Finanzkrise: Die Pflege eines Widerspruchs

Geschrieben von: am 07. Aug 2011 um 10:00

Aus allen Ecken hört man Kritik an den Ratingagenturen und dennoch schielen wiederum alle auf deren Notenvergabe. Die Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA durch Standard & Poor’s bestimmt die Schlagzeilen. Nun sind sämtliche Stellen, Investoren und Regierungen, alarmiert. Die Obama-Administration fordert eine nationale Kraftanstrengung. Die oppositionellen Republikaner, die den Kompromiss im Schuldenstreit mitgetragen haben, fordern den Rücktritt des Finanzministers Timothy Geithner. Die Chinesen wollen eine neue Leitwährung und Frau Merkel denkt im Urlaub wahrscheinlich noch einmal an ihre letzte Pressekonferenz vom 22. Juli zurück.

Das kann man in einem Satz zusammenfassen: Deutschland geht es so gut wie lange nicht.[…]

Ich habe seit dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise immer und immer wieder gesagt: Deutschland soll stärker aus dieser Krise herauskommen, als es in diese Krise hineingegangen ist. Ich glaube, wir können heute gemeinsam feststellen: Deutschland hat die Krise hinter sich gelassen und steht besser da als zuvor.

Quelle: Bundeskanzlerin

Deutschland sei jetzt also stärker da, wo es vor der Krise schon war. Und wo stand Deutschland vor der Krise? Richtig, vor der Krise. Inzwischen brennt es nicht nur in Griechenland, sondern in allen Euro-Staaten mit Mittelmeerstrand. Die Ratingagenturen dürfen bewerten wie sie wollen, und sie können sicher sein, dass sie immer noch Ernst genommen werden. Aufgrund deren Analystengeschwätz werden Sparprogramme und Rettungsfonds beschlossen und eine Zinspolitik betrieben, die die reale Wirtschaft schwer belasten.

Es wird nicht lange dauern, da wird der nächste Krisengipfel der Ahnungs- und Ratlosen mit Merkelscher Beteiligung abgehalten werden. Und es wird wieder nur um die Märkte und deren Vertrauen in die Politik gehen, anstatt um die Ursachen, wie Leistungsbilanzdefizite, Exportüberschüsse und die dauernde Sozialisierung der Verluste privater Banken und Anleger. Das alles geschieht nur, weil die Spekulation an den Aktienmärkten und das Auf und Ab der Kurse als volkswirtschaftlicher Vorgang missverstanden wird. Dabei hat die Kursrally an den Börsen überhaupt nichts damit zu tun. Sie ist bloß Ausdruck eines Herdenverhaltens, bei dem es nur darauf ankommt zum richtigen Zeitpunkt in eine sich aufpumpende Blase ein- und wieder auszusteigen, bevor sie platzt. Gerüchte bestimmen den Kursverlauf und nicht volkswirtschaftliche Daten.

Die Finanzmärkte sind hochgradig ineffizient, doch die Politik verschwendet volkswirtschaftliche Ressourcen, um ihnen zu gefallen. Herdenverhalten ist aber genau das Gegenteil von einem rationalen Marktverhalten, sagt Heiner Flassbeck. In Wirklichkeit haben wir es mit einem permanenten Marktversagen zu tun. Denn nur so lassen sich die Kursgewinne, die fälschlicherweise mit einem Zugewinn an materiellen Werten verwechselt werden, überhaupt erst erklären.

Die Finanzmärkte sorgen eben nicht für Stabilität, wie immer wieder behauptet wird, sondern für das Gegenteil. Die USA werden trotz der Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit ein sicherer Hafen für Anleger bleiben, weil sie immer noch die größte Volkswirtschaft der Welt sind und Anleger ihr Geld irgendwo platzieren müssen. Das bestätigen die Anleger selber. Nur die Politik begreift nicht, wer Herr über das Geld ist.

US-Anleihen_05.08.11
Quelle: US-Finanzministerium

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Eurokrise und deutsche Überheblichkeit

Geschrieben von: am 05. Aug 2011 um 6:31

Der Sondergipfel zur Eurokrise ist gerade einmal zwei Wochen her und schon droht weiteres Ungemach. Italien und Spanien stehen auf der Kippe. Die Zinsen auf Staatsanleihen der Länder steigen. Deutsche Leitartikler tun nun aber so, als hätte der Kommissionspräsident Barroso mit seiner Kritik am Europäischen Rettungsfonds die erneute Verschärfung der Finanzkrise erst heraufbeschworen. Die Süddeutsche Zeitung kommentiert heute Morgen:

„Was eigentlich denkt sich der Mann dabei? Glaubt er, dass in Berlin oder Paris die Rollläden runter gelassen wurden und der französische Präsident vom Strandhaus aus dem neuerlichen Schüttelfrost der Märkte – diesmal wegen Italien und Spanien – nur zuschaut? Barroso schreibt, die Märkte würfen ein Schlaglicht auf die undisziplinierte Kommunikation und die Unvollständigkeit des Rettungspakets. Das ist eine absurde Verdrehung der Tatsachen. Barroso selbst kommuniziert undiszipliniert und sät Zweifel an dem Paket, anstatt das durchaus ambitionierte Projekt zu verteidigen und zu erklären. Wenn Barroso allerdings einen Vorschlag hat, wie man einen gigantischen Rettungsschirm zur Sicherung Italiens konstruiert, dann möge er konkret werden.“

Quelle: News352

In dem Kommentar spiegelt sich mal wieder die deutsche Überheblichkeit wider, mit der man dem an sich absehbaren Krisenverlauf begegnet. Die Ansteckungsgefahr ist lange vor den Rettungspaketen diskutiert worden und nun wird sie eben Realität. Vor allem die deutsche Regierung hat immer wieder darauf gedrungen, die Hilfen für die Südländer als einmalig erscheinen zu lassen. Gleichzeitig wurden Sparbedingungen diktiert, deren Einhaltung man im gleichen Atemzug bezweifelte. Ständig sind es die Deutschen, die ausschließlich das Schuldenproblem zum Thema machen und die hohen Defizite in den Haushalten der Mitgliedsstaaten kritisieren, anstatt über die Leistungsbilanzdefizite zu sprechen, an denen Deutschland eine Mitverantwortung trägt.

Die Akteure auf den Finanzmärkten haben leichtes Spiel. Und zwar nicht, weil Barroso berechtigterweise seinen Unmut über die Gestaltung des Rettungsfonds zum Ausdruck gebracht hat (Fakt ist nun mal, dass das Geld nicht für Italien oder Spanien reicht), sondern weil die undisziplinierte Kommunikation gerade von denen betrieben wird, die sich als Musterschüler verstanden wissen wollen.

Den Finanzmärkten muss klar signalisiert werden, dass man allen Schwachländern helfen werde und zwar weil man in der Lage ist, viel mehr Geld aufzubringen, als jeder private Anleger.

Kein Spekulant der Welt hat so viel Geld, wie eine Nationalbank drucken kann. Es ist nur eine Frage des politischen Willens.

Quelle: NZZ Online

Was Heiner Flassbeck für die Schweiz beschreibt, gilt natürlich auch für die Eurozone. Steigende Anleihezinsen sind Ausdruck eines Marktversagens, bei dem Ursache und Wirkung vertauscht werden. Die Bundesregierung kritisiert die zaghafte Interventionspolitik der EZB und schlägt sich lieber auf die Seite der Märkte:

„Die EZB und die Regierungen im Euroraum stehen vor dem Scherbenhaufen ihrer eigenen Politik“, sagte der Finanzexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Frank Schäffler, Handelsblatt Online. Sie befänden sich in einer Interventionsspirale aus der sie nicht mehr herauskommen. „Unter diesen Voraussetzungen wird Europa in eine große Inflation getrieben, die nichts anderes ist als die Enteignung von Sparvermögen.“  

Quelle: Handelsblatt

Zwar stimmt der Vergleich mit dem Scherbenhaufen, nur liegt die Ursache nicht in zu viel Intervention, sondern in zu wenig. Die EZB läuft den Märkten bloß hinterher, geht mal einen Schritt vor und dann wieder zurück, anstatt klare Zeichen zu setzen. Die Eurozonenländer mit Mittelmeerstrand haben somit ein doppeltes Problem. Sie müssen einerseits permanent Leistungsbilanzdefizite hinnehmen, weil Deutschland an seiner Überschusspolitik unbedingt festhalten will und andererseits haben sie keinen Einfluss auf ihre Währung, sondern sind abhängig von einer Währungspolitik, die maßgeblich von Berlin und Brüssel aus bestimmt wird.

Unter diesen Bedingungen wird die Eurozone scheitern, egal wie viele Rettungsschirme beschlossen und Sondergipfel abgehalten werden.

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Streiks unerwünscht

Geschrieben von: am 04. Aug 2011 um 22:53

Och nö, müssen die Lotsen streiken. Ausgerechnet in der Ferienzeit. Die verdienen doch schon genug. Dafür habe ich kein Verständnis. Immer wird das auf dem Rücken der Fluggäste und der Bürger ausgetragen. Wieso können Streiks eigentlich nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden?

So oder so ähnlich klingt das Gejammer der deutschen Vielflieger und Pauschalurlauber, für die sich unter anderem Verkehrsminister Ramsauer einsetzt. Den Fluglotsen droht er sogar.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer hat die Fluglotsen vor neuerlichen Streikandrohungen gewarnt. Die Fluglotsen sollten sich sehr sehr genau überlegen, was sie da tun, sagte der Politiker bei einem Besuch in Dresden.

Quelle: Stern Online

Offiziell hält sich die Politik aus Tarifverhandlungen ja raus, aber bei den Spitzenverdienern im Tower ist die Stimmungslage ausnahmsweise günstig. Da riskiert der Ramsauer schon mal ne dicke Lippe. Wenn es aber um Entschädigungen geht, die die Airlines ihren Fluggästen laut Gesetz zahlen müssen, wenn deren gebuchte Flüge Verspätung haben oder gar ganz annulliert werden, schweigt der Minister beharrlich. Und die Öffentlicheit auch.

Quelle: Panorama

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Strahlung

Geschrieben von: am 04. Aug 2011 um 22:27

In Fukushima ist überraschend hohe Strahlung gemessen worden.

Strahlenwert in Fukushima sprengt Messgeräte-Skala

Quelle: Welt-Online

Na so was. Die Katastrophe geht wohl in die Verlängerung? Nein, vielleicht sollte den Springer-Leuten u.a. mal jemand sagen, dass das Spiel vor dem Ablauf der regulären Halbwertszeit von etwa 30 bis 24.000 Jahren nicht abgepfiffen wird.

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Stefan Mappus wird Führungskraft beim Pharmariesen Merck

Geschrieben von: am 04. Aug 2011 um 22:02

Den Traumjob als Ministerpräsident hat er abgeben müssen. Nun wechselt Stefan Mappus in die Pharmabranche. Dem Vernehmen nach soll er vom Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern Merck zur Spitzenkraft im Außendienst umgeschult werden. Ein halbes Jahr Einarbeitungszeit ist dafür vorgesehen. Früher hieß das ja mal Probezeit und die Einarbeitung war ein Teil davon. Doch bei Mappus ist man sich sicher, dass er in Südostasien oder Amerika eine gute Figur abgeben wird.

Immerhin hat Mappus einen ordentlichen Beruf erlernt. Er ist Industriekaufmann und hat einen Hochschulabschluss als Diplom-Ökonom vorzuweisen. In der Zeit von 1995 bis 1997 arbeitete er in Teilzeit bei Siemens und hatte mit dem Vertrieb von Telekommunikationsanlagen zu tun. Im anderen Teil der Zeit war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politische Wissenschaften an der Universität Hohenheim. Was er da genau gemacht hat, ist bei Wikipedia nicht dokumentiert. Vielleicht hat er ja den Telefondienst übernommen. 

Der Mann ist also bestens qualifiziert und vor allem international einsatzfähig. Das ist spätestens bei seinem Besuch in Saudi-Arabien deutlich geworden, als er dem dort herrschenden Königshaus freundlich Anerkennung zollte und seine Bewunderung darüber zum Ausdruck brachte, mit welcher Schnelligkeit Projekte auf der arabischen Halbinsel angegangen und realisiert würden.

„Ich bewundere, wie Sie es schaffen, mitten in der Wüste ein Land urbar zu machen und voranzubringen.“

Da haben die Saudis einen entscheidenden Vorteil. Zu Hause in Stuttgart musste Mappus die Urbanisierung mit Knüppel und Wasserwerfer durchsetzen. Die Saudis dürften künftig auf Leopard 2 Panzer aus deutscher Produktion zurückgreifen. 

Vielleicht hat Mappus Glück, und er wird nach Connecticut, USA, versetzt. Dort könnte er dann seinem Parteifreund Karl-Theodor zu Guttenberg in Fragen der Selbstmedikation beraten. Der wiederum kam für Merck als Führungskraft nicht in Frage. Der Konzern hatte seine Generika-Sparte bereits 2007 verkauft.

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blogintern: Weniger Aktivität

Geschrieben von: am 02. Aug 2011 um 16:49

Aktuell habe ich für den Blog etwas weniger Zeit, weil ich beruflich eine neue Aufgabe übernommen habe, der logischerweise meine ganze Aufmerksamkeit gilt. Wann immer es geht, werde ich dennoch versuchen, in gewohnter Weise Kommentare abzugeben, wo es mir nötig erscheint. Dennoch erlaubt mir mein neuer Arbeitsrythmus das ein oder andere zu verfolgen, was vorher nicht möglich war. Zum Beispiel die morgendlichen Interviews im Deutschlandfunk. Vom heutigen Gespräch mit Heiner Geißler wurde tatsächlich ein Transkript angefertigt und ins Netz gestellt. Das sollten sie sich unbedingt durchlesen. Sie können sich das Interview natürlich auch anhören.

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Mit dem Zweiten propagiert man immer noch besser

Geschrieben von: am 02. Aug 2011 um 16:29

Am Sonntag gab es wieder ein Sommerinterview mit Bettina Schausten im ZDF. Diesmal war Linken-Chefin Gesine Lötzsch zu Gast, obwohl am Pranger die treffendere Bezeichnung gewesen wäre. Zugegeben, Gesine Lötzsch ist kein Interviewprofi, ihre Sprache eher langweilig, dennoch hätte sie das Gespräch spätestens nach dem inzwischen unter Journalisten üblichen Eingangsmonolog über Mauerbau, DDR und Demokratie beenden sollen. Mal abgesehen davon, dass wirklich keiner mehr an den Empfängern zu Hause ein Interesse daran hat, auch noch die Schausten-Variante einer Rote Socken Kampagne zu sehen, stellt sich doch erneut die Frage, wie es um den Demokratiebegriff im ZDF bestellt ist.

Denn als Frau Lötzsch zum Ende der zwanzigminütigen Zumutung endlich zu den aktuellen Forderungen der Linken etwas sagen durfte und den gesetzlichen Mindestlohn sowie einen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan ansprach, quittierte das die Topjournalistin des ZDF mit der Bemerkung:

„Also da wollen sie Sammelbecken bleiben für alle Enttäuschten und Empörten.“

Wer einen Mindestlohn fordert oder gegen einen sinnlosen Krieg ist, gehört nach Bettina Schausten zu einer Gruppe von Enttäuschten und Empörten, die sich wie ein dreckiger Absatz irgendwo ansammeln, anstatt weiter jene etablierten Parteien zu wählen, die zwar nicht das umsetzen, was man sich wünscht, aber dafür in der Demokratie angekommen sind. Dabei ist es doch so, dass sich so viele Enttäuschte und Empörte gar nicht bei den Linken versammeln, sondern einfach zu Hause bleiben, wenn sie zu den Urnen gerufen werden. Und das wiederum kann den etablierten Einheitsparteien und damit auch Frau Schausten nur Recht sein.

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blogintern: Statistik 07/11

Geschrieben von: am 01. Aug 2011 um 6:44

Das Drama ist abgewendet. So schallt es heute morgen aus dem Radio. Die Amerikaner haben sich im Schuldenstreit geeinigt. Wer hätte das gedacht. Ein wenig Enttäuschung scheint sich dennoch breit zu machen. Zu gerne hätte man es gesehen, wenn die USA erstmals in der Geschichte einen Zahlungsausfall hätten erklären müssen. Mit der Untergangsstimmung lässt sich doch am besten Quote machen. Trotzig scheinen dann auch einige Reaktionen zu sein. Eben meinte der Finanzwissenschaftler Max Otte im Interview mit dem Deutschlandfunk, dass die Zinsen auf US-Staatsanleihen nun dennoch steigen würden, weil das massive Haushaltsdefizit von 100 Prozent des BIPs durch die jüngste Einigung keinesfalls verringert werden könne. Seine Begründung. Dreißig Jahre niedrige oder stagnierende Zinsen seien genug. Jetzt werde eine Trendwende kommen.

Hm, mit dem Haushaltsdefizit hat Herr Otte ja durchaus Recht. Die sich abzeichnenden Sparmaßnahmen helfen weder der amerikanischen Wirtschaft, noch werden sie einen Beitrag zum Abbau des Defizits leisten. Aber warum sollte das Auswirkungen auf die Anleihezinsen haben? Nur weil es ein hohes Haushaltsdefizit gibt? Japan ist seit geraumer Zeit mit fast 200 Prozent vom BIP verschuldet und bekommt trotzdem Topratings und beste Kreditbedingungen. Es gibt also überhaupt keinen Grund, warum die immer noch stärkste Volkswirtschaft der Welt künftig steigende Anleihezinsen akzeptieren müsse. Herr Otte scheint auch zu vergessen, dass die Amerikaner ihr Geld selber herstellen.

Panikmache scheint auch nach dem Kompromiss von Washington oberstes Ziel einiger Zeitgenossen zu sein, deren Interessen wahrscheinlich ganz woanders liegen. Herr Otte empfiehlt ja gelegentlich den Kauf von Edelmetallen wie Gold, um sich gegen Risiken abzusichern.     

Aber zurück zum Drama. Dank einiger Verlinkungen zu Beginn des Monats auf den NachDenkSeiten sowie bei Net News Express u. Global sind die Besucher- und Zugriffszahlen dieses Blogs wieder gestiegen. Also kein Drama. Wie immer an dieser Stelle danke ich allen Lesern, Kommentatoren und Hinweisgebern. Wenn ihnen der Blog gefällt, sagen sie es ruhig weiter. :)

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Was kommt eigentlich hinter Ramsch-Status?

Geschrieben von: am 31. Jul 2011 um 11:06

Ratingagenturen zeichnen sich bekanntermaßen durch ihr kreatives Benotungssystem aus. Allerdings wissen wir spätestens seit dem letzten Jahr, dass griechische Anleihen auf den sog. Ramsch-Status gesenkt wurden. In Ratingsprache übersetzt hieß das Ba1 oder BB+. Nun ist das aber längst noch nicht das Ende der Fahnenstange. Letzte Woche wurde die Note auf CC bzw. CCC gesenkt. Und wieder ist in deutschen Medien vom Ramsch-Status die Rede.

S&P stuft Griechenland noch tiefer in Ramsch-Status

Was heißt denn tiefer Ramsch-Status? Christian Ehring aus der ZDF heute-show gibt Antwort:

Ramschstatus

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Statistische Holpereien (Teil 2)

Geschrieben von: am 31. Jul 2011 um 10:00

Teil 1 hier

Der private Konsum ist und bleibt das Sorgenkind der deutschen Wirtschaft. Der Handelsverband Deutschland interpretiert die jüngsten Daten so:

Mit Blick auf das Gesamtjahr sagte Genth, dass es angesichts der Entwicklung des privaten Konsums und der weitgehend intakten Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern bescheidene Spielräume für den Einzelhandel geben könne. Allerdings gebe es wegen der Euro-Krise, steigender Energiepreise und Krankenkassenbeiträge auch Risiken für Verbraucherstimmung und Konsum. Daher halte der HDE an seiner Umsatzprognose von nominal plus 1,5 Prozent für das Gesamtjahr fest. Bei der momentanen Preissteigerung würde dies real ein leichtes Minus bedeuten. „Für das Herbst- und Weihnachtsgeschäft werden die Verbraucherstimmung aber auch die Entwicklung der Energiepreise entscheidend für den Konsum sein, der im bisherigen Jahresverlauf von der starken Entwicklung am Arbeitsmarkt profitiert hat“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Quelle: HDE

Bescheidene Spielräume für den Einzelhandel ergeben sich also aus der Tatsache eines zu erwartenden realen Umsatzrückgangs in diesem Jahr. Diese Logik ist beeindruckend, aber durchaus stringent. Denn das statistische Bundesamt hat letzte Woche nicht nur die Zahlen zu den Umsätzen im Einzelhandel veröffentlicht, sondern auch zu der Entwicklung der Tarifeinkommen folgende “neutrale” Stellungnahme abgegeben:

Die tariflichen Monatsverdienste der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland sind von April 2010 bis April 2011 insgesamt um 1,5 % gestiegen. Damit zeichnet sich nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) eine Trendwende bei den Tarifverdiensten ab. Seit Oktober 2009 (+ 3,0 %) war die Steigerungsrate beständig zurückgegangen und hatte im Januar 2011 nur noch + 0,9 % betragen.   

Quelle: destatis

Das statistische Bundesamt spricht von einer Trendwende und ignoriert die Verbraucherpreisentwicklung. Die nominale Steigerungsrate bei den Tarifeinkommen von 1,5 Prozent wird als solche nicht gekennzeichnet. Der Hinweis auf die reale Veränderung der Tarifeinkommen, d.h. in der Fachsprache “preisbereinigt”, wird gar nicht erst angeführt. Aber das können sie sich selbst ausrechnen.

Verbraucherpreisindex bis Juni 2011

Quelle: destatis

Im Schnitt gab es im Jahr 2011 einen Anstieg der Verbraucherpreise von über zwei Prozent. D.h., dass Arbeitnehmer mit Tarifeinkommen erneut reale Einkommensverluste hinnehmen mussten. Dazu kommt, dass die Tarifbindung in Deutschland weiter rückläufig ist.

Das deutsche System der Flächentarifverträge erlebt seit Mitte der 1990er Jahre einen sichtlichen Erosionsprozess, der in einem anhaltenden Rückgang der Tarifbindung zum Ausdruck kommt. In Zahlen: Im Jahr 2010 wurden in ganz Deutschland gerade noch 33 Prozent der Betriebe und 60 Prozent der Beschäftigten durch einen Tarifvertrag erfasst. Im Kernbereich der Flächentarifverträge ist die Tarifbindung noch ein paar Prozentpunkte niedriger: Die bundesweiten oder regionalen Branchentarifverträge gelten noch für die Hälfte der Beschäftigten (52 Prozent) und für weniger als ein Drittel der Betriebe (30 Prozent).

Quelle: Magazin Mitbestimmung (Hans-Böckler-Stiftung)

Die Zunahme bei den Tariflöhnen ist daher im wesentlichen von der Entwicklung der übrigen Bruttoeinkommen abgeschnitten. Die Ausbreitung von atypischer Beschäftigung wie Leiharbeit oder Minijobs sowie der politisch betriebene Ausbau des Niedriglohnsektors haben in Wirklichkeit zu einem dramatischen Verfall der Arbeitnehmereinkommen geführt. Zuletzt wurde das durch eine Studie des DIW untermauert.

Die Löhne von Geringverdienern sind seit der Jahrtausendwende rapide gesunken. Beschäftigte in den unteren Einkommensgruppen hatten im vorigen Jahr 16 bis 22 Prozent weniger in der Tasche als im Jahr 2000. Auch Menschen mit mittlerem Gehalt mussten deutliche Einbußen hinnehmen. Bei Besserverdienenden sind die realen Nettoeinkommen dagegen minimal gestiegen. Das zeigen bisher unveröffentlichte Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Quelle: Berliner Zeitung

Es stellt sich also noch immer die Frage, woher die “binnenwirtschaftlichen Auftriebskräfte” kommen sollen, die der Bundeswirtschaftsminister Rösler als Stütze des deutschen Aufschwungs erkannt haben will.

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