Heiner Flassbeck: Direkte Staatshilfe macht’s billiger

Geschrieben von: am 08. Jan. 2012 um 22:50

Vor Weihnachten hat die EZB eine halbe Billion Euro lockergemacht und den Banken für drei Jahre zur Verfügung gestellt. Damals sprach niemand vom Anwerfen der Notenpresse. Das Geld war schließlich nicht für die verschuldeten Staaten der Eurozone bestimmt, sondern für die Banken, die es an die Wirtschaft weiterverleihen sollten. Das war eine trügerische und naive Hoffnung, stellt Heiner Flassbeck, Chefvolkswirt bei der Uno-Organisation für Welthandel und Entwicklung (Unctad) in einem Kommentar für die Financial Times Deutschland fest.

Flassbeck hat das Marktgeschehen seitdem beobachtet und kommt zu dem Schluss, dass die Mästung der privaten Geschäftsbanken mit billigem Zentralbankgeld letztlich genau zu dem geführt habe, was die Deutschen immer verhindern wollten. Zur direkten Staatsfinanzierung. Denn die Banken hätten das frische Zentralbank verschuldeten Staaten wie Italien zur Verfügung gestellt. Der Unterschied bestehe nur darin, dass die privaten Banken den Zinsgewinn für sich behalten dürfen.

Hätte die EZB nun aber direkt in die Staatsfinanzierung eingreifen dürfen, würden mögliche Zinsgewinne den Staatshaushalten zugute kommen. Doch eine direkte Finanzierung durch die Zentralbank verstoße gegen das Weltbild deutscher Monetaristen, die bei so einem Vorgehen reflexartig nach “Inflation” schreien würden.

Die EZB hat vor Weihnachten den Banken in einem Ausmaß und zu Konditionen Geld geliehen, die alles Bisherige in den Schatten stellen. Fast 500 Mrd. Euro verleiht sie für drei Jahre. Während sie sonst eher im Tages- oder Wochenrhythmus Geld gegen die Hereinnahme von Schuldpapieren vergibt, stellt sie das Geld den Banken für diesen langen Zeitraum zum jeweils geltenden Zentralbankzins zur Verfügung. Also derzeit zu einem Prozent. Das hat mit kurzfristiger Liquiditätsversorgung nichts mehr zu tun. Dagegen hat in Deutschland aber niemand etwas einzuwenden.”

1

Deutsches “Phantom Protokoll”

Geschrieben von: am 08. Jan. 2012 um 14:21

Gestern sah ich im Kino Tom Cruise dabei zu, wie er in geheimer und unmöglicher Mission die Welt zum vierten Mal vor einer Katastrophe rettete. Eine willkommene Ablenkung zum lauen Krimi um Christian Wulff. Man muss sich doch sehr wundern. Die Posse um den Bundespräsidenten entwickelt sich immer mehr zu einer Seifenoper, bei der allerhand Seemannsgarn gesponnen wird.

Inzwischen wird das Scheitern der Ampelkoalition im Saarland als Indiz dafür genommen, dass ein Rücktritt Wulffs unmittelbar bevorstünde. Insgeheim gehe es nämlich nur darum, Wulff den Abgang schmackhaft zu machen. Deshalb habe Merkel dem Koalitionspartner auch gezielt einen Schlag verpassen lassen, um sich dessen Zustimmung für eine Nachfolgeregelung zu sichern.

Den ganzen Tag lief am Samstag die Meldung rauf und runter, wonach Bundeskanzlerin Angela Merkel und der FDP-Parteichef Philipp Rösler in  engem telefonischen Kontakt stünden, um die Einzelheiten zu besprechen. Wahrscheinlich lief das Ortsgespräch über eine Vermittlungsstelle im Axel-Springer-Haus.

Seltsamerweise wurde auch über die paar Hundert Protestler vor dem Schloss Bellevue berichtet, die empört ihre Schuhe in den verregneten Berliner Himmel reckten. Ein Witz. Sonst müssen mindestens Tausende Demonstranten auf der Straße unterwegs sein, damit die Medien überhaupt Notiz davon nehmen. Im Fall Wulff ist das anders. Als ich jedoch die Stimmen der Protestler hörte, dachte ich mir nur, warum die nicht vor dem Bundeskanzleramt aufmarschieren. Schließlich hat Frau Merkel den Wulff erfunden und ist für viel schlimmere Dinge verantwortlich, die allesamt kaum noch diskutiert werden.

Ich bin da streng für das Verursacherprinzip.

Aber die Bundeskanzlerin bleibt von der Affäre unberührt. Sie profitiert sogar davon. Ihre Umfragewerte steigen. Wir beobachten dasselbe Phänomen wie beim Umgang mit der Finanzkrise. Merkels Zögern und mutwilliges Verschleppen von Entscheidungen, die die Rettung ganzer Staaten und Europas immer teurer machen, werden ihr nicht zur Last gelegt. Sie gilt nach wie vor als glaubwürdige Krisenmanagerin, die nur die Interessen des deutschen Volkes im Blick behalte und eisern verteidige. Nur wird die Verursacherin oder Bewahrerin der Krise nicht in den Medien thematisiert, die gerade durch die Causa Wulff an Glaubwürdigkeit hinzugewinnen.

Als der parlamentarische Geschäftsführer der Union-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, am Samstagmorgen im Deutschlandfunk die jüngsten Spekulationen um eine

Wulff-Nachfolge kommentierte, sagte er beiläufig folgenden verräterischen Satz:

“Ich meine, daraus wird klar, wir werden uns mit der Klärung von Sachfragen und mit der Frage, wie was sich im Einzelnen abgespielt hat, noch eine Reihe von Tagen oder möglicherweise Wochen zu beschäftigen haben, weil man solche Debatten, die öffentlich geführt werden, nicht durch ein Machtwort der Politik beenden kann.”

Jetzt spinne ich mal mein eigenes Seemannsgarn. Wenn uns der Fall Wulff noch Wochen beschäftigen würde, wäre das super für Bild, Merkel und die abgetauchte Finanzkrise, die ja nicht weniger als das Scheitern der neoliberalen Ideologie in sich trägt. Selbst ein Rücktritt Wulffs hätte zur Folge, dass die Vorbereitungen zur Einberufung der Bundesversammlung samt Kandidatenkür die Öffentlichkeit beschäftigen würde. Die Mehrheit für schwarz-gelb im höchsten Wahlgremium der Republik sei denkbar knapp, hört man bereits von Politikwissenschaftlern. Zudem wäre Horst Seehofer als kommissarisches Staatsoberhaupt mit der Organisation der Präsidentenwahl beauftragt. Was für ein Alptraum.

Die Parteiführung der CSU trommelt derweil für eine Rückkehr Karl-Theodor zu Guttenbergs. Die Partei könne nur mit „Mannschaftsgeist“ Erfolg haben, sagte Seehofer heute im Deutschlandfunk. „Er hat Fehler gemacht, aber er hat große politische Fähigkeiten. Und mit der erforderlichen Demut wünsche ich mir, dass er bei uns wieder eine aktive Rolle hat.“ Dieser Satz bildete den Schluss des Interviews, indem der bayerische Ministerpräsident umfänglich auch zu anderen Themen wie Eurokrise, Steuerpolitik und Betreuungsgeld Stellung nahm und natürlich auch zum Thema Wulff befragt wurde.

Obwohl er bei gefühlten 100 Wulff-Fragen immer wieder mit “Kein Kommentar” antwortete, schafft es die Aussage, wonach es keinen Plan B gebe (der Plan B stammt übrigens vom Moderator) in die Schlagzeilen.

Die kommenden Wochen werden aber mit Sicherheit vom möglichen Comeback des Geölten bestimmt, den übrigens Seehofer erfunden hat, wie er einmal mehr klarstellte. Dagegen dürften die abstrusen Standpunkte Seehofers in punkto Krisenbewältigung und Innenpolitik durch Wulff und KaTe überlagert werden. Einige fragen sich ja bereits, warum Kai Diekmann den Anruf Wulffs nicht persönlich entgegennehmen konnte. Es wird kolportiert, dass sich der Bild-Chefredakteur zu dieser Zeit in New York bei den Guttenbergs aufgehalten haben soll.

Das ist natürlich neues Futter für alle geistigen Seefahrer mit Hang zum Geschichten spinnen. Wohlmöglich haben Diekmann und zu Guttenberg das weitere Vorgehen abgesprochen und Seehofer trete nun als Erfüllungsgehilfe des Springerkonzerns auf.

Mir ist das entschieden zu hoch und viel zu viel Hollywood. Da gehe ich lieber ins Kino und lasse mich bewusst unterhalten. Von der Bild-Zeitung erwarte ich mehr oder weniger plump ausgeführte Kampagnen, die einzig und allein dem eigenen Geschäft dienen sollen. Denn die Auflage der Massenblätter geht weiter zurück. Da muss man keine Mutmaßungen über konspirative Treffen anstellen, um sagen zu können, dass hier ausschließlich wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen, fernab von Pressefreiheit und dem Anspruch, Aufklärung betreiben zu wollen.

Quelle: BILDblog

2

Jamaika ist geplatzt

Geschrieben von: am 06. Jan. 2012 um 12:40

Die drittgrößte Insel der Großen Antillen ist geplatzt. Das will die saarländische Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer heute Nachmittag bekanntgeben. Angeblich sei die FDP in der Landesregierung daran Schuld. Jamaika befindet sich bekanntlich 145 Kilometer südlich vom kommunistisch regierten Kuba und etwa 7940 Kilometer von Saarbrücken entfernt. Ob da ein Zusammenhang besteht, konnte die saarländische Staatskanzlei aber noch nicht bestätigen.

Aktuellen Satellitenbildern zufolge halten sich die Dreadlocks der FDP derzeit in Baden-Württemberg auf, um ihre jüngsten Umfrageergebnisse zu besprechen. Parteichef Rösler zog eine positive Bilanz. Man befände sich auf Wachstumskurs und lasse sich von Miesmachern das gute Regierungsfeeling nicht kaputtmachen. Über das Platzen von Jamaika schien Rösler augenscheinlich noch nicht informiert zu sein. Beobachter gehen aber davon aus, dass sich die FDP davon nicht beeindrucken lassen wird. Ein Teilnehmer aus der Führungsebene wurde mit dem Satz zitiert, dass Rösler die entstandene Leere einfach “wegmoderieren” werde.    

2

Merkel hat einen Grußonkel eingestellt

Geschrieben von: am 06. Jan. 2012 um 11:57

Bundeskanzlerin Angela Merkel habe Wulff für dessen Offenheit und Transparenz gelobt. So eine Einstellung habe es nicht häufig in der Geschichte der Bundesrepublik gegeben. Die Frage, ob Wulffs Anruf bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann veröffentlicht werden solle oder nicht, müsse zwischen den Beteiligten geklärt werden, ließ Regierungssprecher Seibert verbreiten. Auch der Widerspruch zwischen dem Bundespräsidenten und der BW Bank kommentierte Angela Merkel nicht. Gedanklich fügte sie aber an, dass sie schließlich auch keinen Finanzexperten, sondern einen Grußonkel eingestellt habe.

0

Mein Tweet der Woche: Empörung nicht falsch verstehen

Geschrieben von: am 06. Jan. 2012 um 0:29

Mein Tweet der Woche:

Als Hessel ‚Empört euch!‘ rief, meinte er nicht ‚über die Parkplatzsituation in Mitte‘. Oder ‚über Wulff‘. Oder sonst so einen Käse

Dazu würde ich ihnen Niggemeiers Blogeintrag, „Wie die Privatsender einmal fast ihrer Informationspflicht nachgekommen wären“ ans Herz legen. Das sollte zum Thema Wulff dann auch reichen.

Man könnte diese Wochen auch unter die Überschrift setzten: Die Staatsschuldenphobie hat Pause, weil der Präsident einen zinsgünstigen Kredit aufnahm. Andere können das gegenwärtig nicht. Zum Beispiel Italien, Spanien und Griechenland. Der Eurozone droht neues Ungemach und Deutschland quatscht über Diekmanns Mailbox, die Bildzeitung und Bettina Schausten, die für 150 Euro die Nacht zu haben ist.

Die Leute empören sich entweder darüber, dass eine Medienhatz auf Wulff stattfindet oder darüber, dass wir uns noch ein Bundespräsidentenamt leisten. Das sind vielleicht Probleme.

Derweil finanziert die EZB das Kasino-Geschäft der Banken mit Milliardenbeträgen anstatt die Staaten direkt zu unterstützen, damit die Wirtschaft wieder in Gang kommt und die Menschen eine Perspektive haben. Heiner Flassbeck, wird der hierzulande überhaupt noch zur Kenntnis genommen, plädiert einmal mehr für europäische Solidarität und dafür, endlich wieder Kopf und Verstand einzuschalten.

“Aber es gibt auch keinen Grund dafür, das Überleben von Kasinos zu finanzieren. Also müssen die Banken in einen Kommerzbankenbereich und Investmentbanken getrennt werden. Eine Bank kann bei der Europäischen Zentralbank um einen Prozentpunkt Geld aufnehmen und damit dann auf den Märkten spekulieren. Geld von den Zentralbanken zu bekommen ist doch ein unglaubliches Privileg. Wodurch ist das gerechtfertigt? Dieses Zentralbankengeld könnte man viel vernünftiger einsetzen.”

Quelle: Die Presse

Wo ist die Empörung geblieben? Merkels Umfragewerte steigen und steigen. Da haben Bild und Wulff ihre Aufgabe wohl erfüllt. Das Volk ist abgelenkt und wird beschäftigt.

0

Privater Konsum dümpelt weiter vor sich hin

Geschrieben von: am 05. Jan. 2012 um 23:39

Am Donnerstagmorgen ballerte das statistische Bundesamt die nächste Jubelmeldung heraus. Nachdem schon ein Beschäftigungsboom zu Beginn des Jahres vermeldet worden war, schätzen die Wiesbadener Zahlensammler nun, dass die Einzelhandelsumsätze im abgelaufenen Kalenderjahr so stark gestiegen sein sollen wie seit 17 Jahren nicht mehr. Dabei sind erst 11 Monate halbwegs erfasst. Zwischen mickrigen 1,1 und 1,3 Prozent soll sich der Zuwachs bewegen. Doch zunächst müssen die Statistiker für den November kleinlaut einen Rückgang im Vergleich zum Vormonat (-0,9 Prozent) einräumen.

Damit sanken die Umsätze im Einzelhandel mal wieder zwei Monate nacheinander. So recht ins Jubelbild passen diese Zahlen dann aber nicht.     

Einzelhandel bis November 2011

Dennoch wird die Schlagzeile von der Überschrift bestimmt. In zahlreichen Medien konnte man erneut von einem Konsumwunder lesen. Zumindest in Überschriften und Einleitungen. Weiter unten gingen vielen  aufgeblasenen Artikeln dann allerdings die Puste aus wie hier im Handelsblatt:

Stärkstes Umsatzplus seit 17 Jahren

Es war ein gutes Jahr für die deutschen Einzelhändler. Der Umsatz stieg um 2,7 bis 2,9, schätzt das Statistische Bundesamt. So gut war das Ergebnis seit 1994 nicht mehr.

Zu Beginn des wichtigen Weihnachtsgeschäftes ging dem Einzelhandel aber etwas die Puste aus. Im November sank der Umsatz um 0,7 Prozent zum Vormonat und damit bereits zum zweiten Mal in Folge. Real gab es ein Minus von 0,9 Prozent. Von Reuters befragte Analysten hatten mit stabilen Einnahmen gerechnet.

Oder hier bei Spiegel Online:

Deutsche in Kauflaune

Rekordwachstum für Einzelhändler

Die gute Konsumstimmung der Deutschen hat dem Einzelhandel 2011 ein ungewöhnlich erfolgreiches Jahr beschert. Nach einer ersten Schätzung stiegen die Umsätze so stark wie seit mindestens 17 Jahren nicht mehr. Doch es gibt erste Anzeichen, dass der Trend sich abschwächt.

Mittlerweile gibt es allerdings erste Anzeichen, dass der Trend sich abschwächt. So ist der Einzelhandelsumsatz im November den zweiten Monat in Folge gesunken.

Es ist erstaunlich, wie stark eine vermeintlich günstige Schätzung (+1,3 Prozent ist wirklich nicht viel im Vergleich zum Vorkrisenniveau) in der Presse aufgebauscht wird und die bereits bekannten nicht so günstigen Fakten nur am Rande Erwähnung finden. Liest man die Artikel genau, so stellt man fest, dass sich alle Hoffnung doch bloß wieder auf den Konsumklimaindex der GfK konzentriert. Die so und auf dubiosen Wegen ermittelte Kauflaune der Deutschen wird als der Gradmesser für den privaten Konsum herangezogen und total überbewertet. Die real gemessenen Werte treten hierbei in den Hintergrund und müssen völlig fiktiven Annahmen weichen.

Im Augenblick wird ja auf breiter Front für die Pressefreiheit gekämpft. Wenn diese Freiheit aber bloß darin besteht, ständig den immer gleichen Blödsinn aufzuwärmen und zu verkünden, der sachlich einfach falsch ist, läuft etwas verkehrt. Pressefreiheit bedeutet nämlich nicht, sich pausenlos an irreführender Regierungspropaganda zu beteiligen.

3

Piraten entpuppen sich als… ist doch egal

Geschrieben von: am 04. Jan. 2012 um 20:12

Zu den Piraten vor der Küste Somalias ist mir während meiner Blogtätigkeit mehr eingefallen als zu den Piraten, die sich hier in Deutschland zur Wahl gestellt haben und noch stellen wollen. Die Aussagen des Parteivorsitzenden Sebastian Nerz, die er zu Beginn der Woche in einem Interview mit einem Journalisten aus dem Berliner PR-Büro Slangen + Herholz äußerte, zeigen mir jedoch, dass es richtig war, sich für diese Partei nicht zu interessieren.

Viele dachten ja, mit den Piraten würde sich nicht nur eine Alternative zum Establishment formieren, sondern auch eine Gruppierung an den Start gehen, der nicht der Makel anhaftet, irgendwann einmal aus der SED hervorgegangen zu sein.

Sebastian Nerz:

“In der Bürgerrechtspolitik gibt es große Nähe zu den Grünen und zur FDP. In der Sozialpolitik können wir uns mit vielem anfreunden, wofür die SPD steht. Im Großen und Ganzen können wir gut mit den kleinen Parteien, wenn man einmal von der Linkspartei absieht.

Meine Traumkonstellation wäre immer eine Koalition mit Grünen und FDP.”

Das ist ein Witz. Inzwischen hat Nerz auf die Kritik reagiert und… ist doch egal. Die braucht kein Mensch.

4

Reaktion auf Neuordnung bei der EZB

Geschrieben von: am 04. Jan. 2012 um 11:16

Spiegel Online reagierte gestern auf die Neuordnung im EZB-Direktorium wie folgt:

Jörg Asmussen sollte im EZB-Direktorium die Tugenden der Bundesbank hochhalten, jetzt wird er Sonderbeauftragte für Krisendiplomatie. Damit kann der ehemalige Staatssekretär das tun, was er am besten kann: Netzwerken – und so die Interessen der deutschen Steuerzahler im Auge behalten.

Quelle: SpOn

Selten so gelacht. Die Interessen der deutschen Steuerzahler hat Asmussen nie im Auge gehabt, als er die Deregulierung der Finanzmärkte betrieb und den Ausbau des Finanzplatzes Deutschland forcierte. Die Interessen der Steuerzahler hatte Asmussen auch nie im Auge, als er die windigen Geschäfte der IKB, in dessen Aufsichtsrat er saß, übersah und anschließend rund 11 Mrd. Euro zu deren Rettung überwies. Auch war Asmussen früher als behauptet über die Schieflage der HRE informiert (Rettung mit über 100 Mrd. Euro und Verstaatlichung), unternahm aber nichts, weshalb im Jahr 2009 Rücktrittsforderungen laut wurden. Das Netzwerken schien somit nicht im Sinne der Steuerzahler zu verlaufen, sondern einzig und allein im Interesse der Banken.

0

Die Präsidenten-Story

Geschrieben von: am 03. Jan. 2012 um 12:23

“Nach Wulff, der außer bunten Bildern mit seiner Frau keinen originären Beitrag geleistet hat, kann man das Amt des Bundespräsidenten eigentlich nur noch abschaffen und es dem jeweiligen Bundesratspräsidenten übertragen.”

Quelle: NachDenkSeiten

Oder gleich der Kanzlerin. In diesen Tagen wird wieder so viel über beschädigte Ämter schwadroniert, dass einem schlecht werden könnte. Zu gerne hätte man mal ein solches gesehen. Erkennbar sind aber immer nur beschädigte Amtsinhaber, die zufällig oder aus strategischen Gründen das Amt als solches besetzt halten.

Natürlich ist Wulff eine totale Fehlbesetzung. Welcher Bundespräsident war das nicht? Und natürlich taugen die aktuellen Geschehnisse dazu, das Verfassungsorgan Bundespräsident zu desavouieren. Zumindest wenn man davon ausgeht, dass die Grußonkelfunktion oder der Vorbildcharakter des ersten Deutschen im Staate etwas zu bedeuten hätte. Gesetze prüfen und unterschreiben sowie die Bundeskanzlerin und ihre Minister zu ernennen bzw. auf Zuruf wieder zu entlassen, ist eine formelle Aufgabe, die man auch einem Hund(t) übertragen könnte.

Ich kann die Aufregung ums Amt nicht verstehen. Volker Pispers hat einmal gesagt: “Hätte man in Deutschland soviel Angst um das Wohlergehen der Menschen, wie um die Unversehrtheit des Amtes, müsste man sich weniger sorgen.” Und er hat Recht. Hinter der Wulff-Story steckt doch etwas ganz anderes als die Debatte um ein sauberes Amtsverständnis.

Gerade die Medien spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Sie sollte man aus ihrer beobachtenden und bewertenden Funktion herausholen und gleichsam zum Gegenstand kritischer Betrachtung machen. Wolfgang Lieb tut das oben eher beiläufig mit dem Absatz:

“Solche Interventionen sind durchaus nicht ungewöhnlich. Üblicherweise schicken die Politiker ihre Pressesprecher/innen vor, um unliebsame Berichterstattung aus der Welt zu schaffen. Aber nicht selten schalten sie sich auch selber ein. Insofern ist die moralische Empörung der Journalisten ziemlich gespielt

Dennoch arbeitet sich auch Lieb am Verhalten der Person Wulff ab, obwohl es doch sehr viel interessanter ist, wer durch diese Affäre profitiert. Ausgerechnet Michael Spreng gibt die treffende Antwort:

“Wulff hatte seinen moralischen Kredit schon vor dem finalen Schuss verbraucht. Es wird Zeit für ihn zu gehen. Und im Abgang schafft er es noch, BILD und den BILD-Chefredakteur zu Helden der Pressefreiheit zu machen. Sauber hingekriegt, Herr Präsident.”

Quelle: Sprengsatz

Und genau darum geht’s. Dem Hetzblatt wird durch zahlreiche andere Medien und Multiplikatoren ein sauberes Image verpasst, weil keiner danach fragt, wie es um das Verhältnis zwischen Politikern und den Medien im Allgemeinen und der Bildzeitung im Besonderen bestellt ist. Es gehört nämlich auch nicht zur Pressefreiheit, aus Profitinteressen heraus in einen Gefälligkeits- und Propagandajournalismus zu verfallen. Im nächsten Krisenjahr 2012 wird die so neugewonnene Glaubwürdigkeit der Bildzeitung noch von Nutzen sein. Doch zunächst erfüllt die Affäre-Wulff ihren Zweck als willkommenes Ablenkungsmanöver. 

PS: Das Verhältnis Wulffs zur Boulevardzeitung wird unter anderem bei der Financial Times Deutschland etwas genauer und kritischer beleuchtet.  

2

Jörg Asmussen nimmt Arbeit bei der EZB auf

Geschrieben von: am 02. Jan. 2012 um 23:06

Derzeit bewegt die Mailbox von Kai Diekmann die Nation, nicht aber das bedenkliche Personalkarussell innerhalb der Europäischen Zentralbank (EZB). So nahmen am Montag Jörg Asmussen (SPD), ehemaliger Finanzstaatssekretär unter Eichel, Steinbrück (beide SPD) und Wolfgang Schäuble (CDU), sowie der Franzose Benoît Cœré ihre Arbeit bei der EZB auf. Warum? Es wird ein Nachfolger für den zurückgetretenen Chefvolkswirt Jürgen Stark gesucht, der wegen mangelnder Rückendeckung im EZB-Rat das Weite suchte. Als monetaristischer Überzeugungstäter beschrieb ihn die spanische Zeitung El Pais einmal als finanzpolitischen “Taliban”.

Lange Zeit rechnete die Bundesregierung nun damit, den Posten mit einem der finanzpolitischen Brandstifter und Top-Versager unter den deutschen Regierungsbeamten, Jörg Asmussen, besetzen zu können. Doch inzwischen ist das nicht mehr so klar. Auch die Franzosen wissen um die Schlüsselpositionen im EZB-Direktorium. Es dürfte klar sein, dass im Jahr 2012 der europäischen Zentralbank eine ganz bedeutende Rolle zufallen wird. Dort wird sich entscheiden, welchen Kurs Europa nehmen wird.

Will Merkel ihre selbstzerstörerische Strategie vom Sparen, Konsolidieren und Bestrafen durchsetzen, braucht sie die Institution EZB als das, was sie schon immer sein sollte, eine ausschließliche Verteidigerin der Preisstabilität. Das würde aber bedeuten, dass Frankreich über kurz oder lang selbst ins Visier der deutschen Spar- und Bestrafungswut fallen würde. Ein Blick auf das Leistungsbilanzdefizit reicht da aus. Dass die Ratingagenturen mit einer Herabstufung Frankreichs drohen, ist ebenfalls kein Geheimnis mehr.

Bisher hatten immer verbohrte Deutsche den Posten des EZB-Chefvolkswirtes inne. Durch den Verlauf der Krise haben nun aber auch die Franzosen ein berechtigtes Interesse. Denn letztlich muss die Rolle der EZB neu definiert werden. Soll sie als “lender of last resort” die Bazooka auspacken dürfen – die Deutschen wollen das auf keinen Fall, obwohl sie die Anleihekäufe auf dem Sekundärmarkt dennoch zulassen – oder soll sie ganz im Sinne von Schäuble, Merkel und Co. eine deutsche Finanzdiktatur in Europa flankieren, bei der Frankreich schlicht und ergreifend das Nachsehen haben würde.

0
Seite 144 von 286 «...120130140142143144145146...»