Rainer Brüderle sollte lieber wieder Weinfeste eröffnen

Geschrieben von: am 24. Nov 2009 um 19:06

Davon versteht er nämlich was. Zu seinem Stehvermögen beim Weinsaufen will ich jetzt aber mal nichts sagen, was gegen mich verwendet werden könnte. Aber mich beschleicht doch das Gefühl, als schaue der Bundeswirtschaftsminister manchmal etwas zu tief ins Glas. Ich kann mir nämlich nicht erklären, wie er auf dem Arbeitgebertag in Berlin dazu kommt, gerade jetzt via Rheinische Post die Abschaffung der Erbschaftssteuer zu fordern und eine Schuldenbremse für die Agentur für Arbeit gleich mit.

Sind dem Herrn Brüderle da ein paar Gedächtniszellen im Hirn abhanden gekommen oder versucht er Michel Glos in Sachen Fachkompetenz noch zu unterbieten? Denn wenn ich es recht in Erinnerung habe, hat gerade eben der Wirtschaftsminister seinem Amtskollegen im Arbeitsministerium zugestimmt, die ziemlich teure Kurzarbeitergeldregelung zu verlängern und damit politisch gewollt, das Defizit der Bundesagentur für Arbeit zu erhöhen. Wie kann man da nur eine Schuldenbremse für die Behörde fordern und den Eindruck erwecken, als hätte man mit der Ausgabenexplosion nix zu tun?

Bei der Erbschaftssteuer verstehe ich nun aber gar keinen Spaß mehr und erkläre den Minister einfach für einen Dummschwätzer, weil er dummes Zeug schwätzt. Die Erbschaftssteuer gehört zu den vermögensbezogenen Steuern. Diese Steuern tragen nur zu einem Anteil von 0,9 Prozent des BIP zum Gesamtsteueraufkommen bei. Wer das mal mit anderen Industriestaaten und dem OECD-Durcchschnitt vergleichen will, sollte sich folgende Grafik genau anschauen.

Anteil Vermögenssteuern
Quelle: NachDenkSeiten

Deutschland ist diesbezüglich eine Steueroase. Da hilft auch keine altbackene Schwachsinnsbehauptung, wonach Vermögen in diesem Land bereits x-mal versteuert worden sei. Das ist eine glatte Lüge. Die Zusammensetzung des realen Steueraufkommens ist aber nicht nur bei der Vermögensbesteuerung unsolidarisch. Das Steueraufkommen im Jahr 2008 setzte sich bei den beiden größten Einzelposten z.B. wie folgt zusammen. Aus der Einkommenssteuer rund 142 Milliarden Euro. Aus der Mehrwertsteuer 176 Milliarden Euro. Wo ist denn da die Steuergerechtigkeit? Könnte man nicht eher diese Verteilung des Steueraufkommens als ungerecht empfinden?

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Meinungsmache: Wie Bodo Ramelow zum "Badboy" gemacht wurde

Geschrieben von: am 24. Nov 2009 um 16:07

In einem Brief an die NachDenkSeiten nimmt Bodo Ramelow Stellung zu den Vorwürfen, er hätte sich in eine Kampagne gegen den an Krebs erkrankten Oskar Lafontaine einbinden lassen. Sehr eindrucksvoll und ehrlich, wie ich finde, räumt er mit den von den Medien konstruierten Scheinsachverhalten auf. Im Zuge seiner Beschreibung der Ereignisse und insbesondere seiner Kontakte zu den Medien fällt ein Name, bei dem es klingelt. Dieter Wonka von der Leipziger Volkszeitung. Er ist wohl der mutmaßliche Auslöser der Kampagne, weil er Bodo Ramelow ganz gezielt missverstehen wollte.

Dieter Wonka ist der, der auf der Bundespressekonferenz Guido Westerwelle auf altgriechisch eine Frage stellen wollte, weil der sie auf deutsch nicht verstand oder verstehen wollte. Mit Unverständnis hätte Bodo Ramelow wohl letztlich auch reagieren sollen, um nicht Gefahr zu laufen, für eine bewusste Medienkampagne eingespannt zu werden. Sie können aber an den Schilderungen Ramelows sehr schön nachvollziehen, wie das mit der Meinungsmache in diesem Land funktioniert. Dieter Wonka ist im Grunde der Christoph Slangen der Leipziger Volkszeitung und die gehört zu 100 Prozent dem Madsack-Konzern, wie die Neue Presse Hannover auch. Insofern ist es kein Wunder, dass man sich die Bälle zuspielt, wie der Kommentar von Anja Schmiedeke vom letzten Donnerstag in der NP zeigt (siehe hier im Blog).

Auf eine Gegendarstellung können sie lange warten. Wie Bodo Ramelow abschließend schreibt, wird seine Richtigstellung der Ereignisse mit den Worten kommentiert.

„…,nach heftiger Intervention der Bundesspitze rudert Ramelow
zurück“

Ziel der Kampagnen bleibt es, die Linkspartei als streitenden Haufen darzustellen, der sich vor allem an der Person Oskar Lafontaine abarbeitet. Nur gegen Lafontaine sind im Endeffekt diese getarnten Angriffe gerichtet. Am letzten Donnerstag lautete die entsprechende Agenturmeldung in der Neuen Presse:

Linke streitet über Lafontaine-Nachfolge
Darunter findet sich dann ein Text mit Zitaten von Ramelow, die so eingesetzt worden sind, dass man annehmen musste, Ramelow fordere eine Führungsdebatte.

BERLIN. In der Linken ist Streit darüber entbrannt, ob über eine Nachfolge für den an Krebs erkrankten Parteichef Oskar Lafontaine diskutiert werden soll. Linksfraktionschef Gregor Gysi wies Überlegungen des Thüringer Linksfraktionschefs Bodo Ramelow zurück, die Partei müsse sich auf einen Wechsel vorbereiten. Lafontaine ging am Tag vor seiner Operation bei einer Rede in Saarbrücken nicht auf seine Erkrankung ein. Ramelow sagte der „Leipziger Volkszeitung“, die Partei müsse sich unabhängig von der Erkrankung ihres Vorsitzenden gezielt auf die Zeit nach Lafontaine vorbereiten: „Es muss sowieso ohne Lafontaine gehen. Das hat nichts mit seiner Krebsoperation zu tun.“ Zur Frage der Neubesetzung der Parteispitze sagte Ramelow: „Die neue Parteiführung sollte aus einem Ost- und einem West-Vertreter, aus einem Mann und einer Frau bestehen.“ Gysi sagte zu Ramelows Überlegungen: „Herr Ramelow kann ja über alles nachdenken. Aber das ist eine Frage, die mich im Augenblick ehrlich gesagt nicht sonderlich bewegt.“ Am Dienstag war bekannt geworden, dass Lafontaine sich einer Prostatakrebs-Operation unterziehen muss.« afp/dpa»

In seiner Klarstellung schreibt Ramelow:

„Zu diesem Zeitpunkt hatte ich eine Anfrage von Herrn Wonka von der Leipziger Volkszeitung, der am Montag, 16. November, über sein Büro ein entsprechendes Interview mit mir vorvereinbart hatte. Dieses Interview markiert Auffassungen von mir, die ich schon Wochen vorher öffentlich immer wieder geäußert habe. Dazu gehört insbesondere die Unterstützung für Oskar Lafontaine zum Vorschlag, in der Parteispitze eine Doppelspitze zu installieren. Darüber hatte ich persönlich mit Oskar gesprochen und im Gegensatz zu vielen ostdeutschen Landesverbandsvertretern bin ich ein vehementer Befürworter der Doppelspitze.

In diesem Zusammenhang ist von mir der Satz gefallen, dass der Vorschlag von Oskar sehr klug gewählt ist, ich ihn sehr unterstützenswert finde, weil damit von ihm ein geordneter Generationswechsel über einen längeren Zeitraum ermöglicht wird. Ich habe auch darauf hingewiesen, dass ein Generationswechsel auf diese Art zeigt, wie Oskar Lafontaine denkt und wie gut es uns tun würde, diese Debatte jetzt offensiv in der Partei zu führen. Das habe ich vor der Krebsdiagnose geäußert und mit wenig Mühe wird man diese Texte von mir in einer Reihe von Zeitungen und meinem längeren Interview im Tagesspiegel nachlesen können.“

Kurzum: Ramelow hat vor Bekanntwerden der Krebserkrankung Lafontaines in Interviews immer wieder gesagt, dass er die Haltung Lafontaines teile, dass die Parteiführung auch in Zukunft mit einer Doppelspitze aus Ost und West und am besten in der Form Mann Frau bestückt sein sollte. Mehr nicht. Was Wonka und die Medienmeute nach Bekanntwerden der Krebserkrankung nun aus den Statements gemacht haben, ist eine perfide und stillose Angelegenheit.

Das muss man sich mal vorstellen. Dieter Wonka ruft am Mittwoch, den 18.11.2009, bei Ramelow an und lässt sich ganz bewusst die bisher getätigten Aussagen zur Doppelspitze noch einmal bestätigen. Und am nächsten Tag erscheint dann die Schlagzeile über eine angeblich stillose Nachfolgedebatte innerhalb der Linkspartei, ausgelöst durch Aussagen von Ramelow, die lange vor Bekanntwerden der Krebserkrankung und in Übereinstimmung mit der Position Lafontaines gemacht worden sind. Ist das nicht verrückt?

Für die offene Schilderung der Vorgänge muss man Bodo Ramelow wirklich dankbar sein. Selten bekommt man so konkrete Einblicke in die schmutzige Welt hinter der publizierten Wirklichkeit. Aber das kennt man ja bereits von Ramelow. Er hat ja auch das Protokoll der letzten Sondierungsrunde mit der SPD in Thüringen veröffentlicht, nachdem die Sozialdemokraten eine sehr eigene Wahrnehmung der Realität verbreiten wollten. Die Matschbirne Matschie stand dann auch sehr ertappt da.

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Die Zahl des Tages bei der Neuen Presse Hannover

Geschrieben von: am 23. Nov 2009 um 19:10

Die Neue Presse Hannover päsentiert jeden Tag eine Zahl und eine kleine Geschichte dazu. Diesmal geht es um die Neue Presse selbst. 5 430 000 lautet die Zahl des Tages.

5 430 000 Treffer landet man bei Google in 0,12 Sekunden, wenn man den Begriff „Neue Presse Hannover“ bei der Internet-Suchmaschine eingibt. Dabei verzeichnet unsere Website Zugriffe aus der ganzen Welt – von Hannoveranern, die sich auch aus dem Ausland über ihre Heimat informieren wollen. Gestern waren sogar Besucher von den Kaiman-Inseln, aus Grönland und Vietnam auf unserer Homepage «neuepresse.de».

Zahl des Tages

Das ist natürlich nicht ganz richtig. Wenn man bei google die Worte Neue Presse Hannover hintereinander eingibt, erreicht man durchaus diese hohe Trefferzahl. Dabei spielt es aber keine Rolle, ob die gesuchten Wörter unter den Suchtreffern in der, von der Neuen Presse suggerierten, Reihenfolge stehen. Es kann also auch sein, dass Seiten gefunden werden, in denen Neue, Presse und Hannover irgendwo im Text vorkommen und mit der Neuen Presse an sich nix zu tun haben.

Richtigerweise setzt man einen Begriff, der aus mehreren Wörtern besteht daher in der google-Suchmaske in Anführungszeichen. Damit weist man die Suchmaschine an, nur diesen kompletten Begriff im Internet zu suchen. Und siehe da, schon reduziert sich die Anzahl der Treffer auf 9700. Übrigens steht der tautenhahn.blog dann bereits auf der ersten Seite an neunter Stelle. :p :p :p :D

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Zur "Gaffer-Bestrafung"

Geschrieben von: am 23. Nov 2009 um 18:55

Vielleicht haben sie es am Wochenende mitbekommen. Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Schlie (CDU) fordert harte Strafen für Schaulustige, die an Unfallorten rumstehen, ohne zu helfen. Hintergrund ist ein tragischer Unfall auf der A 1 bei Hamburg, bei dem eine Frau, in ihrem brennenden Fahrzeug eingeklemmt, verbrannte und umherstehende Verkehrsteilnehmer die Einsatzhelfer nicht unterstützten. Nun will der Innenminister als Reaktion darauf eine Initiative starten, bei der solchen „Gaffern“ mittels Bildern von Unfällen und Opfern vorgeführt werden soll, wie „hässlich brutal“ die Wahrheit in Wirklichkeit aussehe.

Der Vorstoß ist an sich schon ziemlich absurd und unwürdig, weil er am Kern des Problems völlig vorbei zielt. Aber die Neue Presse Hannover entblödet sich nicht, diesen Quatsch auch noch auf Seite 1 in einem Leitkommentar mit der nötigen emotionalen Sprache zu rechtfertigen. Aber bewerten sie die Einschätzung vom ehemaligen Bildmitarbeiter Christof Perrevoort selbst.

„Aber erst dieser besonders krasse Fall von der A 1 verdeutlicht, wie tief das Problem wirklich sitzt. Denn es gehört noch nicht einmal besonders viel Mut dazu, zum lebensrettenden Feuerlöscher zu greifen. Es wäre nur ein einziger Griff gewesen. Nicht ohne Grund also ruft Schleswig-Holsteins Innenminister in tiefer Wut und Empörung nach einer „Schocktherapie“ für Gaffer. Dabei setzt er auf eine heilsame Wirkung solcher Bilder, die für Retter brutaler Alltag sind: zerquetschte Autowracks, Leichen in Sitzen, blutüberströmte Opfer. Diese Schocktherapie kennen wir bereits. Von Plakaten, die vor überhöhter Geschwindigkeit warnen. Traurig daran ist nur, dass man überhaupt erst zu solchen Mitteln greifen muss, bevor der Mensch etwas begreift. Denn der Gaffer von heute kann morgen selbst das Opfer sein.“

Anstatt sich mit der „sozialen Lähmung“ von Gaffern zu beschäftigen, wie „Psychologe“ Perrevoort es heute tut, hätte er lieber mal die Unfallursachen recherchieren sollen. Schuld an dem Unfall war ein 35 Jähriger, der mit überhöhter Geschwindigkeit und alkoholisiert in seinem BMW unterwegs war, die Leitplanke durchbrach und frontal mit dem Fahrzeug der jungen Frau zusammenstieß. Für mich wäre an dieser Stelle eine Diskussion über ein generelles Tempolimit, generelles Alkoholverbot am Steuer und stärkere Kontrollen durch die Polizei fruchtbarer, als abartige „Schocktherapie-Stunden“ für Gaffer, deren Verhalten ich keineswegs gutheißen will. Das Ganze ist für Perrevoort und die Neue Presse aber anscheinend nicht blutig genug.

Ach ja, dann noch einige interessante Fakten zum mutmaßliche Unfallverursacher, über die ein Herr Perrevoort mal nachdenken sollte:

Nach Polizei-Angaben war der Unfallfahrer zur Tatzeit erheblich alkoholisiert und viel zu schnell unterwegs gewesen. Verstöße, mit denen der Todesraser nicht zum ersten Mal aufgefallen ist: Nach LN-Informationen ist der 35-Jährige Wiederholungstäter. Bereits 2006 ist er vom Amtsgericht Bad Schwartau zu einer Bewährungsstrafe wegen Trunkenheit und Raserei in mehreren Fällen verurteilt worden. Dem Mann war überdies für vier Jahre die Fahrerlaubnis entzogen worden. Ursprünglich hätte er sich erst Mitte 2010 wieder hinter das Lenkrad eines Autos setzen dürfen. Tatsächlich war er in der Unfallnacht mit einem auf ihn zugelassenen BMW unterwegs gewesen – angeblich auf dem Weg zu einer Discothek in Hamburg.

Quelle: Lübecker Nachrichten

Ist die dringendste Frage nicht doch die, wie es sein kann, dass unbelehrbare Verkehrssünder immer wieder legal ein Auto steuern dürfen? Und macht es sich die Politik nicht viel zu einfach, eine von Empörung getragene Scheindebatte um Gaffer zu führen, anstatt dringend benötigte Mittel für die Verkehrspolizei bereitzustellen, damit häufiger kontrolliert werden kann?

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Rauchverbote in Gaststätten

Geschrieben von: am 23. Nov 2009 um 14:09

Aus aktuellem Anlass weise ich auf einen Bericht des NDR hin, der sich mit dem Rauchverbot in niedersächsischen Gaststätten beschäftigt. Bis zum Ende des Jahres muss die Landesregierung eine Bilanz über die Auswirkungen des „Niedersächsischen Nichtraucherschutzgesetzes“ vorlegen (siehe NDR-Info).

Seit August 2007 gilt in Niedersachsen ein Nichtraucherschutzgesetz, das das Rauchen in Gaststätten, Cafés, Bistros, Eiscafes und Festzelten grundsätzlich untersagt. Das Rauchen ist, sofern gewünscht, nur noch in einem gesondert gekennzeichneten abgeschlossenen Nebenraum erlaubt. In Kneipen, die nicht größer als 75 qm sind und in denen keine Speisen angeboten werden sowie Jugendliche unter 18 Jahren keinen Zutritt haben, darf ebenfalls geraucht werden, sofern ein Schild am Eingang die Kneipe als Rauchergaststätte ausweist.

Im Vorfeld der Regelungen gab es viel Streit und Diskussionen darüber, ob ein Rauchverbot in Gaststätten zu Umsatzeinbußen der Betreiber führen würde. Nun aber geht aus einem internen Bericht des Sozialministeriums hervor, dass keinerlei Umsatzeinbußen erkennbar seien. Im Grunde bestätigt sich also das, was man in anderen Ländern längst studieren konnte. Das Rauchverbot in Gaststätten wird durch die Bevölkerung akzeptiert.

Nun hindert diese Erkenntnis den niedersächsischen Gaststättenverband und die lobbyhörige Schnöseltruppe von der FDP nicht daran, weitere Lockerungen beim Rauchverbot einzufordern. Völlig grundlos und zum Schaden der Mehrheit. Aber so sind sie halt, immer für den eigenen Geldbeutel unterwegs.

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Schäuble und das lustigste Statement des Tages

Geschrieben von: am 22. Nov 2009 um 19:27

In der Bild am Sonntag vergleicht Bundesfinanzminister Schäuble die aktuelle Wirtschaftskrise mit dem Fall der Mauer (siehe FAZ).

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist davon überzeugt, dass die Finanzkrise ähnliche gravierende Folgen in Wirtschaft und Politik haben wird wie das Ende des Ost-West-Konflikts. „Die Finanzkrise wird die Welt so stark verändern wie der Fall der Mauer. Die Gewichte zwischen Amerika, Asien und Europa verschieben sich dramatisch. Und diese Entwicklung ist noch längst nicht zu Ende“, sagte Schäuble in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“.

Und er hat Recht. Die Finanzkrise verändert die Welt, aber die Politik ändert nichts. Dr. Wolfgang Opfer-Schäuble belässt es bei devoten Appellen an die Verursacher der Finanzkrise.

Der Finanzminister appellierte an die deutschen Banken, ihr in der Krise geschrumpftes Eigenkapital zu erhöhen, um in der jetzt einsetzenden Aufwärtsbewegung der Wirtschaft den Unternehmen ausreichend Kredite geben zu können. In der Wiederauffüllung der Bilanzen mit Eigenkapital hinken nach seiner Ansicht die deutschen Banken im internationalen Vergleich hinterher. „Dafür bietet der Bankenrettungsfonds Hilfen und ich kann an die Kreditinstitute nur appellieren, diese Hilfen auch anzunehmen.“

Was diese Bettelei soll, habe ich nie verstanden. Warum bestimmt der Finanzminister nicht selbst, wie das bei den Banken laufen soll. Schließlich reicht er auch das Geld hinüber. Wenn sich Schäuble und Merkel darüber mokieren, dass die Banken nicht das machen, was sie ihrer Meinung nach tun sollten, müssen doch Gestze her, die von vorneherein das Risikoverhalten der Banken mäßigen. Ist das etwa so schwer zu verstehen? Offensichtlich, sonst würden Merkel und Schäuble nicht dauernd über Raffgier und Egoismus jammern.

Warum folgt man nicht endlich dem Vorschlag von James K. Galbraith zu Beginn des Jahres, nur für die Einlagen der betroffenen Banken zu garantieren und ansonsten solche maroden Institute wie IKB, HRE, Commerzbank und Dresdner Bank auch Pleite gehen zu lassen, anstatt sie mit Milliarden Steuergeldern vollzupumpen? Was spricht denn dagegen, diese Banken für insolvent zu erklären? Die Systemrelevanz? Was ist das denn? Das hat bis heute keiner erklären können.

Doch ziemlich genau können wir uns vorstellen, welche Zeitbomben in den Bilanzen der betroffenen Banken versteckt sind. Galbraith zu den amerikanischen Banken:

„Als allererstes müssen diese Wertpapiere, die aus den Büchern der Banken verschwinden sollen, geprüft und bewertet werden. Bisher habe das Minimum an Prüfung gezeigt, dass bei einem großen Anteil dieser Papiere Täuschung und Betrug in den Dateien zu finden ist. Kein Außenseiter, der diese Papiere angemessen überprüft, würde sie ihren Kunden empfehlen. Das ist das Problem.

Daher könne man schließen, dass diese Banken nicht mehr gerettet werden können, denn sie seien insolvent.“

Quelle: NachDenkSeiten

Was Galbraith für Amerika fordert, kann man auch auf die deutschen Banken übertragen. In deren Bilanzen lagert derselbe Giftmüll – immer noch. Anstatt das Management von Banken anzubetteln, staatliches Geld zu nehmen und ansonsten darum zu bitten, eine geistig moralische Wende zu vollziehen, sollte man diese Versager und Verbrecher einfach rausschmeißen und wenn möglich auch jene Anleger/Eigentümer bestrafen, die sich an den riskanten Geschäften beteiligt haben und nunmehr so tun, wie im Enteignungsprozess bei der HRE geschehen, als würde man ihnen einen wertvollen Besitz wegnehmen.

So verdient am Ende auch Schäubles Pointe keinen Beifall. Eher fassungslos lässt er den Leser mit den Worten stehen:

„Aber die Erfolgreichen haben auch eine besondere Verantwortung den Nicht-so-Erfolgreichen gegenüber: Sie müssen vermitteln, dass dieses System fair und gerecht ist. Und dafür braucht es ein gewisses Maß an Zurückhaltung. Damit unsere Gesellschaft zusammenhält, müssen ‚die da oben‘ auch Verständnis für ‚die da unten‘ haben. Das Gefühl, dass es in der Welt gerecht zugeht, darf nicht immer schwächer werden.“

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Zum Kurzarbeitergeld

Geschrieben von: am 22. Nov 2009 um 17:57

Seit letzter Woche wissen wir, dass die Betrugsfälle zunehmen (siehe Die Zeit).

Die Zahl der vermuteten Betrugsfälle beim Kurzarbeitergeld steigt weiter an. Anfang dieser Woche registrierte die Bundesagentur für Arbeit (BA) schon 578 Unternehmen, die mutmaßlich zu Unrecht staatliche Unterstützung kassiert haben. Vor ein paar Tagen waren erst knapp 540 Fälle bekannt. Inzwischen könnten nach Angaben der BA bundesweit bis zu 40.000 Beschäftigte in die Betrugsfälle involviert sein. Die mögliche Schadenshöhe lässt sich der Behörde zufolge nicht abschätzen.

Ich würde mir an Stelle der BA auch keine Schätzung trauen. Zumal man dann eine diesmal sehr berechtigte Debatte über Leistungsbetrüger auf der Unternehmensseite führen müsste. Die BA traut sich vielleicht auch deshalb keine Schätzung des Schadens zu, weil Arbeitsminister Jung in der Kurzarbeitergeldlösung seines Vorgängers ein erfolgreiches Arbeitsmarktinstrument sieht. Er will die Regelung nämlich verlängern, die nach gegenwärtigem Stand zum Jahresende ausläuft.

Da merkt man richtig, wie einem die geballte fachliche Kompetenz entgegenschlägt. Man ist entschlossen, der eigenen Ahnungslosigkeit ein aufgesetztes Gesicht zu geben. Vor allem auch vom liberalen Brüderle hört man keine neuen Gedanken. Er trägt die Verlängerung des Kurzarbeiter-Mists einfach mit. Seine Durchhalteparolen klingen wie folgt:

„Gegen diese sinnvolle und befristete Maßnahme sind wir Liberale nicht.“

Der Arbeitsmarkt habe sich erfreulicher entwickelt, „als wir es alle befürchtet hatten. Da war das Kurzarbeitergeld eine sinnvolle Regelung, weil so die Fachkräfte in den Betrieben gehalten werden können. Noch sind wir aber nicht über den Berg, es drohen weitere Firmenpleiten.“
Quelle: Stern

Brüderle und Jung scheinen die Fakten weiterhin ignorieren zu wollen. Die OECD rechnet für 2011 mit 4,3 Millionen Arbeitslosen in Deutschland (9,7 Prozent) und den beiden fällt nix weiter dazu ein, als die Kurzarbeit zu verlängern, bis irgendwann einmal ein Wunder geschieht, auf das beide wohl hoffen. Sollte man sich damit etwa zufrieden geben?

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Annette Schavan und ihr Bildungs-Riester oder Meinungsmache, wie Botschaft B die Botschaft A transportiert

Geschrieben von: am 22. Nov 2009 um 14:33

Gestern staunte ich nicht schlecht, als Bundesbildungsverweserin Annette Schavan mit dem Vorschlag aufwartete, privates Sparen für die Ausbildung der Kinder staatlich fördern zu wollen. In nahezu allen Medien kam dann folgende Meldungskonstruktion.

Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) will die Förderung von Studenten aus einkommensschwachen Haushalten langfristig um ein Bildungssparen ergänzen, vergleichbar der Riester-Rente oder dem Bausparen.

Weil, so die Ministerin, sich gezeigt habe, dass solche Modelle in der Praxis gut funktionierten. Also Botschaft B ist die Ankündigung in Sachen Bildung etwas tun zu wollen, weil man die Probleme erkannt zu haben scheint. Doch diese Botschaft B dient nur einem Zweck, die Botschaft A, dass nämlich staatlich gefördertes privates Sparen wie die Riester-Rente ein Erfolgsmodell sei, zu transportieren.

Dabei ist genau das Gegenteil richtig. Die staatlich geförderte Riester-Rente ist ziemlich deutlich gescheitert, vor allem auch deshalb, weil einkommmensschwache Haushalte nichts vom Ersparten im Alter haben werden, da die Riester-Rente mit der Grundsicherung verrechnet wird.

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Die Vorbereitungen zur neuen Kaufrauschkampagne laufen an

Geschrieben von: am 22. Nov 2009 um 12:39

Es wird langsam weihnachtlich, finden jedenfalls die Klimaforscher der GfK und haben mal wieder rumgefragt, wie viel Geld die Deutschen für Geschenke dieses Jahr ausgeben wollen. Also ich kann mich da jetzt noch zurückhalten, aber nicht die Medien, die dringend wieder eine positive Schlagzeile gegen die Krise setzen wollen.

Die Welt am Sonntag titelt mal wieder:

Weihnachten kennt keine Krise

GfK-Umfrage für die „Welt am Sonntag“: Die meisten Deutschen wollen nicht an den Geschenken sparen.

Unter dem Christbaum wird in zwei von drei Haushalten von der Wirtschaftskrise nichts zu spüren sein: Fast 60 Prozent der Deutschen wollen für Weihnachtsgeschenke in diesem Jahr ebenso viel Geld ausgeben wie 2008. Dies ergab eine exklusive Umfrage des Marktforschungsunternehmens GfK für die „Welt am Sonntag“. Sieben Prozent planen sogar, trotz der Krise tiefer in die Tasche zu greifen, während 26 Prozent der Geschenkekäufer diesmal sparen wollen. Insgesamt zeigen sich die Männer spendabler als die Frauen.

Dass zwei Drittel der Befragten trotz der Serie von Negativschlagzeilen aus der Wirtschaft und Sorgen um den Arbeitsplatz zumindest nicht weniger in die Päckchen unterm Weihnachtsbaum investieren wollen, dürfte den krisengeschüttelten Händlern wie Glockengeläut in den Ohren klingen.

Diese Jubelmeldung ist in doppelter Hinsicht schwachsinnig. Erstens kann man auf die Messungen der GfK getrost verzichten, weil die nur Absichten feststellen und keine real verwertbaren Daten messen und zweitens könnte man die Jubelaussage, dass die Menschen mindestens so viel ausgeben wollen, wie letztes Jahr, mal mit den realen Zahlen vom letzten Weihnachtsgeschäft vergleichen.

Das statistische Bundesamt ermittelte für den Dezember 2008 folgende Daten:

Im Dezember 2008 erzielte der Einzelhandel in Deutschland nominal 0,6% mehr und real 0,3% weniger Umsatz als im Dezember 2007.

Insgesamt sanken die Umsätze im Jahr 2008 real um 0,4 Prozent gegenüber 2007. Damals titelte die Welt zum Weihnachtsgeschäft ähnlich euphorisch, Grund war ebenfalls eine wirklichkeitsfremde Klimamessung der GfK:

Die Deutschen sind immun gegen Rezessionsangst

Ich berichtete in diesem Blog letztes Jahr unter anderem hier.

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Buchtipp: Das kritische Jahrbuch 2009/2010, von den Machern der NachDenkSeiten

Geschrieben von: am 22. Nov 2009 um 10:43

Das kritische Jahrbuch 2009/2010

Zum dritten Mal erscheint am 15. Dezember „Das kritische Jahrbuch“ der NachDenkSeiten.
Nach dem kritischen Jahrbuch 2007 und dem kritischen Jahrbuch 2008/2009 folgt nun „Das kritische Jahrbuch 2009/2010“.

Viele Leserinnen und Leser wollen Texte aus den NachDenkSeiten auch in Buchform verfügbar haben. Diesem Wunsch kommen wir auch dieses Jahr wieder gerne nach. Wir sind sicher, dass auch „Das kritische Jahrbuch 2009/2010“ für viele unserer Leserinnen und Leser wieder ein willkommenes Geschenk für kritische Freunde sein wird.

Quelle: NachDenkSeiten

Das letzte Jahrbuch endete unter anderem mit den Sätzen,

„Lassen Sie sich nichts vormachen: hinter den Schuldzuweisungen und auch hinter den (zaghaften) Schuldeingeständnissen verbergen viele, der angeblich vom Saulus zum Paulus Bekehrten, nur ihre Absicht des „Weiter-So“.

„Bis hierher und nicht weiter“ muss unsere Antwort sein.“

Nach dem letzten Bundestagswahlergebnis müssen wir nun schmerzlich erkennen, dass es politisch gesehen einfach so weitergehen wird. Die scheinbar vom Saulus zum Paulus Bekehrten haben sich längst zurückverwandelt und predigen wieder ihre nie abgelegten Dogmen. Nach der Wahl jubelten vor allem private Krankenversicherungen, Ärzteverbände, die Pharmaindustrie, Apotheker und die Arbeitgeberverbände. Zudem kann sich die Finanz- und Versicherungsindustrie über neues Futter freuen. Mit der Zwangspflegeversicherung, der Kopfpauschale oder einem Riestersparmodell in der Bildung eröffnen sich neue Geschäftsfelder. Der Ausverkauf öffentlichen Eigentums wird verstärkt fortgesetzt. Die Privatisierung der Bahn zum Beispiel steht wieder auf der Tagesordnung.

In dem neuen Buch von Albrecht Müller und Wolfgang Lieb kann es also nur darum gehen, den Faden kritischer Aufklärung nicht abreißen zu lassen und ein Bewusstsein für den unumgänglichen Protest zu schärfen.

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