Perfektes Timing: Wulff rettet Plan zur Bankenrettung

Geschrieben von: am 17. Feb. 2012 um 8:32

Bundespräsident Wulff hat eine Erklärung für 11 Uhr angekündigt. Vielleicht gibt er seinen Rücktritt nach der Aufhebung seiner Immunität bekannt. Das würde dann zeitlich perfekt zur anstehenden Verabschiedung des nächsten Bankenrettungspakets am 27.02.2012 passen, das ja fälschlicherweise als Hilfsmaßnahme für Griechenland bezeichnet wird. Die Bundeskanzlerin meldet sich übrigens eine halbe Stunde später zu Wort. Ihre Italienreise wurde abgesagt. 

Damit dürfte das Hilfspaket im Volumen von 130 Milliarden Euro hinter einen möglichen Wulff-Rücktritt verschwinden und die Frage in den Vordergrund treten, wer ihm im Amt des Bundespräsidenten folgen könnte.  Über eine Aufhebung von Wulffs Immunität würde der Bundestag auf einer regulären Sitzung ebenfalls erst übernächste Woche abstimmen.

Das ist perfektes Timing. Denn in Sachen Euro-Rettung sieht es ganz danach aus, als ob Griechenland die deutschen Bedingungen nicht erfüllen kann. Der verschärfte Ton von Finanzminister Schäuble, der kürzlich noch beteuerte, die Griechen gar nicht quälen zu wollen, zeigt, dass es im Augenblick nur noch darum geht, an der Heimatfront Stimmung zu machen.

EDIT: Die griechische Staatsverschuldung steigt und zwar nicht trotz, sondern wegen der geforderten Sparmaßnahmen!  

“Per 31.12.2011 stieg der Schuldenstand der Zentralregierung in Athen auf 367,978 Mrd. Euro, wie das griechische Finanzministerium gestern mitteilte. Diese Daten verdeutlichen erneut, dass hoffnungslose Unterfangen bei einem schrumpfenden BIP, sinkenden Investitionen, sinkender Wertschöpfung, sinkenden Einkommen und Konsum die Staatsschulden abzutragen. Die Situation in Griechenland verschärft sich im Gegenteil immer weiter, so das das Ponzi-Scheme welches hinter der Finanzierung Griechenlands stand und die hoffnungslos unterentwickelte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes nicht mehr zu überdecken sind.”

Quelle: Querschuesse

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Röslers kurzes Statement zum Rückgang des BIP

Geschrieben von: am 15. Feb. 2012 um 13:55

Die deutsche Wirtschaft schrumpft und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler reagiert gelassen. Das Ergebnis des 4. Quartals entspreche den Erwartungen (Stichwort Wachstumsdelle), verkündet er kurz und knapp auf der Internetseite seines Ministeriums (BMWi).

“Die Entwicklung der Wirtschaftsleistung im 4. Quartal 2011 entspricht unseren Erwartungen. Bei der Vorstellung der Jahresprojektion habe ich betont, dass nach dem hervorragenden Wachstum der vergangenen zwei Jahre zunehmende Risiken aus dem weltwirtschaftlichen und insbesondere dem europäischen Umfeld die deutsche Wirtschaft vorübergehend beeinträchtigen können. (Stichwort: Wachstumsdelle, Anm. at) Im Jahresverlauf findet die deutsche Wirtschaft wieder zu einem höheren Wachstum zurück. Darauf deutet auch die Stabilisierung aktueller Konjunkturindikatoren hin. Daher muss die Wirtschaftspolitik das Wachstumspotential stärken und verstetigen.”

Dieses Statement ist durchweg enttäuschend. Rainer Brüderle hätte wenigstens einen blumigen Horizont gezeichnet und die Beeinträchtigung auf der Überholspur zur Vollbeschäftigung durch den unerwarteten Wintereinbruch erklärt. So aber hinterlässt Rösler nur noch offene Fragen. Denn wenn zunehmende Risiken insbesondere aus dem Euroraum die Performance der deutschen Wirtschaft lediglich vorübergehend beeinträchtigen sollen, was heißt das für die Zukunft?

Deutschland ist darauf angewiesen, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit seiner europäischen Nachbarn einen positiven Verlauf nimmt. Wie aber soll das angesichts des Fiskalpaktes und in Kenntnis der dramatischen Lage in Griechenland und den Ländern, die einen Mittelmeerstrand haben, mittelfristig funktionieren? Woher werden die ihr Wachstum nehmen, von dem Deutschland als Exportnation offenbar erneut profitieren will, wenn es ihnen aber verboten ist, die deutschen Exportüberschüsse weiter wie bisher mit Schulden und eigenen Leistungsbilanzdefiziten zu finanzieren?

Rösler kann darauf keine Antwort geben, weil er das Spardiktat, eine europäische Schuldenbremse, die Insolvenz von Staaten sowie deren Austritt aus der Eurozone für im Zweifel richtig hält. All diese Maßnahmen stehen nun aber im krassen Widerspruch zu den Interessen einer nach wie vor angestrebten Exportwirtschaft, die immer davon abhängig ist, dass andere sie mit Krediten finanzieren. Ein Austritt der Schuldnerländer aus der Währungsgemeinschaft würde gar über Nacht zum Verlust deutscher Exportmärkte führen, erklärt Heiner Flassbeck in der Sendung plusminus:

„Sie werden neue Währungen einführen und diese Währungen werden sie gegenüber dem Euro abwerten und die deutschen Exportmärkte sind über Nacht verloren. Dann muss man sich vorstellen, dass in Baden Württemberg über Nacht die Hälfte aller Arbeitsplätze praktisch gefährdet sind und gestrichen werden müssen. Das ist ein absolutes Katastrophenszenario, das niemand für vernünftig halten kann.“

Quelle: plusminus

Baden-Württemberg ist oder war übrigens mal eine Hochburg der FDP. Wachstumspotenziale stärken und verstetigen kann selbst aus der dogmatischen Haltung eines Exportfetischisten heraus nicht heißen, andere kaputtzusparen. Aus reinem Selbsterhaltungstrieb müsste Rösler im Namen der deutschen Wirtschaft ein Konjunkturprogramm für Südeuropa fordern, um die so wichtigen Exportmärkte für die Heimatfront zu retten. Aber selbst zu diesem konservativsten aller logischen Denkfortschritte sind die selbsternannten Wirtschaftsexperten aus der Koalition der stabilen Verhältnisse zu dumm.

Und so hält der Rösler lieber die Klappe und verweist stattdessen in seiner Not auf die bekannten Stimmungsbarometer der Gurus aus den Häusern ifo, GfK und ZEW, die mit ihren kruden Prognosen noch nie einen Treffer in der Realität landen konnten.  

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Forsa macht sich lächerlich

Geschrieben von: am 15. Feb. 2012 um 11:24

Jede Woche veröffentlicht das Forsa Institut im Auftrag von Stern/RTL (also Bertelsmann, Liz Mohn) Umfrageergebnisse. Jochen Hoff macht dabei auf eine bemerkenswert dumme, aber wahrscheinlich zur Irreführung bewusst getätigte Aussage aufmerksam.

Mit zusammen 40 Prozent liegt die schwarz-gelbe Koalition damit weiter knapp vor Rot-Grün (gemeinsam 39 Prozent).

Quelle: Stern

Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, würde das Ergebnis laut Forsa wie folgt aussehen:

  • CDU/CSU 38 %
  • SPD 26 %
  • Grüne 13 %
  • Linke 9 %
  • Piraten 7 %
  • FDP 2 %
  • Sonstige, ohne FDP 5 %

Wie kann nun aber Schwarz-Gelb mit 40 Prozent vorne liegen, wenn die FDP mit ihren 2 Prozent überhaupt nicht in den Bundestag einziehen dürfte? Nach derzeitigem demoskopischen Stand gibt es keine schwarz-gelbe Option mehr. Genauso gut hätte man auch sagen können, dass ein schwarz-braunes Bündnis aus Union und NPD, die sich offensichtlich unter “Sonstige” befinden, auch noch knapp vor oder zumindest gleichauf mit Rot-Grün liegen würde.

Diese Art der Wahlforschung ist und bleibt schlichtweg unseriös und peinlich.

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Deutsche Wirtschaft schrumpft in Q4/2011

Geschrieben von: am 15. Feb. 2012 um 10:29

Nun ist es amtlich. Im vierten Quartal 2011 schrumpfte auch die deutsche Wirtschaft um 0,2 Prozent. Das teilte das statistische Bundesamt am Mittwoch mit. Aufgrund der im gleichen Zeitraum festgestellten schwachen Umsätze im Einzelhandel sowie der sich mit brutaler Gewalt niederschlagenden europäischen Sparorgie, die im wesentlichen von Deutschland aus bestimmt wird, war ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukt bereits frühzeitig erkennbar.

“Diese Daten sind wie erwartet, der leicht nachlassende Export (Außenhandelsbeitrag) schlägt negativ durch, auf der Verwendungsseite des BIPs, ebenso wie der schwache private Konsum. Damit reflektiert sich in den deutschen Daten, dass schiefe einseitig exportorientiert aufgestellte Wirtschaftsmodell, welches sich bei weltweit nachlassender wirtschaftlicher Aktivität auf Grund der Exportlastigkeit als störanfällig erweist.”

Quelle: Querschuesse

Kein BIP-Orakel dafür Börsenindikator

In Anbetracht der schlechten Nachrichten von heute, wurde gestern noch schnell der ZEW-Index durch alle Medien gepaukt. Er misst angeblich auch die Stimmung in der deutschen Wirtschaft und habe seit dem Frühjahr 2011 den höchsten Stand erreicht, erklärte den ganzen Tag über das Börsenteam der ARD. Interessant ist nun, dass diese Variante akademischer Kaffeesatzleserei in einem Anflug von journalistischem Können vom an sich überflüssigen Börsenpersonal der ARD der BIP-Entwicklung grafisch gegenübergestellt wurde.   

ZEW-Index_BIP

Ohne Zweifel kann man sehen, dass dieser Index keinerlei Aussagekraft besitzt, was die tatsächliche volkswirtschaftliche Entwicklung anbetrifft. Das erkennen auch die Journalisten auf dem Frankfurter Parkett. Bravo. Allerdings stellt diese Berufsgruppe ihre branchenspezifische Blödheit erneut mit der Feststellung unter Beweis, dass dieser Index die Entwicklung des Dax immer ziemlich genau vorwegnehme und daher die Schlussfolgerung berechtigt sei, dass es der deutschen Wirtschaft (abgeleitet von der Entwicklung des Börsenleitindexes) auch wieder besser gehen könnte.  

ZEW-Index_DAX

Man muss sich das wirklich mal klarmachen. Da stellen sich gut ausgebildete und mit GEZ-Geldern finanzierte Fachjournalisten hin und beschreiben eine simple Wechselwirkung zwischen der Verkündigung irgendeines Kaffeesatzes und dem Verhalten von Anlegern an der Börse als relevanten Indikator. Dass der Dax immer in die Richtung ausschlägt, in der sich diverse Stimmungsbarometer kurz zuvor bewegen, weil das Geschehen an den Handelsplätzen ganz konkret vom Herdenverhalten bestimmt wird und nicht von der Fähigkeit des Einzelnen Anlegers, wirtschaftliche Zusammenhänge zu analysieren und zu bewerten, dürfte doch nach den Erfahrungen der Finanzkrise nun endlich verstanden worden sein.

Finanzmärkte sind ineffizient und folgen bloß Gerüchten

Gerüchte bestimmen den Kursverlauf und nicht volkswirtschaftliche Daten. An der Börse kommt es nur darauf an, zum richtigen Zeitpunkt in eine sich aufpumpende Blase ein- und wieder auszusteigen, bevor sie platzt. Das nennt man Spekulation und hat ebenfalls keinen Bezug zur Realwirtschaft. Dennoch werden immens viele Ressourcen verschwendet, um das Treiben an den Finanzplätzen der Welt zu fördern. Auf einen Gewinn für die Realwirtschaft wartet man allerdings vergebens, weil Innovationen sich nicht auf die Verbesserung von Produktionsverfahren beziehen, die einen gesunden volkswirtschaftlichen Wettbewerb ermöglichen könnten, sondern darauf komplexe Finanzprodukte zu entwickeln, die für eine bestimmte Zeit keiner verstehen soll, aber über die Glaubhaftmachung, sie seien wertvoll, im Handel dennoch Provisionen abwerfen, solange man nicht der letzte Käufer ist.      

Doch gerade Analysten und die, die über den Blödsinn an der Börse berichten und so tun, als könnten sie etwas beitragen, um die Lebensrealität der Menschen zu erklären, flüchten von einer lächerlichen Begründung zur nächsten, um die Widersprüchlichkeit zwischen Kursverlauf und volkswirtschaftlicher Entwicklung zu vermitteln.      

Im Krisenjahr 2009 hat der weltweite Nachfragerückgang zum Beispiel nicht dazu geführt, dass die Anleger an den Börsen aus dem Risiko gegangen sind. Das genaue Gegenteil war der Fall. Im März 2009 stiegen plötzlich die Aktienkurse und vor allem der Preis für Öl und andere Rohstoffe wieder an, obwohl sich die Weltwirtschaft auf dem Weg in eine Rezession befand. Der Tiefpunkt der Krise war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erreicht und die Öllager nachweislich voll. Damals hieß es von den Analysten, dass die Märkte den Aufschwung vorwegnehmen würden, weil Frühindikatoren nach oben gezeigt hätten. Trotz Einbruch der Weltwirtschaft verdoppelte sich der Ölpreis damals in relativ kurzer Zeit. Hatte denn diese Entwicklung etwas mit Nachfrage oder einer Wachstumsdynamik zu tun?

Wohl kaum. Die Finanzmärkte sowie das Börsenteam der ARD sind hochgradig ineffizient. Das Herdenverhalten ist genau das Gegenteil von einem rationalen Marktverhalten, sagt der Ökonom Heiner Flassbeck. In Wirklichkeit haben wir es mit einem permanenten Marktversagen zu tun. Denn nur so lassen sich die Kursgewinne, die fälschlicherweise mit einem Zugewinn an materiellen Werten verwechselt werden, überhaupt erst erklären.

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Griechische Wirtschaft bricht dramatisch ein – Finanzministertreffen abgesagt

Geschrieben von: am 14. Feb. 2012 um 19:52

Gerade eben wurden noch härtere Sparmaßnahmen beschlossen, die angeblich zu einer geringeren Verschuldung und zu mehr Wettbewerbsfähigkeit führen sollen. Dabei entfalten die bisher umgesetzten Kürzungen in Griechenland weiter ihre brutale und verheerende Wirkung. Die griechische Wirtschaft bricht um 6,8 Prozent im vierten Quartal 2011 ein. Zudem sind mehr als eine Million Griechen (Quote: 20,9 Prozent) ohne Job. Nach dem Willen der EU-Sparfetischisten um Kanzlerin Angela Merkel sollen es in diesem Jahr noch mehr werden, um die Arbeitslosigkeit nachhaltig wieder zu senken.

Deutlicher kann das Scheitern der aufgezwungenen Sparorgie nicht belegt werden. Immer mehr Steuereinnahmen brechen weg, das Staatsdefizit und die Verschuldung des Landes nehmen weiter zu denn ab, wie von denen weißgesagt, die immer noch daran glauben, einen volkswirtschaftlichen Sparerfolg durch das Kürzen von staatlichen Ausgaben erreichen zu können. Angela Merkel sollte zu Recht und persönlich für dieses Desaster verantwortlich gemacht werden.

Sie war es, die Hilfen an Griechenland lange mit der Begründung verweigerte, erst härtere Einschnitte durchsetzen zu wollen. Mit dieser destruktiven Politik stürzte die deutsche Kanzlerin nicht nur die Griechen in eine bedrohliche Situation, die sich nun auch mit Hilfe von Gewalt entlädt, sondern sie verteuerte mit ihrer zögerlichen Haltung das gesamte Rettungsmanöver für alle übrigen Eurozonenmitglieder.

Unterdessen wurde das ursprünglich für morgen angesetzte Gipfeltreffen der Eurozonen-Finanzminister mit der Begründung abgesagt, dass Athen die Bedingungen für ein zweites Hilfspaket noch immer nicht erfüllt habe. Deshalb seien weitere Gespräche zwischen Troika, EZB, IWF und den griechischen Behörden erforderlich.

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Eine neue Sau im deutschen Mediendorf

Geschrieben von: am 14. Feb. 2012 um 16:20

Erst erklärte ein CDU-Hinterbänkler der Internetgemeinde einen bereits gewonnenen Krieg, dann twitterte Erika Steinbach von rechts in die unendlichen Weiten des World Wide Web und nun fordern unbedeutende CDU-Nachwuchskräfte, deren Eltern wahrscheinlich noch Kindergeld für sie erhalten, eine Zwangsabgabe für Kinderlose oder Eltern mit nur einem Kind. Ein Vorschlag, der in direkter Folge gegen die ersten drei Artikel des Grundgesetzes verstößt, ist auch für die vom Verfassungsschutz unbeobachtete Christlich Demokratische Union etwas Neues.

Allerdings ist die Aufgeregtheit, mit der über diese gezüchtete Mediensau, die bloß den Blick von unseren Krisenstrategen ablenken soll, berichtet und kommentiert wird, nicht zu verstehen. Denn wie immer zelebriert die Union ihr altbekanntes Spiel eines vorgetäuschten Diskussionsprozesses. Während Bundesfamilienministerin Kristina Schröder gegen den Vorstoß ist und mit der Bemerkung, “Ich finde es vernünftiger, Kinderwünsche zu befördern statt Kinderlosigkeit zu bestrafen”, ihr nicht vorhandenes Image aufpolieren darf, empfindet Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer für die Sondersteuer durchaus Sympathie.

Statt aber auf die Verfassungsfeindlichkeit und die offenkundige Inszenierung eines innenpolitischen Themas hinzuweisen, springen die Medien hauptsächlich Schwulen und Lesben sowie jenen zur Seite, die aus gesundheitlichen oder medizinischen Gründen keine Kinder bekommen können. Das ist zwar alles richtig, zielt aber am Kern des Vorgangs vorbei. Sämtliche Kommentatoren, die nun von Dummheit und Ignoranz sprechen, glauben doch wohl nicht im ernst, dass dieser Vorschlag rein zufällig als unüberlegter Schnellschuss die Öffentlichkeit erreichte.

Ganz im Gegenteil. Die Sau nutzt vor allem der Regentin Merkel, die außenpolitisch vor einem Scherbenhaufen steht – die griechische Wirtschaft bricht im vierten Quartal 2011 um sage und schreibe 6,8 Prozent ein – und die nun innenpolitisch mit einem klaren Nein zum Vorschlag ihrer Parteijünger sowohl punkten wie auch die Diskussion über die Nachhaltigkeit der deutschen Sozialsysteme erneut auf die Tagesordnung setzen kann.

Die Talkshowrunden der kommenden Woche dürften damit thematisch bestens versorgt sein.

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Niemand hat die Absicht…

Geschrieben von: am 14. Feb. 2012 um 8:47

…die Griechen zu quälen, meint Wolfgang Schäuble auf Nachfrage.

Die griechische Bevölkerung muss da wohl etwas missverstanden haben. Der Schmerz, den die Griechen verspüren, müsse wohl als gnadenvolle Hilfe begriffen werden.

Denn Schäuble wie auch Bundeskanzlerin Angela Merkel versuchten am Montag den offenbar falschen Eindruck zu zerstreuen, dass ein Paket mit der fetten Aufschrift “Sparen”, ausschließlich etwas mit Kürzungen zu tun haben könnte. Vielmehr handele es sich um ein mehr oder weniger loses Maßnahmenbündel, das auch glückseligmachende “Strukturreformen” beinhalte, erklärte die Kanzlerin nach dem Treffen mit ihrem Beratergremium “Neue Finanzmarktarchitektur”, das von Otmar Issing, der auch auf der Gehaltsliste der Investmentbank Goldman Sachs steht, angeführt wird.

Goldman Sachs ist übrigens jenes Kreditinstitut, das Griechenland zu Beginn des neuen Jahrtausends mit Bilanzierungstricks half, sein Haushaltsdefizit zu verschleiern und sich für diese erstklassige Beratungsleistung mit rund einer Milliarde Euro bezahlen ließ. Den ganzen Prozess begleitet, haben damals all jene Gestalten, die auch nun wieder an vorderster Front als Krisenmanager in Erscheinung treten. So war der aktuelle griechische Ministerpräsident Papadimos damals griechischer Zentralbankchef, und der Chef des Euro-Rettungsfonds ESFS, Klaus Regling, hatte zwischen 2001 und 2008 die Aufgabe, die griechische Finanzentwicklung zu überwachen. 

Merkel

Nach deren aller Überzeugung habe die griechische Regierung nach den Beschlüssen vom Wochenende nun ausreichend bis 2020 Zeit gewonnen, um die Schuldenlast auf ein Maß zu reduzieren, das eine Refinanzierung an den Kapitalmärkten wieder ermögliche. Die Wut der griechischen Bevölkerung sei zwar verständlich und nachvollziehbar, die beschlossenen Maßnahmen aber alternativlos, erklärt Schäuble, der seine Hände stellvertretend für die deutsche Misswirtschaft seit Einführung des Euro in Unschuld wäscht. Die FAZ schreibt sogar:

“Deutschland ist nicht schuld an den griechischen Kalamitäten. Das hat die Elite eines Landes schon selbst besorgt, für das der Euro ein Danaergeschenk war. Doch die verantwortungslosen Teile dieser Elite suchen einen Sündenbock und meinen ihn in der deutschen Politik gefunden zu haben. Deutschland hilft – und wird doch dämonisiert, ausgerechnet von Leuten, die sich den Weg in die Währungsunion erschwindelt und sie an den Rand des Abgrunds gefahren haben. Das ist ein starkes Stück.”

Quelle: dradio Presseschau

Ein starkes Stück ist, dass die Helfer des Bilanzbetruges immer noch beratend tätig sind und nicht nur am Betrug verdienten, sondern auch an genau jenem drohenden Abgrund, in den die Griechen und die gesamte Eurozone zu stürzen drohen. Aber soweit reicht der mit seiner Affinität zu Fremdwörtern aufgeblasene bildungsbürgerliche Horizont nicht, wie auch nicht dafür, dass Deutschland mit seinen dauerhaften Leistungsbilanzüberschüssen ebenfalls gegen die so heiligen europäischen Stabilitätskriterien schon immer straflos verstoßen hat.

Werden die Regeln auch für Deutschland verschärft und die Löhne in Anlehnung zum griechischen Kürzungsprogramm zwangsweise erhöht, um für einen gesamtwirtschaftlichen Ausgleich in der Handelsbilanz zu sorgen?

Nein, in der kleingeistigen Welt deutscher Wirtschaftsjournalisten bricht sich peinliches Überheblichkeitsdenken bahn. So wie in der Neuen Osnabrücker Zeitung, die kurzer Hand und mit Schaum vorm Mund das “Kaputtsparen” zu einem wirksamen Mittel vernünftiger Wirtschaftspolitik erklärt:

“Auch wenn es paradox klingt: Nur wenn das Land kaputtgespart wird, hat es eine Zukunft. Was jetzt zerschlagen wird, stand auf tönernen Füßen, war eine wirtschaftliche Illusion von geradezu sozialistischem Ausmaß. Löhne und Lebensstandard in Griechenland müssen in einem Maße sinken, dass daraus ein Wettbewerbsvorteil gegenüber dem restlichen Europa erwächst. Dies lockt Investoren, dies schafft Kreativität und Wagemut, dies ermuntert Gründer. Nur so kann ein neues Fundament entstehen, um nicht dauerhaft auf Transfers angewiesen zu sein.”  

Quelle: dradio Presseschau

Es ist schon richtig, niemand hat die Absicht, die Griechen zu quälen, wenn es bloß darum geht, ihnen dadurch eine kreativ gestaltete Zukunft in Demut und Armut zu verschaffen, die sich dann mit den zerstörten Perspektiven anderer Völker deckt. Die Quälerei muss nur zum allgemeinen Handlungsprinzip erklärt werden und schon hat sie in den Augen der Folterer, die sich fälschlicherweise Reformer nennen, ihren Schrecken verloren. 

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Hornberger Schießen oder wie man die Krise meistert

Geschrieben von: am 10. Feb. 2012 um 11:32

Ohne die regelmäßigen Gipfeltreffen der Regierungschefs oder der Finanzminister auf EU-Ebene geht es nicht mehr. Wer bis jetzt aber noch nicht begriffen hat, dass diese Konferenzen nicht deshalb veranstaltet werden, weil Entscheidungen zu treffen sind, dem erteilt Wolfgang Schäuble Nachhilfe:

Der deutsche Finanzminister hatte das Eurogruppentreffen schon vor Beginn zum Hornberger Schießen erklärt: “Sie brauchen gar nicht auf heute Nacht zu warten, denn es wird keine Ergebnisse geben.”  

Quelle: Tagesschau

Das musste mal deutlich gesagt werden, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrer regelmäßig vorgetragenen gedämpften Erwartungshaltung vor diversen Gipfeln die Schreibenden von der Sinnlosigkeit dieser Veranstaltungen noch nicht abschließend überzeugen konnte.

Aber trotz Schäubles klarer Ankündigung, keine Ergebnisse liefern zu wollen, berichten alle Medien brav von einer Vertagung der Griechenland-Rettung mit dem Zusatz “Ultimatum statt Hilfsmilliarden”. Dabei müsste man doch fragen, wozu man die Griechen noch gestern zur Eile drängte, den Sparmaßnahmen der Troika zuzustimmen, wenn man davon ausgehen konnte, dass die Eurogruppe die Freigabe der Rettungsgelder an zusätzliche Bedingungen knüpfen würde.   

Man muss einfach sehen, dass den Menschen hier bewusst Sand in die Augen gestreut wird. Die griechische Regierung wurde bereits vorsorglich auf Druck von EU und Deutschland umgebaut. Der griechische Premierminister Loukas Papadimos ist von Haus aus Banker. Bei seiner Einsetzung wurde ihm gerade von deutscher Seite eine hohe Kompetenz angedichtet. Gewählt wurde er aber nicht, sondern zum Chef einer Übergangsregierung ernannt, von der keiner so genau weiß, wie lange sie amtieren darf und durch wen sie eigentlich legitimiert ist. 

Griechenland muss liefern

Das der griechischen Übergangsregierung nun gerade von Deutschland vorgeworfen wird, die Bedingungen nicht schnell genug umzusetzen, hat Methode und gehört wohl zu einer Strategie, die nicht die Rettung Griechenlands zum Ziel hat, sondern die Durchsetzung einer Fiskalunion unter der Führung Deutschlands. Beide Seiten arbeiten deshalb auch Hand in Hand an einer Verschleppung des gesamten Rettungsprozesses. Das sieht man auch daran, dass der ehemalige Ministerpräsident Papandreou ebenfalls an den Verhandlungen teilnimmt, wie auch an der Vorgabe, dass alle Parteien in Griechenland unwiderruflich den diktierten Bedingungen zustimmen sollen.

In Deutschland wird derweil schon wieder über die Medien verbreitet, dass Angela Merkel um die Zustimmung des Bundestags zu weiteren Rettungsmilliarden bangen müsste. Ende Februar sollen die Abgeordneten auf einer Sondersitzung über das zweite Rettungspaket für Griechenland entscheiden, wie nach einem Treffen Merkels mit den Partei- und Fraktionsvorsitzenden am Freitag im Kanzleramt bekannt wurde. Dabei hänge die Zustimmung natürlich davon ab, ob Griechenland jetzt auch liefere und seinen Ankündigungen auch Taten folgen lasse, wie zum Beispiel Volker Kauder öffentlichkeitswirksam forderte.

Ein Schauspiel für den Wähler

Allerdings lässt die Anberaumung des Termins für eine Sondersitzung des Bundestages darauf schließen, dass die Hilfen ohnehin beschlossen werden müssen, egal ob Griechenland die geforderten Bedingungen erfüllt oder nicht. Hierbei handelt es sich um reine Symbolpolitik, da selbst eine Zusage der Oppositionsparteien in Griechenland, etwaige Abmachungen der aktuellen Regierung bei einem Machtwechsel (wann auch immer) nicht wieder rückgängig zu machen, keinesfalls bindend wäre.

Deutschland braucht für den Beschluss weiterer Hilfen eine vorzeigbare Gegenleistung, um dem eigenen Volk den abermaligen Transfer von Milliarden irgendwie glaubhaft vermitteln zu können. In dem Schauspiel muss es also am Ende so aussehen, als würden die Griechen tatsächlich noch mehr Anstrengungen unternehmen. Es muss aber auch so aussehen, als ob der Deutsche Bundestag eine Wahl hätte, um dem Eindruck entgegenzutreten, bloß Erfüllungsgehilfe der herrschenden Exekutive zu sein.

Eine Pleite Griechenlands ist für beide Seiten hingegen keine Option, da auch in diesem Fall Milliarden Euro Zahlungen aus Deutschland fällig wären.

Richtig scheint aber zu sein, dass sowohl die griechische Übergangsregierung wie auch die Bundesregierung, beide von denselben Bankern beraten, an einem gemeinsamen Strang ziehen, um Europa zu Lasten ihrer Völker umzubauen. Dafür braucht es vor allem Zeit, die Stück für Stück und in letzter Minute immer wieder theatralisch erkauft werden muss. 

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Was hat das Senken von Löhnen mit sparen zu tun?

Geschrieben von: am 09. Feb. 2012 um 12:11

In Athen wird immer noch über das Sparpaket verhandelt. Wie absurd dessen Inhalt ist, zeigen die Details, die Stück für Stück die Öffentlichkeit erreichen. So soll Griechenland vor allem zustimmen, die Löhne von Arbeitnehmern zu kürzen. Die Rede ist von einem drastisch sinkenden Mindestlohn und von einem Einfrieren der Einkommen in der Privatwirtschaft. Ziel der Übung soll sein, dadurch die Arbeitslosenquote von derzeit mehr als 19 Prozent auf 10 Prozent zu drücken.

Verlangt wird also das Einsparen von Arbeitslosigkeit. Denn für sich genommen, hat das Kürzen von Mindestlöhnen und Einkommen in der Privatwirtschaft überhaupt nichts mit der Haushaltkonsolidierung zu tun, die permanent als Ziel aller Bemühungen ausgegeben wird. Indirekt erhöht sich sogar die Belastung der öffentlichen Kassen, weil niedrigere Löhne ganz konkret auch niedrigere Steuereinnahmen bedeuten. Der Gedanke, der dieses Treiben bestimmt, entspringt zweifelsfrei dem neoliberalen Kartoffelmarktdogma, wonach das drastische Absenken der Löhne die Kosten der Unternehmen vermindere, den Wettbewerb dadurch verbessere und zudem Beschäftigung auf wundersame Weise gefördert werde.

Das Problem dabei ist nur, dass die griechische Wirtschaft wie auch alle anderen in der Eurozone an einer sich verstärkenden Nachfrageschwäche leiden, die politisch vor allem von Deutschland aus befördert wird. Denn wer an Einkommen und öffentlichen Ausgaben spart, spart auch an jenem Motor, der eine Volkswirtschaft antreibt. 

Insgesamt ist von Einsparungen in Höhe von 3,3 Milliarden Euro die Rede. Das Senken von Löhnen hat damit aber nun gar nichts zu tun und soll wohl davon ablenken, dass der Staat vor allem bei den Ausgaben für Renten und Sozialleistungen einsparen soll, die er ja der Logik nach erbringen muss, wenn er das Existenzminimum seiner Bürger garantieren will. Das Senken der Löhne soll dabei die Notwendigkeit eines Konjunkturprogramms ersetzen, für das nach herrschender Lehre kein Geld ausgegeben werden darf.

Am Ende wird der griechische Staat sich aber noch höher verschulden müssen, um das weitere Schrumpfen seiner Volkswirtschaft gegenfinanzieren zu können. Das ist nicht zuletzt auch als Ergebnis der ersten Sparmaßnahmen festzustellen, die das Land schon vorgenommen hat.

Deutscher Staatssekretär schiebt Frust

Für deutsche Bürokraten wie Thomas Steffen sind die andauernden Verhandlungen über den griechischen Selbstmord nur noch frustrierend. Sie wünschen sich einen zügigen Beschluss und stellen fest, dass seit dem Beginn der Krise kaum Fortschritte gemacht worden seien.

“Ich glaube, dass wir heute sagen können, dass wir seit 2010 wenig Fortschritte gemacht haben bei Griechenland”, sagte Steffen am Mittwochabend in Berlin, “erschreckend wenig Fortschritte”.

Quelle: Spiegel Online

Die Führung des Landes sei deutlich verbesserungsfähig und manchmal nicht auf dem “Niveau eines europäischen Landes”, meint der Staatssekretär, dessen Geist offenbar unterhalb des für diese Angelegenheit notwendigen Sachverstandsniveau schwebt. Sonst würde sich Herr Steffen an die Rolle seiner Chefin erinnern, die eine rechtzeitige Lösung der griechischen Misere aus innen- und parteipolitischem Interesse – es galt Landtagswahlen zu bestreiten – lange Zeit verweigerte und somit die Spekulation auf eine Pleite Griechenlands immer weiter anheizte.

Nun sollen nach dem Willen Deutschlands die Löhne in Griechenland sinken oder eingefroren werden. Wahrscheinlich aus der tiefen Überzeugung heraus, dass die Tarifautonomie ein wesentlicher Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft ist.

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