Konjunkturdaten: Ein eindeutiger Aufschwung?

Geschrieben von: am 30. Jun 2011 um 14:28

Die Arbeitslosigkeit sinkt, die Kauflaune steigt, die Konjunktur brummt. So lauten regelmäßig die Schlagzeilen zum Monatsende. Nacheinander verkünden Gesellschaft für Konsumforschung, das statistische Bundesamt und die Bundesagentur für Arbeit ihre nach eigener Sicht positiven Zahlen. Die GfK machte am Dienstag den Anfang und gab an, herausgefunden zu haben, dass die Anschaffungsneigung der Deutschen wieder deutlich zugenommen habe.

Die ungebrochene Dynamik der deutschen Wirtschaft sowie die weitere Belebung auf dem Arbeitsmarkt haben die Konjunkturaussichten moderat und die Einkommenserwartungen der Bundesbürger stark ansteigen lassen. Auch die Anschaffungsneigung hat ihre Verluste aus dem Vormonat mehr als kompensiert. Damit gewinnen die guten Rahmendaten wie die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und das gute Wirtschaftswachstum wieder die Oberhand über die „Störfaktoren“ Fukushima sowie die Situation im Nahen Osten und Griechenland.

Quelle: GfK

Nun ist klar, dass eine Neigung, die von Aussichten bestimmt wird, nicht wirklich einen substanziellen Kern aufweist. Eine Neigung hat grundsätzlich einen fiktiven Charakter. Und zwar solange, bis sie selbst in die Tat umgesetzt wird. Dann spricht man logischerweise auch von einer Tatsache. Wenn die Deutschen also der GfK gegenüber angeben, demnächst häufiger einkaufen gehen zu wollen, dann heißt das eben nicht, dass sie es auch tun, sondern höchstens, dass sie es gerne tun würden. Demzufolge ist die Feststellung, dass jene Anschaffungsneigung ihre Verluste aus dem Vormonat kompensiert habe einfach nur statistischer Unsinn, weil durch mehr oder weniger Anschaffungsneigung überhaupt keine Gewinne oder Verluste entstehen können. Oder fließt die Anschaffungsneigung etwa in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung mit ein?

Nein. Dort findet nur der tatsächliche private Konsum Beachtung und natürlich bilden die Umsätze im Einzelhandel einen wesentlichen Teil davon. Nun hat heute das statistische Bundesamt Zahlen veröffentlicht, die alles andere, aber nicht das bestätigen, was die GfK mit ihrer Kauflaune gemessen haben und die Menschen glauben machen will. Zwar  führen die amtlichen Statistiker mit der Überschrift “Einzelhandelsumsatz im Mai 2011 real um 2,2% höher als im Mai 2010” die Öffentlichkeit einmal mehr in die Irre, doch im Text liest man dann die tatsächlichen Zahlen zu den Umsätzen.

Allerdings hatte der Mai 2011 mit 26 Verkaufstagen auch drei Verkaufstage mehr als der Mai 2010. Im Vergleich zum April 2011 ist der Umsatz im Mai 2011 unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten (Verfahren Census X-12-ARIMA) nominal um 3,0% und real um 2,8% gesunken.

Quelle: destatis

In der Langzeitprojektion gleicht das Minus von fast drei Prozent zum Vormonat einem weiteren Absturz. Nachdem es im Mai noch so aussah, als ginge es wieder aufwärts, bestätigt sich nach Korrekturen bei den zurückliegenden Werten und den aktuellen Daten zum Mai 2011 die anhaltende Kaufzurückhaltung der Deutschen, die doch angeblich so gut kaufgelaunt sein sollen wie selten.

Einzelhandel bis Mai 2011

Den zuständigen Minister Rösler schenke ich mir an dieser Stelle, da seine Einschätzung der Lage wie immer dem Bereich der Fiktion zuzuordnen ist und nichts mit der Realität zu tun hat.

Fehlt eigentlich nur noch der Arbeitsmarkt, der vom Oberbefehlshaber der Nürnberger Arbeitslosenzählbehörde wie immer als sehr robust beschrieben wurde.

Der Arbeitsmarkt profitiert weiter vom stabilen Aufschwung der deutschen Wirtschaft. Die Arbeitslosigkeit ist im Juni im Zuge der auslaufenden Frühjahrsbelebung um 67.000 auf 2.893.000 gesunken. Das Saisonbereinigungsverfahren errechnet für den Juni ein Minus von 8.000.

Quelle: Arbeitsagentur

Wenn ich mich an den letzten Bericht zurückerinnere, dann scheint der Arbeitsmarkt doch vor allem dadurch zu profitieren, dass die Zählbehörde nicht wirklich zählt, sondern immer mehr schätzt und dazu einen sehr eigenen Begriff von Arbeitslosigkeit definiert. Wie sie inzwischen wissen, gilt nicht jeder Erwerbslose auch als arbeitslos. Durch die Klassifizierung der Betroffenen nach der Art ihres Leistungsbezugs ergeben sich Unterschiede zwischen der offiziellen Arbeitslosenzahl und der Zahl aller Leistungsbezieher, deren Gemeinsamkeit doch nach wie vor die Arbeitslosigkeit ist. Selbst auf Personen die ihre niedrigen Löhne aufstocken müssen oder sich in Arbeitsgelegenheiten befinden trifft das zu.

Insgesamt sollen laut Statistik 2.893.341 Personen im Juni erwerbslos gewesen sein. Gleichzeitig sollen laut Statistik 1.262.470 Per­sonen im Sinne arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen beschäf­tigt gewesen sein. Im Bericht werden diese “ausgewählten Maßnahmen aktiver Arbeitsmarktpolitik”, die man auch unter dem Begriff “stille Reserve” kennt wie folgt unterteilt:

  • Qualifizierung
  • Berufsberatung u. Förderung d. Berufsausbildung
  • Beschäftigungsbegleitende Leistungen
  • Beschäftigung schaffende Maßnahmen

Das ist natürlich keine Beschäftigung im Sinne einer Beschäftigung wie man sich das so vorstellt, aber es ist durchaus Absicht, dass die Öffentlichkeit das so missverstehen soll. Rechnet man diese Scheinbeschäftigten, aber im Grunde arbeitslosen Menschen, zur offiziellen Zahl hinzu, landet man bei 4.155.811. Das Amt selber weist eine Unterbeschäftigung ohne Kurzarbeit in Höhe von 4.079.599 (Quote: 9,6%) Personen aus.

D.h, dass Behörde und Bundesregierung allein durch das Weglassen der “stillen Reserve” zu einer Arbeitslosenzahl kommen, die im internationalen Vergleich zu einem der vorderen Plätze reicht. Würde man aber die ausgeklammerte Gruppe von defacto Erwerbslosen hinzuzählen, sähe es schon nicht mehr so rosig aus. Von einem Jobwunder einerseits oder einer Wirtschaftslokomotive andererseits würde dann wahrscheinlich niemand ernsthaft sprechen können.

Darüber hinaus ist der Anteil der Langzeitarbeitslosen wieder um einen Punkt auf 34 Prozent gestiegen. Damit dürfte Deutschland immer noch Spitzenreiter in Europa sein. Daneben entfiel rund ein Viertel der Beschäftigungszunahme einmal mehr auf die Arbeitnehmerüberlassung (+146.000 oder +23,3 Prozent), also einem Wirtschaftszweig, in dem prekäre Beschäftigungsverhältnisse und moderner Menschenhandel zum Geschäftsmodell geworden sind.

All das beschreiben die Aufschwungsge- und verblendeten natürlich nicht. Denn dann müssten sie sich eingestehen, was einige Wirtschaftsexperten und der Bundesfinanzminister bereits ahnen und zum Teil warnend vorwegnehmen. Demnach werde sich der Aufschwung im zweiten Quartal merklich eintrüben. Das DIW spricht sogar von einer Wachstumsdelle. Und das mitten im Aufschwung.

Gegenüber dem starken ersten Quartal dürfte die deutsche Wirtschaft zwischen April und Juni allenfalls um 0,4 Prozent zugelegt haben. Denn auch wenn die Stimmung in den Unternehmen weiter positiv bleibt: Die letzten „harten“ Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland deuten auf eine spürbare Abschwächung des Wachstums hin.

Quelle: DIW

Allerdings wagen auch die Forscher wieder einen Schuss ins Blaue und hoffen, dass sich durch Zuwächse bei Beschäftigung und Einkommen auch der Konsumbeitrag bessern werde.

„Die anziehende Beschäftigung und steigende Löhne werden den Konsum in den nächsten Quartalen voraussichtlich mehr und mehr anschieben.“ 

Da wären wir dann wieder bei den Neigungen und Launen, die bei der Kaffeesatzleserei der GfK herausgekommen sind. Denn es gibt schon einen qualitativen Unterschied zwischen Beschäftigungszuwächsen und der Art der Beschäftigung. Ein weiterhin von der Politik geförderter Niedriglohnbereich wird kaum zu einer Steigerung des Konsums beitragen und nominell unterhalb der Teuerungsrate steigende Löhne auch nicht. Denn das bedeutet noch immer reale Lohnkürzung.

3

Volker Pispers vom Sommerloch verschluckt

Geschrieben von: am 28. Jun 2011 um 17:31

Wenn Angela Merkel auf der Tribüne eines Fußballstadions jubelt, dann ist irgendwie Gefahr im Verzug. Mal gucken. Die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen haben der Bundesregierung, Verzeihung, der deutschen Wirtschaft Milliardenaufträge verschafft. Knapp 11 Mrd. Euro aus 14 Verträgen sollen ausgehandelt worden sein. Aber wissen sie, was das Beste ist? Angela Merkel soll das Thema Menschenrechte angesprochen haben.

Offensichtlich hatte das Ansprechen keine weiteren Auswirkungen auf die durch und durch guten Geschäftsbeziehungen. Es könnte aber auch sein, dass die Chinesen versprochen haben, die Menschenrechte in Zukunft einzuhalten, unter der Bedingung,  dass man den deutschen Unternehmen, die in den kommenden Jahren im Reich der Mitte investieren und neue Fabrikanlagen errichten dürfen, dabei im Praxistest über die Schulter schauen darf.

Unter den zahlreichen Abkommen, die der Regierungssprecher veröffentlicht hat, findet sich jedenfalls kein Eintrag zum Thema Menschenrechte, dafür aber eine gemeinsame Erklärung über Chinas Auftritt als Partnerland der HANNOVER MESSE 2012. Spätestens dann wird Frau Bundeskanzlerin wieder die Gelegenheit haben, und sie sicherlich auch nutzen, das Thema Menschenrechte anzusprechen. Wie oft hat sie das eigentlich schon getan und wie viel mehr Menschenrechte sind unterm Strich herausgekommen?

Da müsste man vielleicht mal den kürzlich gegen Kaution aus der chinesischen Haft entlassenen Ai Weiwei befragen. Als die Bundeskanzlerin auf ihrer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao in diese Richtung mit der Bemerkung, bei rechtsstaatlichen Verfahren gebe es noch eine Wegstrecke zu absolvieren, leicht abheben wollte, fiel dem Gast aus der Volksrepublik vor Schreck der Dolmetscher aus dem Ohr.

Dem chinesischen Ministerpräsidenten ist der Lapsus denkbar unangenehm. Er versucht nun, das Gerät wieder am Ohr zu befestigen. Sekunden vergehen. Peinliches Schweigen unter den anwesenden Ministern aus Berlin und Peking. Kanzlerin: „Gut jetzt?“ Sie setzt ein zweites Mal an: In diesem Zusammenhang habe sie es begrüßt, dass der Künstler Ai Weiwei… Wen kämpft wieder mit dem Hörer. Frau Merkel seufzt. „Kann mal jemand helfen?“ Ihr Sprecher eilt herbei und bietet Wen einen anderen Kopfhörer an. Kanzlerin zum Dritten: „Wir haben darauf hingewiesen, dass es nun ein transparentes Verfahren gibt.“ Geben müsse, sollte das heißen. Wen vernimmt die Sätze und schaut immer noch indigniert. 

Wirklich lustig. Vielleicht lag’s auch an der Wärme. Volker Pispers meint, die Temperaturen in unserem Land hätten inzwischen griechische Normalwerte erreicht. Wenn alles gutgeht, werden die Sommermädchen das Sommermärchen der Jungs zu Ende schreiben. Das wäre dann ganz im Sinne unserer Kanzlerin, spottet Pispers. Das Edelgebläse der deutschen Elf könne mit ausgelassener Freude bei der schönsten Nebensache der Welt ganz bequem von der Hauptsache ablenken, nämlich der kompletten Orientierungslosigkeit der schwarz-gelben Regierung.

Gut für Merkel, dass sich mit den Grünen ein neues Schoßhündchen gerade noch rechtzeitig warmlaufe, um den Platz mit den trotzigen Liberalen zu tauschen, die immer nur nach Steuersenkungen rufen würden. Die Grünen hätten schließlich beim Ausstieg vom Ausstieg des Atomausstiegs bewiesen, wie nah sie bei der Union doch stehen. Dass unterm Strich dennoch eine Verlängerung der Atomlaufzeiten herausgekommen ist, spielt keine Rolle. Nach Claudia Roth sind die Grünen ja nicht bescheuert. 

Wenn es den Grünen nun noch gelänge im Schatten des Sommermärchens, Stuttgart 21 als größten Krötentunnel Europas umdeklariert zu Ende zu bauen, stünde einer schwarz-grünen Beziehung nichts mehr im Wege. Bis dahin macht Volker Pispers eine Jahreshalbzeitpause und verabschiedet sich ins wohlverdiente Sommerloch. Bis neulich…im September…

1

Die Linke und ihr mehr Netto vom Brutto

Geschrieben von: am 27. Jun 2011 um 18:57

In seinem Newsletter schreibt Michael Schlecht, Chefvolkswirt der Bundestagsfraktion Die Linke, über die Steuersenkungskampagne der Bundesregierung und bezeichnet die Pläne als Rettungsprogramm für die FDP. Dagegen stellt er die Position der Linken und meint:

Wir wollen wirklich mehr Netto vom Brutto für die Menschen, die hart für ihr Einkommen arbeiten. Und diejenigen, die hohe Einkommen beziehen, sollen wieder so zur Kasse gebeten werden, wie das zu Kohls Zeiten üblich war! Dies bedeutet, dass der Spitzensteuersatz von 42 wieder auf 53 Prozent ansteigt.

Quelle: Michael Schlecht

Was mich daran stört, habe ich unterstrichen. Was soll dieser Griff in die FDP-Mottenkiste? Warum beschäftigt sich die Linke überhaupt mit der Steuersenkungsnebelkerze der Bundesregierung, die zum wiederholten Mal von Finanzminister Schäuble einfach einkassiert wurde?

Klar, man kann sich mit der Anhebung von Spitzensteuersätzen beschäftigen und auch über die kalte Progression sprechen, wie sie von allen Seiten nach eigener Interpretation diskutiert wird, doch man kann sich von den PR-Strategen der Bundesregierung nicht ernsthaft eine Debatte über Steuersenkungen aufschwatzen lassen und darüber hinaus vergessen, dass nicht mehr Netto vom Brutto die Lösung der sozialen Frage darstellt, sondern wohl eher mehr Brutto für die Beschäftigten, die seit Jahren Reallohnverluste hinzunehmen hatten.

Immer mehr Menschen, die durch die politisch gewollte Expansion des Niedriglohnsektors von ihren Einkünften nicht mehr leben können, obwohl sie Vollzeit hart arbeiten, in prekären Beschäftigungsverhältnissen verharren, in der Leiharbeit, in Teilzeit oder aber in die Arbeitslosigkeit ausgelagert wurden, können gar kein Interesse an niedrigeren Einkommenssteuern haben, sondern allenfalls daran, dass ihnen die indirekte Steuerlast (Mehrwertsteuer), denn die muss jeder zahlen, egal wie viel oder woher er seine Einkünfte bezieht, abgenommen wird.

Komischerweise spricht der Chefvolkswirt der Linken die in der Vergangenheit betriebene Verschiebepraxis von den direkten zu den indirekten Steuern überhaupt nicht an. Dabei wäre hier ein Angriffspunkt, um das taktische Manöver der Bundesregierung für jeden Laien sichtbar zu machen. Denn immer wenn es heißt, der Staat braucht Geld, wird an der Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer, Ökosteuer, Tabaksteuer usw. gedreht. Eine Erhöhung garantiert Steuereinnahmen in Milliardenhöhe. Wenn es aber heißt, der Staat habe wegen unerwartet hoher Einnahmen soviel Spielraum, dass er über eine Steuerentlastung etwas an die Bürger zurückgeben könne, wird ständig eine Reform der Einkommenssteuern in Betracht gezogen. Warum?

Quelle: Monatsbericht (Juni 2011) des BMF

Derzeit haben die indirekten Steuern, die keinerlei Progression unterliegen immer noch einen deutlich höheren Anteil am Gesamtsteueraufkommen. Geringverdiener werden gemessen an ihrem Einkommen, das sie nahezu komplett verkonsumieren müssen, deutlich höher mit diesen indirekten Abgaben belastet, als jene mit hohen Einkommen, die jede Verschiebung in Richtung Flat Tax nur begrüßen können, weil sie dadurch noch mehr Steuern sparen. Die Zusammensetzung des Steueraufkommens und die darin enthaltene ungerechte Verteilung ist viel wichtiger, als sich an einer sinnlosen Diskussion um Einkommenssteuersenkungen zu beteiligen.

Noch besser wäre allerdings, die Einkommensentwicklung nicht völlig aus dem Blick zu verlieren. Denn unser Problem sind doch nicht zu hohe Einkommenssteuern bei Geringverdienern, sondern viel zu niedrige Löhne und unsichere Beschäftigungsverhältnisse.

Es ist schade, dass sich die Linke auf dieses alberne Spiel, die FDP irgendwie in den Schlagzeilen zu halten, eingelassen hat.

2

Keine Schlichtung beim Stresstest

Geschrieben von: am 27. Jun 2011 um 15:01

Die Deutsche Bahn, die ihnen, mir, uns allen gehört, will herausgefunden haben, dass der von ihr geplante unterirdische Tiefbahnhof für viel, zu viel Steuergeld, leistungsfähiger sei, als sein bestehendes, hässliches Pendant an der Oberfläche, mit Namen Kopfbahnhof. Georg Schramm hat einmal gesagt, seit der Schlichtung um Stuttgart 21 wisse er nun, warum die Bahn den Kopfbahnhof so verrotten ließ. Das Auge fährt halt mit.

Jetzt geht es in die “schein”entscheidende Phase. Der Stresstest, den Heiner Geißler der Bahn zur Auflage machte, habe ein Ergebnis geliefert. Bestanden, alles laufe wie am Schnürchen, ließ man über zahlreiche Agenturen verbreiten. Der neue Bahnhof sei 30 Prozent leistungsfähiger als der bestehende Kopfbahnhof. Die baden-württembergische Landesregierung sieht es anders. Verlässliche Daten lägen noch gar nicht vor, hieß es aus dem grünen Verkehrsministerium, das einst von der schwarzen Tanja Gönner besetzt gehalten wurde.

Die Bahn kontert wiederum und behauptet, das Verkehrsministerium in einem Arbeitskreis stets zeitnah über die Ergebnisse und aktuellen Daten der Simulation informiert zu haben. Und weil die unterirdische Simulation wie auch immer erfolgreich gewesen sein soll, simulieren die politischen Befürworter des Projekts schon mal präventiv Wutanfälle in Richtung der Gegner.

„Sollte der Stresstest ergeben, dass der geplante Tiefbahnhof die während der Schlichtung von allen Seiten akzeptierte Leistungssteigerung erbringt, gibt es für die Grünen endgültig keinen Grund mehr, weiter auf den Barrikaden zu bleiben“, sagte er dem Tagesspiegel. „Es wäre eine grobe Missachtung des Schlichterspruchs, wenn die Grünen jetzt immer neue Hürden aufbauen – nur um ihren Wählern nicht eingestehen zu müssen, dass sie Erwartungen geweckt haben, die sie nicht erfüllen können“, sagte Gröhe. Der CDU-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, Peter Hauk, forderte Hermann auf, „seinen sinnlosen Widerstand sofort einzustellen“ .

Quelle: Tagesspiegel

Man fühlt sich in die Schlichtungsgespräche zurückversetzt. Vielleicht könnten sich Gegner und Befürworter darauf einigen, dass es einen Stresstest gegeben hat und entsprechende Ergebnisse, nein, Unterlagen, über deren Inhalt an dieser Stelle keine nähergehende oder für beide Seiten verfängliche Aussage getroffen wird, von der Bahn an das Verkehrsministerium übergeben, nein, gesandt wurden. Können beide Parteien diesem Satz zustimmen? Öhm…, Herr Geißler übernehmen sie, ein Schlichter wird benötigt.

Interessant wäre natürlich, mit welchem Fahrplan die Bahn gerechnet hat. In der Schlichtung hieß es ja immer, den könne man gar nicht präsentieren, weil die zukünftige Verkehrsentwicklung bis zur Fertigstellung des Projekts niemand abschätzen könne. Die Steigerung der Leistungsfähigkeit ergäbe sich vielmehr daraus, dass die Verfahren zur Realisierung des Projekts erfolgreich abgeschlossen wurden, sei es vor Gericht, bei der Planfeststellung oder bei der Erteilung von erforderlichen Genehmigungen. Das war für mich das gönnerhafte Kefer-Argument, das zu verkünden, sich der Bahnvorstand in die Niederungen einer öffentlichen Diskussionsrunde begeben hat.

Unter welchen Bedingungen nun geheim getestet wurde, ist nicht bekannt. Die Bahn deutet das Ergebnis nach ihren Vorstellungen. Wahrscheinlich wird die Steigerung der Leistungsfähigkeit schon dadurch erhöht, dass unter der Erde defekte Klimaanlagen in ICE-Zügen als Ausfallgröße ausgeschlossen werden können.

1

Nennen wir sie Margot, Margot von der Leyen

Geschrieben von: am 27. Jun 2011 um 10:58

Das Bildungspaket für arme Kinder ist zu dem teuren Flop geworden, wie er von vielen erwartet wurde. Nur Frau von der Leyen gibt nicht auf und hofft dennoch auf eine Zunahme der Abnahmequote durch gezieltes Aufsuchen der betroffenen Eltern durch Sozialarbeiter.

„Wenn Info-Briefe und gezielte Ansprache in Schulen und Kitas nicht reichen, müssen Sozialarbeiter eben vor der Tür stehen und beiden Eltern nachfassen,“ sagte von der Leyen der „Bild“-Zeitung.

Der Erfolg des Paketes hänge davon ab, „wie intensiv sich die Ämter um die Familien bemühen“, so die Ministerin: „Es geht um die Zukunftschancen der Kinder, damit sich das Hartz-IV-Schicksal ihrer Eltern nicht wiederholt.“

Quelle: Welt Online

Nennen wir sie doch Margot von der Leyen, in Anlehnung an jene Giftspritze, die Erich Honecker sein Weib nannte und der ebenfalls Kinder aus bestimmten Gruppen der Bevölkerung besonders am Herzen lagen. Wenn man die Familien schon aufsucht und zu ihrem Glück gegen Androhung von Leistungskürzungen zwingen will, ein nutzloses Bildungspaket in Anspruch zu nehmen, dann kann doch der nächste Schritt nur lauten, die Zwangstrennung der Kinder von ihren uneinsichtigen Eltern in die Wege zu leiten.

Es gibt Wissenschaftler wie Hilmar Schneider, die Arbeitslose versteigern lassen wollten, es gibt FDP-Schnösel wie den Bremer Oliver Möllenstedt, die die Gesundheitsämter anweisen wollten, die Kosten für Verhütungsmittel bis hin zur Sterilisation bei Hartz-IV-Empfängern zu bezahlen, und es gibt eine Bundesministerin, die nicht Müde wird, den betroffenen Menschen und dem Grundgesetz mit kaltherziger und berechnender Verachtung gegenüberzutreten.

3

Das Statistische Bundesamt zum Handelssaldo mit Griechenland

Geschrieben von: am 24. Jun 2011 um 19:15

In einer aktuellen Meldung des statistischen Bundesamts heißt es:

Ausfuhren nach Griechenland im Jahr 2010 weiterhin rückläufig

Im Jahr 2010 wurden Waren im Wert von rund 5,9 Milliarden Euro von Deutschland nach Griechenland ausgeführt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, sind damit die deutschen Exporte nach Griechenland gegenüber 2009 deutlich zurückgegangen (– 10,2%), während gleichzeitig die Ausfuhren in die EU insgesamt um 15,5% gestiegen sind.

Die Einfuhren aus Griechenland haben sich im Jahr 2010 hingegen deutlich erholt und lagen mit rund 2,0 Milliarden Euro um 13,4% über den Vorjahresimporten.

Deutschland hat in den letzten Jahren jeweils sehr viel mehr Waren nach Griechenland ausgeführt als von dort bezogen – der Handelsbilanzsaldo fiel somit durchweg positiv aus. Im Jahr 2010 belief er sich auf rund 4,0 Milliarden Euro.

Quelle: destatis

Ich würde dazu sagen, für Griechenland fiel der Handelsbilanzsaldo somit durchweg negativ aus!

Im Ergebnis haben die Griechen ihr Leistungsbilanzdefizit behalten, während die Deutschen, trotz des Rückgangs der Ausfuhren ihren Überschuss behaupten und sogar weiter ausbauen konnten, weil andere Handelspartner mehr deutschen Waren abgenommen haben als zuvor. Was ist daran nun toll? Mit Blick auf die europäische Finanzkrise heißt das doch, dass sich an den bestehenden Ungleichgewichten nichts geändert hat.

Während Deutschland weiter Exporterfolge feiert – und die Statistiker feiern, wie es scheint, erleichtert mit – laufen bei den europäischen Partnern weiter Defizite auf, die unterm Strich die Krise weiter verschärfen. Auf Dauer wird sich Deutschland auf Transferzahlungen in Milliardenhöhe einstellen müssen, wenn es die anderen Volkswirtschaften, die mit dem Euro die gleiche Währung nutzen, daran hindert, sich zu entwickeln. Wenn Deutschland nicht bereit ist, etwas von seinen Marktanteilen abzugeben, wird die Eurozone nur mit Hilfe von Transferleistungen deutscher Steuerzahler weiterexistieren können.

Die Forderungen, die der Gläubiger Deutschland gegen Griechenland und all jene Euro-Staaten mit einem Mittelmeerstrand angehäuft hat und immer noch anhäuft, und für die die deutschen Arbeitnehmer den Gürtel stets enger schnallen mussten, erweisen sich gerade mit Blick auf Griechenland als halt- und wertlos. Von einer guten Wettbewerbsposition können sich die deutschen Arbeitnehmer nichts kaufen. Das geht nur mit höheren Einkommen. Die werden aber weiterhin verweigert.

So ist es dann auch kein Wunder, wenn Bundesfinanzministerium und Wirtschaftsfachleute bereits eine Abkühlung der Konjunktur registrieren.

Die aktuellen Konjunkturdaten zeigen einen verhaltenen Start der deutschen Wirtschaft in das 2. Quartal. Damit setzt sich der Aufschwung mit geringerem Wachstumstempo als zu Jahresbeginn fort.

Quelle: BMF

Erstmals seit 2009 verlangsamt sich in vielen Ländern der Euro-Zone das Wachstum – und zwar deutlich. An Warnsignalen für eine bedrohliche Entwicklung mangelt es nicht. Doch die Notenbank schläft.

Quelle: FTD

Die deutsche XXL-Lokomotive fährt eben nicht von allein oder mit deutschem Wein aus der Pfalz, sondern nur so lange, wie die anderen sich verschulden und die Kohle zum Verheizen liefern.

0

Zu dem anderen Thema heute

Geschrieben von: am 22. Jun 2011 um 14:48

Ich mache es kurz:

Die Sau Steuersenkungen wird mal wieder als Ablenkung zum Griechenland und Eurodesaster durchs Dorf getrieben und alle grunzen fröhlich mit, anstatt sich mit der maßgeblich von Deutschland zu verantwortenden europäischen Finanz- und Wirtschaftskrise zu beschäftigen.

Es ist in der Tat lustig, wie das Thema bewusst hochgezogen wird. Ein angebliches Versprechen der Kanzlerin an den Nachlassverwalter der Westerwelle-FDP Philipp Rösler, ein Kauder im Morgenmagazin, der gar nichts Neues verkündet, sondern nur ankündigt, arbeiten zu wollen, ein FDP-Bambi, das irgendetwas vorrechnet und ein Regierungssprecher, der am Nachmittag alle Träume der Sedierten mit dem Satz zerstört, das noch überhaupt nix Verbindliches zum Thema zwischen den Regierungsteilnehmern besprochen wurde.

Und aus diesem Mist werden wieder Meldungen und Kommentare formuliert sowie Experten befragt. Was für eine Zeitverschwendung. Klicken sie bloß schnell auf weiter oder zurück. Wie sie wollen.

1

Nachtrag zum Sterbezwang für Griechenland

Geschrieben von: am 22. Jun 2011 um 13:02

Zunächst einmal möchte ich auf Jens Bergers Beitrag Staatsfinanzierung als Subvention des Finanzsektors auf den NachDenkSeiten hinweisen. Darin zeigt er anhand der Unterschiede zwischen Zentralbankleitzins und Marktzins die glänzenden Verdienstmöglichkeiten von privaten Banken und deren Eigentümern. Der Niedergang Griechenlands sei ein prächtiges Geschäft für die privat organisierte Finanzmarktbranche.

Für die Banken ist dies nicht nur ein relativ sicheres, sondern vor allem sehr lukratives Geschäft. Das Geld für die Staatsanleihen leihen sie sich bei der EZB zum Leitzins von 1,25%. Die gekauften Anleihen können sie dann bei der EZB als Sicherheit hinterlegen, um sich für andere Finanzmarktgeschäfte frisches Geld zum Leitzins zu leihen. Ohne nennenswerte Eigenleistung kassieren die Banken bei diesem Geschäft somit die Differenz zwischen dem Leitzins und dem Nominalzins der Staatsanleihe.

Das ist die Geschichte mit dem Dieb, der vor dem Haus, in das er eingebrochen ist, einen Stand aufbaut und ganz legal die gestohlenen Gegenstände an den Eigentümer verkauft. Die Tatsache, dass der Staat sich noch immer über die Finanzmärkte refinanziert, anstatt sich das Geld, das schließlich ihm gehört (auf den Banknoten war noch nie das Konterfei von Josef Ackermann zu sehen) bei seiner Zentralbank selbst zu besorgen, ist ein systemisches Problem, das die Frage aufwirft, ob eine Volkswirtschaft überhaupt einen privaten Bankensektor braucht.

Die Frage steht deshalb auf der Tagesordnung, weil die Banken ihre Aufgabe, ein Diener der Wirtschaft zu sein nicht erfüllen, sondern dem Zwang des freien Marktes unterliegen, sogar in den größten Finanzkrisen sich ausschließlich den Bedürfnissen ihrer Eigentümer zuzuwenden, die traumhafte Renditen für ihre Anteilsscheine einfordern. Dafür braucht es kriminelle Energie und die nötige Größe, um über die demokratisch gewählten Abgeordneten des Souveräns verfügen zu können.

Interessant ist natürlich der Gedanke, dass der Finanzmarkt im Grunde genommen auch nur eine Privatisierung einer an sich öffentlichen Aufgabe darstellt, durch die vor allem einige Wenige ständig profitieren und die große Mehrheit immer weiter verliert.

Man kann diesen Zustand vielleicht mit der Privatisierung der Altersvorsorge vergleichen. Die gesetzliche Rentenversicherung ist unter dem Dach der Sozialversicherung organisiert und beinhaltet ein Umlagesystem, das, wenn man alle versicherungsfremden Leistungen abzieht, zu jedem Zeitpunkt funktioniert. Es werden Beiträge eingenommen und Renten ausgezahlt. Der ganze Vorgang kostet den Versicherten gerade einmal 0,5 Prozent seines Beitrags.

Nun wurde durch eine Reihe von Lügen behauptet, die gesetzliche Rente sei unsicher und müsse durch private Altersvorsorgeprodukte zum Teil ersetzt werden. Nur hat sich am Vorgang selbst überhaupt nichts geändert. Es gibt Menschen, die Beiträge einzahlen und Menschen, die eine Rente erhalten. Das verfügbare Geld wird also genauso umgelegt wie in der gesetzlichen Rentenversicherung. Es gibt nur einen Unterschied. Für die privaten Finanzdienstleister ist dieses Geschäft mit umgeleiteten Beiträgen eine – wie hatte sich Carsten Maschmeyer so schön ausgedrückt? – Ölquelle, die man nur anbohren müsse.

Der Grund sind die Provisionen und Kosten, die für solch ein privates Produkt vom Versicherten bezahlt werden müssen. Für den nunmehr Kunden bedeutet das im Klartext, dass er statt die 0,5 Prozent, die ihm die gesetzliche Rentenversicherung von seinem Beitrag zur Deckung ihrer Verwaltungskosten abzweigt, bei der privaten Assekuranz einen deutlich höheren Anteil zu tragen hat. Wenn man die Riesterförderung herausrechnet, die ja letztlich vom Steuerzahler aufgebracht werden muss, belaufen sich die Kosten privater Versicherer zwischen 10 und 40 Prozent des Beitrags. Den günstigsten Anbieter finden sie dann unter großem Tamtam bei der Stiftung Warentest und ihrem Ableger Finanztest.

Leider vergessen die Warentester und Verteidiger des Wettbewerbs immer wieder, darauf hinzuweisen und aufzuführen, dass die gesetzliche Rentenversicherung als günstigster Anbieter von allen, die sicherste Rendite verspricht, weil sie weder in riskante Aktien und Fonds noch in bisher als sicher geltende Anlagen wie Staatsanleihen investiert, sondern einfach immer nur umlegt, was an Beiträgen hereinkommt, die wiederum durch das Wachstum des Volkseinkommens (BIP) und der Beschäftigungssituation insgesamt bestimmt werden.

Wächst die Volkswirtschaft, wachsen auch die Renten. Die Altersbezüge können aber nie über das Maß hinaussteigen, das private Finanzdienstleister vorgaukeln müssen, um die Rentenlücken wieder auffüllen zu können, die eine auf bewusste Zerstörung der Sozialsysteme ausgerichtete Politik mit mutwillig herbeigeführten Rentenkürzungen erst gerissen hat.

Banken können mit ihren Erträgen nun auch nicht einfach so über das Maß hinaussteigen, als es das Wachstum des Volkseinkommens zulässt. Wer das Gegenteil behauptet und in unverschämter Weise Traumrenditen von beispielsweise 25 Prozent für seine Eigentümer verspricht und tatsächlich auch erreicht, agiert kriminell. Nicht ohne Grund sitzt die Deutsche Bank in den USA, ihrem Hauptspielfeld, was Investmentbanking angeht, auf der Anklagebank. Warum nicht hier?

Genauso wenig wie man Banken braucht, die riskante Spekulationsgeschäfte betreiben und absichern, braucht man auch nicht deren Vertrauen, das die politischen Hampelmänner und Frauen, nachdem sie so viele Milliarden Euros zur Rettung der Finanzinstitute verschleudert haben, wieder zurückgewinnen wollen, damit sich Staaten wie Griechenland am Finanzmarkt, den es eben nicht braucht, wieder selbst refinanzieren können.

Gestern hatte ich mit Blick auf Schäubles Forderung nach freiwilliger Beteiligung der Gläubiger und deren Antwort, die Freiwilligkeit nur gegen Staatsgarantien eintauschen zu wollen, gefragt, ob die Aufführung zur Verdummung der Massen eigentlich noch lächerlicher werden könne. Und sie kann.

Angesichts des Misserfolgs von Sparpaket Nummer 1 und in gleichzeitiger Erwartung von Sparpaket Nummer 2, dessen Umsetzung nach dem gestrigen Vertrauensbeweis für Ministerpräsident Papandreou wahrscheinlicher geworden ist, schlagen nun dieselben EU-Finanzfachleute plus EU-Kommissionspräsident Barroso vor, der griechischen Wirtschaft mit einer Art Konjunkturprogramm unter die Arme zu greifen. Also absurder geht es ja nun wirklich nicht mehr. Erst macht man die Wirtschaft durch ein Sparprogramm kaputt, dann lässt man ein zweites vorbereiten und gleichzeitig verkündet man, die kaputte Wirtschaft mit EU-Geldern stützen zu wollen. An eine Milliarde hatte Barroso da übrigens gedacht.

Man muss sich das aber mal vorstellen. Die Rettung der Banken und eines kriminellen Systems, in dem einige wenige profitieren, das von falschen Preisen, Zinsen und noch falscheren Ratings bestimmt wird, in dem die Spekulation sämtliche Märkte erfasst zu haben scheint und gigantische Summen aus der realen Wirtschaft gepresst werden, sei es durch das Bezahlen von falschen Preisen oder durch das Begleichen der unvermeidlichen Verluste, diese Rettung der Interessen Weniger hat Vorrang vor einer Volkswirtschaft, in der Millionen von Menschen leben.

0

Sterbezwang für Griechenland

Geschrieben von: am 21. Jun 2011 um 21:42

Heute früh twitterte ich nach Aufnahme der ersten Nachrichten des Tages:

Erpressung: Milliardenhilfen für Griechenland gibt’s nur dann, wenn das Land Selbstmord begeht. Seltsame Hilfe. Sterbehilfe?

Quelle: Twitter

Nun muss ich mich korrigieren. Es ist ja keine Sterbehilfe, sondern ein Sterbezwang, dem das griechische Parlament ab Mitternacht zustimmen wird, sofern es Ministerpräsident Papandreou das Vertrauen ausspricht.

Quelle: Klaus Stuttmann

Mich wundert nur, dass niemand offen von Erpressung spricht. Die EU-Finanzminister haben das neuerliche Rettungspaket explizit an den Erfolg der Vertrauensfrage geknüpft und klargestellt, dass die Überweisung der dringend benötigten Finanzhilfen vom Ausgang der Abstimmung über den Kurs Papandreous direkt abhinge. Die Abgeordneten haben jetzt also die Wahl zwischen einem schnellen Tod, der ihre Souveränität ein Stück weit rettet und einem langsamen Ableben durch die Auslieferung des Landes an jene Gestalten, vor allem in Deutschland, die sich dadurch mehr Zeit erhoffen, in der sie von ihrem Versagen ablenken können.

Im Prinzip könnten die deutschen Polithasardeure ihre Milliarden auch direkt an Ackermann und Co überweisen, anstatt sie als Rettungshilfen getarnt zunächst nach Griechenland zu transferieren, damit dort im korrekten Buchverfahren die Forderungen der deutschen Gläubiger bedient werden können. Man kann das auch politische Geldwäsche nennen.

Okay, inzwischen wissen wir, dass ein Großteil der privaten Gläubiger, dank EZB-Aufkauf, ihre Anleihen losgeworden sind. Doch am Ende macht es keinen Unterschied, ob der Steuerzahler für die Abschreibungen der Bank oder deren Bad Bank eintritt. Beide sind aus Regierungssicht systemrelevant und letztere sogar mit ihren ausgelagerten Giftpapieren defacto im Staatsbesitz, durch Steinbrücks letztes großes Krisengesetz als noch größerer Möchtegernkrisenmanager aller Zeiten.

Sein Nachfolger Schäuble setzt nun auf Freiwilligkeit privater Gläubiger. Als wäre dieser Vorstoß nicht schon albern genug und Ausdruck offensichtlicher Rat- und Planlosigkeit, fordern nun auch noch ebendiese privaten Gläubiger Staatsgarantien für das Risiko ihrer Freiwilligkeit. Kann diese Aufführung zur Verdummung der Massen eigentlich noch lächerlicher werden?

In dieser Welt scheinen nur wenige den Durchblick und einen kühlen Kopf zu bewahren. Heiner Flassbeck ist einer von ihnen.

“Ein Land kann durchaus 150 Prozent Staatsverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt haben, das ja das laufende Einkommen ist. Aber die Griechen brauchen niedrige Zinsen, die unter der Wachstumsrate der nächsten Jahre liegen. Dafür brauchen sie aber Wachstum und keine Schrumpfung. Sie zum Senken der Löhne zu zwingen, führt in die Katastrophe, wirtschaftlich und politisch.”

Quelle: Salzburger Nachrichten

Statt die Anleihen privater Gläubiger einfach nur aufzukaufen und diese von ihrem Risiko zu befreien, hätte die EZB neue Anleihen der Griechen zu einem deutlich niedrigeren Zinssatz kaufen können (Eurobonds). Stattdessen lässt man den Gerüchten freien Lauf und akzeptiert völlig irrsinnige Preise für Zinsen auf neue Bonds, die kein Land je bezahlen könnte. Hauptsache das Dogma, der Markt hat recht, bleibt gewahrt. Ausgerechnet sein Vertrauen wollen die ansonsten so streng daherkommenden Haushälter zurückgewinnen und geben großzügig Milliarde um Milliarde, anstatt die Spekulationen auf den versagenden Finanzmärkten endlich aktiv zu unterbinden.

1

TV-Tipp: "Pelzig hält sich"

Geschrieben von: am 21. Jun 2011 um 11:18

„Neues aus der Anstalt“ ist in der Sommerpause, Erwin Pelzig hingegen nicht. Er lädt zu einer weiteren Kabarett-Talkrunde im ZDF ein. Heute Abend um 22:45 Uhr wird er mit folgenden Gästen sprechen. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, noch Handballbundestrainer Heiner Brand und BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken. Als Getränk wird wie immer Bowle gereicht. Am längsten Tag mit der kürzesten Nacht des Jahres gibt es diesmal die Karibische Nacht mit hoffentlich viel Blue Curaçao für den Herrn Dobrindt.

Quelle: ZDF

1
Seite 159 von 285 «...130140150157158159160161...»