Es ist wieder Zeit für Sommerinterviews

Geschrieben von: am 26. Juli 2010 um 14:09

Und das ZDF folgt seiner alten Linie. Zwar führt nicht mehr Peter Frey die Gespräche, sondern Thomas Walde, aber an der Strategie hat sich nichts geändert. Offensichtlich glaubt das ZDF noch immer, die Zuschauer mit billigen Tricks der Meinungsmache manipulieren zu können. Sie können das Interview mit dem Parteichef der Linken Klaus Ernst auf der Seite des ZDF nachschauen und nachlesen.

Wenn sie das tun, sollten sie auf die Fragen von Thomas Walde achten. Im letzten Jahr wurde Oskar Lafontaine von Peter Frey, dem neuen Chefredakteur des ZDF, immer wieder mit dem Hinschmeißen und Weglaufen konfrontiert. Ein sachliches Gespräch war nicht möglich, wie letztlich auch der geniale Youtube-Zusammenschnitt der journalistischen Nichtleistung Freys zeigt.

Ähnlich lief es auch bei Klaus Ernst. Ein mit ernster Miene dreinschauender Thomas Walde, der wahrscheinlich beim ZDF noch was werden will, hakte immer wieder mit Unterstellungen und dreisten Lügen nach, um den Anschein eines kritisch fragenden Journalisten zu wahren. Besonders lächerlich war dabei, die Schutzbedürftigkeit von Kleinanlegern besonders zu betonen, die Aktien von Banken gezeichnet hätten.

Wie soll diese Art der Verstaatlichung oder Vergesellschaftung ganz praktisch ablaufen? Gehen Sie dann zu Kleinaktionären und sagen: ‚Oma gib mir mal deine Deutsche-Bank-Aktien‘?

Wie werden Sie Kleinaktionären sagen, dass die ihre Bankaktien rauszurücken haben?

Da habe ich gelacht, denn offensichtlich kennt Herr Walde die Aktionärsstrukturen in diesem Lande schlecht. Da steht er sprichwörtlich allein im Walde. Es ist auch überhaupt nicht zu verstehen, weshalb Herr Walde es offensichtlich für den größeren Skandal hält, Anteilseignern von Pleitebanken die Aktien wegzunehmen, als den Steuerzahlern Milliardenschulden durch die Rettung maroder Kreditinstitute aufzubürden. Das ist ein journalistisches Armutszeugnis.

Als zweiter Punkt fiel auf, dass das ZDF es nun mit Radikalisierungsvorwürfen versucht, um die Linke zu stigmatisieren. Bei Lafontaine hat es bekanntlich noch ausgereicht, ihn mit dem eigenen Weglaufen zu konfrontieren und dem Vorwurf, dabei eine Chance hingeschmissen zu haben, all die schönen Dinge, die die Linke so fordert als SPD-Chef und Finanzminister umzusetzen.

Ihre politische Heimat war lange Zeit die SPD. Heute hat Ihre Partei einen Programmentwurf, in dem die Verstaatlichung aller Banken gefordert wird, in dem von demokratischer Vergesellschaftung vieler Politikbereiche die Rede ist. Was hat Sie so radikalisiert?

Aber die SPD hat nie gefordert, alle Banken zu verstaatlichen. Sie tun das aber heute. Insofern haben Sie sich sehr wohl radikalisiert.

Man läuft also entweder davon oder man ist ein Radikaler, der Dinge fordert, die eine Art “Heilserwartung” wecken.

Es gibt andere Punkte in Ihrem Programmentwurf, in denen Sie sehr wohl eine Heilserwartung erwecken. Ich sprach es eben an: Mindestlohn beispielsweise. Wie soll das eigentlich gehen? Deutschland steht derzeit im internationalen Wettbewerb recht gut da. Unter anderem hat die bisherige Lohnzurückhaltung dazu beigetragen. Wenn das jetzt durch ihre Mindestlohnforderungen quasi auf staatlichem Wege ausgehebelt würde, birgt das doch die Gefahr in sich, dass dieser zarte Aufschwung kaputtgeht. Warum wollen Sie dieses Risiko eingehen?

In dieser Frage gehen nun falsche Behauptungen, Unterstellungen und schlicht asoziales Verhalten Hand in Hand. Herr Walde behauptet einfach, dass es einen Aufschwung gäbe, der nachhaltig sei, weil Deutschland Lohnzurückhaltung übe. So als ob es keine Weltwirtschaftskrise geben würde, deren Ursache gerade im Lohndumping Deutschlands begründet liegt. Und wer noch immer die Auffassung vertritt, dass ein Mindestlohn etwas Utopisches sei, weil er wirtschaftliche Prosperität verhindern würde, der ist, Volker Pispers folgend, schlicht ein Arschloch. Denn wer es richtig findet, dass ein Mensch von seiner Arbeit nicht leben können soll oder zumindest der Auffassung ist, dass man dabei Kompromisse machen sollte, beweist nur seine asoziale Grundhaltung – mehr nicht.

Das machte auch Klaus Ernst etwas umständlich dem neuen Sommerlochfrager des ZDF deutlich. Der wusste sich aber zu wehren und behauptete weiter:

Aber Deutschland steht im internationalen Vergleich sehr gut da und die Arbeitslosigkeit ist gesunken. Warum wollen Sie das riskieren?

Da hätte Klaus Ernst nun richtig schalten müssen und erwidern, dass wir kein Risiko eingehen würden, wenn wir es fertigbrächten, unsere Statistiken einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Denn wenn laut Statistik rund ein Viertel aller Beschäftigten in prekären Arbeitsverhältnissen steckt, also in Zeit-, Leiharbeit oder Teilzeit und damit die Form atypischer Beschäftigung innerhalb von zehn Jahren um 25 Prozent zugenommen hat, dann sollte man das durch Herrn Walde angedeutete Jobwunder, dass auch Frau Merkel und die Bundesregierung ständig ins Feld führt, schleunigst unter dem Stichwort “utopischer Irrglaube” beiseite legen.

Den Rest schenke ich ihnen.

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Aufklärung und etwas Satire zum E-Postbrief

Geschrieben von: am 25. Juli 2010 um 20:02

Richard Gutjahr, ein freier Mitarbeiter beim bayerischen Rundfunk hat zusammen mit den Rechtsanwälten Udo Vetter und Thomas Stadler die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum neuen E-Postbrief genauer angesehen und das Kleingedruckte in seinem Blogeintrag “Die Gelbe Gefahr?” herausgearbeitet. Das sollte man gelesen haben. Zusammengefasst lässt sich das auch so darstellen, wie das der IT-Fachmann und Blogger Peter Piksa auf seinem Blog getan hat.

Quelle: http://www.piksa.info/blog/2010/07/23/der-e-postbrief-verbindlich-vertraulich-verlasslich-eine-kleine-satire/

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Belangloser Streit um die Kriegsausrüstung der Bundeswehr

Geschrieben von: am 25. Juli 2010 um 18:44

Der Wehrbeauftrage des Bundestags Königshaus (FDP) kritisiert auch weiterhin öffentlich die miserable Ausstattung der Bundeswehr in Afghanistan und stellt sich damit gegen seinen Koalitionskollegen und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der die Vorwürfe als „maßlos“ zurückwies.

Königshaus meinte daraufhin:

Quelle: Spiegel Online

Auch ein Minister müsse in der Lage sein, Kritik auszuhalten. „Ich habe mich nirgendwo maßlos geäußert, zu keinem Zeitpunkt“, sagte Königshaus. Auch die Verwendung des Begriffs „Drama“ für einige Versorgungs- und Ausstattungsbereiche verteidigte er.

„Es ist eben auch ein Drama, dass wir hier nach acht Jahren immer noch in einer solchen Situation sind. „Königshaus bekräftigte, dass es zu wenig Übungsmunition gebe. Das führe dazu, dass sich die Soldaten nicht ausreichend auf Gefechte vorbereiten könnten. Auch von seiner Kritik an der Sicherung der Sanitätsfahrzeuge nahm Königshaus nichts zurück. Es würden weiterhin Fahrzeuge vom Typ „Yak“ eingesetzt, die „für diejenigen, die damit fahren, ein Risiko“ darstellten. Die weitaus besser geschützten „Dingo II“ könnten wegen unangemessener Zulassungsnormen dagegen nicht eingesetzt werden.

Die haben vielleicht Probleme. Nein, es ist kein Drama, dass wir seit fast zehn Jahren Krieg führen, es sei aber ein Drama, dass sich nach so langer Zeit noch nichts an der Ausrüstungssituation der kämpfenden Truppe geändert habe. Ja wie auch? Bisher waren wir doch als Brunnenbauer und Beschützer afghanischer Frauen im Einsatz! Oder etwa nicht? Offiziell Krieg führen wir doch erst, seitdem der Sprachwahrer des Jahres 2009 Karl-Theodor zu Guttenberg „klare Worte“, seine Worte, fand:

„Ich will ganz offen sein. In Teilen Afghanistans gibt es fraglos kriegsähnliche Zustände. Zwar ist das Völkerrecht eindeutig und sagt: Nein, ein Krieg kann nur zwischen Staaten stattfinden. Aber glauben Sie, auch nur ein Soldat hat Verständnis für notwendige juristische, akademische oder semantische Feinsinnigkeiten? Und: Manche herkömmliche Wortwahl passt für die Bedrohung von heute nicht mehr wirklich. Ich selbst verstehe jeden Soldaten, der sagt: In Afghanistan ist Krieg, egal, ob ich nun von ausländischen Streitkräften oder von Taliban-Terroristen angegriffen, verwundet oder getötet werde“. Der Einsatz in Afghanistan ist seit Jahren auch ein Kampfeinsatz, Wenigstens in der Empfindung nicht nur unserer Soldaten führen die Taliban einen Krieg gegen die Soldaten der internationalen Gemeinschaft.“

Quelle: Bundesregierung am 3. November 2009

Und schließlich hat der Verteidigungsminister längst reagiert und ein paar Haubitzen nach Afghanistan entsandt. Nun könne man auch selber „Wiederaufbauaufträge“ herbeischießen (siehe Egon W. Kreutzer) und müsse sich nicht allein auf die Taliban verlassen. Und überhaupt, was hat denn eigentlich der Wehrbeauftragte Königshaus von der notorischen Steuersenkungspartei FDP schon zu melden?

Karikatur Klaus Stuttmann
Quelle: Klaus Stuttmann

Künftig soll es, wenn man den Vorschlägen aus dem Hause zu Guttenbergs folgt, wieder einen Generalstabschef geben (siehe Spiegel Online). Die letzten beiden deutschen Exemplare dieser Art Alfred Jodl und Wilhelm Keitel baumelten übrigens als Kriegsverbrecher am Ende eines Strickes. Bevor dieser Vorschlag nun also ungeprüft in die Tat umgesetzt wird, sollte der geölte Aritokratenblitz zu Guttenberg vielleicht noch einmal, wie in seiner Zeit als Wirtschaftsminister, auf externen Sachverstand zurückgreifen. Seine Freunde von der Kanzlei Linklaters machen sich gegen entsprechendes Honorar sicherlich auch zu diesem Thema ihre Gedanken, die dann zu einem Gesetzestext verarbeitet werden können. Damals hieß es schließlich zur Begründung:

„Die Einbeziehung sowohl der Kanzlei als auch der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bei der Errichtung einer GmbH und des Entwurfs eines entsprechenden Gesellschaftsvertrages ist aufgrund der komplexen Sach- und Rechtslage nicht nur geboten, es wäre aus Sicht des Ministeriums fahrlässig, dies nicht zu tun.“

Quelle: Spiegel Online

Es ist also alles ganz einfach, Gutti und strafbar offensichtlich auch nicht.

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Bild(er) des Tages

Geschrieben von: am 25. Juli 2010 um 17:43

Eigentlich wollte ich die Tigerente nehmen, die beim Aufräumen des Kinderzimmers wieder aufgetaucht war.

Tigerente

Dann sind wir aber als VIP-Gäste zur Veranstaltung der KI.KA SommerTour 2010 nach Hannover gefahren und haben doch noch schönere Bilder gemacht. ;)

Als erstes war da mal ein ICE, der immer dann im Kreis fuhr, wenn man ordentlich in die Pedale trat. Ob dann auch die Klimaanlage an Bord funktionieren würde, konnte mir die Betreuerin vor Ort aber nicht beantworten.

ICE Modell

Als VIP durfte man nicht nur Backstage herumlaufen, sondern auch auf die rund 2,5 stündige Wartezeit vor den einzelnen Attraktionen verzichten. Die so gewonnene Zeit konnte man dann gemütlich in der „Sol y Mar“ Lounge direkt am Hauptbahnhof bei Häppchen und gekühlten Getränken verbringen. Das muss auch mal sein. ;) Highlight war aber eine Ballonfahrt auf über 55 Meter Höhe. Jetzt habe ich endlich eigene Luftbilder vom Hannoveraner Hauptbahnhof.

Hauptbahnhof von oben

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TV-Tipp: Neuer Termin für Mitternachtsspitzen (Update)

Geschrieben von: am 25. Juli 2010 um 16:44

Die gestern ausgefallene Sendung soll heute Abend, 25.07.2010, um 22:30 Uhr gezeigt werden. Das teilte mir der WDR per Mail soeben mit. Auf der Homepage des WDR ist die Programmänderung aber noch nicht vermerkt.

EDIT: In der Programmplanung des WDR steht jetzt 22:15 Uhr.

http://www.wdr.de/programmvorschau/programDateDateSender.jsp?programmeId=10;dayOffset=0

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Die Geschichte der Bahnprivatisierung

Geschrieben von: am 24. Juli 2010 um 15:11

Auf Jens Bergers Blog Spiegelfechter findet sich heute ein Gastbeitrag von Markus Weber zum Thema Bahn-Privatisierung. Den sollten sie sich unbedingt durchlesen. Aus meiner Sicht gibt es nur eine Anmerkung zu folgender Passage:

2005 schrieb die Große Koalition im Koalitionsvertrag fest, bald eine Entscheidung zum Börsengang der Bahn treffen zu wollen. Obwohl es in der SPD eine fast vollständige Ablehnung gab, stimmten die SPD-Mitglieder im Kabinett schließlich einem Börsengang zu. Dieser wie auch die meisten der dann folgenden Vorgänge zeichneten sich kaum durch einen hohen politischen Anstand oder ein faires und transparentes Vorgehen aus – vielmehr war den Betreibern des Börsengangs fast jedes Mittel recht.

Das ist soweit richtig. Nur sollte man unbedingt hinzufügen, dass in dem ersten Entwurf zum schwarz-roten Koalitionsvertrag von 2005 nicht nur das „Wie“, sondern auch das „Ob“ einer Teilprivatisierung festgehalten wurde. Dieses „Ob“ wurde dann in kleiner Runde unter Beteiligung von Gerhard Schröder aus dem Koalitionsvertrag gestrichen.

Quelle: NachDenkSeiten

Ursprünglich hatte im Entwurf der Koalitionsvereinbarung gestanden, dass im Laufe der gemeinsamen Regierungsarbeit nicht nur das Wie der Privatisierung, sondern in erster Linie das Ob einer Teilprivatisierung geprüft werden soll. Dann ist in einer Schlussrunde im kleinen Kreis unter Beteiligung des noch amtierenden Bundeskanzlers Gerhard Schröder das „Ob“ gestrichen worden. Von Schröder wissen wir, dass ihm die Interessen der Finanzindustrie eine Herzensangelegenheit sind. Die Spitzen der CDU sind eng verbunden mit entscheidenden Personen der Privatisierungslobby. (Siehe die Verbindungen von Dr. Dirk Notheis von Morgan Stanley, früher Junge Union BW und Spendensammler für die CDU.)

Die Information über diese eigenartige Entfernung des „Ob“ müsste es unseren Abgeordneten leichter machen, die Hürde einer unter diesen Umständen zustande gekommenen Koalitionsabrede zu überwinden.

Wir sollten speziell die SPD-Abgeordneten auch fragen, wie sie sich den plötzlichen Sinneswandel ihrer Spitzenleute in Sachen Börsengang der Bahn erklären. Reihenweise wurden aus Gegnern Befürworter. Was war da passiert? Geht es um indirekte Parteienfinanzierung?

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Stress mit dem Stresstest

Geschrieben von: am 24. Juli 2010 um 10:14

Wer hat die Geschichte mit dem Stresstest eigentlich verstanden? Wer kann damit überhaupt etwas anfangen? Also ich verstehe diesen Test und was damit bezweckt werden soll nicht. Vielleicht klärt Georg Schramm heute Abend in den Mitternachtsspitzen etwas auf.

Offensichtlich haben alle deutschen Banken, mit Ausnahme der staatlichen HRE, diesen ominösen Test bestanden. Doch was wurde da eigentlich geprüft. Der Karikaturist Klaus Stuttmann mit einem Erklärungsversuch:

Mit solchen Stresstests wird untersucht, was passiert, wenn Banken oder Versicherungen durch eine Krise in Mitleidenschaft gezogen werden. Dabei wird vor allem auf die Eigenkapitalquote geschaut und geprüft, wie sich diese unter verschiedenen Szenarien, also einer dramatischen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage, verhält. Das ist ja alles schön und gut. Mir stellt sich nur die Frage, welche Bedingungen durch die Prüfer angenommen werden. Zum Beispiel böte sich ja das reale, immer noch anhaltende Krisenszenario von 2009 an. Das Naheliegende hat die Bankenaufsicht aber gar nicht in den Blick genommen. Wahrscheinlich weil dann alle Banken glatt durchgefallen wären und die mit diesem Stresstest beabsichtige Vertrauensbildung so nicht hätte erreicht werden können.

Unterm Strich wurden also Szenarien durchgespielt, die wahrscheinlich nie Realität werden oder aber nach der Erfahrung von 2009 sehr viel schlimmer ausfallen würden. Dazu kommt natürlich die Festlegung der Ausgangsbasis. Wie wird denn die Kernkapitalquote einer Bank bestimmt? Ist es nicht so, dass diese Quote einerseits aus sog. stabilen Sachwerten wie Gebäude und Grundstücke besteht, andererseits aber auch aus Wertpapieren und Forderungen Kreditnehmern gegenüber? Diese Risikoaktiva bestimmen doch im Prinzip die Höhe des Eigenkapitals, welches die Bank als Sicherheit vorhalten muss, falls die Risikoaktiva plötzlich an Wert verlieren sollten.

Banker und Prüfer müssen also vorher klären, welchen Wert die Risikoaktiva, also auch Schrottpapiere, die ja noch immer in den Tresoren lagern, haben. Die Ergebnisse des Stresstests hängen demnach entscheidend von dieser Übereinkunft ab. Und glauben sie nun im ernst, dass die Banken ihr Risikopotential realitätsnah abbilden, obwohl sie seit dem Ausbruch der Krise im Jahr 2008 ein Geheimnis daraus machen?             

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Professor (Un)Sinn in "Partylaune"

Geschrieben von: am 23. Juli 2010 um 12:36

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Der Ifo-Geschäftsklimaindex bricht alle Rekorde. Seit 20 Jahren hätte es nicht mehr so einen tollen Stimmungsaufschwung unter den befragten Unternehmern gegeben. Da hat das Chef-Orakel vom Ifo-Institut natürlich allen Grund, Partylaune zu verkünden.

Quelle: Spiegel Online 

Quelle: Ifo-Institut

Die akademischen Kaffesatzleser haben bei der Befragung der Glaskugelbesitzer nach deren Geschäftserwartungen einen Index errechnet, der auf eine Stelle nach dem Komma genau sein soll. Ich will die „Partylaune“ ja nicht verderben, aber das ist und bleibt noch immer „Volksverarschung im Quadrat“. Das Gefühl der befragten Unternehmen ändert zunächst einmal überhaupt nichts an den volkswirtschaftlichen Realitäten. Das Tolle ist aber, dass der Party-Professor diese Realitäten als Bestätigung für seine Weissagung nimmt.

Die deutsche Konjunktur hat sich in den vergangenen Monaten nach ersten Angaben nicht nur erholt, sondern unerwartet deutlich zugelegt. Die meisten Prognosen tendieren zwischen 1,5 und 2 Prozent – die Bundesrepublik befindet sich in einem überraschend starken Aufschwung, nach der tiefsten Rezession seit 1945. Dieser Trend schlägt sich nun auch in dem Stimmungswert des Ifo-Index nieder.

Eine Konjunkturprognose von gerade einmal 1,5 bis 2 Prozent ist also schon ein starker Aufschwung, wenn die Prognose denn auch zutreffend sein sollte? Denn richtige Prognosen abzugeben, haben die Institute in letzter Zeit kaum noch hinbekommen. Wahrscheinlich weil sie fest den Stimmungsbarometern vom Ifo-Institut und der GfK vertrauen. Aber nehmen wir einmal an, dass es tatsächlich zu einem Wachstum von 1,5 bis 2 Prozent kommen sollte, so wäre das mitnichten ein Aufschwung, den man als stark oder deutlich bezeichnen könnte. An der verordneten Euphorie merkt man nur, wie gewöhnt, man könnte auch manipuliert sagen, die deutsche Öffentlichkeit an mickrige Wachstumsraten bereits ist.

Vergleicht man einmal die durchschnittlichen deutschen Wachstumsraten aus der Vergangenheit, so wird man feststellen, dass die schon höher lagen. In den 70er Jahren gab es im Schnitt ein Wachstum um 2,8 Prozent (Periode 1970-1980) und in den 80er Jahren immerhin einen Schnitt von 2,6 Prozent (Periode 1980-1991). In den 90ern waren es nur noch 1,7 Prozent (Periode 1991-2000) und seit dem Jahr 2001 gab es im Schnitt Wachstumsraten von 0,6 Prozent. Würde man für das Jahr 2010 nun ein Wachstum von 2 Prozent annehmen, dann würde für die erste Dekade des neuen Jahrtausends eine Wachstumsrate von sage und schreibe 0,7 Prozent herauskommen. Da sollte man die Sektkorken natürlich knallen lassen. 

Wachstum

Das es auf der Welt auch noch realistischere Einschätzungen zur wirtschaftlichen Entwicklung gibt, zeigen die USA. Dort erwartet man zum Beispiel ein Wachstum von 3 bis 3,5 Prozent für dieses Jahr und 3,5 bis 4,5 Prozent in den nächsten beiden Jahren. Diese recht positiven Zahlen führen nun aber weder zu einer Partylaune noch zu der Einschätzung, die Finanz- und Wirtschaftskrise überwunden zu haben.

Zwar sei die Erholung der US-Wirtschaft insgesamt auf einem guten Weg, weil unter anderem der private Konsum, Exporte und Investitionen der Unternehmen zugenommen hätten. So sei für 2010 mit einem Plus zwischen 3,0 und 3,5 Prozent zu rechnen und in den beiden Jahren danach mit 3,5 bis 4,5 Prozent. Doch gebe es derzeit große Abwärtsrisiken für das Wachstum, sagte der Fed-Chef.

Sorgen bereite insbesondere die zögerliche Erholung des Arbeitsmarkts. Im ersten Halbjahr dieses Jahres seien weniger neue Jobs geschaffen worden, als für eine nachhaltige Erholung notwendig gewesen wäre. „Sehr wahrscheinlich wird es viel Zeit brauchen, die fast 8,5 Millionen Arbeitsplätze wieder aufzubauen, die 2008 und 2009 verloren gingen“, sagte der Notenbankchef. Die zunehmende Langzeitarbeitslosigkeit könne dem privaten Konsum schaden und zu einem Verlust qualifizierter Fachkräfte führen.

Quelle: Spiegel Online

Eine kritischere Betrachtung des deutschen Arbeitsmarkts und des privaten Konsums durch Herrn Sinn würde vielleicht dabei helfen, die Lage etwas nüchterner zu sehen. In einer der jüngsten Meldungen des statistischen Bundesamts zur Entwicklung atypischer Beschäftigung, stand versteckt folgender Absatz.

Quelle: destatis

Trotz des Rückgangs im Krisenjahr 2009 ist die Anzahl der Personen in atypischen Beschäftigungsformen in den letzten zehn Jahren gestiegen. 1999 waren 19,7% aller Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsformen beschäftigt. Bis 2009 ist ihre Anzahl um 1,8 Millionen Personen auf 7,6 Millionen angestiegen. Der Anteil hat sich damit im Jahr 2009 auf 24,8% aller abhängig Beschäftigten erhöht, was die gewachsene Bedeutung dieser Beschäftigungsformen unterstreicht.

Rund ein Viertel aller Beschäftigten befinden sich also in befristeten Arbeitsverträgen oder in der Leih- bzw. Zeitarbeit, kurz in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Laut statistischem Bundesamt hat diese Beschäftigungsform eine wachsende Bedeutung, die dann auch der Prof. (Un)Sinn aus München hätte zur Kenntnis nehmen müssen.

Welcher Wirtschaftsteil darf denn dann nach Prof. Sinn in Partylaune verfallen? Die gesamte deutsche Wirtschaft? Das ergäbe doch keinen Sinn. Die Exportwirtschaft dürfte sich auch nicht lange freuen, da es äußerst dumm wäre, auf die alten Schuldner zu setzen.   

Die Welt insgesamt hat nichts davon, wenn ein Land durch Außenhandelsüberschüsse wächst, weil das automatisch zu Lasten der restlichen Länder geht.

Doch was für eine „Stärke“ ist das? Jede Milliarde Außenhandelsüberschuss der Deutschen, die beim hiesigen Wachstum positiv zu Buche schlägt, stellt im Rest der Welt ein Minus beim Wachstum dar.

Das deutsche Wirtschaftsmodell setzt . klar auf Exportüberschüsse und trägt damit entscheidend zur Entstehung neuer Krisen bei, weil hohe Handelsüberschüsse die Weltwirtschaft destabilisieren. Das liegt daran, dass Handelsungleichgewichte zwingend den Aufbau von Schuldenpositionen der Defizit-Länder bedeuten. Gibt es hier keine Umkehr, gewinnt ein Land also immer, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Abtragen der Schulden nur noch durch ihre abrupte Entwertung möglich ist.

Wie die europäische Krise zeigt, sind die Folgen solcher Eruptionen für beide, Gläubiger wie Schuldner, gewaltig.

Im Lichte dessen ist die Vermutung, Deutschland sei gestärkt aus der Krise gekommen, weil es wieder Schuldner gefunden hat, abenteuerlich.

Quelle: Zeit Online (Gastbeitrag von Heiner Flassbeck)

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