklärt hat. Aber wer traut schon Oskar, und vor allem: Was will er wirklich? Fest steht bisher nur: Oskar ist wieder auf der Flucht.

Pikant ist die Meinung deshalb, weil Schmuda sofort darauf abzielt, dass nun die Grünen im Saarland verschreckt reagieren müssten und die bereits sicher geglaubte rot-rot-grüne Zusammenarbeit auf dem heutigen Parteitag zu Gunsten einer schwarz-gelb-grünen Koalition verwerfen müssten. Und in der Tat läuft die Meinungsmache gezielt darauf hinaus. Auch bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Heute morgen hörte ich in den NDR2-Nachrichten, dass es inhaltlich zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Rot im Saarland keine Unterschiede mehr geben würde. Die Entscheidung der Grünen sei also nur noch daran zu bemessen, ob sie Lafontaine als angeblichen „Neben-Ministerpräsidenten“ akzeptieren könnten.

Unglaublich, fällt mir dazu nur ein. Aber merkwürdig ist das alles nicht. Lesen sie den Schlussabsatz von Horst Schmuda.

„Dass es den ehemaligen „Sonnenkönig von der Saar“ zurücktreibt, um an der Macht teilzuhaben, würde seinem Selbstverständnis durchaus entsprechen. Ob es Sinn macht, ist derzeit eine ganz andere Frage. Denn die Gerüchte um das landespolitische Comeback Lafontaines treffen die Saar-Grünen in einer Art politischen Schwebezustands: Rot-Rot-Grün oder Jamaika. Die Vorstellung, den egomanischen Grünen-Fresser am Hals zu haben, könnte die Öko-Partei Schwarz-Gelb in die Arme treiben. Weshalb der Polit-Stratege Lafontaine es mal wieder spannend macht und seine wahren Absichten erstmal im Dunkeln hält. Den armen Grünen steht womöglich eine ziemliche Zerreißprobe bevor: die Kröte Oskar schlucken oder nicht.

Obwohl es keine Äußerung von Lafontaine gibt, wie Schmuda oben ja selbst schreibt, die bestätigen würde, dass er in die saarländische Regierung eintreten wolle, schürt die gleichgeschaltete rechte Presse diffuse Ängste. Um eine linke Mehrheit zu verhindern, scheint jedes Mittel recht. Wir akzeptieren lieber schwarz-gelbe Wortbrüche, als den egomanischen Grünen-Fresser am Hals zu haben. So müsste die Schlagzeile eigentlich lauten. Doch wo sind die Moralappostel von Hessen, die Wortbrüche gegenüber dem Wähler in einer Weise skandalisierten, dass man annehmen konnte, die freiheitlich demokratische Grundordnung hinge davon ab? Artikel wurden geschrieben und Sendungen produziert, in denen der Wortbruch thematisiert wurde. Und nun? Ich zitiere mal einen Bericht auf der Seite von NDR-Info:

Großzügige Offerten der CDU

Eine klare Tendenz für eine der beiden Koalitionsmöglichkeiten gibt es nicht. „Ich bin selbst noch nicht hundertprozentig entschlossen“, sagte der ehemalige Grünen-Landesvorsitzende Gerold Fischer am Donnerstag. Vor allem die Zugeständnisse von CDU und FDP hatten viele Parteimitglieder verblüfft.

So soll die Union nach Informationen des Saarländischen Rundfunks den Grünen im Falle einer Regierungszusammenarbeit zwei Ministerien angeboten haben. Auch bei den Streitthemen wie der Abschaffung der Studiengebühren, einer grundlegenden Schulreform oder der Abschaffung des Finanzvorbehalts bei Volksbegehren sollen die Christdemokraten Verhandlungsbereitschaft signalisiert haben.

Die Machtgeilheit und der Wortbruch von Union und FDP sind maximal ein übliches Entgegenkommen in Bündnsifragen und das Angebot zweier Ministerposten kein korruptes Verhalten, sondern normale Verhandlungssache. Werten sie die Vorgänge bitte selbst.

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Die Neue Presse Hannover lobt den Kindergeldvorstoß der designierten Regierung

Geschrieben von: am 09. Okt. 2009 um 12:20

Das PR-Bindeglied zwischen der Neuen Presse Hannover und der Berliner Politik Christoph Slangen schreibt heute einen Kommentar über die Ankündigung der Koalitionsrunde, Kinderfreibetrag und Kindergeld ansteigen zu lassen.

„Statt triste Sparbotschaften auszusenden, kommen aus der schwarz-gelben Koalitionsrunde erst einmal Positivbotschaften.“

Toll und Slangen erklärt auch, warum das eine positive Botschaft ist.

„Neben der finanziellen Entlastung und dem positiven Effekt für die Konjunktur ist auch der Symbolwert enorm. Familienfreundlichkeit als ein Markenzeichen der schwarz-gelben Koalition – das käme nicht ungelegen. Auch der FDP ist an diesem Etikett als Gegengewicht zu kaltem Wirtschaftsliberalismus gelegen.“

Aha. Es geht darum, dass schlechte Image von Schwarz-Gelb zu korrigieren und dankenswerterweise übernimmt Slangen diesen Job ganz ungeniert. Deutlicher kann man sich eigentlich nicht outen. Zwar wird die scheinbar positive Nachricht mit ein bissel Placebokritik garniert, doch kennt man die nur allzu gut.

„Angesichts der Sparzwänge könnte sich der Steuersenkungselan in einer Erhöhung des Kinderfreibetrages und des Kindergeldes jedoch bereits größtenteils erschöpft haben. Es muss darauf geachtet werden, dass die Rechnung für die Familien unter dem Strich stimmt: Würde ihnen das Geld an anderer Stelle entzogen, wären die Maßnahmen doch nicht mehr als eine PR-Veranstaltung.“

Die Rechnung muss stimmen. Dazu hätte Herr Slangen bereits jetzt seine grauen Zellen einmal bemühen können und sich zum Beispiel fragen, wem eine Erhöhung des Kinderfreibetrags nutzt und wem nicht und in welchem Verhältnis die Erhöhung des Kindergeldes zur Erhöhung des Kinderfreibetrags steht. Dann hätte er sehr schnell zu dem Ergebnis kommen können, dass der schwarz-gelben Regierung keineswegs daran gelegen ist, eine von Slangen suggerierte soziale Wohltat zu leisten, sondern reine Klientelpolitik zu betreiben. Ergo: Eine PR-Veranstaltung und der PR-Futzi Slangen mit seinem Büro ahnungslos oder auch nicht, ich tippe mal auf nicht, als eingespannter Botschafter mittendrin.

Was bedeutet denn die Erhöhung des Kinderfreibetrags von von 6024 auf 8004 Euro, die mit drei Milliarden Euro zu Buche schlagen wird, da bereits fest vereinbart? Von dieser Maßnahme profitieren rund ein Fünftel der Familien, die über ein entsprechend hohes Haushaltseinkommen verfügen.

Also drei Milliarden fix für ein Fünftel!

Die Erhöhung des Kindergeldes, die laut den Koalitionären, abhängig von der Haushaltslage des Bundes, die Herr Solms von der FDP übrigens „überraschend“ als entsetzlich beschrieb, höchstens sieben Milliarden Euro kosten soll, beträfe aber die restlichen vier Fünftel der Familien, die nicht über ein für den Kinderfreibetrag relevantes hohes Einkommen verfügen.

Also unsichere sieben Milliarden für vier Fünftel!

Ist das gerecht? Sozial? Sozial gerecht? Nach Dreisatzrechnung müsste die Entlastung für Normal- und Geringverdiener mindestens 12 Milliarden Euro betragen und nicht maximal sieben. Warum wird die Gruppe der Besser- und Spitzenverdiener im Vergleich deutlich stärker entlastet als die große Mehrheit der Menschen in diesem Land? Sind die Besserverdienenden besonders bedürftig und haben deshalb Anspruch auf Sozialleistungen? Es ist doch wie Christoph Slangen schreibt. Union und FDP haben vor allem ein Interesse daran, ein Etikett mit der Aufschrifft „reich an sozialen Inhaltsstoffen“ verliehen zu bekommen, und Frau Merkel legt sehr viel Wert auf die Feststellung, Kanzlerin aller Deutschen zu sein. Nur bewertet Slangen die Fakten so, als könnte an der offensichtlichen PR-Veranstaltung, deren Teil er selbst ist, nichts dran sein.

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Auch die Neue Presse Hannover schimpft über hohe Politiker-Pensionen

Geschrieben von: am 08. Okt. 2009 um 19:55

So viel kassieren Polit-Rentner

So titelt die Neue Presse Hannover heute auf Seite 1. Es dürften zahlreiche Medien die Auftragsstudie des Bundes der Steuerzahler als skandalösen Aufmacher verwendet haben. Bezeichnend ist, dass natürlich nur scheidende SPD-Minister genannt werden. Udo Harms schreibt dazu einen von Neid zerfressenen Leitkommentar, in dem er sich über eine angebliche Luxus-Versorgung aufregt, die keinem Arbeitnehmer plausibel vermittelt werden könne. Schön wäre da allerdings gewesen, wenn Herr Harms zunächst den Versuch unternommen hätte, seinen Lesern die Luxus-Bezüge des Präsidenten des Bundes der Steuerzahler Karl Heinz Däke plausibel zu machen. Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum dieser Typ gleich drei Gehälter kassiert und insgesamt 185.000 Euro pro Jahr verdient.

Vielleicht hätte Herr Harms den keifenden Herrn Däke mal kritisch zurückfragen sollen, weshalb er sich so aufregt und worin genau die Mehrleistung des Präsidenten des Bundes der Steuerzahler besteht, die gleich mehrere Gehälter und enorm hohe Einkünfte rechtfertigt. Die Verlesung des Standes der Schuldenuhr am Steuerzahlergedenktag oder die immergleichen Hetzkampagnen gegen Steuern und Sozialabgaben können es doch nicht allein sein? Na ja, jedenfalls schreibt Harms in seinem Kommentar folgenden bescheuerten und unlogischen Absatz:

„Sicher haben manche Minister ihrem Land in verschiedenen Funktionen jahrzehntelang gedient, sie wurden für knochenharte Jobs keineswegs fürstlich entlohnt. Mancher hat auf eine besser bezahlte Stelle in der Wirtschaft verzichtet. Dennoch kann es nicht sein, dass Politiker schon mit wenigen Dienstjahren hohe Pensionsansprüche erwerben.“

Ist es denn nicht eher so, dass der Politiker, wenn er denn deutlich weniger verdient, auch schneller in die Abhängigkeit wirtschaftlicher Partikularinteressen geraten kann, durch die er dann belohnt wird, wenn das politische Abstimmungsverhalten passend ist? Wie kann man in einer Redaktion nur so dumm sein und in der Bezahlung von Politikern nur ein wiederkehrendes Ärgernis entdecken und sonst nichts? An Karl Heinz Däke kann man sehr schön studieren, wie gut Lobbyarbeit vergütet wird. Soll das etwa dann der Maßstab werden? Bisher schwingen bereits die Drehtüren für politische Spitzenkräfte wie Steinbrück z.B., die den Hals nicht voll genug kriegen können. Sollte dieser bedauerliche Zustand der Korruption noch weiter ausgedehnt werden? Die Frage müssen sich all diejenigen doch gefallen lassen, die sich ständig über die Höhe der Diäten und Vorsorgeleistungen echauffieren.

All diese Dinge haben doch nichts mit Luxus zu tun, wenn man sich anschaut, was Leute wie Utz Claassen zum Beispiel in der freien Wirtschaft abziehen und für normal halten. Diese selbst ernannten Leistungsträger schreiben Bücher, in denen sie sich darüber beklagen, dass die Deutschen über ihre Verhältnisse leben würden, selbst aber mit 44 Jahren bereits in Rente gehen, weil sie bis zum 63. Lebensjahr rund sieben Millionen Euro Übergangsgeld von ihrem Ex-Arbeitgeber gezahlt bekommen. Utz Claassen hat auch noch die Dreistigkeit, vor Gericht für die in seinen Augen legitimen Ansprüche zu streiten, nachdem er in der Zeit von 2003 bis 2007 als Vorstand bei EnBW schon rund 12 Millionen Euro eingestrichen hat. Nach der Übergangszeit 2026 würden die Rentenzahlungen von EnBW dann noch weiter gehen. Immerhin 400.000 Euro pro Jahr.

Wieso regt sich da kein Däke und kein Harms auf und beklagt sich darüber, dass sinkende Strombörsenpreise nicht automatisch zu sinkenden Strompreisen bei den Endverbrauchern führen, weil die Kosten für gefräßige Manager offenbar keinen Spielraum zulassen? Der Frage könnte man doch mal nachgehen…;)

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Finanzwirtschaft frohlockt – Eine Welle von Börsengängen wird erwartet

Geschrieben von: am 08. Okt. 2009 um 18:01

Nach der Bundestagswahl deutet sich in der Branche eine neuerliche Welle von Börsengängen an. Vor allem bei Unternehmen, die von Hedgefonds aufgekauft wurden, wie der Badarmaturenhersteller Grohe, sei der Börsengang als Exit-Strategie eine gute Lösung. Die hohe Liquidität an der Börse könne den angeschlagenen Private-Equity-Fonds helfen, die Schulden der übernommenen Firmen abzubauen und Gelder für die Ausschüttung an die Fonds abzuzweigen. Sie können das im heutigen Tagesspiegel hier nachlesen.

Die Story ist deshalb so interessant, weil sie daran sehen können, wie die Finanzwirtschaft auf die Bildung einer neuen Bundesregierung reagiert. Bis zur Bundestagswahl wurden Börsengänge nahezu ausgeschlossen, da sich in der Krise jeder zu recht fragte, woher das Geld und die Rendite für ein Investment kommen soll. Nun ist alles anders. In dem Artikel begegnet uns deshalb auch ein alter Bekannter, Dr. Dirk Notheis, Deutschlandchef von Morgan Stanley. Seine Aussagen sind besonders pikant.

„Die Aktienmärkte sind aktuell in besserer Verfassung als der Markt für Fusionen und Übernahmen“, ergänzt Dirk Notheis, Deutschlandchef von Morgan Stanley. Viele Private-Equity-Häuser bereiteten daher Börsengänge ihrer Gesellschaften vor. Angesichts der hohen Liquidität an der Börse seien dort mitunter bessere Preise zu erzielen, als das bei einem klassischen Verkauf an einen strategischen Käufer oder an andere Finanzinvestoren möglich sei, sagte Notheis dem „Handelsblatt“.

Dirk Notheis war Wahlkampfhelfer von Angela Merkel im Jahr 2005 und Vorsitzender der Jungen Union von Baden-Württemberg. Zudem hat er für den damaligen Generalsekretär der CDU Volker Kauder gearbeitet und vor allem den angepeilten Börsengang der Deutschen Bahn AG vorangetrieben, bei dem sein Hauptarbeitgeber Morgan Stanley durch Beraterverträge bereits jetzt schon profitiert. Und wie sie wissen, spielt der Börsengang der Bahn in den Koalitionsverhandlungen wieder eine zentrale Rolle. Zwar strebe man keinen Börsengang in dieser Wahlperiode an, aber man strebt ihn wieder an, was weitere Vorbereitungen und Beratungen erfordern wird. Das ist die entscheidende Botschaft (siehe unter anderem Focus Online von heute).

D.h. die letzte und auch die neue Bundesregierung und insbesondere Frau Merkel sind mit der Finanzwirtschaft eng verflochten. Die Einschätzung Notheis‘ zur Lage an den Kapitalmärkten muss deshalb auch immer unter den aktuellen politischen Machtverhältnissen verstanden werden. Mit anderen Worten: Die Kasino-Branche ist sich bei ihren Aktivitäten absolut sicher, dass die neue Bundesregierung ihnen keine Steine in den Weg legen wird. Deshalb die Begeisterung von Notheis und der Branche. Bitte bedenken sie, dass auch unter der neuen Bundesregierung Veräußerungsgewinne steuerfrei sein werden.

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Die Drehtür für den Verbrecher Peer Steinbrück bewegt sich schon

Geschrieben von: am 08. Okt. 2009 um 13:25

Von wegen einfacher Abgeordneter. Neue Posten außerhalb der Politik werden dem größten Politiker-Versager der Nachkriegszeit bereits angetragen. Wie auf Bestellung erfüllt sich das, was Bundeskanzlerin Merkel dem Noch-Finanzminister vor einem Monat versprach, falls es nicht mehr zur Großen Koalition reichen sollte (siehe Spiegel Online vom 5.9.2009):

Angela Merkel will Peer Steinbrück nicht fallenlassen. Falls Union und FDP nach der Bundestagswahl die nächste Regierung stellen sollten, will sie sich für ihn einsetzen. „Für Steinbrück wird sie was tun“, sagte ein führender Unionspolitiker dem SPIEGEL. In der Finanzkrise habe die Kanzlerin hervorragend mit dem Sozialdemokraten zusammengearbeitet, sie schätze seine Kompetenz und Verlässlichkeit.

Das Märchen über Kompetenz und Verlässlichkeit ist bereits als zur Wahrheit gewordene Lüge in die Geschichte eingegangen. Nun soll der Mann, der im Wahlkampf 2005 erst gegen die Mehrwertsteuererhöhung mit der Wortschöpfung „Merkel-Steuer“ wetterte, um sie dann als zuständiger Finanzminister in der Großen Koalition noch höher zu gestalten, möglicherweise Chef der Europäischen Zentralbank werden (siehe RP-Online). Das wäre unglaublich und logisch zugleich.

Aus Sicht der neuen Bundesregierung wäre Steinbrück die ideale Besetzung. Einen besseren Vertreter schwarz-gelber Finanzpolitik gäbe es in den eigenen Reihen kaum zu finden, schreibt Wolfgang Lieb auf den NachDenkSeiten. Schließlich hat Steinbrück bereits vorgearbeitet. Sein Ministerium hielt vor der Wahl ein brisantes Papier zurück, aus dem hervor geht, dass Streichungen kleinerer Steuervergünstigungen für Schicht- und Nachtarbeit künftig angegangen werden sollten (siehe Spiegel Online vom 5.9.2009). Steinbrück trat auch immer für die Deregulierung des Finanzmarktes ein. Bereits als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen brachte er den unter Wolfgang Clement begonnenen Umbau der reinen Förderbank WestLB zu einer Geschäftsbank nach privatwirtschaftlichen Vorbild voran, um im Investmentbanking der Großen mitmachen zu können. Im Jahr 2003 geriet Steinbrück gar unter Druck, weil im Kreditausschuss der Bank windige Risikogeschäfte mit Wissen der politischen Führung verabschiedet worden waren (siehe Handelsblatt vom 23.7.2003).

Die WestLB ist ein Milliardengrab. Zum Nachteil der Steuerzahler, aber zum Vorteil der privaten Banken, wie der Deutschen Bank, deren Schrottpapiere kurz vorm Platzen der Blase bei den Landesbanken, der IKB und der HRE landeten. Heute würde man so etwas ganz offen Bad Bank nennen. Warum ist Steinbrück also so begehrt in der Finanzbranche? Weil er bewiesen hat, wie man zum Nutzen der Branche und zum Schaden des Staates und seiner Bürger eine korrupte Finanzpolitik betreibt. Korrupt deshalb, weil sich Steinbrück im Falle, dass er nicht Chef der EZB wird, auf einen Posten bei der Schweizer Großbank UBS sowie bei der Internationalen Bank für Zahlungsausgleich in Basel freuen könnte. Kein Wunder also, wenn ein nicht namentlich genannter Bankenchef sagt, Steinbrücks Krisenmanagement habe ihm hohe Anerkennung eingebracht. Zum Verständnis müssen sie einfach die Perspektiven wechseln.

Bis zum Amtsantritt der neuen Regierung hat der alte Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD noch Gültigkeit. Lesen sie bitte den Absatz über Finanzmarktpolitik auf Seite 86 f.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum ist ein international wettbewerbsfähiger „Finanzplatz Deutschland“. Er ist die Grundlage für effiziente Finanzdienstleistungen für den Verbraucher und eine gute sowie kostengünstige Kapitalversorgung der Wirtschaft. Der deutsche Finanzmarkt besitzt ein großes Potential, das unter Beachtung der ständigen Fortentwicklung der globalen Finanzmärkte in der kommenden Legislaturperiode weiter ausgebaut werden soll. Dazu wollen wir:
[…]
Überflüssige Regulierungen abbauen. Dazu werden wir eine interministerielle Arbeitsgruppe einrichten, die im Dialog mit Markteilnehmern ein „Möglichkeitspapier“ zum Bürokratieabbau im Finanzsektor vorlegen soll. Bestehende Gesetze, Verordnungen und sonstige Regulierungen sind darauf zu überprüfen, ob sie ihr Ziel kostengünstig erreichen oder noch erforderlich sind. Als Startprojekt bietet sich die anstehende Novelle des Investmentgesetzes an.

Bis heute haben sich die amtierenden Regierungsverantwortlichen Merkel und Steinbrück nicht zu ihrer Schuld bekannt und eingestanden, Verbriefungen und andere so genannte innovative Finanzprodukte, die nachweislich in die Krise führten, mit ihrer Politik massiv gefördert zu haben. Bis heute wird die Privatisierungspolitik nicht hinterfragt. Warum zum Beispiel nahm es der Bund als Hauptaktionär der Deutschen Post AG hin, dass die Postbank von der Deutschen Bank mitten in der Krise übernommen werden konnte? Die Kurse lagen zu diesem Zeitpunkt im Keller und die Postbank hatte Rettungsgelder vom SoFFin beantragt. Sollte die mit öffentlichem Geld sanierte Postbank der privaten Deutschen Bank als Stabilisator dienen? Wir wissen doch nur zu gut, dass Deutsche Bank Chef Ackermann sich schämen würde, wenn sein Geldhaus Staatsgeld annehmen müsste. Dann also auf diesem Weg? Wie steht der verantwortliche und somit verantwortungslos handelnde Minister Steinbrück dazu?

Wie stellt sich seine Rolle bei all den anderen Milliardendeals dar? Was ist mit der Geschichte um das Dreigestirn Dresdner Bank, Allianz und Commerzbank? Nicht weniger als 18,2 Mrd. Euro Steuergeld flossen direkt an die Commerzbank AG, die zu diesem Zeitpunkt nur noch rund drei Mrd. Euro wert war. Der Bund begnügte sich aber nur mit einem stillen Anteil in Höhe von 25 Prozent plus einer Aktie. Wurde hier öffentliches Geld nicht einfach durch Steinbrück veruntreut? Oder wollte der Finanzminister die politische Schnappsidee private Altersvorsorge vor dem Untergang retten? Die wäre nämlich baden gegangen, wenn der größte deutsche Versicherer Allianz AG nicht seine marode Tochter Dresdner Bank an die Commerzbank zu einem guten Preis hätte verkaufen können.

Das müssen sie sich jetzt mal klar machen. Bei der privaten Altersvorsorge zahlen sie dreifach drauf. Einmal bei der Mehrwertsteuer, die in Subventionen umgewandelt an die Versicherungsbranche fließt. Sie kennen einen Teil dieser staatlichen Zuschüsse sicherlich unter dem Begriff Riesterförderung. Eine Mogelpackung, weil sie es doch eh selbst bezahlen. Zum anderen zahlen sie durch ihre direkten Beiträge an die private Versicherung die fetten Renditen der Gesellschaften, denn nur ein Teil des Beitrags wird ja nur angelegt. Mindestens 10 Prozent von ihrem Beitrag wird als Kostenposten abgezogen. Doch jetzt kommt der Gipfel. Durch ihr Steuergeld, mit dem sie die Commerzbank gerettet haben, haben sie auch ihre mickrigen Renditen gesichert, mit denen die Politik und die Finanzdienstleister bald wieder werbend durch die Lande ziehen werden, um die bereits rückläufigen Zahlen bei privaten Altersvorsorgeverträgen wieder umzukehren. Ein tolles System der Manipulation, finden sie nicht auch?

Die Liste der bewussten Fehlleistungen von Steinbrück und Merkel ließe sich noch weiter fortsetzen. Eine Aufarbeitung in den Medien findet derweil nicht statt. Dort glänzen Steinbrück und Merkel nach wie vor als kompetente Krisenmanager. Dabei gäben die Meldungen aus Italien Anlass, sich mit dem Thema Mediengleichschaltung und Manipulationen auch bei uns näher zu beschäftigen. Vorhin hörte ich zu der Aufhebung der Immunität Berlusconis eine Abgeordnete der italienischen Opposition im Interview bei NDR-Info. Darin sagte sie, dass die Medienmacht Berlusconis, ihm weiterhin ein positives Bild in der Bevölkerung zusichern würde. Zum besseren Verständnis stellte sie dann einen Vergleich an und sagte, wenn Frau Merkel in Deutschland ARD, ZDF, RTL, Sat.1 und alle Zeitungen besitzen würde, dann hätte sie einen ähnlich hohen Rückhalt in der Bevölkerung, wie das bei Berlusconi in Italien der Fall ist.

Leider, muss man sagen, trifft dieser Zustand längst zu. In Deutschland muss die Regierungschefin nicht einmal Medien besitzen, um sich des bedingungslosen Rückhalts sicher sein zu können. Die Verflechtungen sind gut versteckt und unter einem Gewandt aus scheindemokratischen Organisationen verborgen. Gerade nach dem Tod von Reinhard Mohn sollte man sich beispielsweise die abgeblich gemeinnützig arbeitende Stiftung Bertelsmann genauer anschauen, deren Vorschläge und Ergebnisse regelmäßig in praktische Politik umgesetzt werden, ohne dass dieser Buchclub je durch den Souverän dazu legitimiert worden wäre. Zeit wäre es, den politischen PR-Gesichtern endlich die Masken vom Gesicht zu reißen und für Aufklärung zu sorgen.

Dann würde ein Verbrecher wie Steinbrück auch da landen, wo er hingehört. Im Gefängnis!

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Dauerthema Gesundheitspolitik und ein Grundkurs zu den Arbeitskosten

Geschrieben von: am 07. Okt. 2009 um 16:35

Nach der Schweinegrippe, die nun doch nicht zum gefährlichen Killervirus mutiert ist, nachdem die Pharmabranche offensichtlich genug Geld hat eintreiben können, konfrontiert man uns nun mit der Kostenexplosion in der Gesundheitspolitik, derer sich die neue Koalition in Berlin annehmen müsse. Dazu hört und liest man mal wieder allerhand Unsinn. Im Radio geben Korrespondenten völlig regungslos Vermutungen darüber ab, was mit Schwarz-Gelb wahrscheinlich kommen könnte. Auf NDR 2 hörte ich zum Beispiel einen redaktionellen Beobachter, der persönlich davon überzeugt sei, dass der Arbeitgeberbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit natürlich eingefroren bliebe und nur der Anteil steigen würde, den Arbeitnehmer aufzubringen hätten. Dann würde „vernünftigerweise“ auch darüber diskutiert, ob man die 1 Prozent-Regel bei Zusatzbeiträgen kappen könnte, damit auch höhere Zusatzbeiträge der Krankenkassen möglich werden. Über Leistungskürzungen spreche man natürlich auch. So sei es durchaus vorstellbar, den Zahnersatz komplett auszugliedern und auch andere Leistungen wie Krankengeld, die der Versicherte dann zusätzlich durch eine private Krankenversicherung absichern könnte und müsste.

Der ganze FDP-Katalog ohne mit der Wimper zu zucken, runtergebetet, habe ich da gedacht. Auch in der Neuen Presse Hannover gibt Christoph Slangen vom PR-Büro Slangen & Herholz seinen dummen Senf dazu.

„Für Schwarz-Gelb geht es um die Grundsatzfrage, wie Kostensteigerungen aufgefangen werden sollen: Wird die bereits durchlöcherte paritätische Finanzierung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern weiter eingeschränkt? Da Union und FDP Wirtschaftswachstum als vorrangiges Ziel betrachten, ist es nur logisch und folgerichtig, den Arbeitgeberbeitrag einzufrieren. Die Entkoppelung von Gesundheits- und Lohnkosten würde den Firmen helfen.“

Ganz großer Bullshit. Die Höhe der Versicherungsbeiträge, die der Arbeitgeber abführen muss, hat auch betriebswirtschaftlich betrachtet, überhaupt keinen Einfluss auf dessen Einstellungsverhalten. Das ist in der betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung nicht mal ein extra Posten. Versicherungsbeiträge fallen ganz selbstverständlich unter Lohnkosten. Wenn also ein Versicherungsbeitrag steigt oder sinkt, ändert das überhaupt nichts an der Höhe der Lohnkosten. Die Bruttolöhne ändern sich nämlich nicht, wenn die Beiträge zur Sozialversicherung steigen oder fallen. Dem „normalen“ Arbeitgeber ist es dann auch völlig wurscht, wie sich die Lohnkosten im Einzelnen zusammensetzen. Er hat nur ein natürliches Interesse an möglichst geringen Kosten. Durch eine Änderung bei Beiträgen kann er jedoch direkt nichts einsparen.

Folglich hat auch das Wirtschaftswachstum nichts mit den in den Löhnen enthaltenen Sozialversicherungsbeiträgen zu tun. Wer behauptet, die Senkung der sog. Lohnzusatzkosten führe zu einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, ist ein blöder Spinner. Dass ausgerechnet die Arbeitgeberlobby und in ihrem Gefolge die Politiker-Lemminge immer wieder für eine Senkung dieser Phantom-Kosten eintreten, hat andere Gründe. Wer Sozialversicherungsbeiträge permanent kürzt, schafft damit die Grundlage für weniger Leistungen:

Weniger Sozialbeiträge bedeuten ganz konkret…

  • Weniger Rente
  • Weniger Arbeitslosengeld I
  • Weniger Krankengeld
  • Weniger Krankengeld bei Betreuung eines kranken Kindes
  • Weniger Übergangsgeld
  • Weniger Mutterschaftsgeld
  • Weniger Kurzarbeitergeld

Die bisherigen Senkungsorgien haben noch nie zu einem verifizierbaren Beschäftigungsaufbau beigetragen. Im Gegenteil: Mit jedem neuen Arbeitsmarktdesaster, infolge falscher Wirtschaftspolitik, nehmen die Hiobsbotschaften der Versicherungsträger zu. Dabei sind für das neuerliche 7,5 Mrd. Loch bei den gesetzlichen Krankenkassen nicht, wie immer wieder behauptet, die gestiegenen Ausgaben verantwortlich, bei denen man nun wieder ansetzen will. Jede Leistungskürzungswelle wurde unter dem Argument geführt, bei steigenden Kosten seien auch mehr Einsparmöglichkeiten zu erzielen. Das ist grober Unfug, wenn man sich die Gesamtausgaben für das Gesundheitswesen gemessen am BIP vor Augen führt. Seit Jahrzehnten schwanken die Ausgaben um die 10 Prozent, zuletzt sind sie sogar gesunken von 10,5 auf 10,4 Prozent. Demnach sind nicht die nominal gestiegenen Kosten dür die Löcher verantwortlich, sondern die dramatisch wegbrechenden Einnahmen, infolge hoher Arbeitslosigkeit, zunehmender Umwandlung von regulärer Beschäftigung in Teilzeitarbeit und unzureichenden Lohnerhöhungen. Der gleichzeitig betriebene Beitragsabsenkungsfetisch der verantwortlichen Bundesregierungen verschärft demnach die Lage.

Mit der Einführung des Gesundheitsfonds wurde die paritätische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung schlussendlich aufgegeben und der Arbeitgeberbeitrag auf sieben Prozent eingefroren. Im Grunde müsste sich gerade die FDP darüber freuen, dass es mit Hilfe des Gesundheitsfonds nun möglich ist, Kostensteigerungen einseitig den Versicherten aufzuhalsen. Ziel der FDP ist es demnach nicht, den Fonds als solches abzuschaffen, sondern den Anreiz für private Zusatzversicherungen zu erhöhen. Und das geht nur über Leistungskürzungen. Beitragsgelder sollen künftig auf die Mühlen der privaten Versicherungswirtschaft umgelenkt werden. Das hat ja bei der Rente bereits prima funktioniert. Damit das auch klappt, bedarf es einer Dramatisierung des gesetzlichen Systems. Die FDP sähe künftige Steuergelder also lieber als Subvention in der privaten Versicherungsbranche als in den Bilanzen der gesetzlichen Kassen. So wird es kommen, ganz im Sinne der Parole – Privat vor Staat.

Dass dabei die Fakten aus dem Blick geraten oder gar gefälscht werden, ist nur allzu logisch. Im Gesundheitswesen begegnet uns zum Beispiel die aus der Rentendebatte bekannte Lüge über das demografische Problem. Die Überalterung wirke sich demnach auch auf die Kosten für Gesundheit aus. Auch das ist großer Unfug und dümmliche Meinungsmache. In der betriebswirtschaftlichen Rechnung des Gesundheitswesens verursacht jeder Mensch die meisten Kosten seines Lebens fast immer im letzten Jahr vor seinem Tod. Dabei spielt es keine Rolle wie alt der Mensch zum Zeitpunkt seines Todes ist. Man kann aber sagen, dass die medizinischen Aufwendungen und Anstrengungen bei Jüngeren intensiver und teurer ausfallen, als bei älteren Menschen.

Über das sehr wichtige Thema „versicherungsfremde Leistungen“ wird hingegen nicht gesprochen. Die schleichende Übertragung von sozialen Aufgaben auf die Krankenversicherung sollte aber auf die Tagesordnung kommen. Versicherungsfremde Leitungen bei Schwangerschaft, bei Mutterschaft sowie Mutterschaftsgeld, Kuren und Kosten für Haushaltshilfen sind ihrem Sinne nach eigentlich Aufgaben, die die Allgemeinheit und damit der Steuerzahler zu tragen hätte. Insgesamt geht es hierbei um ein Volumen von vier Milliarden Euro jährlich. Warum werden diese Leistungen zur Familienförderung nicht von der gesamten Gesellschaft getragen, anstatt sie der kleinen Gruppe von Beitragszahlern aufzubürden, aus der sich Besserverdienende dank Beitragsbemessungsgrenze verabschieden können?

Besteht das politische Versagen nicht eigentlich darin, ursprünglich gesellschaftliche Aufgaben in die Sozialversicherung ausgelagert zu haben, um sie dann bequemer unter dem Argument der „Kostenexplosion“ streichen zu können? Und wird das Lohnnebenkostentheater nicht deshalb immer wieder aufgeführt, um von einer falschen Wirtschaftspolitik abzulenken, die sich einseitig auf die Kapitalseite und die damit bereits stattgefundene Umverteilung von unten nach oben konzentriert? Und welche absurde Rolle spielt eigentlich der Honorarschreiber Christoph Slangen dabei?

Zu Beginn des Jahres (hier und hier) schrieb er über den Gesundheitsfonds und steigende Kosten noch widersprüchlich, dass man nun alle Sparpontenziale bei den Krankenkassen ausnutzen müsse, um das Finanzierungsproblem zu beseitigen. Ein paar Tage später bedauerte er dann, dass die wahrscheinlichen Sparmaßnahmen der Krankenkassen zu Lasten von Service und Qualität gehen würden. Heute nun schreibt er, dass die Kosten für mehr Wettbewerb und Freiheit in der Gesundheitsversorgung nicht zu stark auf dem Rücken der Versicherten abgeladen werden dürften.

„Die schöne neue Welt von mehr Wettbewerb und Freiheit für die Versicherten, mit der die Liberalen locken, darf nicht zu einer Überforderung der Versicherten führen. Darauf wird die Union achten müssen.“

Ich bin doch sehr irritiert über den inneren Kompass des Christoph Slangen. :??:

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