Destatis ändert Messmethode zu Einzelhandelsumsätzen

Geschrieben von: am 18. Aug. 2010 um 11:27

Quelle: destatis

Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat mit dem Berichtsmonat Juni 2010 bei der monatlichen Handelsstatistik eine jährliche Rotation der befragten Unternehmen eingeführt. In den vorläufigen Ergebnissen der Einzelhandelsstatistik, die mit der Pressemitteilung 270/2010 vom 30. Juli 2010 bekannt gegeben wurden, war der neue Berichtskreis nur für den Monat Juni 2010 berücksichtigt. Nunmehr liegen Einzelhandelsergebnisse aus diesem neuen Kreis der befragten Unternehmen rückwirkend bis Januar 2009 vor. Daraus ergeben sich Änderungen in den bisher veröffentlichten Daten.

Danach lag der Umsatz im Einzelhandel in Deutschland im Juni 2010 nominal um 5,3% und real um 4,7% höher als im Juni 2009. Die vorläufigen Ergebnisse in der Pressemeldung vom 30. Juli 2010 wiesen ein Plus von 3,8% nominal und 3,1% real gegenüber dem Vorjahresmonat nach. Im Vergleich zum Mai 2010 sank der Umsatz im Juni 2010 unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten nominal um 0,5% und real um 0,3%.

Im ersten Halbjahr 2010 wurde nach den neuen Ergebnissen im Einzelhandel nominal 1,8% und real 0,9% mehr als im ersten Halbjahr 2009 umgesetzt. Laut vorläufigem Ergebnis vom 30. Juli 2010 waren es nominal + 0,5% und real – 0,4%.

Sehr seltsam. Dank neuer Messmethode steigen die Einzelhandelsumsätze. Damit ist auch klar, warum das statistische Bundesamt in der Vorabmeldung zum Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal 2010 davon spricht, dass auch die privaten und staatlichen Konsumausgaben zum Wachstum des BIP beitrugen. Wenn man die Messmethode entsprechend ändert, kann das natürlich hinkommen. Aber mit der Messmethode ändert sich auch der Schätzanteil von durchschnittlich 17,3 Prozent auf 25,1 Prozent für den Monat Juni. Also wurde geschätzt mehr umgesetzt. Tolle Sache.

Am 24. August wissen wir jedenfalls mehr über die Zusammensetzung des gefeierten „Rekordzuwachses“ beim Bruttoinlandsprodukt. Dann will das statistische Bundesamt ausführliche Ergebnisse für das zweite Quartal bekanntgeben.

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Volker Pispers über Westerwelles Reflexe

Geschrieben von: am 17. Aug. 2010 um 21:01

Auch Volker Pispers hat das Wortspiel mit dem Wegpixeln von Guido Westerwelle in seiner heutigen Glosse auf WDR 2 aufgegriffen. Sehr schön.

Aber richtig toll ist natürlich die Formulierung, dass das Erklingen der Stimme Westerwelles gerade bei denjenigen, die bisher ihrem Herrchen in der freudigen Erwartung auf baldige Steuersenkungen hinterhergelaufen sind, obwohl sie mitunter kaum Steuern zahlten, nun nicht mehr dazu führe, dass ihnen das Wasser im Munde zusammenliefe, sondern vielmehr als Tränen in die Augen schieße…

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Vor dem Hintergrund des Aufwärmens einer absurden Steuersenkungsdebatte wirken die Auftritte von Westerwelle und Niebel in der Öffentlichkeit, bei denen sie an die Spendenbereitschaft der Deutschen appellieren, um den Menschen in Pakistan zu helfen, mehr als albern.

Wer sein Geld einer seriösen Hilfsorganisation gebe, könne sicher sein, dass es die Opfer auch erreicht.

Quelle: n-tv

Die FDPler müssen das ja wissen. Die haben ja Erfahrung mit Spenden. Nur das für Spenden an die FDP neue Opfer in anderen Bereichen erbracht werden müssen. Zum Beispiel auch bei den humanitären Hilfsgeldern, die dem Außenministerium zustehen. Da wird im kommenden Jahr um 20 Prozent gekürzt. Kein Wunder also, dass Westerwelle zu einer noch größeren Spendenbereitschaft aufruft. An den Steuergeschenken für die Hoteliers vom Frühjahr wird schließlich nicht gerüttelt.

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Zum Atomdeal

Geschrieben von: am 17. Aug. 2010 um 19:30

Die vier großen Energiekonzerne diktieren der Bundesregierung, wie sie mit ihnen umzugehen habe. Das Oligopol der Kernkraftwerksbetreiber Eon, RWE, Vattenfall und EnBW wünscht keine Besteuerung ihrer Geschäfte. Man will lieber einen einmaligen Beitrag zahlen und dafür die Politik dazu zwingen, sich künftig aus den Belangen der Betreiber herauszuhalten. Etwa so ähnlich lief es auch bei der Atommüllentsorgung in Morsleben.

Doch was macht die Bundesregierung mit so einem absurden Vorschlag. Sie will darüber verhandeln. Besonders lustig fand ich dabei den Protest vom Grünen Dosenonkel Jürgen Trittin:

Jürgen Trittin warf Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor, er sei „bereit, darüber zu verhandeln, ob er käuflich ist“. Man müsse sich die Frage stellen: „Wer regiert eigentlich dieses Land?“

Quelle: Frankfurter Rundschau

Nicht schlecht, aber ist die gespielte Aufregung der Klinkenputzer für die Energiewirtschaft nicht ein wenig scheinheilig? Wer hat denn der ständigen Liberalisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge das Wort geredet, weil dann angeblich alles billiger, effizienter und besser würde? Wenn man sich nun schon mit Blick auf die Energiekonzerne die Frage stellt, wer eigentlich das Land regiere, dem dürfte es doch nicht schwerfallen, dieser programmatischen Kernforderung zuzustimmen…

„Wir wollen die Energiekonzerne in öffentliches Eigentum überführen und einer demokratischen Kontrolle unterstellen. Das Energiekartell muss entflochten, die Energieversorgung weitgehend rekommunalisiert, die Energiemonopole müssen schrittweise aufgelöst werden.“

Quelle: Aus dem Programmentwurf der Partei die Linke

Oder ist das etwa viel zu radikal und sozialistisch? Da geben wir doch lieber geldgeilen Energiekonzernen den vortritt, die nicht nur über die stets steigende Höhe der Strompreise nahezu ungehindert bestimmen können, sondern auch über ihre Steuern mit dem Staat verhandeln dürfen. Wo gibt es das schon. Es lebe die freie Marktwirtschaft oder so…

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"Amerika erlebt einen düsteren Sommer"

Geschrieben von: am 16. Aug. 2010 um 21:44

Die Krise zeigt sich in den USA erneut mit aller Macht: Wer Geld übrig hat, der spart und lässt das Konsumieren sein. Ein Augenschein an der neuenglischen Küste bestätigt diese Einschätzung. An den weiten Sandstränden hat es zwar weiterhin Besucher. Aber in den Läden der Badeorte bleibt die Ware liegen, obwohl viele Besitzer bereits Rabatte von 50 Prozent und mehr anbieten. Die Zahlen bestätigen den subjektiven Eindruck. Seit dem Frühsommer sind die private Nachfrage und das Wirtschaftswachstum überall in den USA erlahmt, während die Arbeitslosigkeit im Juli erneut anstieg. Dabei führt die offizielle Quote von 9,5 Prozent in die Irre, da sie Arbeitsfähige ausklammert, die bei der Jobsuche aufgegeben haben. Von der miserablen Wirtschaftslage besonders betroffen sind neben Schwarzen und Latinos jugendliche US-Bürger, von denen jeder vierte arbeitslos ist. Dies ist der schlechteste Wert seit 1949. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist inzwischen so hoch wie während der Grossen Depression in den dreissiger Jahren des 20. Jahrhunderts.

Quelle: NZZ (via Hinweisen des Tages auf den NachDenkSeiten)

Im zweiten Quartal wuchs die amerikanische Wirtschaft um lediglich 0,6 Prozent, nachdem sie im ersten noch um 0,9 und im letzten Quartal 2009 um 1,2 Prozent zunahm. Aber bei uns ist „Aufschwung XL“, weil die Exportwirtschaft so boomt. Irgendetwas kann da nicht stimmen. Die Amerikaner fallen jedenfalls als künftiger Abnehmer deutscher Waren aus. Am meisten exportiert Deutschland in die EU. Und auch die fallen demnächst als Abnehmer aus, so fern die Bundesregierung als wirtschaftspolitisches Zugpferd der EU auf den Sparprogrammen seiner europäischen „Partner“ besteht.

Die Griechen zum Beispiel setzen trotz oder vielmehr gerade wegen des von der EU und dem IWF forcierten Sparprogramms ein Quartal nach dem nächsten in den Sand (Q3/2009 -0,5; Q4/2009 und Q1/2010 -0,8; Q2/2010 -1,5 Prozent). Die Wirtschaft schrumpft und die Schulden wachsen. Wollte man nicht das Gegenteil erreichen?

In Deutschland hingegen lobt sich die frisch erholte Kanzlerin selbst für ihre Politik. Sie ließ durch den frisch gebackenen Regierungssprecher Seibert ausrichten, dass sowohl die Politik als auch Unternehmen und Gewerkschaften etwas richtig gemacht hätten (siehe FAZ). Und dann sagte Seibert oder Merkel, keine Ahnung:

„Wir haben nicht mehr Geld, sondern nur ein bisschen weniger Schulden.“

Bei dem Satz habe ich lange überlegt. Wenn man nun festgestellt hat, durch volkswirtschaftliches Wachstum weniger Schulden zu haben, wieso sollte man dann eine hirnrissige Sparpolitik weiterbetreiben wollen, die das Wachstum ausbremst, wie der Fall Griechenland sehr schön zeigt? Aus welchem Grund? Wenn es also richtig ist, dass kreditfinanzierter Staatskonsum zu weniger Schulden führt, weil die so entstehende Nachfragesteigerung die Wirtschaft belebt, verstehe ich die Logik der Bundesregierung an dieser Stelle einfach nicht. Sie widerspricht sich in einem Satz.

Den obigen Satz könnte man allerdings auch so verstehen, dass erst dann wieder von mehr Geld gesprochen werden könne, wenn es gar keine Schulden mehr gibt. So gesehen, wird es nie wieder mehr Geld geben. Aber wie der Film im vorigen Beitrag zeigt, gibt es viel Geld, auf das der Staat einfach verzichtet.

Aber ich war ja noch bei Amerika und der dortigen Wirtschaftsflaute. Die Deutschen „Star-Ökonomen“ meinen ja, dass die Entwicklungsländer wie China und Indien gerade Maschinen und chemische Produkte „made in Germany“ für ihren Aufstieg bräuchten und somit die deutsche Konjunktur längerfristig beflügeln würden. So zum Beipiel der fälschlicherweise als „Experte“ titulierte INSM-Botschafter Michael Hüther kürzlich (siehe NDR-Info). Das ist natürlich nur eine Teilwahrheit. Denn ohne amerikanische Nachfrage wird auch der aktuelle Exportweltmeister China keine Waren „made in Germany“ brauchen, um die in Kombination mit noch niedrigeren Personalkosten hergestellten Billigprodukte auf dem Weltmarkt anbieten zu können. Wer soll den Mist denn kaufen, wenn der Rest der Welt mit Sparen beschäftigt ist?

Aber es ist ja noch etwas anderes. Michael Hüther, der hierzulande gegen jede Form des Keynesianismus wettert und Konjunkturprogramme und eine Stärkung der Binnennachfrage am liebsten ins Reich der Märchen verbannen würde, ausgerechnet dieser neoliberale Hampelmann stellt sich hin und lobt die Konjunkturpolitik der Volksrepublik China, von der die Deutschen in Zukunft wohl profitieren sollen, wenn die USA und ganz Europa als Nachfrager deutscher Billigprodukte ausfallen. Dabei war China doch in den Augen dieser angeblichen „Experten“ immer ein Konkurrent. Nun soll also ausgerechnet China, in dem bereits Immobilienblasen zu platzen drohen, zur Lokomotive der Weltwirtschaft werden (siehe Jens Berger, Telepolis)? Wohl kaum.

„Am chinesischen Wesen wird die deutsche Volkswirtschaft genesen? Wenn man hierzulande nicht bald die Weichen in Richtung Binnenwirtschaft stellt, wird man in Nibelungentreue zusammen mit dem Dogma der freien Märkte untergehen.“

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"Du musst den Gürtel enger schnallen!" – Zum Verhältnis zwischen Schulden und Vermögen

Geschrieben von: am 16. Aug. 2010 um 17:24

Gerade hat Guido Westerwelle wieder Steuersenkungen für seine Klientel gefordert. Begründung: Ein einzelnes Quartalswachstum von über zwei Prozent. Als Vorschlag kam dann prompt, die Luftverkehrsabgabe oder andere „schreckliche Maßnahmen“ aus dem Sparpaket, die die Wirtschaft betreffen, zurückzunehmen. Da kann man sich doch nur noch an den Kopf fassen und entsetzt fragen, warum keiner einen Antrag bei Google stellt, neben Guido Westerwelles Haus auch ihn persönlich und seine gesamte Partei wegzupixeln.

Jedenfalls gibt es auf Youtube einen Film, der in diesen bitteren Zeiten sehr eindrucksvoll für Aufklärung sorgt. Diesen Film muss einfach jeder in diesem Land gesehen haben. Man kann nur hoffen, dass die kollektive Teilnahmslosigkeit etwas abgebaut wird und mehr Diskussionen entstehen, wie es sich der Autor des Beitrags wünscht.

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Zum Thema Rente…

Geschrieben von: am 15. Aug. 2010 um 16:57

…fällt mir eigentlich nix mehr ein. Offensichtlich ist jeder geil darauf, endlich bis 67 oder neuerdings bis 70 arbeiten zu dürfen. Jedenfalls vermitteln zahlreiche Medien diesen Eindruck. Wenn ich mir den Michael Hüther, Chefideologe der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, kurz INSM, so anschaue und seine nicht wenigen Auftritte in den Nachrichten der letzten Tage revue passieren lasse, frage ich mich, was die Journalistinnen und Journalisten in diesem Land befallen haben mag, diesen angeblichen Wirtschaftsexperten überall zu Wort kommen zu lassen. Ist es wegen der Aussage, das Renteneintrittsalter gleich auf 70 hochzusetzen, bevor die Überprüfung der Rente mit 67 abgeschlossen wird? Oder soll die Drohung mit dem Renteneintrittsalter ab 70 nur wieder Verhandlungsmasse sein, die das Arbeitgeberlager anbietet, um wenigstens die Rente mit 67 ohne große Proteste durchdrücken zu können?

Denn schließlich hat sich die SPD in Gestalt ihres wuchtigen Vorsitzenden in geradezu lächerlicher Art und Weise hingestellt und unter dem Eindruck völliger Überraschung festgestellt, dass viele ältere Menschen nicht einmal bis 65 arbeiten, sondern schon viel früher in Rente gehen oder einfach arbeitslos sind. Michael Hüther weiß das übrigens auch und meinte, dass das Recht, früher in Rente zu gehen, ja gar nicht beschnitten werde. Mit entsprechenden Abschlägen sei das ja auch weiterhin möglich. Bei dieser Bemerkung Hüthers wusste ich gar nicht, was ich zuerst machen sollte. Das Radio an der frisch renovierten Wand zerdeppern oder die Tapeten gleich wieder abreißen oder einen der Umzugskartons als künftigen Altersruhesitz beiseite packen.

Denn wenn ich nach heutigem Stand mit 65 Jahren in Rente gehen will, hätte ich einen Abschlag von jährlich 3,6 Prozent hinzunehmen, also im ganzen 7,2 Prozent. Bei den Versicherungen und Finanzberatern heißt das „Versorgungslücke“, die es zu schließen gilt. Das haben sie bestimmt schon einmal gehört. Und vielleicht können sie sich dann auch denken, warum der Herr Hüther von der INSM und der Herr Gabriel von der SPD und die gesamte Medien-Mietmaul-Landschaft so ein Theater veranstalten. Richtig. Die Versicherungsbranche braucht wieder neue Kunden. Denn das Geschäft, das Carsten Maschmeyer (neuerdings ja auch Regierungsberater) in seiner früheren Funktion als Chef des AWD als Ölquelle bezeichnet hatte, scheint an Fahrt zu verlieren. Zumindest würde ich so die Entwicklung der Zahl der abgeschlossenen Riester-Verträge interpretieren.

Riester Verträge
(Daten für die Grafik aus Wikipedia übernommen)

Die Drohung mit der 70 und das Herumgeeiere der SPD sowie die gleichgeschaltete und verständnislose Reaktion der Medien gegenüber einer Rücknahme der Rente mit 67, wird die Kurve sicherlich wieder etwas ansteigen lassen. Denn den Arbeitnehmern wird ganz klar signalisiert, dass ihr nur dann eine gesetzliche Rente in voller Höhe bekommt, wenn ihr die Altersgrenze erreicht, die wir (gemeint ist jetzt die Versicherungswirtschaft, die durch politische Hampelmänner vertreten wird) vorgeben. D.h, dass sich jeder Arbeitnehmer zwangsläufig überlegen muss, was er nun macht. Denn eins ist jedem, also Arbeitnehmern und der Versicherungswirtschaft, klar. Bis 67 oder 70 werden die wenigsten arbeiten können. Sie müssen also vorsorgen und lächelnde Versicherungsvertreter, die dabei gern behilflich sind, gibt es nach wie vor an jeder Ecke.

Es geht also nicht um die Alterung der Gesellschaft oder um die Generationengerechtigkeit, sondern schlicht und ergreifend um ein mieses Geschäft. Wer das noch immer nicht begriffen hat, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Übrigens sind es gerade die Versicherungskonzerne, die die kapitalgedeckte Altersvorsorge zunnehmend kritisch sehen, weil sie in permanenten Niedrigzinszeiten (wir haben ja Krise und keinen Aufschwung, aber das ist ein anderes Thema) ihre Renditeversprechen nicht mehr einlösen können. Aber das ändert ja nichts daran, dass die Menschen einen Teil ihres Geldes diesen Konzernen zur Verfügung stellen sollen. Für ausgefallene Renditen könnte doch der Steuerzahler wieder einspringen.

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Neue Wirtschaftsdaten: Manipulationen und Dummheiten wohin man schaut

Geschrieben von: am 13. Aug. 2010 um 13:34

Heute meldete das statistische Bundesamt in manipulativer Weise:

Bruttoinlandsprodukt im 2.Quartal 2010 mit Rekordzuwachs

Die deutsche Wirtschaft holt rasant auf: Im zweiten Vierteljahr 2010 war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) – preis-, saison- und kalenderbe­reinigt – um 2,2% höher als im ersten Vierteljahr, teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) mit. Ein solches Wachstum zum Vorquartal gab es noch nie im vereinigten Deutschland. Zudem wurde auch das Ergebnis für das erste Quartal 2010 deutlich nach oben korrigiert auf nun + 0,5%. Der zum Jahreswechsel 2009/2010 ins Stocken geratene Aufschwung der deutschen Wirtschaft hat sich damit eindrucksvoll zurückgemeldet.

Und Springers Märchen-Welt macht daraus:

Was wurde Deutschland beschimpft. „Dumm“ sei die Bundesregierung, wetterte Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman. Die größte Wirtschaft der Eurozone müsse ihr Modell umstellen, mehr auf Pump konsumieren, weniger exportieren.

Die heute veröffentlichten Wachstumszahlen sagen daher vor allem eines: Das deutsche Geschäftsmodell ist richtig. Furios hat sich die Bundesrepublik an die Spitze des Wachstums in den Industrieländern gestellt. Sie erholt sich schneller als alle anderen von der Finanzkrise. Der Grund liegt vor allem im Export in die Schwellenländer, die wieder boomen. Deutsche Unternehmen haben frühzeitig darauf gesetzt, das kommt ihnen jetzt zugute.

Die deutsche Bundesregierung ist immer noch „dumm“ und ich füge hinzu, zahlreiche Journalisten auch, die der Jubelmeldung des statistischen Bundesamts auf den Leim gehen. Vergessen ist noch immer der tiefe Einbruch im Jahr 2009, den man doch als Basis des aktuellen Konjunkturpluses im Blick behalten muss. Natürlich erholt sich Deutschland schneller als alle anderen. Herr Gott noch mal, das ist kein Zauber. Deutschland ist doch auch am deutlichsten in den Abgrund gerauscht. Vergleicht man die Zahlen, wird man feststellen, dass die deutsche Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahresquartal zwar deutlich gestiegen ist, aber zum Vorkrisenquartal Q2/2008 immer noch im Minus liegt – mit 2 Prozent (siehe Joachim Jahnke). Das verschweigt das statistische Bundesamt im Text. Dagegen kann sich jeder anhand der beigefügten Tabelle selbst ein Bild machen.

Im Augenblick geht es rasant nach oben, aber nicht so rasant, wie es im Jahr 2009 nach unten ging. Und da liegt der Hase im Pfeffer. Denn es stellt sich die Frage, was passiert, wenn die schönen weltweiten Wachstumsmotoren, von denen Deutschland schon wieder brutal abhängig ist, abermals ihre Kraft verlieren, weil der Sprit ausgeht? Nach gegenwärtigem Stand müsste Deutschland genauso schnell wieder nach unten rutschen, vielleicht sogar noch tiefer als 2009. Warum? Weil es außer dem Export nichts weiter gibt, das die deutsche Wirtschaft tragen könnte. Zwar deuten die Statistiker an, dass Investitionen sowie privater und staatlicher Konsum zum Wachstum beigetragen hätten, es ist aber klar, dass vor allem der Außenhandelsbeitrag für das Wachstum entscheidend war und damit die Tatsache, dass Deutschlands Wirtschaft von der Verschuldung anderer Staaten abhängig ist.

Zur Erläuterung noch einmal die sehr schöne Grafik von Michael Schlecht, Chefvolkswirt der Partei die Linke im Bundestag, über die Verwendung des BIP im ersten Quartal 2010:

Wachstumsbeiträge
Quelle: Michael Schlecht, MdB

Sollte der schöne blaue Balken „Außenhandel“ wie im Jahr 2009 plötzlich ins Minus drehen, wäre nichts mehr da, dass einen Absturz aufhalten könnte. Das zeigt die Grafik im Vergleich zum Vorjahr sehr schön. Im Übrigen wird der gelbe Balken „staatlicher Konsum“ in diesem Jahr einfach weg- oder deutlich kleiner ausfallen, weil die Konjunkturmaßnahmen auslaufen. Deutschland verlässt sich also nur auf den Export und damit auf die Konjunkturprogramme anderer Länder, denen es aber gleichzeitig einen Konsolidierungskurs empfielt und aufzwingt.

Deutschland verlässt sich aber auch darauf, dass der alte Weltwachstumsmotor USA wieder kräftig brummen wird. Immerhin hängt die amerikanische Wirtschaft zu 70 Prozent vom Konsum der eigenen Leute ab. Aber hat einer der jubelnden Journalisten einmal auf die aktuellen Arbeitsmarktdaten geschaut? Die gab es doch gestern und haben den DAX nach unten gedrückt. Das ist aber dann auch alles was Journalisten bedrückt, wenn der DAX einen Knicks nach unten macht. Was nun aber die amerikanischen Arbeitsmarktdaten konkret für unser deutsches „Geschäftsmodell“ bedeuten, bleibt unerklärt.

Quelle: Reuters

Nach enttäuschenden Daten vom Arbeitsmarkt haben die US-Börsen ihre Talfahrt am Donnerstag fortgesetzt.
Ein überraschender Anstieg der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe schürte die Sorgen, dass die US-Wirtschaft in die Rezession zurückfallen könnte.

Die Lage am US-Arbeitsmarkt verschlechterte sich weiter: In der Woche bis 7. August meldeten sich dem Arbeitsministerium zufolge so viele Bürger arbeitslos wie seit einem halben Jahr nicht mehr. Ihre Zahl stieg auf 484.000. Analysten hatten lediglich 465.000 erwartet. In den zurückliegenden vier Wochen lag der Schnitt bei 473.500. Auch das ist der höchste Wert seit Februar. „Die Regierungshilfen sollten eigentlich jetzt richtig greifen. Die Erstanträge entwickeln sich aber in die falsche Richtung. Sie bestätigen, wie schlecht die Dinge geworden sind“, sagte Marktexperte John Brady von MF Global.

Und was hat die deutsche Exportwirtschaft nun davon, wenn die amerikanische Arbeitslosenquote steigt? Richtig. Nichts oder zumindest weniger. Sollten die USA erneut einbrechen, ist Deutschlands erfolgreiches „Geschäftsmodell“, wie es oben in der Märchen-Welt schon wieder gefeiert wird, abermals am Ende. Ob es dann zu einem Umdenken reichen wird, hängt maßgeblich von der Absturztiefe ab… Ich fürchte aber, dass auch dieses drohende Szenario kaum etwas an dem vorherrschenden Dogma ändern wird.

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Commerzbank könnte um Zinszahlung für Staatshilfe kommen

Geschrieben von: am 12. Aug. 2010 um 21:01

So lautet die Überschrift eines Artikels im österreichischen Standard. Darüber steht „Bilanztricks“. Im Prinzip ist das ja nichts Neues. Bereits im letzten Jahr zahlte die Commerzbank, die über eine stille Einlage des Steuerzahlers in Höhe von 18,2 Milliarden Euro verfügen darf, keine Zinsen an den Staat zurück. Wen wundert das? Es müsste z.B. die Finanz- und Wirtschaftsredaktuerin der Neuen Presse Hannover, Claudia Brebach, wundern. Schrieb sie doch am 10.11.2008, also zu dem Zeitpunkt, als der Deal mit der Commerzbank über die Bühne ging:

„Der Fall Commerzbank hat Bankern aber wohl auch klar gemacht, dass es kaum weh tut, zum Staat zu gehen. Die Konditionen des Bundes bei der Not-Kreditvergabe sind moderat, er mischt sich nicht einmal ins Kerngeschäft ein, sondern begnügt sich mit einem guten, von den Banken bezahlbaren Zinsertrag. Eigentlich müsste es geradezu einen Run auf Staatskredite geben.“

In der Auseinandersetzung mit der Neuen Presse Hannover hatte ich besonders diese Stelle immer wieder hier im Blog erwähnt (siehe hier, hier und hier) und darauf hingewiesen, dass Frau Brebach auch auf direkte Nachfragen von mir per Mail keine Einsicht zeigte und den Standpunkt vertrat, dass nichts darauf hindeuten würde, dass der Steuerzahler bei diesem Geschäft etwas finanzieren würde und nichts mehr zurückbekäme. Die ganze Sache würde in etwa so laufen, wie bei der Bankenkrise in Schweden in den 90er Jahren, bei der dem Staat durch Tilgungen und Zinsrückläufe „erhebliche“ Einnahmen zugeflossen waren.

Nun stelle ich ein weiteres Mal fest, dass diese Ansichten von Frau Brebach in Bezug auf die Commerzbank-Rettung reichlich naiv und kurzsichtig waren. Nach gegenwärtigem Stand fließt nichts zurück und der Staat als defacto Eigentümer der Bank – er hat sie ja immerhin gleich sechsmal gekauft – hält sich weiter aus der Geschäftspolitik heraus. Das müssen sie sich mal vorstellen. In der schwarz-gelben Chaos-Regierung empören sich die Wirtschaftsexperten der Fraktionen kabarettreif, weil die Commerzbank nichts zahlen will. Dabei müssten sie nur von ihrem Recht Gebrauch machen und in die Geschäftspolitik der Bank eingreifen.

Jedenfalls nehme ich für mich in Anspruch, einen besseren Job erledigt zu haben als Frau Brebach, die als ausgewiesene Expertin einer regionalen Zeitung ihre Leser mangelhaft informiert und bei der Formulierung ihrer persönlichen Meinung falsche Schlussfolgerungen gezogen hat.

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Nachtrag zu "Was war doch gleich am 11. August vor zwanzig Jahren?"

Geschrieben von: am 12. Aug. 2010 um 11:06

Zu meinem gestrigen Beitrag „Was war doch gleich am 11. August vor zwanzig Jahren?“ erreichte mich ein kritischer Kommentar, auf den ich gerne etwas ausführlicher antworten möchte.

Ich finde es nicht in Ordnung, die Ostliberalen als Blockflöten zu bezeichnen mit den immerwährenden süffisanten Unterton. Die Liberalen waren diejenigen, die die Wende unterstützten. Viele Teile der Liberalen wollten eine demokratisierte DDR und keinen Anschluss an den Westen. In dieser Partei gab es – weitgehend unter der Decke, es durfte ja nicht sein, was nicht sein konnte – einen Aufstand, gegen den damaligen Parteivorsitzenden Gerlach, der Änderungen in der DDR zu mehr Demokratie durchdrücken wollte. Der Sturz von Gerlach misslang. Liberale in der DDR hatten mit vielen Nachteilen zu kämpfen, weil sie offen ausdrückten, dass sie nicht mit der SED konform gingen. Sie wurden in diesem Staat misstrauisch beäugt und viele Stellen waren für sie nicht zugänglich und wurden trotz guter Leistungen lieber mit einem Parteilosen besetzt. Als man bei den Montagsdemos in Leipzig noch rief: Wir sind DAS Volk, war Gerlach ein hochangesehener Mann, den viele Montagsdemonstranten unterstützten. Das gehört auch zu der Geschichte der LDPD, die man nicht immer unter den Teppich kehren sollte.

Da magst du recht haben. Die Darstellungsweise ist natürlich arg verkürzt. Dafür entschuldige ich mich. Mir ging es dabei aber weniger um die Ost-Liberalen und die Bürgerrechtsbewegung, als vielmehr um den Kontrast zwischen Anspruch und Wirklichkeit einer sich liberal nennenden Partei, deren Praxis es ist, jede Kritik an ihr mit der absurden Gegenbehauptung zu kontern, man wolle ja nur den gescheiterten Staatssozialismus der DDR wiederbeleben.

In dem obigen Text habe ich auch erwähnt, dass die zahlreich hinzugekommenen Mitglieder aus dem Osten sehr schnell wieder das Weite gesucht haben, weil sie sich wahrscheinlich innerhalb der West-FDP an das restriktive Blocksystem der DDR erinnert fühlten.

Aber grundsätzlich halte ich nicht viel von den sog. Liberalen in Ost wie in West ganz zu schweigen vom gesamtdeutschen „Liberalismus“. Den Liberalen in Ost und West geht nämlich das selbstverschuldete und bis heute nicht reflektierte Scheitern in der Weimarer Republik, der ersten deutschen Demokratie, voraus.

Wenn ich den Westerwelle und seiner Bubi-Truppe manchmal so zuhöre, frage ich mich, was aus dem deutschen Liberalismus eigentlich geworden ist. Im 19. Jahrhundert war der nämlich schon mal soweit, sich mit der soziale Frage ersthaft zu beschäftigen. Im Verein für Socialpolitik. Diese, wie ich finde, klugen Liberalen, wurden aber von der damaligen Obrigkeit bereits als Kathedersozialisten bezeichnet, weil sie die gesellschaftlichen Widersprüche analysierten, die der Kapitalismus produzierte und eine Antwort zur Aussöhnung der Klassen geben wollten, in Konkurrenz zur Sozialdemokratie.

Max Weber war der Berühmteste Verfechter dieser Denkschule und verstand sich selber als aufgeklärter Bourgeois. Er war aber auch nicht so dumm, nicht zu erkennen, dass das deutsche Bürgertum, welches ja den Liberalismus hätte verkörpern müssen, schon 1848/49 gescheitert war und sich in die Rolle des treuen „Untertans“ begab. Weber wollte das Bürgertum erreichen und mobilisieren und somit der vulgär-marxistischen Sozialdemokratie, die den Kern der marxschen Theorie nicht verstand, entgegentreten.

Was dann aber nach dem Ermächtigungsgesetz 1933, bei dem das „bürgerliche Lager“ mal ganz große Weitsicht demonstrierte, an sog. Liberalen kam, kann man getrost vergessen. Insofern war der Begriff „Blockflöte“ sicherlich unglücklich gewählt, weil er lediglich aus dem üblichen Sprachgebrauch entnommen wurde. Ich würde jetzt aber auch nicht soweit gehen und den Ost-Liberalen eine bedeutende oppositionelle Rolle zuschreiben wollen. Das hielte einer kritischen Überprüfung kaum stand…

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Googles Street-View könnte auch einen Beitrag zur Aufkläung liefern

Geschrieben von: am 11. Aug. 2010 um 14:14

Der Karikaturist Klaus Stuttmann hat sich Gedanken über Googles „Street-View“ gemacht. Die Meldung läuft ja heute rauf und runter. Hier sein bildlicher Kommentar.

Karikatur von Klaus Stuttmann
Quelle: Klaus Stuttmann
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Andererseits wissen wir das schon, was da erkennbar werden könnte. Im Übrigen würde ich das Bild noch um den neuen Regierungssprecher Steffen Seibert erweitern, der am Fenster des Kanzlerinnenbüros posiert und die übliche Zweifingerbewegung „mit dem Zweiten sieht man besser“ macht.

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