Zum Integrationsquatsch

Geschrieben von: am 11. Okt 2010 um 15:10

Eigentlich ist es die Sache derer, die Behauptungen aufstellen, für die entsprechenden Belege zu sorgen. Spätestens seit dem Teilzeit-Genetiker Thilo Sarrazin wissen wir aber, dass das in diesem Land nicht mehr notwendig ist. Sarrazin darf sich ja bekanntlich an dem finanziellen Erfolg seines Buches erfreuen, in dem er auf Statistiken verweist, die, wie er selber zugab, frei erfunden hat.

Und trotzdem tobt eine Integrationsdebatte in diesem Land, die an Absurdität kaum noch zu überbieten ist. Nun bedient also auch der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer die Xenophopie im Sarrazin-Land, flankiert von der bisherigen Expertin für Integrationspolitik, Extremismus und Islam in der Union, Familienministerin Kristina Schröder, die nun endlich ihre seit Jahren und ihrer Meinung nach wissenschaftlich fundierte These von der „Deutschenfeindlichkeit“ auch bundespolitisch vertreten darf. Es müsse einen Stopp der Zuwanderung geben. Gemeint ist natürlich die Türkei. Dazu Seehofer:

„Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun. Daraus ziehe ich auf jeden Fall den Schluss, dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen.“

Quelle: Focus

Einen Beleg, dass es überhaupt zusätzliche Zuwanderung gibt, bleibt der bayerische Ministerpräsident und Vorsitzende der NPD, pardon CSU, natürlich schuldig. Dabei kann sich jeder Bürger mit Internetzugang selbst beim statistischen Bundesamt informieren und Herrn Seehofer leicht widerlegen, obwohl er das gar nicht müsste.

Zuwanderung
Quelle: destatis

Offensichtlich wandern inzwischen mehr Menschen aus Sarrazin-Land aus als ein. Vermutlich, weil sie die von Seehofer mal wieder beschworene deutsche Leitkultur im Grundgesetz nicht wiederfinden.

„Die deutsche Leitkultur ergibt sich eindeutig aus unserem Grundgesetz und vor allem aus den Werten, die Grundlage unserer Verfassung sind.“ Seehofer betonte in FOCUS: „Wir haben eine christlich geprägte Wertetradition mit jüdischen Wurzeln. Keine andere.“

Im Grundgesetz steht auch nichts über Leitkultur, sondern eindeutig etwas über Rechte. Diese Rechte haben auch nichts mit Christen, Juden oder Moslems zu tun und schon gar nichts mit Werten oder Wurzeln (schon wieder etwas Unterirdisches), die Seehofer und andere glauben, dort erkennen zu können. Die unveräußerlichen Grundrechte, gemeinhin auch bekannt als Menschenrechte, scheinen diese lupenreinen Demokraten ständig zu übersehen, wenn ihre traditionelle Werte-Weißwurst in Gefahr gerät. Da fällt dann auch dauernd unter den Tisch, dass mindestens die Hälfte der Deutschen, die ursprünglich aus der Türkei hierher kamen, gar nicht religiös sind.

Die Absicht Seehofers ist durchschaubar. Ende Oktober ist CSU-Parteitag. Und wer dort als Parteichef von berauschten Delegierten tosenden Applaus ernten will, muss etwas über Leitkultur faseln. Das war schon immer so. Mit politischer Arbeit können die im Suff eh nichts anfangen. Da müssen sie nur in den Archiven nach Stoiber-Reden suchen. Der hatte ja 2004 noch versucht, seinen Parteifreunden einen mit der damaligen Regierung ausgehandelten Gesundheitsreformkompromiss näher zu bringen. Allerdings waren die Reaktionen eher verhalten. Erst bei dem substanzlosen Gequassel über Werte und Indentität unter dem Dauerlabel Leitkultur gab es dann die erhofften Ovationen.

Angesichts der Krise, in dem sich das Land gegenwärtig befindet, ist davon auszugehen, dass Seehofer gar nicht erst vorhat, die Misserfolge während der eigenen Regierungsarbeit vor den Delegierten schönzureden. Er fängt gleich an gegen vermeintliche Schmarotzer und Zuwanderer zu hetzten. Die Gelegenheit ist schließlich günstig.

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Lesebefehl für Jens Bergers "Stuttgart 21 – der Bahnhof, den niemand will und niemand braucht"

Geschrieben von: am 11. Okt 2010 um 12:19

Jens Berger liefert in seinem Blog „Der Spiegelfechter“ eine lesenswerte Zusammenfassung zum Streitobjekt Stuttgart 21. Dabei wirft er nicht nur einen Blick zurück auf die Planungen und die Entstehung des Projekts in den 90er Jahren sowie auf die Argumente, die allesamt gegen einen unterirdischen Durchgangsbahnhof sprechen, sondern auch auf die Profiteure eines Neubaus. Dabei weist Berger gezielt auf die Verflechtungen zwischen Politik und regionaler Wirtschaft hin.

Wer Tunnel bohrt, braucht Bohrgerät. Weltmarktführer für Großbohrmaschinen für den Tunnelbau ist die Herrenknecht AG im schönen baden-württembergischen Schwanau. Im Aufsichtsrat der Herrenknecht AG sitzt Lothar Späth, einer der „alten Herren“, auf deren Mist S21 gewachsen ist. Martin Herrenknecht ist nicht nur ein guter alter Freund von „Cleverle“ Späth, sondern auch ein Nutznießer dessen politischer Netzwerke. So begleitete das CDU-Mitglied Herrenknecht nicht nur Späth, sondern auch dessen Amtsnachfolger und S21-Befürworter Teufel und Oettinger gerne auf Auslandsreisen. Für so viel Protektion zeigte sich Herrenknecht auch stets dankbar, so überwies er beispielsweise im letzten Jahr erst einmal 70.000 Euro an die CDU, um deren Wahlkampf zu unterstützen.

Es ist eigentlich nicht wirklich verwunderlich, dass mit einer „Spätzle-Connection“ im Ländle erneut bewiesen werden kann, dass politische Großprojekte stets mit direkter oder nachgelagerter Korruption verknüpft sind. Die Drehtürkarrieren von Politikern sind auch hier wieder sichtbar. Wirklich wütend macht einen aber die Tatsache, dass bereits im Vorfeld dafür gesorgt wurde, eine mögliche Abkehr von diesem Projekt besonders teuer zu machen. Denn offenbar wurden die freien Grundstücke, die nach dem unterirdischen Neubau an der Oberfläche entstehen, bereits an private Investoren verkauft. Jens Berger stellt sich daher die Frage, was dann eigentlich passiert, wenn die Bahninfrastruktur auf zunehmenden Druck der Öffentlichkeit oberirdisch bliebe. Dann gäbe es ja keinen Platz mehr für die fest eingeplanten Neubauten für Luxuswohnungen und Büros.

Ich hätte da natürlich einen Vorschlag. Wie wäre es denn mit einem unterirdischen Büro- und Wohnkomplex auf Kosten der privaten Investoren? Dort wären die neuen Bewohner aus der Hochfinanz, der Industrie und der Politik dann auch unter sich, es gäbe keinen Lärm von Zügen und auch keine ungebetenen Gäste, die das anspruchsvolle Wohngefühl stören könnten. Man wäre sicher vor der sich überirdisch ausbreitenden Gefahr des Islams. Deutschlands selbsternannte Elite könnte also im Untergrund fortbestehen und somit der zunehmenden „Deutschenfeindlichkeit“ entgehen. Bundesfamilienministerin Schröder hat sich ja darüber am Wochenende wieder beklagt. Das tat sie übrigens schon einmal. Und zwar zur hessischen Landtagswahl 2008, als sie ihren politischen Ziehvater Roland Koch in einem Akt politischer Inzucht bei seiner Kampagne gegen kriminielle Ausländer unterstützte und forsch behauptete, dass eine sog. „deutschenfeindliche Gewalt“ von Ausländern wissenschaftlich erwiesen, zunehmen würde.

Wer soviel Angst hat und an offenkundiger Seeschwäche leidet, sollte dann auch als Maulwurf unter die Erde ziehen.

Europäische Maulwürfe sind wie die meisten Insektenfresser Einzelgänger, die außerhalb der Paarungszeit den Kontakt zu Artgenossen meiden. Die Gänge und die Nester werden mit Drüsensekreten markiert, um eindringende Artgenossen aufmerksam zu machen.

Quelle: Wikipedia

Als Zugabe könnte man aber auch einen unterirdischen Park anlegen, in dem die neuen Bewohner die verschiedenen Arten radioaktiver Abfallprodukte bestaunen können, die im Zuge der Laufzeitverlängerung von AKWs sicher anfallen werden, für die aber noch kein Platz zur Endlagerung gefunden wurde. Dann könnte die Regierung Merkel und Mappus zusammen mit ihren Freunden aus den Banken und der Wirtschaft unterirdisch um die Wette strahlen, während das Volk an der Oberfläche über den Appell Merkels nachdenkt, auch auf künftige Generationen Rücksicht zu nehmen.

Karikatur: Klaus Stuttmann
Quelle: Klaus Stuttmann

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Verspäteter TV-Tipp: Mitternachtsspitzen

Geschrieben von: am 10. Okt 2010 um 15:03

Wegen des unerwartet schönen Wetters habe ich total vergessen, auf die Mitternachtsspitzen hinzuweisen, die am gestrigen Samstag im WDR Fernsehen zu sehen waren. Zu Gast waren Josef Hader, Volker Pispers und Helmut Schleich. Für alle, die die Sendung verpasst haben, am kommenden Dienstag um 23:15 Uhr und am Samstag, den 23.10.2010, um 22:30 Uhr, gibt’s die Wiederholungen im WDR zu sehen.

Einige Ausschnitte möchte ich ihnen aber nicht vorenthalten. Der Auftritt von Volker Pispers war wieder großartig. Wenn man jede Prognose ernst nähme, die Tag für Tag von Scheinexperten produziert und von den Medien landauf landab gleichlautend und unkritisch verbreitet werden, dann würde es in 100 Jahren überall Moscheen in Deutschland geben, die dann alle unter Wasser stünden, weil die Klimaerwärmung den Meeresspiegel auf neue Rekordhöhen anschwillen ließe. Dabei wäre das gar nicht mal so schlecht für den sich angeblich abschaffenden Deutschen, der Studien zu Folge immer dicker werde, weil die gesetzliche Rente künftig nicht mehr ausreiche. Fett schwimme ja bekanntlich oben.

Volker Pispers über die Rechenschwäche von Ärzten, einen zu heiß gebadeten Thilo Sarrazin und den Wert von Prognosen…

Großartig auch Loki und Smoky, die sich über den Skandal Hartz-IV unterhielten. Es könne nicht sein, dass Bedürftigen Zigaretten und Alkohol gestrichen werde. Wie sollen die sonst so einen „Vollpfosten“ wie Guido Westerwelle und den Schwachsinn, den der von sich gebe, ertragen. Die politische Entscheidung sei daher falsch. Das Volk brauche nicht weniger, sondern mehr Alkohol. In Deutschland laufe gehörig etwas schief, wenn der unfähige Vorstand der HRE Axel Wiandt 20.000 Euro Rente pro Monat vom Staat erhalte und ein Hartz-IV-Empfänger nur 380 Euro. Wenn ein kompletter Mensch mit allen Körperteilen mit 380 Euro auskommen solle, dann könne ein „ARSCH“ alleine nicht 20.000 Euro verbrauchen.

Und zum Abschluss Wilfried Schmickler, der mal wieder zum Protest aufruft. Am besten auf nach Berlin mit der schwäbischen Eisenbahn. Ausgerechnet. Warum also im Wartesaal zu Köln warten, während die schwäbische Hausfrau in Stuttgart Kastanien wirft und Prügel einstecken muss, weil sie nicht mehr das Vorbild ist, das sich die Kanzlerin für ihre Sprechblasen-Reden wünscht?

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Rainer Brüderle fordert höhere Löhne

Geschrieben von: am 07. Okt 2010 um 16:12

Da reibt man sich verwundert die Augen. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle fordert höhere Löhne für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Nach dem Tarifabschluss bei den Metallern sollten nun auch andere Branchen der Wirtschaft nachziehen.

„Wenn die Wirtschaft boomt, sind auch kräftige Lohnerhöhungen möglich“, sagte der FDP-Politiker dem „Hamburger Abendblatt“.

Quelle: SpOn

Brüderles Haltung ist in gewisser Weise nachvollziehbar. Er glaubt ja fest an einen Wirtschaftsboom, an dem dann auch alle partizipieren sollen. Der Vorwurf des Populismus ist aber allzu berechtigt. Denn wirklich ernst meint es der Minister nicht. In seiner Verteidigungsrede zum Einzelplan seines Ressorts in der Haushaltsdebatte vor einem Monat im deutschen Bundestag sagte Brüderle nämlich noch das:

Auch wenn jetzt die Lohnfindung im Aufschwung ansteht, muss das einzelbetrieblich bewertet werden. Manche Betriebe verdienen so gut, dass mehr drin ist. Bei anderen heißt es: mehr Maßhalten, damit sie ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht verlieren.

Quelle: Plenarprotokoll vom 16.09.2010

Das müsste dann doch auch den verschreckten Hundt vom BDA beruhigen, der wie immer davor warnt, die Löhne überhaupt zu erhöhen. Seiner Meinung nach sei die Krise ja noch nicht überstanden und das Risiko für die Unternehmen zu groß. Das sagt Dieter Hundt übrigens auch, wenn es gar keine Krise gibt. Dann könnten Lohnerhöhungen nämlich eine solche auslösen. Aber um den wirr bellenden Hundt geht es hier ja nicht, sondern um den gleichfalls wirren Rainer Brüderle, der zwar Lohnerhöhungen einfordert, aber vom gesetzlichen Mindestlohn überhaupt nichts hält.

Brüderle sperrt sich sogar dagegen, Lohnuntergrenzen, die einzelne Branchen selber ausgehandelt haben, für allgemeinverbindlich zu erklären. Das passt alles nicht zusammen und Gegner wie Freunde fragen sich, was im Kopf des Ministers eigentlich vorgeht.

Karikatur: Klaus Stuttmann
Quelle: Klaus Stuttmann

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Rankings: Merkel rutscht weiter ab

Geschrieben von: am 07. Okt 2010 um 14:52

Vor kurzem hat das ZDF-Politbarometer gemessen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Platz fünf der Beliebtheitsskala abgerutscht sei. Jetzt ist sie auch im Ranking des US-Magazin „Forbes“ zu den mächtigsten Frauen der Welt von der bisherigen Spitzenposition auf Platz vier durchgereicht worden. Sie steht damit hinter der US-Präsidenten Gattin Michelle Obama (1), Irene Rosenfeld (2, Vorstandsvorsitzende des Nahrungsmittelkonzerns Kraft Foods) und Talkmasterin Oprah Winfrey (Quelle: Focus). Was ist da nur los? Oprah vor Merkel. Ein Skandal. Vielleicht sollte Merkel auch eine Talkshow machen und sich bei Liz und Friede Unterstützung erbeten.

Der Absturz im Ranking kann möglicherweise auch damit zusammenhängen, dass neuerdings in Thüringen Menschen die Gelegenheit bekommen, Angela Merkel zu nageln. Ein Hobbybildhauer macht’s möglich…

Quelle: Thüringer Allgemeine

Eine Holzbüste von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beschäftigt dieser Tage die Polizei in Nordthüringen. Ein Gastwirt hat unterhalb des Kyffhäuserdenkmals die hölzernen Konterfeis von Merkel und Reichspräsident Hindenburg ausgestellt, und lädt Passanten ein, Nägel in sie zu schlagen.

Vielleicht könnte man noch eine Büste von Guido Westerwelle aufstellen. Bei einer korrekten Abbildung wären dann die Löcher für die Nägel ja schon eingeschnitzt. :>>

Den Vorwurf der Verunglimpfung eines Verfassungsorgans kann ich so nicht nachvollziehen und geschmacklos ist auch etwas anderes, zum Beispiel die Politik, die Angela Merkel zu verantworten hat.

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Der treue Jörg Asmussen

Geschrieben von: am 06. Okt 2010 um 20:29

Es ist noch gar nicht so lange her als die FDP darüber klagte, dass Finanzstaatssekretär Fips, pardon, Jörg Asmussen die Amtsgeschäfte für den verhinderten Minister Wolfgang Schäuble fortführt. Schließlich habe Asmussen ein SPD-Parteibuch und war bereits unter Hans Eichel und Peer Steinbrück als leitender Beamter im Finanzministerium tätig. Dabei beweist Asmussen einmal mehr, dass seine Zugehörigkeit zur SPD überhaupt nichts zu sagen hat. Jörg Asmussen fühlt sich nur einer Sache verpflichtet und zwar dem Wohlergehen der Finanzmärkte. Steuererleichterungen für Versicherer steht aktuell auf der Tagesordnung desjenigen, der binnen kürzester Zeit eine Verwandlung vom ersten Brandstifter zum obersten Feuerwehrmann durchlaufen hat.

Quelle: FTD

Berlin springt Versicherern bei

Die Bundesregierung kommt der Versicherungswirtschaft aus Sorge um die Folgen der niedrigen Zinsen entgegen. Künftig können Lebens- und Krankenversicherer Gelder fünf statt drei Jahre ohne steuerliche Nachteile in den Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen an Kunden zu parken. Der Grund: Berlin hat Angst vor dem Japanszenario. Sieben große Lebensversicherer kollabierten dort in den 1990er-Jahren und Anfang dieses Jahrhunderts als direkte Folge der extremen Niedrigzinssituation.

Die Regierung hat Angst, weil die anhaltende Wirtschaftskrise zu Verlusten bei den Assekuranzen führt. Die können ihre Renditeversprechen nicht mehr erfüllen. Das mag jetzt den ein oder anderen verwundern, sofern er daran glaubt, gerade einen Aufschwung XL zu erleben. Eins muss man Asmussen ja lassen, er redet nicht so einen dämlichen Stuss wie Rainer Brüderle, sondern sagt ganz klar, dass eine dauerhafte Niedrigzinsphase „jahrelange Nebenwirkungen“ habe.

„Eine dauerhafte Niedrigzinsphase würde die Erträge und die Erfüllbarkeit von Garantien erheblich belasten und hätte jahrelange Nebenwirkungen“, sagte Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen auf einer Fachkonferenz des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft zu Solvency II in Berlin.

Nur wieso sollte es zu einer dauerhaften Niedrigzinsphase kommen, wenn die Wirtschaft angeblich schon wieder brummt? Und war es nicht Asmussens ehemaliger Chef und künftiger „Ich kann Kanzler“ der SPD Peer Steinbrück, der seit mindestens zwei Jahren nicht müde wird zu betonen, dass Deutschland und die EU unmittelbar vor einer Inflation stünden, weil sich zu viel billiges Geld im Markt befände? Asmussen behauptet nun genau das Gegenteil. Und er hat ja auch recht, wie das Beispiel Japan zeigt.

Es gibt eben einen Unterschied zwischen Regierungshandeln und der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung. Dummköpfe wie Brüderle und Steinbrück zünden eine Nebelkerze nach der anderen, um die öffentliche Meinung gemeinsam mit den Mietmäulern der Regierung zu manipulieren. Bürokraten wie Asmussen halten dagegen in Wahrheit die Fäden in der Hand. Bezeichnend ist Asmussens Rechtfertigung.

„Der Zusammenbruch eines Kreditinstituts hätte sich negativ auf die Werthaltigkeit der Kapitalanlagen der Versicherer ausgewirkt“, sagte er. „Insofern dienen die teilweise kontrovers diskutierten, aber letztendlich alternativlosen Rettungsmaßnahmen der letzten beiden Jahre der Stabilisierung des gesamten Finanzplatzes und damit auch der deutschen Versicherungswirtschaft.“

Deutlicher kann man doch nicht mehr sagen, worum es bei den Rettungsmaßnahmen in Wirklichkeit ging. Nicht die reale Wirtschaft, sondern der Finanzplatz und die Rettung des einträglichen Versicherungsgeschäfts war das Ziel. Es wäre ja auch zu blöd, wenn die jahrelange Propaganda für die privaten Renten-, Lebens- und Krankenversicherungen von der simplen Tatsache ad absurdum geführt würde, dass die Renditen nicht garantiert werden könnten, weil der Aufschwung XL an den Assekuranzen irgendwie vorbeigegangen ist.

Jörg Asmussen erledigt also nur seinen Job als treuer Diener der Finanz- und Versicherungswirtschaft. Das Parteibuch ist doch völlig egal und dient nur zur Dekoration.

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Wie man einen Bahnhof begräbt

Geschrieben von: am 05. Okt 2010 um 15:38

Offiziell soll das Mamutprojekt Stuttgart 21 um die vier Milliarden Euro kosten. Nun ist aber herausgekommen, dass es für dieses hübsche Sümmchen Steuergeld nicht einmal Signalanlagen bzw. Oberleitungen im Tunnel geben soll. D.h., dass der neue unterirdische Bahnhof, der ja laut Bundeskanzlerin Angela Merkel Europa in Zukunft von West nach Südost verbinden soll, von herkömmlichen Zügen gar nicht angesteuert werden kann.

Quelle: Stern

Demnächst sollen die Arbeiten für die Tunnel vergeben werden, allerdings, wie die Projektberichte zeigen, „ohne eisenbahntechnische Ausrüstung“. Oberleitungen sind in den Tunnel ebenso wenig vorgesehen wie Signalanlagen. In einem Protokoll vom Juli heißt es: „Aktuell fehlen systemrelevante Entscheidungen im Hinblick auf Oberleitungsanlagen und Signaltechnik.“ Und: „Derzeit keine Zulassung für System Stromschiene bei Geschwindigkeit 160 km/h.“

So kann man natürlich auch einen Bahnhof beerdigen. Und was die engere Verbindung von West- und Südosteuropa angeht, da sollte die Bundeskanzlerin noch einmal den Aufwand in Relation zur Nachfrage überprüfen bzw. die Realität des europäischen Zugverkehrs zur Kenntnis nehmen. Befürworter wie Merkel tun ja gerade so, als sei es bisher unmöglich gewesen, mit dem Zug durch Europa zu reisen. Mit Stuttgart 21, wie es im Augenblick geplant ist, wenn man das überhaupt als Planung bezeichnen kann, wird dann wohl das Gegenteil Realität.

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M&M’s und Sparanlagen

Geschrieben von: am 05. Okt 2010 um 13:43

Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus habe bestätigt, dass der Südflügel des Stuttgarter Bahnhofs vorerst nicht weiter abgerissen werde.

So hat das gerade die Nachrichtensprecherin im Deutschlandfunk vorgelesen. Was ist das denn für eine Meldung? Ist das etwa der Versuch, den lupenreinen Demokraten Mappus eine positive Schlagzeile zu verschaffen? Dabei hat der ausgesprochene Drecksack einmal mehr betont, dass es keinen Stopp des Gesamtprojekts geben werde. Mappus will seine Ankündigung vor allem als Geste an die Gegner von Stuttgart 21 verstanden wissen. Es stehe ja noch immer die Einladung zu Gesprächen. Jedoch frage ich mich, was die Landesregierung bei einem solchen Treffen überhaupt erreichen will, wenn über das Gesamtvorhaben gar nicht erst verhandelt werden darf?

Will Mappus dann etwa die Türen zusperren und seinen wie Innenminister Rechs Schlägertrupp anrücken lassen, der in den Räumlichkeiten aufräumt? Oder hat Mappus vor, die Gegner anderweitig weichzukochen, um nicht das Wort Bestechung in den Mund zu nehmen? Oder wollen Mappus und Merkel eine Vorstellung als M&M’s der Politik geben, um die Gegner zu überzeugen?

Oder wollen sie einfach noch einmal ihr blödsinniges Argument wiederholen, dass sich demoktratische Mehrheitsentscheidungen nicht rückgängig machen ließen, obwohl die Verlängerung der AKW-Laufzeiten glatt das Gegenteil beweist. Ich denke, IM Erika, Verzeihung Angela Merkel und Stafan Mappus wollen der Bevölkerung 20 Jahre nach der deutschen Einheit zeigen, wer das Volk ist. Der Karikaturist Klaus Stuttmann hat das jüngst sehr schön dargestellt:
Karikatur: Klaus Stuttmann
Quelle: Klaus Stuttmann

Aber die beiden M&M’s der christlich demokratischen Schwachsinnsunion sind eigentlich keine Silbe wert. Es sei denn, die Nachricht kündet von ihren Rücktritten. Viel alarmierender fand ich hingegen die Sendung Wirtschaft am Mittag im Deutschlandfunk. Darin gab es einen berauscht wirkenden Moderator, der sich freute, dass es an den Finanzmärkten wieder so toll laufe. Krönung war dann ein Beitrag über Fonds als Geldanlage und eine Studie des ZEW (Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung) im Auftrag des BVI (Bundesverband Investment und Asset Management e.V.), die zeigen würde, dass die Deutschen Investementsfonds kritisch gegenüber stünden, obwohl sie selber indirekt an solchen Anlageformen beteiligt seien.

Rund 60 Prozent aller Haushalte hätten Fonds. Insgesamt 805 Mrd. Euro seien investiert. Ein Großteil käme über das direkte Sparen und der andere Teil indirekt über Versicherungen und Pensionseinrichtungen, so der BVI (siehe hier), der angesichts der verbreitet skeptischen Haltung eine Imagekampagne für Investmentfonds gestartet hat. Und für so einen Mist macht der Deutschlandfunk redaktionell Werbung?

Interessant ist natürlich die Bemerkung, dass viele im Zuge der Finanzkrise zurecht skeptische Menschen gar nicht wissen, dass sie über Riesterrente und Lebensversicherungen bereits in Fonds investiert haben. Stolz verkündet der BVI, dass bereits bis zu einem Viertel des Haushaltseinkommens in Fonds angelegt sei und zwar über die verschiedensten Einkommensgruppen hinweg.

Tatsächlich sparen Menschen aus allen untersuchten Bevölkerungsgruppen mit Fonds. Die deutschen Haushalte haben über unterschiedliche Einkommensgruppen hinweg zwischen 17 und 24 Prozent ihres Geldes direkt und indirekt in Fonds angelegt. Im Schnitt liegt rund jeder fünfte gesparte Euro in Deutschland in dieser Anlageform. Selbst Haushalte mit geringem Einkommen haben mit kleineren Sparbeträgen oder über Versicherungen Geld in Fonds. Rund 17 Prozent ihres Geldvermögens stecken in Fonds.

Erschreckend ist doch, dass sogar Geringverdiener Geld in Kapitalanlagen stecken haben, obwohl sie im Prinzip darauf angewiesen sind, ihr gesamtes Einkommen verkonsumieren zu müssen. Da hat die Finanz- und Rentenlobby ganze Arbeit geleistet. Die Rückgänge beim privaten Konsum zeigen doch ganz deutlich, dass vor allem an den Waren des täglichen Bedarfs gespart wird. Das ist nicht nur schädlich für die eigene Gesundheit, sondern auch für die gesamte Volkswirtschaft, in der die Nachfrage immer weiter zurückgeht. Und ohne funktionierende Volkswirtschaft gibt es auch keine Kapitalanlagen, die soviel Rendite abwerfen, dass man im Alter etwas davon haben könnte. Geldvermögen und Kaufkraft lassen sich nun einmal nicht in die Zukunft verschieben. Folglich müssen Versicherer bereits heute ihre Renditeversprechen deutlich nach unten korrigieren, so dass unterm Strich für den Einleger gar nichts weiter übrig bleibt, außer sein eigener eingezahlter Beitrag, von dem allerdings die Kosten des Finanzunternehmens vorsorglich abgezogen wurden.

Geld verdienen lässt sich auf diese Weise also nur, wenn ein Risiko eingegangen wird und Spekulation zum Teil oder zur Triebfeder der Geldanlage wird. Das hat in der Vergangenheit ja prima geklappt, sofern man zu der Gruppe der wenigen zählte, die auf den Finanzplätzen der Welt ungestraft ihr Unwesen treiben durften. Alle anderen schauen aber in die Röhre, vor allem diejenigen, die ihre Ersparnisse in eine private Altersvorsorge investiert hatten und nun einen Totalverlust fürchten müssen oder zumindest mit eigenen Steuergeldern und das der anderen für die Absicherung der eigenen Ansprüche selber eintreten müssen.

Der BVI will aber natürlich nicht auf die Probleme beim Sparen hinweisen und auch nicht auf die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge, von denen der Sparerfolg schließlich entscheidend abhängig ist. Nein, Ziel der Kampagne sei eine Aufklärung der Menschen, die sich bisher nicht an das Thema herangetraut haben. Wie heißt es doch so verlockend auf der Kampagnen-Seite:

Sie müssen nämlich wissen, dass Fonds noch immer vielen Menschen in Deutschland befremdlich erscheinen. Dabei sind sie eine wirklich gute Sache, auch gesellschaftlich gesehen – und eine Geldanlage für Jedermann!

Ein Geldanlage für Jedermann! Das ist die Botschaft. Ganz einfach, transparent und flexibel soll sie sein. Man wirbt um das Vertrauen der Anleger. Und damit auch um das der bisher Unwissenden und natürlich um das der Enttäuschten. Dabei ist die Finanzkrise längst noch nicht ausgestanden und das Ausmaß des angerichteten Schadens immer noch nicht offengelegt. Aber die Image-Kampagnen rollen schon wieder, dank der Unterstützung der Medien.
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Quelle: Deutschlandfunk (mp3 2:47 min)

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Tag der deutschen Dampfplauderer

Geschrieben von: am 03. Okt 2010 um 16:31

Eigentlich hatte ich erwartet, dass man an einem, von bürokratischen Hampelmännern erwählten, deutschen Nationalfeiertag etwas über das Versagen ebendieser erfährt. Eben etwas über das jämmerliche Versagen der politischen Elite, die ursächlich dafür ist, dass wir uns 20 Jahre nach der deutschen Einheit in einer der schlimmsten Wirtschafts- und Finanzkrisen befinden, die der moderne Nationalstaat als solcher überhaupt erlebt hat.

Stattdessen aber glauben diejenigen, die zu den Feiertagssprechern erkoren wurden, wie der neue Bundeshorst Christian Wulff z.B., einen Sarrazin für Scheinintellektuelle mimen zu dürfen. Wir sind Deutschland! lautet die bescheuerte wie auch als PR-Spruch des Regierungsprogramms von CDU/CSU längst abgedroschene und von der Realität der Klientelpolitik eingeholte Formulierung des Tages. Wer ist eigentlich mit WIR gemeint? Die Ausländer, die Migranten, wir alle? Und worum geht es? Um Integration? Sind das unsere Probleme? Es geht doch wohl darum, dass WIR alle ertragen sollen, was einige wenige, wie unser Kuschel-Wulff und Carsten Maschmeyer hinter verschlossenen Türen zum gegenseitigen Vorteil auskungeln.

Dazu passt dann auch der Bundespräsident der Herzen Joachim Gauck, der in Berlin ebenfalls eine Rede zur Integration hielt und dabei wieder einmal gezielt in die Ärsche derjenigen treten durfte, die seiner Meinung nach zu den gesellschaftlich „Abgehängten“ gehören. Das hat Gauck schon immer getan, weil er als wirtschaftsliberaler Fundamentalist im Gewandt des weisen Predigers seine Berufung schlicht darin sah, eine bestimmte Definition des Begriffs Freiheit, der mit Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit wenig zu tun hat, zu vertreten.

Wulff und Gauck verwechseln Integration mit Netzwerken, denen beide ihren gesellschaftlichen Aufstieg zu verdanken haben. Daher erkennen sie auch nicht die Dimension der gegenwärtigen Katastrophe, die sich durch die Finanz- und Wirtschaftswelt zieht und sich damit auch in die Lebenswirklichkeit eines Volkes frisst, als deren geistige und weltliche Führer sich Wulff und Gauck gerne verstanden wissen wollen. Die Krise, von der beide gar nicht sprechen, beruht schließlich auf der Existenz von exklusiven und elitären Netzwerken und Seilschaften, die einerseits zu politischen Entscheidungen führen, die ausschließlich die Interessen des Kapitals bedienen und andererseits garade diejenigen auch persönlich reich machen, die als Vertreter des Volks gewählt, mit ihrer Stimme den Weg zur Zerstörung des Gemeinwesens, an dem wiederrum der Finanzmarkt prächtig verdient, erst ermöglichen.

Wenn Christian Wulff im Jahr 20 nach der deutschen Einheit also in die Menge ruft, dass derjenige mit entschlossener Gegenwehr zu rechnen habe, der in unserem Land unsere Werte verachte, dann sollte die Menge ihm die Botschaft an den gescheitelten Kopf werfen, dass vor allem jenen Dampfplauderern Gegenwehr drohe, die die Grundrechte der Verfassung durch aktive Politik permanent mit Füßen treten, während sie die Profiteure eines kriminellen Milliardenspiels an den Finanzmärkten ungeschoren davonkommen lassen. Denn offensichtlich fehlt es Leuten wie Wulff oder Gauck an Integrationsfähigkeit. Der Bundespräsident entzieht sich zum Beipsiel dadurch, dass er Urlaub im prunkvollen Feriendomizil Carsten Maschmeyers auf Mallorca macht.

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Konjunkturdaten: Mal wieder zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Geschrieben von: am 01. Okt 2010 um 18:04

Ich habe natürlich auch deshalb zwei Tage lang nix geschrieben, weil ich die offizielle Verlautbarung des statistischen Bundesamts zu den Einzelhandelsumsätzen von heute abwarten wollte und die neuesten Arbeitsmarktdaten von der Arbeitsagentur. Beide Meldungen widerlegen einmal mehr die auch diesmal wieder vorausgegangenen Jubelschreie über eine boomende Wirtschaft und angeblich brummenden Konsum.

Das statistische Bundesamt führt dabei mal wieder komplett in die Irre. Einzelhandelsumsatz im August 2010 real um 2,2% gestiegen heißt es in der Meldung von heute. Gemeint ist der Vergleich zum Vorjahresmonat August 2009. Dieser Monat war bekanntlich ein Krisenmonat, der schlimmste wenn ich mich nicht irre, in dem viele Menschen entweder keinen Job hatten oder in der Kurzarbeit zu entsprechend weniger Bezügen verharrten. Ein Vergleich ist daher nur zulässig, wenn man das Vorkrisenjahr 2008 miteinbezöge. Das tun die Statistiker natürlich nicht, weil man sonst sofort erkennen würde, dass es sich aktuell nicht um einen neuerlichen Kaufrausch handeln kann, sondern lediglich um eine Anpassung der Umsätze im Vergleich zum Einbruch im Krisenjahr 2009.

Ich habe die Meldung von damals natürlich wieder für sie herausgesucht und am 1. Oktober 2009 hieß es entsprechend verkartert:

Einzelhandelsumsatz im August 2009 real um 2,6% gesunken

Hier wird also keine Krise weggekauft, wie man Anfang der Woche in nahezu allen Medien unter der Schlagzeile „Kaufrausch“ nachlesen konnte, sondern lediglich ein katatrophal tiefes Niveau beim privaten Konsum beibehalten und noch nicht einmal egalisiert. In der heutigen Nachricht ist auch wieder zu lesen, dass die Umsätze im Einzelhandel mit Lebensmitteln, Getränken und Tabakwaren abermals rückläufig waren. Das liegt zum einen an der nach wie vor bestehenden Kaufzurückhaltung, aber auch an dem ruinösen Preiswettbewerb der Handelsketten, die inzwischen nicht mehr darum kämpfen, mehr Marktanteile bei höheren Gewinnen zu erzielen, sondern bei weniger Verlusten im Vergleich zu den Konkurrenten. Wirtschaftlich gesund ist das nicht.

Für Wirtschaftsminister Brüderle ist das natürlich kein Argument. Eine Pulle Wein in den Rachen geschüttet – er kann es sich ja leisten, da er schließlich Diäten und nicht Hartz-IV aus Steuermitteln kassiert – und schon sieht die Welt im Taumel des Rausches wieder positiv aus. Die Wirtschaft boome nach Auffassung des Ministers. Eine Herbstbelebung sei angesagt, da die Arbeitsmarktdaten blendend aussehen würden. Nüchtern betrachtet muss man klar festhalten, dass die Beschäftigungsentwicklung seit Monaten stagniert. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist sogar zurückgegangen. Zum scheinbar positiven Ergebnis beigetragen, haben neue Jobs in der Leiharbeit und vor allem der Rückgang an Arbeitskräften durch demografische Effekte. Joachim Jahnke bringt es in seinem Infoportal auf den einfachen wie wahren Satz:

Ohne die demographische Entwicklung und ohne die minderwertige Leiharbeit wäre die Arbeitslosigkeit also gestiegen.

Zur Leiharbeit fällt mir noch etwas ein, was ich heute morgen im Deutschlandfunk gehört habe. In der morgendlichen Presseschau um kurz nach halb sechs wurden Kommentare zum Tarifabschluss in der Metallbranche verlesen. Nahezu alle ausgewählten Zeitungen geißelten die zwischen den Tarifparteien vereinbarte Gleichbehandlung von Leiharbeitern und Festangestellten. Springers Märchen-Welt mal wieder vorne weg mit diesem unsäglichen Schwachsinn:

Besorgt stimmt eher, wie unbekümmert dabei zugleich einem der wesentlichen Motoren für den Jobaufschwung, der Zeitarbeit, neue Fesseln angelegt werden. So richtig es ist, Dumpinglöhne zu unterbinden – die Leiharbeit jeglichen Kostenvorteils zu berauben bedeutet, langfristig auf wirtschaftliche Dynamik und damit auch auf neue Beschäftigungschancen für Arbeitslose zu verzichten. Hier werden nicht die Früchte des Geleisteten geerntet – es handelt sich schlicht um einen Fall von Übermut.

Sie können davon ausgehen, dass die Bundesregierung und weite Teile von SPD und Grünen ganz genauso borniert denken und in der Leiharbeit noch immer einen Motor für den kostengünstigen „Jobaufschwung“ sehen, der die Arbeitslosenzahlen zu schönen vermag, aber gleichzeitig dafür sorgt, dass reguläre Arbeitsplätze unwiederbringlich verdrängt werden. Zu etwas anderem taugt die deutsche Leiharbeit, die Wolfgang Clement reformiert und deformiert hat, nämlich auch nicht. Und wer heute die Debatte um die Rente mit 67 aufmerksam im deutschen Bundestag verfolgt hat, konnte schnell begreifen, worum es der Regierung auf allen Feldern ihres asozialen Tuns geht. Um Planungssicherheit für die Wirtschaft und die Unternehmen. Das ist primäres Ziel. An die Planungssicherheit von Arbeitnehmern, Rentnern und Sozialleistungsbeziehern, die der Definition nach eigentlich auch Teil des Volkes sind, wurde hingegen kaum ein Gedanke verschwendet.

Rückblickend auf 20 Jahre Deutsche Einheit lässt sich daher feststellen, dass das mit der Planwirtschaft im Osten anscheinend besser funktioniert hat. Da hätte man sich durchaus etwas abgucken können.

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