Im Augenblick laufen ja wieder die Jahresrückblicke, dabei steht uns noch einiges bevor. Zum Beispiel die Ansprachen des politischen Leitungspersonals an Weihnachten und Neujahr. Am 25. Dezember spendet mit Joachim Gauck mal wieder ein neues Gesicht aus den Hallen von Schloss Bellevue den traditionellen Segen Urbi et Orbi, bevor dann die Regentin zu ihrer insgesamt achten alles ist und wird gut Rede ansetzten wird. Wenn schon zurückblicken, dann doch hier.
Als Merkel 2005 antrat, war ihr größter Wunsch, in Freundschaft mit den Nachbarn zu leben und mit kleinen Schritten das Land in zehn Jahren wieder an die Spitze Europas zu führen. Es folgte das Sommermärchen und die merkelsche Feststellung am Ende des Jahres 2006, dass sich Deutschland Schritt für Schritt gewandelt habe. Eine Kultur des Hinsehens, dieses Motto sollte für das Jahr 2008 gelten. Bei der sich abzeichnenden Bankenkrise schauten aber alle weg, was die Kanzlerin mit Blick auf 2009 wohl zu der Einleitung bewog, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Die Finanzkrise war zu diesem Zeitpunkt nur ein Exzess von einigen Bankern und Managern ohne soziales Verantwortungsbewusstsein. Sie wollte daher nicht locker lassen, bis es endlich Regeln gebe. Heute hält sie die Zügel wohl noch immer fest in ihrer Hand.
Das Jahr 2009 sollte durch schnelles Handeln im Geiste bereits gemeistert werden, um stärker aus der Krise herauszugehen als man hineingetippelt war. Die Party an den Finanzmärkten war bereits zu Ende, doch Merkel wollte noch ein wenig weiter feiern. Nicht nur 60 Jahre Bundesrepublik, sondern auch die Feierlichkeiten zu 20 Jahre Mauerfall standen unmittelbar bevor. Die größte Krise aller Zeiten musste folgerichtig hinter die gefühlsduselige Silvestererinnerung von Angela mit ihrem Joachim in Hamburg zurücktreten. Ein Jahr später erklärte die Kanzlerin die schwerste Krise seit 60 Jahren bereits für beendet. Von nun an galt es den Euro zu retten und den Fokus auf eine Staatsschuldenkrise zu legen, die man nur erfand, um das Meistern der Finanz- und Wirtschaftskrise in Deutschland verkünden zu können.
Jetzt müsse halt Europa stärker aus der Krise herausgeführt werden, als es hineingegangen war. Und wer könnte das besser, als eine schwarz-gelbe Gurkentruppe, der das mit Deutschland schon gelang? Das Jahr 2011 war für Merkel trotzdem wie eine Wundertüte. Arabischer Frühling, Fukushima und der siebenmilliardste Erdenbürger, darüber dachte die Kanzlerin während ihrer bisher letzten Ansprache nach. Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit, Menschenrechte und Demokratie sind keine kodifizierten Rechte mehr, sondern hängen mehr denn je von der Sicherheit einer Währung ab, ja von dem Vertrauen der Finanzmärkte. Die marktkonforme Demokratie ist zu einem erklärten politischen Ziel der deutschen Regierungschefin geworden. Was wird sie diesmal sagen, am 31. Dezember 2012?
Sie wird natürlich wieder den Soldaten danken, die noch immer ihr Leben für Freiheit, Sicherheit und Schürfrechte riskieren, aber auch feststellen, dass ihre Rettungsroutine von Erfolg gekrönt sei. Bis zur Bundestagswahl ist die Eurokrise ja gelöst und die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union sei für sie Bestätigung und Ansporn zugleich, so weiterzumachen wie bisher. Mit historisch niedrigen Zinsen sei das Vertrauen der Finanzmärkte in Deutschland so hoch wie nie und damit auch die amtierende Bundesregierung so gut wie nie.
Noch drei Jahre und die Dekade ist voll. Dann hat Angela Merkel ein Jahrzehnt regiert und Deutschland an die Spitze Europas geführt, wie sie es 2005 versprach. Sie hat das Land aber Schritt für Schritt an die Spitze eines Europas geführt, das die Wunden ökonomischer Unterwerfung und Diskriminierung trägt. Und wer wird dann noch über die Freundschaft mit Nachbarn und Partnern reden, die in Frieden und Freiheit leben?
DEZ