blogintern: "Frohes neues Jahr" und Statistik 12/09

Geschrieben von: am 01. Jan 2010 um 13:57

Zunächst einmal wünsche ich allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs ein gesundes und frohes neues Jahr 2010. Da heute auch ein neuer Monat beginnt, gibt es wie immer die aktuelle Blogstatistik für den zu Ende gegangenen Monat Dezember 2009. Besucherzahlen und Seitenaufrufe steigen weiterhin. Das freut mich sehr.

Wenn ihnen der Blog gefällt, sagen sie es ruhig weiter… :D

Stats_1209

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Jahresrückblick: Unbegreifliche Schönschreiberei

Geschrieben von: am 31. Dez 2009 um 14:46

Da ich heute noch einmal arbeiten musste, lief am Morgen alles wie gehabt. Gegen fünf raus aus den Federn und das Radio eingeschaltet. Neuerdings höre ich am Morgen immer den Deutschlandfunk, weil die zu dieser Uhrzeit schon aktuelles Programm machen. Unter anderem mit einer Presseschau. Zahlreiche Zeitungen beschäftigten sich heute mit einem Jahresrückblick. Der Kommentar der Welt ist mir dann besonders aufgefallen, weil darin eine schönfärberische Perspektive eingenommen wird, wonach das abgelaufene Jahr nicht so schlimm gewesen sei, wie zu Beginn noch befürchtet. Auf einen Satz gebracht, heißt es dann:

Deutschland hat das Krisenjahr glimpflich – und gelassen – überstanden.

Da kann man sich nur an den Kopf fassen. Ich habe es an anderer Stelle bereits geschrieben. Wer einen Einbruch der wirtschaftlichen Leistung um fünf Prozent nicht als das begreift, was es ist, nämlich eine Katastrophe, der hat schlicht nicht mehr alle Tassen im Schrank. Für den Welt-Kommentator ist die Tatsache, dass es zu keinen Massenentlassungen gekommen sei – ich frage mich, was die Quelle-Insolvenz mit knapp 4000 Beschäftigten, die ihren Job verloren haben, anderes war – Grund genug, die Welt positiv zu malen. Auf Spiegel-Online lese ich zudem, dass die deutschen DAX-Konzerne allein im Jahr 2009 mehr als 45.000 Jobs abgebaut haben. Entscheidender Satz:

Tausende Jobs gingen in diesem Jahr verloren, ohne dass darüber berichtet wurde.

Das hat das Springerblatt Welt anscheinend nicht mitbekommen oder man verlässt sich auf die amtliche Statistik der Bundesagentur. Doch die Dummheiten im Welt-Kommentar sind noch viel offensichtlicher. Nehmen sie zum Beispiel die Aussage über den zu erwartenden Exportanstieg im nächsten Jahr:

Die Industrie hat sich behauptet, im nächsten Jahr springt der Export wieder an. Ein Plus von zehn Prozent sagt der Außenhandelsverband voraus.

Da kann man mal wieder sehen, wie mit Zahlen ohne Bezug in manipulativer Weise hantiert wird und der Eindruck erweckt werden soll, als ginge es der Wirtschaft bald wieder gut. Der Welt-Kommentator nennt nämlich nicht den Absturz des Außenhandels und das tiefe Niveau, auf dem er gelandet war. Mit über 23 Prozent ging es im Januar und auch im Februar 2009 im Vergleich zu den Vorjahresmonaten nach unten. Auf der Seite des Statistischen Bundesamts können sie die Vergleichswerte bis einschl. Oktober 2009 in der Pressemitteilung Nr.474 vom 09.12.2009 nachlesen. In Grafiken aufbereitet, sieht das dann so aus:

Im Schnitt haben wir also beim Außenhandel rund 21 Prozent verloren und nun kommt Springers Welt und will uns ein mögliches Plus von 10 Prozent im nächsten Jahr als solide Wirtschaftsentwicklung verkaufen. Wirkliche Wirtschaftsfachleute mit Ahnung würden sich angesichts dieser Zahlen aber nicht auf die Schulter klopfen und Gelassenheit predigen, sondern alarmiert fragen, was denn nun aus den nach wie vor bestehenden Überkapazitäten wird. Denn der Welt-Kommentator hat ja schon Recht wenn er schreibt, dass ein dramatischer Anstieg bei der Arbeitslosigkeit nicht zu verzeichnen war. Doch die Leute, die mittels Kurzarbeit in ihren Jobs vorerst bleiben konnten, sind der betriebswirtschaftlichen Logik nach, immer noch überflüssig. Wenn der Außenhandel tatsächlich nur um 10 Prozent wachsen sollte und sich gleichzeitig auf dem Binnenmarkt die Dauertalfahrt fortsetzt, werden große Unternehmen mit Exportbezug wie Daimler, Siemens, ThyssenKrupp weiter still und heimlich Jobs abbauen. Dazu braucht man kein Prophet zu sein, sondern einfach nur zur Kenntnis nehmen, dass diese Unternehmen im Jahr 2009 damit schon längst begonnen haben.

Doch Springers Welt blickt nicht auf die personelle Entwicklung oder die volkswirtschaftlichen Daten, sondern auf den Aktienkurs:

Die Börse feiert das Comeback der großen Mittelständler und Konzerne schon jetzt. Der Leitindex Dax legte im Jahresverlauf um knapp 24 Prozent zu. Ein Krisenjahr sieht anders aus.

Auch das ist ein Beleg für Dummheit und Lernunfähigkeit. Es wird weiter so argumentiert wie vor der Krise und behauptet, wenn es den Kursen gut geht, geht es auch der Wirtschaft und den Menschen gut. Dabei ist die aktuelle Kursrally eben zunächst mal wieder eine Rally an der Börse, bei der Spekulanten, Banken und Ratingagenturen das Tempo bestimmen und nicht die Realwirtschaft.

Allenfalls der Herdentrieb bei den Managern in den großen DAX-Unternehmen, die Kosten unbedingt drücken zu müssen und Löhne zu kürzen, wirkt dort hinein. Das tut nämlich dem Aktienkurs gut, nicht aber der Volkswirtschaft. Zum volkswirtschaftlichen Nutzen eines solchen Vorgehens noch einmal sehr anschaulich Heiner Flassbeck am Beispiel Daimler:

„Nehmen wir den mittlerweile klassischen Fall. Der Autokonzern Daimler macht Verluste. Er kürzt daher die Arbeitszeit der Mitarbeiter, die nicht in Kurzarbeit sind, im Einvernehmen mit den Gewerkschaften um zehn Prozent. Im Gegenzug verzichtet das Unternehmen auf Kündigungen. Folglich sinkt die Lohnsumme der betroffenen 90.000 Arbeitnehmer um zehn Prozent. Dies ergibt bei einem durchschnittlichen Monatslohn von 4000 Euro eine Kostensenkung für das Unternehmen von etwa 400 Millionen Euro. Immerhin werden dadurch die erwarteten Verluste von Daimler erheblich reduziert.

Die gesamtwirtschaftliche Rechnung sieht dagegen anders aus: Die 400 Millionen Euro verringern die Kaufkraft der Daimler-Mitarbeiter. Wenn die Beschäftigten den Gürtel enger schnallen, wirkt sich das auf die Nachfrage nach Gütern anderer Unternehmen aus. Die zu erwartenden Verluste dieser Firmen steigen also genau in dem Ausmaß, wie sich die von Daimler erwarteten Verluste vermindern. Für die Volkswirtschaft als Ganzes bringt die Sparmaßnahme des Autokonzerns und seiner Gewerkschaften folglich schon im ersten Zug keine Verbesserung. Wenn nun andere Firmen wegen der erwarteten Verluste dem Daimler-Beispiel folgen und die Löhne kürzen, dann führt das direkt in die Katastrophe.“

Quelle: Süddeutsche

Folglich sinken nicht nur Kaufkraft, sondern auch Preise. Das nennt man dann Deflation und die gibt der Wirtschaft und der Gesellschaft den Rest. Dass die Preise nicht mehr gestiegen sind, konnten sie im Jahr 2009 auch beobachten. Mindestens zweimal fielen die Verbraucherpreise im abgelaufenen Jahr. Im September um 0,3 und im Juli um 0,5 Prozent (niedrigster Stand seit 1987, siehe abermals destatis). Für das Jahr 2009 rechnet das Statistische Bundesamt mit einer Teuerungsrate von +0,4 Prozent. In der Pressemitteilung Nr.512 vom 29.12.2009 heißt es dann auch:

Aufgrund starker Preisrückgänge bei Kraftstoffen und leichtem Heizöl sowie bei Nahrungsmitteln und einer überwiegend moderaten Preisentwicklung bei anderen Waren und Dienstleistungen wurden für die einzelnen Monate des Jahres 2009 sehr niedrige Inflationsraten gemessen; im Juli 2009 erreichte die Inflationsrate mit – 0,5% den niedrigsten Stand seit 1987.

In dem kurzen Welt-Kommentar über das Jahr 2009, der mir, wie sie sicherlich merken, tierisch auf die Nüsse geht, wird es zum Ende hin geradezu albern.

Der befürchtete starke Anstieg der Arbeitslosigkeit blieb aus. Im internationalen Vergleich steht Deutschland hervorragend da. Der Sozialstaat funktioniert und hat die Krise abgefedert. Auch deshalb haben die Deutschen so ruhig weiter konsumiert. Die Beruhigung an der Preisfront dürfte ebenfalls eine Rolle gespielt haben.

Ich habe das Datum schon, an dem das Statistische Bundesamt die Zahlen für den privaten Konsum veröffentlichen wird. Am Freitag, den 8. Januar um 8:00 Uhr, gibt’s die Einzelhandelsumsätze für den Monat November 2009 und die Zahl der Insolvenzen für den Monat Oktober. Ich zitiere noch einmal aus der letzten Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts zu den Umsätzen im Einzelhandel vom 01.12.2009 (Nr.461):

Von Januar bis Oktober 2009 wurde im deutschen Einzelhandel nominal 2,5% und real 1,8% weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum umgesetzt.

Die Deutschen haben nicht ruhig weiter konsumiert, sondern weiterhin deutlich weniger konsumiert. Seit ich die Aufzeichnungen bewusst verfolge, habe ich noch kein Jahr gesehen, in dem mehr konsumiert bzw. umgesetzt wurde, als im Jahr davor. Mit dem privaten Konsum geht es seit Jahren abwärts. Wer da immer noch davon spricht, dass es sich hierbei um eine Stütze der Volkswirtschaft handelt, hat wiederum einen an der Waffel. Den privaten Konsum zu stützen, wäre eine dringende Aufgabe, die es anzugehen gilt. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz der schwarz-gelben Regierung zählt eindeutig nicht dazu.

Doch der allergrößte Mist im Welt-Kommentar ist die Schlussformel, die der Autor aus seiner vorangegangenen Traumdeutung zu ziehen versucht.

Was heißt das für 2010? Die Deutschen sollten nicht nur gelassen bleiben, sondern wieder mehr Mut fassen. Schon allein statistische Basiseffekte werden dafür sorgen, dass die Wirtschaft stärker wächst als von vielen angenommen. Weitere positive Überraschungen sind programmiert. Wenn das kein Grund für gute Laune ist!

Dass die Wirtschaft stärker wachsen werde, ist wahrscheinlich unbestritten. Aber auch hier greift der Autor wieder zu dem bereits oben erwähnten manipulativen Trick. Er lässt die Bezugsgröße einfach weg. Selbst wenn die Wirtschaft im Jahr 2010 um zwei Prozent wachsen sollte, so muss man den Absturz im Jahr 2009 von mindestens minus fünf Prozent dazunehmen, um eine qualitative Aussage treffen zu können. Täte man das, könnte man nie zu der Überzeugung gelangen, dass gute Laune und Gelassenheit angesagt wäre. Ganz im Gegenteil!

Protest und Widerstand ist angesagt! Vor allem gegen eine Regierung, die es sich weiterhin erlaubt, teure Klientelpolitik zu betreiben und die Kosten der von ihr mitverursachten Krise auf die Schultern der Allgemeinheit fast schon still und heimlich abzuladen. Es ist wie Freimut Kahrs in einem Gastbeitrag bei Egon W. Kreutzer schreibt:

„Das Jahr 2010 kann zum Wendepunkt der Geschichte werden, wenn wir uns nicht länger als Verfügungsmasse der Politiker und Wirtschaftsführer, sondern als denkende und handelnde Menschen begreifen.“

In diesem Sinne, einen guten Rutsch und als Vorsatz für’s neue Jahr:

Packen wir’s an!

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Weihnachtsbraten schon verdaut?

Geschrieben von: am 28. Dez 2009 um 16:08

Ach war das ein schönes Fest. Ich habe mich richtig amüsiert. Okay, es war klar, dass einige ihren Sabbel nicht halten können würden. Wie unser Bundeshorst zum Beispiel. Aber egal. Großartiger Auftritt. Haben sie das mitbekommen? Köhlers Ansprache wurde zur Sicherheit bereits vorab in allen Medien zitiert und eingängig analysiert, so dass man sich den gewohnt gruseligen Auftritt am späteren Abend nicht mehr anschauen brauchte. Das Lustige an der gewohnt belanglosen Ansprache war ja, dass Köhler das Volk aufrief, achtsamer zu sein. Das muss ja vor allem bei unseren Nachbarn sehr einschläfernd gewirkt haben. Denn genau einen Tag später setzt sich doch so ein Wohlstandssproß aus feinem Hause in Amsterdam, an allen Nacktscannern vorbei, in ein Flugzeug nach Amerika, mit der Absicht, seinen edlen Gucci-Schlüpfer bei der Landung in die Luft zu sprengen.

Terror in der Unterhose, da flog mir doch glatt die Keule aus der Hand. Köhlers Ansprache war danach ganz schnell vergessen. Tolles Timing. Sonst hat das ja immer bis zum Neujahrsgebrabbel der Kanzlerin gedauert. Nun wird aber wieder heftig über die innere Sicherheit durch mehr Erotik an Flughäfen diskutiert und dabei beiläufig verdrängt, dass der Bundestagspräsident Lammert das gerade erst durch seine Partei mitbeschlossene Wachstumsbeschleunigungsgesetz heftig kritisert hat. „Lammert attackiert Koalition„, schallte es durch den bereits nadelnden Weihnachtsbaum. Das Gesetz sei…

„mit einem vielleicht aus der Euphorie des Wahlergebnisses entstandenen Energieüberschuss ein bisschen sehr schnell zusammengebastelt und auf den Weg gebracht worden.“

Das Gesetz sei darüber hinaus teilweise „misslungen“ und mit „nicht vertretbaren Regeleungen“ versehen, wie die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Hoteliers zum Beispiel. Dieser Regelung habe Lammert auch nicht zugestimmt, gibt er zu verstehen. Da habe ich aber gestaunt. Denn das Gesetz wurde im Bundestag am 4.12. als Ganzes beschlossen und nicht in Teilen. Trotzdem hob Lammert seinen „rechten Arm“ (könnte auch der linke gewesen sein), wie sich das in der deutschen Demokratie gehört, um dem Gesetz zuzustimmen. Das geht traditionell immer schön nach dem Führerprinzip. Der Fraktionschef gibt die Linie vor. Mit Josef Göppel von der CSU hat nur ein einziger von Schwarz-Gelb gegen das Gesetz gestimmt. Dafür ist die Jammerei, die man jetzt vor allem aus Unionskreisen hört, schlicht erbärmlich.

Da ich aber noch in Feierlaune bin, lasse ich mir selbige durch unsere Politiker nicht verderben und komme zu einem weiteren lustigen Thema. Der Einzelhandel. Sie werden es nicht glauben, aber man klopft sich wieder und weiter auf die Schulter und ist zufrieden mit dem Weihnachtsgeschäft. So langsam trudeln nämlich die Bewertungen der einzelnen Landesverbände ein, bevor das statistische Bundesamt im Januar resp. Februar die niederschmetternden Zahlen bekanntgeben wird. Bevor ich ihnen zur Kenntnis gebe, wie der Einzelhandelsverband Berlin-Brandenburg das Weihnachtsgeschäft einschätzt, will ich sie nochmal darauf hinweisen, dass das letzte Jahr für die Branche richtig Scheiße lief.

Die Branche habe weitaus besser abgeschnitten als erwartet und liege nur knapp unter Vorjahresniveau, sagte der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen, im rbb-Inforadio. Das sei in einem so schwierigen Jahr wie 2009 ein zufriedenstellendes Ergebnis.

Insgesamt ging 2009 der Einzelhandelsumsatz in Berlin und Brandenburg um zwei Prozent zurück.

Quelle: rbb

Sie möchten bestimmt auch wissen, warum das Geschäft besser als erwartet lief?

Ein Grund für die geringen Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Einzelhandel seien die stabilen Arbeitsmarktzahlen in der Region, erklärte Busch-Petersen.

Da haben sie es doch. Alles stabil, alles gut, Unterhose sitzt und der Bundeshorst würde sagen:

Es geht darum, mit Ideen, Vernunft und Einsatz den Weg für eine gute Zukunft zu finden. Trauen wir uns etwas zu! Es geht um eine Politik, die über den Tag hinaus denkt und handelt. Es geht um eine Kultur der Achtsamkeit und Anerkennung, überall.

Das schafft Vertrauen. Und jeder von uns kann dazu beitragen.

Quelle: Bundespräsident

Ob der Horst mit Vernunft und gute Zukunft die Verdummung durch immer blödere PR-Ideen gemeint haben mag, weiß ich nicht. Achtsam sollten wir jedenfalls sein, besonders dann, wenn uns auch im nächsten Jahr wieder so ein Müll vorgesetzt wird, wie in diesem. Das sollten wir dann aber nicht anerkennen, sondern bekämpfen. Das Jahr 2010 sollte endlich ein Jahr des Protests werden! In diesem Sinne, ein schönes Rest-2009. :>>

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Trotzdem frohe Weihnachten

Geschrieben von: am 23. Dez 2009 um 22:20

Wenn man sich die schwarz/gelbe Regierungskoalition im Augenblick so anschaut, glaubt man gar nicht, dass morgen Ruhe und Besinnlichkeit Einzug halten sollen. Die ursprünglich als Traumehe beworbene Liaison zwischen Union und FDP scheint nie wirklich existiert zu haben. Da zankt man sich vor dem Feste, dass es nur so raucht. Und wie vorhergesagt, trauen einige den gerade verabschiedeten Steuersenkungen und ihren propagierten Wirkungen nicht mehr über den Weg. Alles quatsch meinen die Liberalen und setzen in Sachen Sparvorschläge noch einen drauf.

Statt die Sozialbeiträge anzuheben, wie aus Unionskreisen einerseits zu hören war und andererseits wieder dementiert wurde, meint Entwicklungshilfeminister und liberaler Durchblicker Dirk Niebel doch im ernst, nicht mal eine Woche nach der durch den Bundesrat beschlossenen Senkung der Mehrwertsteuer für Hoteliers, dass man ermäßigte Mehrwertsteuersätze auf ihren Sinn hin überprüfen müsse. Unter dem Ausruf, der Staat habe Geld wie Heu, er gebe es nur an falscher Stelle aus, ringt der verhinderte Abwicklungsminister nicht nur um Aufmerksamkeit, sondern auch um den Preis des dümmsten Phrasendreschers 2009.

Na ja, was soll man zu den Streitereien um die Bewältigung des öffentlichen Defizits noch sagen? Inzwischen geht in der Diskussion alles durcheinander. Die alte Floskel linke Tasche, rechte Tasche trifft den Sachverhalt schon lange nicht mehr. Man muss sich das mal vorstellen. Die Regierung erwägt die Erhöhung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages, um Entlastungen auf der Steuerseite finanzieren zu können. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag Norbert Barthle meint, dass dadurch der Milliardenzuschuss für die Arbeitsagentur ab 2011 aus dem Etat des zuständigen Ministeriums wegfallen könnte und schon gäbe es wieder Handlungsspielraum für den rollenden Taschenspieler Schäuble.

Bei diesen Überlegungen spielt natürlich überhaupt keine Rolle, ob im Jahr 2011 noch genug Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind und ein entsprechend hohes Bruttogehalt verdienen, um soviel in die Sozialkassen einzuzahlen, dass der Bund seinen Steuerzuschuss zurückziehen kann, den er ja jetzt nicht nur zahlt, weil die Beiträge viel zu niedrig sind, sondern vor allem auch, weil er mit dem Kurzarbeitergeld das Verdecken von Arbeitslosigkeit finanziert. Andersherum hat es auch überhaupt keine Auswirkungen, wenn einige so tun, als würde die Beschäftigungsquote einzig und allein von der Höhe der Sozialbeiträge abhängen. Das ist ja Unfug.

Die Wirtschaft lahmt ja nicht wegen zu hoher Abgaben, sondern wegen einer globalen Nachfragekrise. Ich kann daher gar nicht verstehen, worauf diese Chaostruppe in Berlin eigentlich hinaus will. Nach deren Verständnis kann Deutschland nur mit dem Exportgeschäft Wachstum erzeugen. Und dafür müsse die Wettbewerbsfähigkeit ständig verbessert werden. Unter anderem versteht man darunter eine Lohnsenkungspolitik, nichts anderes bedeutet ja die Senkung der sog. Lohnnebenkosten. Das ergibt aber nur dann einen neoliberalen Sinn, wenn eine tatsächliche Nachfrage nach deutschen Waren und Dienstleistungen im Ausland besteht oder zu erwarten ist.

Doch schaut man auf die ehemalige Lokomotive der Weltwirtschaft USA, die in der Vergangenheit so viel konsumiert hat, dass Deutschland trotz lahmender Binnenkonjunktur prächtig verdienen konnte, sieht es zappenduster aus. Mit…

Amerikanische Haushalte und Unternehmen schneiden ihre Nachfrage zurück: Die Lokomotive der Weltwirtschaft auf dem Abstellgleis

…überschreibt Joachim Jahnke einen seiner jüngsten Blogeinträge und spricht darin von einer deutlichen Verlagerung des ausgeprägten amerikanischen Konsums hin zum Sparen. Zum ersten Mal seit 60 Jahren falle die Verbraucherschuld.

„Die Kreditkartenunternehmen haben den Kredit bereits um 1,6 Billionen Dollar verkürzt. Grund sind vor allem die Ausfälle, die sich mit nahe 7 % auf dem höchsten Niveau aller Zeiten bewegen und mit wachender Arbeitslosigkeit weiter zunehmen werden.

Das alles bedeutet für uns: Die USA sind noch längst nicht aus der Krise und damit kann auch der deutsche Export keine Entlastung aus dieser Richtung erwarten.

Aber was soll man sich darüber und über die anderen Schauplätze politischen Versagens vor Weihnachten noch aufregen? Wilfried Schmickler hat das am letzten Samstag bei den Mitternachtsspitzen im WDR-Fernsehen bereits toll erledigt. In diesem Sinne. Frohes Fest und besinnliche wie auch nachdenkliche Feiertage. Auch wenn’s schwer fällt. Die Weihnachtsansprache des Bundeshorsts liegt ja noch vor uns. Also tapfer bleiben… :wave:

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Zum Wort des Jahres: "Abwrackprämie"

Geschrieben von: am 23. Dez 2009 um 20:31

Gerade eben habe ich wieder ein FDP-Finanzgenie im Radio gehört, das zu den chaotischen Sparplänen der Regierung im kommenden Jahr befragt wurde. Vielleicht komme ich noch in einem anderen Beitrag zu diesem Thema. Jedenfalls führte das „Genie“ unter anderem aus, dass die Abwrackprämie eine unsinnige Geldverschwendung der letzten Regierung gewesen sei, um den Schwachsinn, den nun seine Partei in der Regierung zu verantworten hat, zu verharmlosen. Da seien 5 Mrd. Euro einfach verpulvert worden. Über Sinn und Unsinn der Maßnahme kann man streiten, doch der Vorwurf des Verschwendens von Steuergeldern ist mathematisch betrachtet zumindest zweifelhaft. Denn so wie es aussieht, hat der Staat mit der Prämie ein solides Geschäft gemacht.

Schaut man sich die aktuellen Daten des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) an, so entfielen von 1,3 Millionen Autos, die im Zuge der Abwrackprämie neu zugelassen wurden, 10,5 Prozent, also 136.500 Autos, auf die Modelle VW Golf und VW Jetta. Nimmt man sich nun die Preislisten zur Hand, wird man feststellen, dass die Neuwagen ab 15.000 Euro aufwärts zu haben waren. D.h. im Kaufpreis dieser Modelle ist ein Anteil der Mehrwertsteuer von mind. 2850 Euro enthalten gewesen – in den meisten Fällen eher mehr. Wenn sie jetzt nur mal die 2850 Euro nehmen und mit der Stückzahl der verkauften VW-Modelle multiplizieren, erhalten sie rund 4 Mrd. Euro Steuermehreinnahmen für den Staat aus allein 10,5 Prozent aller neu verkauften Autos. Und das im Vorraus. Die Abwrackprämie wurde ja erst nach dem Kauf erstattet.

Ich weiß, dass man volkswirtschaftlich gesehen ein größeres Ganzes sehen muss, jedoch widerlegt die einfache Rechnung oben das dumme Gerede vom Geldverbrennen. Die Bafa-Tabelle widerlegt aber auch die dumme Dudenhöfer-These (Deutschlands wissenschaftlicher „Auto-Papst“ oder einfach Mietmaul), wonach vor allem ausländische Billigautos wie der Dacia von der Abwrackprämie profitiert hätten.

Konjunkturprogramme haben einen Sinn und sie funktionieren, wie man an dem Einzelfall Abwrackprämie nachvollziehen kann. Warum man dieses Modell zur Stimulierung des privaten Konsums nicht auch auf andere Branchen ausgedehnt hat oder gar die Idee der Konsumgutscheine weiterverfolgt hat, bleibt eigentlich ein Rätsel. Warum schenkt man den Banken Milliarden, die das Geld entweder horten oder es tatsächlich ohne realwirtschaftliche Wertschöpfung an den noch immer unreglementierten internationalen Finanzmärkten verbrennen? Warum schenkt man das Geld den Hoteliers, die es einfach einstecken, ohne dass der Gast etwas davon haben wird?

Wenn ich immer das menschenverachtende Gelaber höre, dass Hartz IV Empfänger mehr Geld sofort in Alkohol und Zigaretten umsetzen würden, frage ich mich immer, wie viel eigentlich das obere Zehntel der Gesellschaft versäuft und verkifft, um zu verarbeiten, was der üppige Rest des eigenen unverdienten Vermögens an Rendite abwirft. Sehen sie dazu noch einmal Georg Schramms messerscharfe Analyse über den Aufschwung und den Hang zu neuen Wortschöpfungen:

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Das Lustigste vom Tage

Geschrieben von: am 22. Dez 2009 um 22:33

Um Kirchenaustritte zu vermeiden, will der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Ulrich Blum, eine Ethiksteuer einführen (siehe u.a. Reuters):

Der Satz für diese Steuer könnte sieben Prozent der Lohn- und Einkommenssteuer betragen. Damit könnte die Zahl der Kirchenaustritte möglicherweise gebremst und Trittbrettfahrerverhalten unterbunden werden. „Schließlich nehmen auch Nicht-Kirchensteuerzahler häufig soziale Dienste oder Seelsorger in Anspruch.“

Toll. Wenn als Seelsorger immer gleich ein Kirchenvertreter an der Unglücksstelle auftaucht, ist das ja auch kein Wunder. Nur ich frage mich, wieso es eine politische Aufgabe sein soll, die Mitgliederstärke der christlichen Kirchen zu stabilisieren. Der Glaube ist gottverdammt nochmal Privatsache und kein öffentliches Gut. Die Finanzierung hat demenstprechend auch überwiegend nicht-öffentlich zu erfolgen. In meinen Augen spricht es schon gegen die Aufklärung respektive einer modernen auf den Prozess der Säkularisierung gründenden Staatsverfassung, dass der Staat Kirchensteuern eintreibt. Wo ist da die Trennung zwischen Staat und Religion?

Mal abgesehen davon: Wenn Herr Blum meint, dass kirchlich angebotene soziale Dienste von Leuten zu Unrecht in Anspruch genommen werden, die gar keine Kirchensteuern bezahlen, würde ich mal danach fragen, warum der Staat soziale Dienste dann nicht selbst anbietet. Aber vielleicht liegt es ja auch einfach nur daran, dass es in diesem Land ein Subsidiaritätsprinzip gibt, das nun einmal Eigenverantwortung vor übergeordnetes staatliches Handels setzt. Städte, Gemeinden und Kommunen sind vor Ort für die Umsetzung von sozialen Diensten verantwortlich. Und wo sitzen nunmal Kirchen, Verbände usw.?

Die reine Finanzierung der Kirchen darf doch nicht mit der Finanzierung des Gemeinwesens durch Steuern in einen Topf geschmissen werden.
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Eigentlich wollte ich jetzt noch was zum Einzelhandelsverband schreiben, der sich im Zuge des Weihnachtsgeschäfts über den stabilen privaten Konsum der letzten Jahre freute und das damit begründete, dass die Verluste im Einzelhandel nicht so gravierend seien wie in anderen Branchen. Man rechne dennoch mit einem Minus von 2 Prozent in diesem Jahr. Da habe ich mich geschüttelt vor Lachen. So etwas können sie aber getrost ignorieren. Die neuen niederschmetternden Zahlen des statistischen Bundesamts werden uns weiterhin über den anhaltenden Verfall der Kaufkraft in diesem Land Aufschluss geben.

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Noch einmal Afghanistan

Geschrieben von: am 22. Dez 2009 um 20:12

Langsam regt mich die nahezu kritik- und hirnlose Berichterstattung, auf Zuruf wie mir scheint, gehörig auf. Gestern konnten sie wohlmöglich verfolgen, wie die Medien darüber berichteten, dass Ex-Außenminister und aktueller Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier in die Kritik geraten sei, weil sein Haus direkt nach dem Angriff bei Kunduz über tote Zivilisten unterichtet worden war.

Die schwachsinnige Diskussion darüber, ob diesmal neben den Unions-Deppen mit FJS nun auch ein SPD-Depp in der Regierung was wusste, geht erneut von vorne los. Dabei ist das überhaupt nicht mehr interessant. Die Regierung log damals geschlossen und lügt noch heute geschlossen unter Einbeziehung eines Teils der Opposition. Die Medien sollten das endlich mal zur Kenntnis nehmen, auf den Scheinausschuss spucken und anfangen, den Einsatz in Afghanistan genauer zu betrachten, wenn sie der Regierung schon nicht kontrollierend auf die Finger gucken wollen. Also fernab von Schlagworten wie „Taliban“, „Terror“ oder „Luftschlag“. Der Konflikt in diesem Land ist etwas komplexer als die gängige Darstellung dauernd zu vermitteln versucht.

Im Freitag findet sich dazu ein sehr schöner Artikel von Hans Wallow, in dem er die jämmerliche deutsche Berichterstattung über den Afghanistan-Krieg beschreibt.

Es ist hauptsächlich das öffentlich-rechtliche Fernsehen, das die Klischees über Afghanistan zementiert, zum Beispiel die ARD-Sendung Hart, aber fair: Ein völlig ahnungsloser Frank Plasberg diskutierte über den Einsatz der Bundeswehr. Mitten im verbalen Schlagaustausch sah sich Jürgen Todenhöfer, Kritiker des deutschen Militäreinsatzes, Afghanistan-Kenner und ehemaliges Mitglied des Bundestags, mit einer Film­einblendung konfrontiert, in der lachende Mädchen Fußball spielten.

Die Aussage des nur sekundenlangen Streifens strotzte vor Einseitigkeit, die Botschaft der Bilder war: Mit dem Militäreinsatz im Jahre 2002 begann für Afghanistan die moderne Zeitrechnung. Todenhöfer war angesichts der platten Manipulation sichtlich sprachlos. Fair wäre es wohl gewesen, einen der 3.012 afghanischen Flüchtlinge, die allein in den ersten 11 Monaten des Jahres 2009 Asyl in der Bundesrepublik beantragt hatten, zu fragen.

Insgesamt leben in der Bundesrepublik Deutschland 48.437 anerkannte afghanische Asylflüchtlinge. Sie stammen nicht allein aus den ärmeren Schichten, sondern sind oftmals in akademischen Berufen ausgebildet und werden in Afghanistan zum Aufbau benötigt. In ihrer Mehrheit sind sie der Auffassung, dass das ausländische Militär nur eine korrupte, völlig marode Regierung, kriminelle Warlords und Drogenbarone in Staatsfunktionen schützt. Zu Verhandlungen mit den gemäßigten Taliban sehen sie keine Alternative.

Und witzigerweise hat Freigeist zu Guttenberg seine Afghanistan-Strategie eben erst angepasst. Unter Umständen würde er auch mit den „Taliban“ sprechen (siehe Welt). Das ist vor allem deshalb sonderbar und verlogen, weil derselbe zu Guttenschnösel 2007, als der damalige SPD-Vorsitzende Kurt Beck einen ähnlichen Vorschlag unterbreitete, abfällig sagte:

„Ich kenne niemanden, der je einen vernünftigen Taliban getroffen hätte.“

Der Guttenberg dackelt da ja nur der neuen Linie der Amerikaner hinterher, die seit Sommer des Jahres gilt. Der geölte „Raubritter-Abkömmling“ aus dem Bayerischen hat eben keine eigene Meinung oder gar ein querdenkerisches Profil, das ihm seit seinem NEE zur Opelrettung zugeschrieben wurde. Damals hat er ja sogar mit Rücktritt gedroht, es aber dann doch sein lassen, weil, wie er fand, seine ablehnende Position sich in der Schlusserklärung der gesamten Regierung niederschlug. Darauf reagierte auch Urban Priol in seinem satirischen Jahresrückblick mit Unverständnis und fügte süffisant hinzu:

Früher habe der Adel nach so einer Niederlage noch Anstand besessen und beschlossen: „Schublade auf – Beretta raus – Feierabend“.

Ein politisches „Kaltstelllen“ würde mir persönlich ja schon genügen. Das träfe dann allerdings auch auf den Frank-Walter Steinmeier zu. Denn wenn die SPD in Sachen Afghanistan wirklich ein Stück Glaubwürdigkeit zurückgewinnen will, reicht es nicht aus, jetzt auf einmal für einen baldigen Abzug zu sein. Um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, muss die Partei ihren Fraktionsvorsitzenden Steinmeier mit entschiedener Haltung vom Thron stoßen. Das wird aber nicht passieren. Und so nimmt das öffentlich inszenierte Theater um die Schuldfrage, die durch Zuruf der PR-Agenturen, ein wenig zwischen den Seiten hin und her schwankt, kein Ende. Und die dummen Medien folgen diesen Brocken auch weiterhin meist kritiklos.

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Überraschung! Im Winter ist es kalt

Geschrieben von: am 22. Dez 2009 um 12:46

Haben sie auch die Meldungen vom Wochenende verfolgt? Wegen Eis- und Schneechaos brach der Verkehr in Halbeuropa punktuell zusammen. Zahlreiche Reisende hingen auf Straßen, Schienen und Flughäfen fest. Aber lag das nun am Wetter?

Die Frage ist durchaus ernst gemeint. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass es im Dezember kalt werden könnte, ist recht hoch, trotz des Klimawandels. Man muss doch mal darüber nachdenken, wie es denn sein kann, dass im Eurotunnel gleich mehrere Züge stundenlang herumstehen, ohne dass die Betreiber eine zügige Lösung anbieten können? Und während Claudia Schiffer mit einer persönlich organisierten Rettungsaktion vorzeitig aus einem der Züge aussteigen durfte, mussten die restlichen Passagiere die Horrorreise bis zum bitteren Ende mitmachen.

Auf den Flughäfen ein ähnliches Bild. Die Passagiere bleiben sich selbst überlassen und müssen in den Terminals übernachten. Vor allem mangelt es an Informationen und an Betreuung durch geschultes Servicepersonal. Im Grunde fehlt es an übergreifenden Strategien, um wetterbedingte Ausfälle für die Betroffenen erträglicher zu machen. Es liegt also nicht am Wetter, wenn tausende Menschen irgendwo feststecken, sondern vielmehr an den Unternehmen, die mit Verkehrsausfgaben betraut sind. Kann es so gesehen nicht vielleicht auch sein, dass privatwirtschaftliche Renditeinteressen unter schwierigeren Wetterbedingung einen dramatischen Nebeneffekt produzieren?

Nehmen sie nur das Beispiel Deutsche Bahn. Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Cramer sagte dazu heute früh im Deutschlandfunk:

„Hier in Berlin haben wir ja ein Chaos gehabt, wie wir es im Zweiten Weltkrieg nicht erlebt haben. Ich sage immer, was Bomben und Granaten im Zweiten Weltkrieg nicht geschafft haben, hat die Renditeorientierung der Deutschen Bahn bewirkt. Die haben die Unterhaltung extrem gekürzt, sie haben das Personal eingespart und sobald eine unvorhergesehene Maßnahme kommt, stehen sie da und wissen nicht weiter. Das geht alles zu Lasten der Fahrgäste, das muss sich ändern.“

Kälte sollte im Winter keine Überraschung sein. Nur scheinen einige Unternehmen – betriebswirtschaftlich gesehen – damit nicht zu rechnen.

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Klimatisches Wochenende: Was für ein ewiger Kreis

Geschrieben von: am 20. Dez 2009 um 22:30

Pünktlich zum vergeigten Weltklimagipfel in Kopenhagen hielt eisige Kälte halb Europa in Atem. Im Eurotunnel saßen tausende Reisende zwischen England und Frankreich fest, weil die Züge die enormen Temperaturunterschiede nicht vertrugen und von Finnland bis Italien sorgte der Kälteeinbruch für ein Verkehrschaos auf den Straßen. Da wirken die Beschwörungsformulierungen unserer Volkskanzlerin, dass nun alle Gipfelteilnehmer eine Erwärmung der Erde um zwei Grad verhindern wollen, weil uns sonst der Planet um die Ohren fliegen würde, wie eine ebenfalls sauber vergeigte Pointe am Wochenende.

Meine Familie und Ich waren am Wochenende im eisigen Hamburg unterwegs und haben uns im Theater im Hafen mit dem „König der Löwen“ ordentlich einheizen lassen. Eine Geschichte mit Happy End, weil die Liebe siegte, der Tod des Vaters gerächt, die Ehre wiederhergestellt und der Schurke am Ende seine gerechte Strafe erhielt. Wie toll könnte die Welt doch sein, wenn alles so schön ausgehen könnte wie im Musical. Doch im wirklichen Leben ist das anders. Wenn ich den Umweltminister Norbert Röttgen zum Ergebnis von Kopenhagen lese oder auch Frau Merkel, frage ich mich einerseits, wo der Felsen ist, von dem man die beiden – im übertragenen Sinne – stoßen könnte und andererseits, wo die Hyänen sind, die unten auf sie warten.

Merkel: „Wir sind einen Schritt vorangekommen, ich hätte mir aber mehr Schritte gewünscht.“

Röttgen: „Wir haben nicht das erreicht, was wir uns gewünscht haben, aber das, was erreicht werden konnte – die Alternative von wenig wäre nichts gewesen.“

Oh man. Der ewige Kreis des Versagens und Schönredens ohne Happy End und ohne Geschichte. Einfach nur schlecht. Übrigens steigen die Temperaturen in den kommenden Tagen wieder leicht.

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Der helle Wahnsinn in Gesetz gegossen und das vor Weihnachten

Geschrieben von: am 18. Dez 2009 um 14:05

Gestern habe ich Georg Schramm zitiert, der uns etwas überspitzt formuliert mitteilen wollte, wie der Schrecken ohne Ende im nächsten Jahr weitergehen könnte. Den Kriegszustand wird Frau Merkel sicherlich nicht ausrufen, um sich dauerhaft an der Macht zu halten, aber die Steuerschätzung, just einen Tag nach der NRW-Wahl gibt zu denken.

Heute hat der Bundesrat das geisteskranke „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ verabschiedet. Und wie immer wird es so sein, dass man erst wieder hinterher darüber klagen wird, so als ob es die breite und einhellige Kritik an dem Gesetz nie gegeben hätte. Man kann sich das immer noch nicht erklären. Jeder, aber auch jeder, ob regierungsfreundlich oder nicht, hat das Vorhaben der schwarz-gelben Bundesregierung in der Luft zerrissen. Die Bundesregierung selbst konnte nie einen glaubwürdigen Zeugen präsentieren, der die propagierten Annahmen hätte bestätigen konnte.

Schon allein die Einführung einer weiteren Steuersubvention für Hoteliers konnten nicht einmal die glühendsten FDP-Schreihälse wie der Haushaltsschnösel Fricke annähernd plausibel machen. In der letzten Anne Will Sendung antwortete er der verdutzt fragenden Moderatorin, dass man sich als Demokrat eben dem Mehrheitsvotum der Partei unterordnen müsse. So ein Unsinn. Deshalb konnte er das eigene Lachen auch nicht verbergen. Dabei ist die Lage kein Scherz, sondern ziemlich ernst.

Die Regierung will im kommenden Jahr etwa 100 Mrd. Euro neue Schulden machen.

100 Mrd! Plus Steuersenkungen!

Allein das ist schon ein Grund, die Regierung für verrückt zu erklären. Sie müssen sich das mal vorstellen. Am Donnerstag noch ermahnt unserer Volkskanzlerin im deutschen Bundestag, bevor sie als Weltklimaretterin nach Kopenhagen abreiste, Griechenland, das doch bitteschön seine Staatsfinanzen mit mehr Anstrengung in den Griff kriegen sollte. Das ist nicht nur angesichts der eigenen Verschuldung und der beabsichtigten wahnsinnigen Steuersenkungen eine bodenlose Unverschämtheit, sondern auch und vor allem deshalb, weil gerade Deutschland mit seiner einseitigen wirtschaftspolitischen Ausrichtung Verantwortung dafür trägt, dass Griechenland defacto pleite ist. Spanien und Portugal werden da wahrscheinlich noch folgen.

Die Eurozone ist gekennzeichnet von einem extremen Ungleichgewicht. Löhne und Lohnstückkosten laufen in Abhängigkeit zur jeweiligen Produktivität auseinander. Deutschland wirtschaftet auf Kosten der anderen. Während sich Deutschland seit der Währungsunion in Lohnzurückhaltung übte und seine Wettbewerbsposition damit dramatisch verbesserte, haben Länder wie Griechenland ihre Lohnstückkosten, wie in der EU unter den Partnern ursprünglich verabredet, gesteigert. Dazu Heiner Flassbeck im Deutschlandfunk:

Nun sind zwölf Komma irgendwas Prozent natürlich außergewöhnlich, aber man muss auch sehen: Wir haben ein dramatisch sich ausweitendes, internes Ungleichgewicht in der Eurozone, an dem Deutschland nicht unbeteiligt ist, nämlich: Wir haben ein Auseinanderlaufen der Löhne und der Lohnstückkosten unter der Löhne in ihrer Abweichung zur Produktivität eines Landes, und das hat die Wettbewerbspositionen dramatisch verändert in der Eurozone.

Und deswegen haben die Länder nicht nur Haushaltsdefizite wie Spanien und Griechenland und Portugal, sondern sie haben auch Leistungs(…)defizite, was heißt, sie verschulden sich auch gegenüber dem Ausland, und es ist nicht abzusehen, wie das geändert werden kann, und darüber müsste man jetzt vor allem in Brüssel sprechen.

Deutschland hat über zehn Jahre praktisch eine Nicht-Lohnerhöhungspolitik gemacht. Die Lohnstückkosten, die eigentlich steigen sollten so um zwei Prozent – das war die Idee in der Eurozone, sowie die Inflationsrate, wie das Inflationsziel, auf das man sich gemeinsam geeinigt hat – sind in Deutschland überhaupt nicht gestiegen, während in anderen Ländern … ich habe nachgerechnet, für Griechenland sind sie in den 10 Jahren um 25 oder 26 Prozent gestiegen, in Deutschland sind sie nur um 8 Prozent gestiegen. Die Norm der Europäischen Union, Währungsunion ist ja bei 121.

Also, Griechenland hat zwar über seine Verhältnisse gelebt, ist aber näher dran an der Norm als Deutschland, das nach unten abgewichen ist, also unter seinen Verhältnissen gelebt hat. Und so was funktioniert natürlich nicht, wenn man eine gemeinsame Währung hat, und das hat natürlich auch Wirkung auf die Staatsfinanzen.

Und weil wir alle eine gemeinsame Währung haben, können einzelne Ökonomien mit Leistungsbilanzdefiziten nicht mehr währungspolitisch gegensteuern, sondern im Grunde nur in die Abwärtsspirale nach unten mit einsteigen. Das wird wahnsinnigerweise auch so eingefordert. Und die dumme Merkel findet das dann auch richtig, wenn die Beschäftigten in Griechenland eine Zwangskürzung ihrer Gehälter hinnehmen müssten oder eine drastische Erhöhung der Steuern. Komisch nur, dass die beabischtigte 90 Prozent Besteuerung von Banker-Boni offenbar nicht verhindern konnte, dass Ratingagenturen die Bonität Griechenlands herunterstuften. Ausgerechnet jene Agenturen, die in der Vergangenheit mit der vorsätzlich falschen AAA-Zerifizierung von Ramschpapieren ein Bombengeschäft machten und somit dabei halfen, die Weltwirtschaft in den Abgrund zu stürzen.

Dazu sagte Merkel natürlich nichts und dampfte nach Kopenhagen ab. Doch was passiert nun im kommenden Jahr wenn der Wahnsinn des Irrsins seinen Lauf nimmt? Zum Ausgleich für die zu erwartenden Steuerausfälle will die Bundesregierung sich angeblich mit einem größeren Anteil an den Bildungsausgaben der Länder beteiligen. Konkret heißt das, dass die Bundesregierung wohl die Verteilung der Mehrwertsteuereinnahmen anders gestalten werde. In der Vergangenheit hatte Christian Wulff die Mehrwertsteuerverteilung bereits ins Gespräch gebracht.

Und da sind wir auch beim Thema. Die Bundesregierung wird im kommenden Jahr und wahrscheinlich für 2011/2012 nicht umhin kommen, die Mehrwertsteuer anheben zu müssen, um der verschärften Haushaltslage zu begegnen. Das sagt der Wirtschaftsweise Peter Bofinger und kritisiert gleichzeitig, dass einerseits die Lohnsteuern deutlich sinken und im Gegenzug die Verbrauchssteuern erhöht werden, die vor allem die Menschen treffen, die ohnehin durchschnittlich bis wenig verdienen. Dabei müsse gerade aus dieser Bevölkerungsschicht eine verbesserte Dynamik entwickelt werden, sprich gesteigerter privater Konsum, um die Wirtschaftskrise zu überwinden. Die Bundesregierung macht aber das Gegenteil. Sie verschärft mitten in der Krise die Umverteilung von unten nach oben. Diejenigen, die ohnehin mehr Einkommen und Vermögen haben, werden begünstigt. Die Sparneigung dort wird weiter steigen und auch die Risikobereitschaft, bei der Zockerei an den Finanzmärkten, die noch immer nicht kontrolliert werden, mitzumachen.

Es ist doch keine Einbildung, wenn selbst Börsenmakler, wie Dirk Müller z.B., sagen, dass es nach dem Crash heftiger denn je auf den Finanzplätzen weitergeht. Die Boni sprudeln wieder, trotz der Krise und zur Verwunderung der Broker, die die Erfahrung eines sauber durch den Steuerzahler abgefederten Crashs verinnerlicht haben werden und auf Wiederholung hoffen.

Siehe dazu Dirk Müller bei ARTE: „Banken: Milliarden verzockt, Vertrauen verspielt“ Gesprächsrunde mit Dirk Müller vom 14.10.2009 (Mit Dank an Günther für den Hinweis :) )

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Schönes Wochenende. Bis Sonntag oder Montag. Ich brauche erstmal Zeit, damit sich mein Magen wieder beruhigt. :wave:

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