Schäuble holt zum nächsten Schlag aus

Geschrieben von: am 19. Feb 2012 um 14:36

Derzeit ist die Öffentlichkeit total gebannt vom neuerlich stattfindenden Geschacher um den Posten des obersten und an sich bedeutungslosen Grußonkels der Republik. Abseits davon hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble angekündigt, schon 2014 – also zwei Jahre früher als geplant – die Schuldenbremse einhalten zu wollen. Dafür plant er ein weiteres Sparpaket in Höhe von etwa zehn Milliarden Euro aufzulegen, das im Kampf gegen das eigene Volk als weiterer Schlag verstanden werden muss.

Vor zwei Jahren nannte Georg Schramm das erste Sparpaket der Bundesregierung eine Kriegserklärung an die absolute Mehrheit des Volkes, das gar kein Vermögen hat, das man in Sicherheit bringen könnte.

Und so ist es auch jetzt wieder. Schäuble weiß, dass die Wirtschaft an Fahrt verliert. Europa versinkt in der nächsten Rezession und Deutschland wird das hart zu spüren bekommen. Noch glauben viele das Märchen vom nie endenden Aufschwung und einem robusten Arbeitsmarkt, der vor allem dafür sorge, dass der private Konsum gestärkt werde, auf den die konjunkturelle Entwicklung letztlich angewiesen sei. Allein die offensichtlich mit Absicht nicht erkannte Realität straft diese Darstellung Lügen.

Geplant sind vor allem Kürzungen im Bereich der Sozialversicherung. So sollen die Bundeszuschüsse zur Kranken- und Rentenversicherung um Milliardenbeträge gekürzt werden. Bei der Arbeitslosenversicherung sind noch einmal Einsparungen von mehreren hundert Millionen Euro vorgesehen.

Das einst mit viel Getöse eingeführte Elterngeld soll nun gedeckelt werden. Offensichtlich ist auch bei der Regierung die Botschaft angekommen, dass von der Sozialleistung vor allem gutverdienende Eltern profitieren. Gerade bei der Gruppe der Besserverdienenden ist somit ein Mitnahmeeffekt feststellbar, während Geringverdiener oder Eltern mit gar keinem Einkommen nach Abschaffung des Erziehungsgeldes mit deutlich weniger oder gar keinem Elterngeld (Hartz-IV-Empfängern wurde die Leistung zum 1. Januar 2011 komplett gestrichen) auskommen müssen.

Bei der Kürzung von Bundeszuschüssen zu den Sozialversicherungen spielt Schäuble das bekannte neoliberale Spiel der systematisch betriebenen Verarmung des Staates. Dabei werden zunächst mit diversen “Reformen” die Arbeitnehmer/Versicherten durch Aufkündigung der paritätischen Finanzierung sowie durch eine Übertragung von Leistungen auf die Versicherungsgemeinschaft, für deren Finanzierung eigentlich die Allgemeinheit, also alle Steuerzahler, zuständig sind, einseitig belastet. Danach schießt der Staat Steuermittel zu, um die entstandene Finanzierungslücke auszugleichen. Im Anschluss werden diese Mittel nun mit Verweis auf eine angeblich gute Konjunktur sowie die schlechte Kassenlage und die Schuldenbremse wieder eingespart.

So bekommt niemand mit, dass die Mehrheit der Bevölkerung schlichtweg um Leistungen betrogen wird. Gleichzeitig gelingt es dem Bundesfinanzminister, in der Öffentlichkeit als erfolgreich agierender Politiker dazustehen, dem die Haushaltskonsolidierung nach so vielen Jahren der gescheiterten Versuche nun endlich zu gelingen scheint. 

“Nicht aus Notwendigkeit solle der Staat machtloser und ärmer werden, sondern aus Prinzip.”  (zit. nach Barbara Supp, via NachDenkSeiten)

Nach dem volkswirtschaftlichen Sinn eines ausgeglichenen Haushalts fragt indes niemand mehr. Ihn zu erzielen, gehört aber für viele in diesem Land zu einem unumstößlichen Anspruch, kurzum zu einem Dogma, dem mit Argumenten kaum beizukommen ist.    

“Der gute deutsche Haushaltspolitiker sorgt für die Zukunft vor, indem er spart und den Gürtel enger schnallt, wenn es einmal schlecht läuft. Er wird unterstützt von vielen, die fest daran glauben, dass buchstäblich jeder seine Ausgaben und Einnahmen ausbalancieren muss. Das ist aber sogar im Lichte der herrschenden ökonomischen Lehre falsch. Wenn in einer Wirtschaft investiert werden soll – und in welcher sollte nicht investiert werden?-, würde selbst diese Lehre sagen, man müsse unbalanciert vorgehen, einer müsse also sparen, sprich weniger ausgeben als einnehmen, und ein anderer müsse sich verschulden, um zu investieren.

Suggeriert man den Bürgern jedoch, dass sie zwar sparen dürfen, die anderen aber gleichwohl ihre Einnahmen und Ausgaben ausgleichen sollen, dann ist dies gefährlicher Unsinn, weil man damit ein Rezept verordnet, das zwingend darauf hinausläuft, dass die Wirtschaft in einer schweren Rezession und einer immerwährenden Schrumpfung versinkt.”

Quelle: Heiner Flassbeck, Zehn Mythen der Krise, S.20

Menschen, die es dennoch versuchen und der herrschenden Lehrmeinung widersprechen, werden bezichtigt, einer Sinnestäuschung zu unterliegen, schreibt Jens Berger in seinem ersten Buch “Stresstest Deutschland”. Positionen, die nicht im Einklang mit der vorherrschenden Meinung stünden, würden von den Medien lieber “links liegengelassen” oder ausgeblendet, sagt er. Dabei ist klar:

“Wann immer über die angeblich horrende Staatsverschuldung palavert wird, sollte man im Hinterkopf behalten, dass Deutschland nahezu schuldenfrei wäre, wenn die Regierungen Kohl, Schröder und Merkel die Staatseinnahmenquote nach der Wiedervereinigung nicht durch teilweise groteske Steuersenkungen für Unternehmen und Besserverdienende gesenkt hätten.” (S.14)

Der Verlauf der Krise zeige aber noch etwas anderes. Dringend benötigte Konjunkturprogramme könnte Deutschland im Augenblick so günstig finanzieren wie nie. Zwar sei der Schuldenstand absolut und auch real gestiegen, die Zinslast während der Finanzkrise aber erheblich gesunken.

“Die populäre Behauptung, nach der Deutschland aufgrund der Schuldenproblematik keinen Spielraum hätte, um haushaltspolitisch gegen die massiven Folgen der Finanzkrise anzugehen, ist bei näherer Betrachtung nicht haltbar. Doch statt mit Hilfe antizyklischer Finanz- und Wirtschaftspolitik die Krisenfolgen einzudämmen, die Binnennachfrage zu stärken und damit als stärkste Europäische Volkswirtschaft die dringend benötigte Rolle einer Wachstumslokomotive zu übernehmen, verfolgt die deutsche Regierung eine prozyklische Sparpolitik und nutzt ihren gewonnenen Einfluss darüber hinaus auch noch dazu, ihre neoliberale Schockstrategie auf die gesamte Eurozone auszudehnen. Deutschland nutzt die Gunst der Stunde, um ganz Europa auf den neoliberalen Kurs deutscher Machart zu zwingen.” (S.218)

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Bundespräsident: Ist das überhaupt wichtig?

Geschrieben von: am 18. Feb 2012 um 18:16

Das Konklave ist in Berlin zusammengetreten. Im Unterschied zum Wahlmodell des Vatikan wird allerdings in der Hauptstadt hinter verschlossenen Türen sehr offen ein Nachfolger gewählt. Es ist schon bemerkenswert, wie gut vernetzt die sog. “Regierungskreise” mit den Medien sind. Wieso setzen die sich nicht gleich auf den Platz der Republik und Günter Jauch übernimmt die Moderation? Dann braucht man sich die Termine seiner Sendungen freitags, sonntags usw. nicht extra aufzuschreiben.

Auch kann mehrmals weißer Rauch aufsteigen. Im Gegensatz zum Vatikan haben die Erwählten in Berlin nämlich das unverschämte Recht, der “GröTaZ” (Größten Taktikerin aller Zeiten)  einfach abzusagen. So gewinnt am Ende nicht derjenige, der die meisten Stimmen auf sich vereint, sondern die Person, die am Ende übrig bleibt. Wobei eine “Die” sowohl im Vatikan wie auch in der Bundesrepublik vom höchsten Staatsamt ausgeschlossen bleibt.

Einen originellen Vorschlag fand ich auf Twitter:

In Sachen #Wulff-Nachfolge bin ich ja für #Westerwelle! 1. Ist das Amt eh schon beschädigt, 2. Hat der wenigstens keine Freunde.

Quelle: Twitter

Guido Westerwelle als Bundespräsident hat natürlich auch seinen Reiz. Er könnte quasi als oberster Oppositionslautsprecher seine Stärken wieder ausspielen und relativ gefahrlos ein einfacheres, niedrigeres und gerechtes Steuersystem fordern. Dafür müsste er allerdings seinen Posten im Maschinenraum der FDP aufgeben und als “Leichenfänger” an der neuen “Gorch Fuck” befestigt werden.

Bei den vielen Absagen, die Angela Merkel nach 24 Stunden schon kassiert hat, muss man wohl davon ausgehen, dass die möglichen Kandidaten alle ihre Leichen sowie einen Bildreporter im Keller haben. Auch der inzwischen zum Top-Favoriten (zit. nach Regierungskreise) auserkorene Wolfgang Huber hält einer Überprüfung kaum stand. Wenigstens wäre die Kontinuität mit ihm gewahrt.

Der deutsche Michel stöhnt bereits. Ihm ist mal wieder alles egal, Hauptsache die da oben sind sich einig und halten ihre Reihen geschlossen. Ich bin überrascht, dass dabei noch niemand auf eine Doppelspitze, die Urmutter aller schlechten deutschen Kompromisse, gekommen ist. Dabei könnte sich Merkel an der Deutschen Bank orientieren, die es nach der Ära Ackermann auch mit einer solchen versucht. Oder wer erinnert sich noch an die berühmte Doppelspitze beim DFB zwischen Gerhard Mayer-Vorfelder (lebt übrigens noch und wäre verfügbar) und Theo Zwanziger?

Aber mal ehrlich, ist das überhaupt wichtig?

Zur Strecke gebracht

Andere führen Krieg und rotten ganze Völker aus. Deutschland hingegen leistet sich den Luxus, sich über der Harmlosigkeit seines Staatsoberhauptes wochenlang selbst zu lähmen. Während draussen in der Welt Millionen um ihr Überleben kämpfen, ihr soziales Gefüge zerbrechen sehen und Seuchen, Wirbelstürme und Schlächtereien zu erdulden haben, ergehen sich die politische Klasse und die Medien in unserem Nachbarland in eitlen Balzritualen und Empörungsexerzitien in einem Fall, der an Trivialität und Biederkeit fast nicht mehr zu überbieten ist.

Quelle: NZZ

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Wulff-Nachfolge: Otto Rehhagel ist auf dem Weg nach Berlin

Geschrieben von: am 18. Feb 2012 um 12:42

In Berlin wird schwer gearbeitet und verhandelt. Die einen sagen, eine Entscheidung für einen Kandidaten um das höchste Staatsamt könne schon heute fallen. Dabei ist von Lammert und Voßkuhle die Rede. Andere wiederum meinen, dass erst am Aschermittwoch der neue Bundespräsidentenversuch feststünde. Die Namen Töpfer und Gauck sollen dagegen bereits vom Tisch sein.

Aus gut unterrichteten Kreisen ist derweil zu vernehmen, dass sich Otto Rehhagel auf dem Weg nach Berlin befinden soll. Das wäre natürlich eine geniale Lösung, da er als Kandidat und Freund der kontrollierten Offensive nicht nur überparteilich wäre, dem es zuzutrauen ist, einen Chaosverein wie Schwarz-Gelb vor dem Abstieg zu bewahren, sondern der auch als nette Geste an die Griechen verstanden werden könne, die sich in der letzten Woche von der Bundesregierung doch arg beleidigt gefühlt hatten.

Überraschung in der #Wulff -Nachfolgedebatte. Rehagel kommt nach Berlin! Das wird die Griechen aber freuen.

Quelle: Twitter

Wie man aber hört, liegt es auch im Bereich des Möglichen, dass sich Otto Rehhagel statt für das schwarz-gelbe, für ein blau-weißes Team entscheidet. 

Inzwischen ist bekannt geworden, dass die Bundesregierung dem zurückgetretenen Christian Wulff Urlaubsgeld den Ehrensold zugestehen will. Dazu Christian Wulff:

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Europa steuert in die Rezession und Deutschland…

Geschrieben von: am 17. Feb 2012 um 13:54

…sucht sich einen neuen Bundespräsidentenversuch sowie einen neuen “Heldengedenktag”. Warum nicht gleich einen gefallenen Soldaten zum Bundespräsidenten machen. Der würde immerhin das Amt nicht beschädigen, allenfalls als Leiche von der investigativ nachfragenden Pressezunft im Namen der Transparenz gefleddert werden. Sie, die Presse, umweht im Augenblick der Mythos, die Mächtigen unnachsichtig kontrolliert zu haben, meint Michael Spreng auf seinem Blog.

Das ist aber falsch, weil Wulff gar nicht mächtig war, sondern bloß von Merkels Gnaden im dritten Wahlgang ins Amt gehievt wurde. Die Medien haben einen Popanz gestürzt, um den herum sich jetzt für mindestens 30 Tage eine breite Diskussion entfalten wird, die alles andere in ihren Schatten stellt. Für die am Schlamassel politisch verantwortliche Bundeskanzlerin, die für einen präsidialen Führungsstil plötzlich so bewundert wird, dürfte das mit einem erneuten Zugewinn an Popularität verbunden sein.  

Derweil schlittert Europa aber sehenden Auges in die nächste Rezession, die am Ende sehr viel schlimmer ausfallen könnte als 2008/2009. Binnen Jahresfrist ist die griechische Schuldenstandquote weiter angestiegen und die Wirtschaft deutlich geschrumpft (-7%). Das Land soll aber weiter sparen und absurde Zusagen geben. In Italien ging das Bruttoinlandsprodukt ebenfalls das zweite Quartal infolge zurück (-0,2% Q3, -0,7% Q4). Wäre Merkel heute zu Monti gereist, sie hätten laut über Sparmaßnahmen gesprochen und sich gegenseitig für diesen Blödsinn inmitten der Krise gelobt.

Auch in Spanien geht es abwärts. Das reale BIP in Q4/2011 sank im Vergleich zum Vorquartal um –0,3%. In Deutschland ging das Bruttoinlandsprodukt im 4. Quartal 2011 ebenfalls um –0,2% zurück. Der Autobauer Opel, erst noch von Merkel persönlich gerettet, steht schon wieder am Abgrund, weil die klassischen Absatzmärkte in Südeuropa bereits weggebrochen sind. Und so erreicht uns die Krise recht bald in der Realwirtschaft.

China und der Rest der Welt werden gerade Deutschland nicht den Gefallen tun und dauerhaft dessen Exportüberschüsse finanzieren. Sie werden zu gegebener Zeit einfach ihre Währungen abwerten müssen, um den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit auszugleichen. Spätestens dann wird auch der Arbeitgeber-Hundt wieder in die Mikrofone bellen, dass es schlecht um den Standort bestellt sei und die Kosten, d.h. vor allem Löhne wieder gedrückt werden müssten. Schon jetzt hält er die Forderungen der Gewerkschaften in den anstehenden Tarifrunden für realitätsfremd.

Ursula von der Leyen hält der Hundt übrigens für unqualifiziert. Möglicherweise war das schon der Auftakt für eine mögliche Kandidatur der Noch-Arbeitsministerin, die innerhalb des inneren Merkelzirkels, um nicht zu sagen Zirkus, zusammen mit Wulff vor anderthalb Jahren um das Präsidentenamt rang. Sie wäre die perfekte Präsidentin. Mit sozialer Kälte im Kopf und im Herzen, aber immerhin mit sieben Kindern in Schloss Bellevue.

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Perfektes Timing: Wulff rettet Plan zur Bankenrettung

Geschrieben von: am 17. Feb 2012 um 8:32

Bundespräsident Wulff hat eine Erklärung für 11 Uhr angekündigt. Vielleicht gibt er seinen Rücktritt nach der Aufhebung seiner Immunität bekannt. Das würde dann zeitlich perfekt zur anstehenden Verabschiedung des nächsten Bankenrettungspakets am 27.02.2012 passen, das ja fälschlicherweise als Hilfsmaßnahme für Griechenland bezeichnet wird. Die Bundeskanzlerin meldet sich übrigens eine halbe Stunde später zu Wort. Ihre Italienreise wurde abgesagt. 

Damit dürfte das Hilfspaket im Volumen von 130 Milliarden Euro hinter einen möglichen Wulff-Rücktritt verschwinden und die Frage in den Vordergrund treten, wer ihm im Amt des Bundespräsidenten folgen könnte.  Über eine Aufhebung von Wulffs Immunität würde der Bundestag auf einer regulären Sitzung ebenfalls erst übernächste Woche abstimmen.

Das ist perfektes Timing. Denn in Sachen Euro-Rettung sieht es ganz danach aus, als ob Griechenland die deutschen Bedingungen nicht erfüllen kann. Der verschärfte Ton von Finanzminister Schäuble, der kürzlich noch beteuerte, die Griechen gar nicht quälen zu wollen, zeigt, dass es im Augenblick nur noch darum geht, an der Heimatfront Stimmung zu machen.

EDIT: Die griechische Staatsverschuldung steigt und zwar nicht trotz, sondern wegen der geforderten Sparmaßnahmen!  

“Per 31.12.2011 stieg der Schuldenstand der Zentralregierung in Athen auf 367,978 Mrd. Euro, wie das griechische Finanzministerium gestern mitteilte. Diese Daten verdeutlichen erneut, dass hoffnungslose Unterfangen bei einem schrumpfenden BIP, sinkenden Investitionen, sinkender Wertschöpfung, sinkenden Einkommen und Konsum die Staatsschulden abzutragen. Die Situation in Griechenland verschärft sich im Gegenteil immer weiter, so das das Ponzi-Scheme welches hinter der Finanzierung Griechenlands stand und die hoffnungslos unterentwickelte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes nicht mehr zu überdecken sind.”

Quelle: Querschuesse

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Röslers kurzes Statement zum Rückgang des BIP

Geschrieben von: am 15. Feb 2012 um 13:55

Die deutsche Wirtschaft schrumpft und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler reagiert gelassen. Das Ergebnis des 4. Quartals entspreche den Erwartungen (Stichwort Wachstumsdelle), verkündet er kurz und knapp auf der Internetseite seines Ministeriums (BMWi).

“Die Entwicklung der Wirtschaftsleistung im 4. Quartal 2011 entspricht unseren Erwartungen. Bei der Vorstellung der Jahresprojektion habe ich betont, dass nach dem hervorragenden Wachstum der vergangenen zwei Jahre zunehmende Risiken aus dem weltwirtschaftlichen und insbesondere dem europäischen Umfeld die deutsche Wirtschaft vorübergehend beeinträchtigen können. (Stichwort: Wachstumsdelle, Anm. at) Im Jahresverlauf findet die deutsche Wirtschaft wieder zu einem höheren Wachstum zurück. Darauf deutet auch die Stabilisierung aktueller Konjunkturindikatoren hin. Daher muss die Wirtschaftspolitik das Wachstumspotential stärken und verstetigen.”

Dieses Statement ist durchweg enttäuschend. Rainer Brüderle hätte wenigstens einen blumigen Horizont gezeichnet und die Beeinträchtigung auf der Überholspur zur Vollbeschäftigung durch den unerwarteten Wintereinbruch erklärt. So aber hinterlässt Rösler nur noch offene Fragen. Denn wenn zunehmende Risiken insbesondere aus dem Euroraum die Performance der deutschen Wirtschaft lediglich vorübergehend beeinträchtigen sollen, was heißt das für die Zukunft?

Deutschland ist darauf angewiesen, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit seiner europäischen Nachbarn einen positiven Verlauf nimmt. Wie aber soll das angesichts des Fiskalpaktes und in Kenntnis der dramatischen Lage in Griechenland und den Ländern, die einen Mittelmeerstrand haben, mittelfristig funktionieren? Woher werden die ihr Wachstum nehmen, von dem Deutschland als Exportnation offenbar erneut profitieren will, wenn es ihnen aber verboten ist, die deutschen Exportüberschüsse weiter wie bisher mit Schulden und eigenen Leistungsbilanzdefiziten zu finanzieren?

Rösler kann darauf keine Antwort geben, weil er das Spardiktat, eine europäische Schuldenbremse, die Insolvenz von Staaten sowie deren Austritt aus der Eurozone für im Zweifel richtig hält. All diese Maßnahmen stehen nun aber im krassen Widerspruch zu den Interessen einer nach wie vor angestrebten Exportwirtschaft, die immer davon abhängig ist, dass andere sie mit Krediten finanzieren. Ein Austritt der Schuldnerländer aus der Währungsgemeinschaft würde gar über Nacht zum Verlust deutscher Exportmärkte führen, erklärt Heiner Flassbeck in der Sendung plusminus:

„Sie werden neue Währungen einführen und diese Währungen werden sie gegenüber dem Euro abwerten und die deutschen Exportmärkte sind über Nacht verloren. Dann muss man sich vorstellen, dass in Baden Württemberg über Nacht die Hälfte aller Arbeitsplätze praktisch gefährdet sind und gestrichen werden müssen. Das ist ein absolutes Katastrophenszenario, das niemand für vernünftig halten kann.“

Quelle: plusminus

Baden-Württemberg ist oder war übrigens mal eine Hochburg der FDP. Wachstumspotenziale stärken und verstetigen kann selbst aus der dogmatischen Haltung eines Exportfetischisten heraus nicht heißen, andere kaputtzusparen. Aus reinem Selbsterhaltungstrieb müsste Rösler im Namen der deutschen Wirtschaft ein Konjunkturprogramm für Südeuropa fordern, um die so wichtigen Exportmärkte für die Heimatfront zu retten. Aber selbst zu diesem konservativsten aller logischen Denkfortschritte sind die selbsternannten Wirtschaftsexperten aus der Koalition der stabilen Verhältnisse zu dumm.

Und so hält der Rösler lieber die Klappe und verweist stattdessen in seiner Not auf die bekannten Stimmungsbarometer der Gurus aus den Häusern ifo, GfK und ZEW, die mit ihren kruden Prognosen noch nie einen Treffer in der Realität landen konnten.  

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Forsa macht sich lächerlich

Geschrieben von: am 15. Feb 2012 um 11:24

Jede Woche veröffentlicht das Forsa Institut im Auftrag von Stern/RTL (also Bertelsmann, Liz Mohn) Umfrageergebnisse. Jochen Hoff macht dabei auf eine bemerkenswert dumme, aber wahrscheinlich zur Irreführung bewusst getätigte Aussage aufmerksam.

Mit zusammen 40 Prozent liegt die schwarz-gelbe Koalition damit weiter knapp vor Rot-Grün (gemeinsam 39 Prozent).

Quelle: Stern

Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, würde das Ergebnis laut Forsa wie folgt aussehen:

  • CDU/CSU 38 %
  • SPD 26 %
  • Grüne 13 %
  • Linke 9 %
  • Piraten 7 %
  • FDP 2 %
  • Sonstige, ohne FDP 5 %

Wie kann nun aber Schwarz-Gelb mit 40 Prozent vorne liegen, wenn die FDP mit ihren 2 Prozent überhaupt nicht in den Bundestag einziehen dürfte? Nach derzeitigem demoskopischen Stand gibt es keine schwarz-gelbe Option mehr. Genauso gut hätte man auch sagen können, dass ein schwarz-braunes Bündnis aus Union und NPD, die sich offensichtlich unter “Sonstige” befinden, auch noch knapp vor oder zumindest gleichauf mit Rot-Grün liegen würde.

Diese Art der Wahlforschung ist und bleibt schlichtweg unseriös und peinlich.

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Deutsche Wirtschaft schrumpft in Q4/2011

Geschrieben von: am 15. Feb 2012 um 10:29

Nun ist es amtlich. Im vierten Quartal 2011 schrumpfte auch die deutsche Wirtschaft um 0,2 Prozent. Das teilte das statistische Bundesamt am Mittwoch mit. Aufgrund der im gleichen Zeitraum festgestellten schwachen Umsätze im Einzelhandel sowie der sich mit brutaler Gewalt niederschlagenden europäischen Sparorgie, die im wesentlichen von Deutschland aus bestimmt wird, war ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukt bereits frühzeitig erkennbar.

“Diese Daten sind wie erwartet, der leicht nachlassende Export (Außenhandelsbeitrag) schlägt negativ durch, auf der Verwendungsseite des BIPs, ebenso wie der schwache private Konsum. Damit reflektiert sich in den deutschen Daten, dass schiefe einseitig exportorientiert aufgestellte Wirtschaftsmodell, welches sich bei weltweit nachlassender wirtschaftlicher Aktivität auf Grund der Exportlastigkeit als störanfällig erweist.”

Quelle: Querschuesse

Kein BIP-Orakel dafür Börsenindikator

In Anbetracht der schlechten Nachrichten von heute, wurde gestern noch schnell der ZEW-Index durch alle Medien gepaukt. Er misst angeblich auch die Stimmung in der deutschen Wirtschaft und habe seit dem Frühjahr 2011 den höchsten Stand erreicht, erklärte den ganzen Tag über das Börsenteam der ARD. Interessant ist nun, dass diese Variante akademischer Kaffeesatzleserei in einem Anflug von journalistischem Können vom an sich überflüssigen Börsenpersonal der ARD der BIP-Entwicklung grafisch gegenübergestellt wurde.   

ZEW-Index_BIP

Ohne Zweifel kann man sehen, dass dieser Index keinerlei Aussagekraft besitzt, was die tatsächliche volkswirtschaftliche Entwicklung anbetrifft. Das erkennen auch die Journalisten auf dem Frankfurter Parkett. Bravo. Allerdings stellt diese Berufsgruppe ihre branchenspezifische Blödheit erneut mit der Feststellung unter Beweis, dass dieser Index die Entwicklung des Dax immer ziemlich genau vorwegnehme und daher die Schlussfolgerung berechtigt sei, dass es der deutschen Wirtschaft (abgeleitet von der Entwicklung des Börsenleitindexes) auch wieder besser gehen könnte.  

ZEW-Index_DAX

Man muss sich das wirklich mal klarmachen. Da stellen sich gut ausgebildete und mit GEZ-Geldern finanzierte Fachjournalisten hin und beschreiben eine simple Wechselwirkung zwischen der Verkündigung irgendeines Kaffeesatzes und dem Verhalten von Anlegern an der Börse als relevanten Indikator. Dass der Dax immer in die Richtung ausschlägt, in der sich diverse Stimmungsbarometer kurz zuvor bewegen, weil das Geschehen an den Handelsplätzen ganz konkret vom Herdenverhalten bestimmt wird und nicht von der Fähigkeit des Einzelnen Anlegers, wirtschaftliche Zusammenhänge zu analysieren und zu bewerten, dürfte doch nach den Erfahrungen der Finanzkrise nun endlich verstanden worden sein.

Finanzmärkte sind ineffizient und folgen bloß Gerüchten

Gerüchte bestimmen den Kursverlauf und nicht volkswirtschaftliche Daten. An der Börse kommt es nur darauf an, zum richtigen Zeitpunkt in eine sich aufpumpende Blase ein- und wieder auszusteigen, bevor sie platzt. Das nennt man Spekulation und hat ebenfalls keinen Bezug zur Realwirtschaft. Dennoch werden immens viele Ressourcen verschwendet, um das Treiben an den Finanzplätzen der Welt zu fördern. Auf einen Gewinn für die Realwirtschaft wartet man allerdings vergebens, weil Innovationen sich nicht auf die Verbesserung von Produktionsverfahren beziehen, die einen gesunden volkswirtschaftlichen Wettbewerb ermöglichen könnten, sondern darauf komplexe Finanzprodukte zu entwickeln, die für eine bestimmte Zeit keiner verstehen soll, aber über die Glaubhaftmachung, sie seien wertvoll, im Handel dennoch Provisionen abwerfen, solange man nicht der letzte Käufer ist.      

Doch gerade Analysten und die, die über den Blödsinn an der Börse berichten und so tun, als könnten sie etwas beitragen, um die Lebensrealität der Menschen zu erklären, flüchten von einer lächerlichen Begründung zur nächsten, um die Widersprüchlichkeit zwischen Kursverlauf und volkswirtschaftlicher Entwicklung zu vermitteln.      

Im Krisenjahr 2009 hat der weltweite Nachfragerückgang zum Beispiel nicht dazu geführt, dass die Anleger an den Börsen aus dem Risiko gegangen sind. Das genaue Gegenteil war der Fall. Im März 2009 stiegen plötzlich die Aktienkurse und vor allem der Preis für Öl und andere Rohstoffe wieder an, obwohl sich die Weltwirtschaft auf dem Weg in eine Rezession befand. Der Tiefpunkt der Krise war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erreicht und die Öllager nachweislich voll. Damals hieß es von den Analysten, dass die Märkte den Aufschwung vorwegnehmen würden, weil Frühindikatoren nach oben gezeigt hätten. Trotz Einbruch der Weltwirtschaft verdoppelte sich der Ölpreis damals in relativ kurzer Zeit. Hatte denn diese Entwicklung etwas mit Nachfrage oder einer Wachstumsdynamik zu tun?

Wohl kaum. Die Finanzmärkte sowie das Börsenteam der ARD sind hochgradig ineffizient. Das Herdenverhalten ist genau das Gegenteil von einem rationalen Marktverhalten, sagt der Ökonom Heiner Flassbeck. In Wirklichkeit haben wir es mit einem permanenten Marktversagen zu tun. Denn nur so lassen sich die Kursgewinne, die fälschlicherweise mit einem Zugewinn an materiellen Werten verwechselt werden, überhaupt erst erklären.

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Griechische Wirtschaft bricht dramatisch ein – Finanzministertreffen abgesagt

Geschrieben von: am 14. Feb 2012 um 19:52

Gerade eben wurden noch härtere Sparmaßnahmen beschlossen, die angeblich zu einer geringeren Verschuldung und zu mehr Wettbewerbsfähigkeit führen sollen. Dabei entfalten die bisher umgesetzten Kürzungen in Griechenland weiter ihre brutale und verheerende Wirkung. Die griechische Wirtschaft bricht um 6,8 Prozent im vierten Quartal 2011 ein. Zudem sind mehr als eine Million Griechen (Quote: 20,9 Prozent) ohne Job. Nach dem Willen der EU-Sparfetischisten um Kanzlerin Angela Merkel sollen es in diesem Jahr noch mehr werden, um die Arbeitslosigkeit nachhaltig wieder zu senken.

Deutlicher kann das Scheitern der aufgezwungenen Sparorgie nicht belegt werden. Immer mehr Steuereinnahmen brechen weg, das Staatsdefizit und die Verschuldung des Landes nehmen weiter zu denn ab, wie von denen weißgesagt, die immer noch daran glauben, einen volkswirtschaftlichen Sparerfolg durch das Kürzen von staatlichen Ausgaben erreichen zu können. Angela Merkel sollte zu Recht und persönlich für dieses Desaster verantwortlich gemacht werden.

Sie war es, die Hilfen an Griechenland lange mit der Begründung verweigerte, erst härtere Einschnitte durchsetzen zu wollen. Mit dieser destruktiven Politik stürzte die deutsche Kanzlerin nicht nur die Griechen in eine bedrohliche Situation, die sich nun auch mit Hilfe von Gewalt entlädt, sondern sie verteuerte mit ihrer zögerlichen Haltung das gesamte Rettungsmanöver für alle übrigen Eurozonenmitglieder.

Unterdessen wurde das ursprünglich für morgen angesetzte Gipfeltreffen der Eurozonen-Finanzminister mit der Begründung abgesagt, dass Athen die Bedingungen für ein zweites Hilfspaket noch immer nicht erfüllt habe. Deshalb seien weitere Gespräche zwischen Troika, EZB, IWF und den griechischen Behörden erforderlich.

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