Städtebund jammert über Investitionsrückstand

Geschrieben von: am 04. Jan. 2013 um 15:50

Der deutsche Städtebund jammert über einen Investitionsrückstand in einer geschätzten Höhe von 100 Milliarden Euro. Das ist der Preis für die schwarze Null in den öffentlichen Finanzen. Denn die Kommunen sparten sich vor allem Investitionen in den Erhalt der Infrastruktur. Nun schlägt der Deutsche Städte- und Gemeindebund Alarm.

“Der Verfall der Infrastruktur wird zunehmend zur Wachstumsbremse. Bei Schulen, Straßen und öffentlichen Gebäuden wird seit Jahren eher geflickt als grundlegend renoviert”, sagte Präsident Christian Schramm.

Interessant ist nun, dass jene Forderungen, die kurz vor Weihnachten aus dem Schäuble Ministerium als neues Sparprogramm bereits durchsickerten und umgehend dementiert wurden, nun schon als Möglichkeit genannt werden, um neue Einnahmen zu erzielen. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer dürfe nach Aussage des Verbandes nicht mehr tabuisiert werden. Gleichzeitig müssen, wie immer bei solchen Kostendiskussionen, mal wieder alle Sozialausgaben auf den Prüfstand. Denn, so der Präsident des Städte- und Gemeindebundes, die Sozialausgaben würden immer weiter steigen. Im Jahr 2002 betrugen sie 28,2 Milliarden Euro und 2012 schon 45,5 Milliarden. “Das ist einfach nicht machbar”, empört sich Schramm.

Man möchte dagegen halten, diese geistigen Tiefflieger in Amt und Würden sind einfach nicht hinnehmbar! Wenn man sich die Sozialleistungsquoten der oben angeführten Jahre anschaut, also die Ausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt – und nur diese Größe zählt – wird man ganz leicht feststellen, dass die Ausgaben gemessen am BIP im Jahr 2002 höher waren als heute. Insgesamt liegt das Niveau bei rund 30 Prozent und damit kaum höher als 1975. Hier stellt sich also überhaupt nicht die Frage, ob wir uns das leisten können, sondern die Frage, wie weit man den Sozialstaat eigentlich noch auf Grundlage von falsch verstandenen Zahlen zerstören möchte. 

Sozialleistungsquote

Quelle: BMAS

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Quelle: Sozialpolitik aktuell

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Als Steinbrück noch Vorträge hielt

Geschrieben von: am 03. Jan. 2013 um 16:45

Mir ist gerade beim Stöbern in den Archiven etwas aufgefallen. Als Steinbrück nach seiner Amtszeit als Bundesfinanzminister auf den hinteren Bänken im Bundestag Platz nahm und statt dort zu sitzen und sein Mandat wahrzunehmen lieber durchs Land tourte, um gutbezahlte Vorträge zu halten, stand der heutige Spitzenkandidat der SPD ziemlich weit vorne in der beliebten Beliebtheitsskala des ARD-Deutschlandtrends. Dabei werden die Teilnehmer gefragt, ob sie mit der Arbeit des betreffenden Politikers zufrieden sind.

Erstaunlich, dass ein gewählter Politiker, der im Bundestag gar nicht arbeitet, sondern Geld mit Vorträgen außerhalb des Plenarsaals scheffelt und zudem falsch Schach spielt, eine solche Zustimmung erreichen kann.

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Quelle: infratest dimap

Im Jahr 2012 lief es dann nicht mehr so glatt für Su-Peer. Inzwischen ist der Vortragsreisende zurück auf der politischen Bühne und will in diesem Geschäft wieder aktiv mitmischen. Prompt sinken die Zufriedenheitswerte.

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Quelle: infratest dimap

Was der potenzielle Wähler von Politikern hält, hängt gar nicht so sehr von deren Auftreten ab, sondern davon, wie man ihr Tun in der Öffentlichkeit verkauft und wie Medien in Kampagnen eine bestimmte Meinung steuern. Ich möchte Steinbrück nicht in Schutz nehmen, aber die zum Teil hysterisch geführte Debatte um seine unbestrittenen Fehltritte überdeckt doch ein wenig den Fehler im Informationsaustauschsystem, das nur scheinbar objektive Fakten anbietet.

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Fördergelder werden nicht eingesetzt

Geschrieben von: am 02. Jan. 2013 um 10:19

Die schändliche Agenda-Formulierung “Fördern und Fordern” hat sich in den Sprachgebrauch fast aller Lebensbereiche eingenistet. In der Politik, in Schulen, in Betrieben und in Behörden dient diese vergiftete Floskel als schmückendes Beiwerk für Reden, Businesspläne und Strategien. Den Adressaten soll das Gefühl vermittelt werden, eine Gegenleistung zu erhalten, wenn sie sich einem mitbestimmungsfreien Forderungskatalog unterwerfen.

Ende Dezember gab die Arbeitsagentur nun einen überraschenden Überschuss von rund 2,5 Milliarden Euro bekannt und begründete diesen zunächst mit dem angeblich andauernden Jobboom und gestiegenen Weihnachtsgeldzahlungen und Jahresendprämien im letzten Monat des Jahres. Inzwischen ist klar, dass die Behörde sehr viel weniger Geld für die aktive Arbeitsmarktförderung ausgegeben hat. 

Statt der zur Verfügung stehenden 11 Milliarden Euro wurden nur 9,4 Milliarden ausgegeben, schätzt die Behörde. Demnach wurden 1,6 Milliarden Euro nicht genutzt.

Rund 300 Millionen Euro für Hartz-IV-Fördermaßnahmen blieben ebenfalls übrig.

Quelle: Welt Online

Die Meldung ist nicht neu. Bereits auf eine Anfrage der Linksfraktion im Deutschen Bundestag musste die Regierung vor rund zwei Wochen einräumen, dass mehr als zwei Milliarden Euro, die als Eingliederungshilfen für Langzeitarbeitslose in 2012 zur Verfügung standen, ungenutzt in den Bundeshaushalt zurückfließen werden. Demnach seien bis November 2012 nur drei Viertel der zur Verfügung stehenden 15,4 Milliarden Euro abgeflossen, heißt es.

Damit liegt die Regierung aber voll im Plan, will sie doch bis 2014 bei der Arbeitsmarktpolitik 20 Milliarden Euro einsparen. Sie rühmt sich einer angeblich guten Beschäftigungslage, die einmal mehr durch die Propaganda des statistischen Bundesamts scheinbare Bestätigung erfährt. Die Zahl der Erwerbstätigen habe im Jahr 2012 mit 41,5 Millionen einen neuen Höchststand erreicht. Diese Schlagzeile passt prima in das verklärende Weltbild der Bundeskanzlerin, die den hohen Beschäftigungsgrad kurzerhand mit Sicherheit gleichsetzt.

Die Wahrheit neben der geschönten Arbeitsmarktstatistik wird einfach geleugnet, wie Wolfgang Lieb heute auf den NachDenkSeiten schreibt:

Dass jeder fünfte Beschäftigte (20,6 %) für einen Niedriglohn arbeiten muss und damit alles andere als berufliche Anerkennung erfährt, dass über vier Millionen prekäre Beschäftigungsverhältnisse in Form von Teilzeitarbeit und geringfügiger Beschäftigung in Gestalt von Mini-Jobs und Leiharbeit entstanden sind, die alles andere als eine sichere Zukunft garantieren, schiebt die Kanzlerin ohne jeglichen Skrupel beiseite.

Dass prekäre Arbeitsverhältnisse wie Praktika und befristete Jobs gerade junge Leute besonders betreffen und mehr als die Hälfte aller Erwerbstätigen bis 24 Jahren befristet oder in Leiharbeit beschäftigt sind, ist doch wohl alles andere als „Sicherheit“. Dass nahezu jeder dritte Bewerber um einen Ausbildungsplatz (28,4 %) in einer Warteschleife landet und rund 2,2 Millionen Jüngerer im Alter zwischen 20 bis 34 Jahren (15 % dieser Altersgruppe) keinen Berufsabschluss hat, ist doch alles andere als ein “guter Start ins Leben“.

Dennoch rechnet die Politik aufgrund des konjunkturellen Abschwungs mit einem Anstieg der Kurzarbeit in diesem Jahr. Die Bezugsdauer wurde daher und weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit von sechs auf zwölf Monate verlängert. Arbeitsmarktforscher gehen davon aus, dass sich die Zahl der Kurzarbeiter in 2013 mindestens verdreifachen wird und Kosten von rund einer halben Milliarde verursachen könnte.

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Was wurde eigentlich aus dem Neuner-Gremium

Geschrieben von: am 01. Jan. 2013 um 20:31

Das neue Politbüro, in dem Vertraulichkeit herrschen sollte, hätte bereits vor einem Jahr mit dem sogenannten Neuner-Gremium verwirklicht werden können. Schäuble hatte dieses Modell in Karlsruhe leidenschaftlich verteidigt. Das Bundesverfassungsgericht sah es bekanntlich anders, war aber nicht grundsätzlich gegen die Delegation von Beteiligungsrechten des Bundestages an ein Sondergremium. Deshalb wurde es auch relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit im vergangenen Juni als Unterabteilung des Haushaltsausschusses gegründet.

Damit reiht sich das Sondergremium, das unter bestimmten Bedingungen über den Ankauf von Staatsanleihen geheim entscheiden darf – wenn die Bundesregierung das für richtig hält – nahtlos neben das ebenfalls geheim tagende Finanzmarktgremium ein, das über das bereits in Vergessenheit geratene 480 Milliarden Euro schwere Banken-Rettungspaket wacht. Dort sitzen auch nur neun Abgeordnete, die sich regelmäßig durch das Finanzministerium über die Verwendung der Gelder informieren lassen und zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.

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Die SPD zieht das wohl bis zum bitteren Ende durch

Geschrieben von: am 01. Jan. 2013 um 20:30

Albrecht Müller beschäftigt sich auf den NachDenkSeiten mit der Todessehnsucht der SPD, die an ihrem Kandidatenmissgriff Steinbrück weiter festhält. Mich wundert allerdings, dass Albrecht Müller die erkennbare Medienkampagne nicht wie sonst üblich thematisiert. Er schreibt etwas verwundert:

„Es ist ein bisschen schade, dass die Mehrheit der Medien die Hypotheken des Kanzlerkandidaten erst jetzt erkennen und beschreiben. NachDenkSeiten-Leserinnen und -Leser wussten vor drei Monaten schon Bescheid.

Ich hatte im Vorfeld der offiziellen Nominierung von Peer Steinbrück ernsthaft geglaubt, die SPD-Führung, insbesondere der SPD Vorstand, könnte noch erkennen, welch eine falsche Idee ihr mit dem Kandidaten Steinbrück von einigen Medien und Steinbrück-Förderern im Hintergrund untergejubelt worden war. Ich hatte gedacht, die SPD Führung wolle vermeiden, das 150-jährige Bestehen ihrer Partei und die Jubiläumsfeiern im Jahre 2013 mit einer Wahlkatastrophe zu krönen.“

Wenn die Medien und Steinbrück-Förderer der SPD einen Kandidaten unterjubeln, ist doch wohl auch klar, dass diese Kräfte ihren Personalvorschlag genauestens kennen und demnach nicht erst im Nachhinein Fakten herausfinden und publizieren, von denen jeder wissen konnte. Die Nominierung von Steinbrück diente meiner Meinung nach nicht dem Zweck, einen aussichtsreichen Gegenkandidaten zu Angela Merkel zu präsentieren, sondern etwas Schwung in etwas zu bringen, das unter dem Begriff Demokratie geläufig ist. Sie lebt von Wahlen und damit vom Angebot verschiedener Optionen, die es aber, wie Müller immer wieder richtig beschreibt, defacto nicht mehr gibt.

Die SPD verweigert sich konsequent dem Wählerwillen, mauert sich ein und hält an ihrem Vermächtnis einer katastrophalen Politik in Regierungsverantwortung fest. Der Wahlkampf 2009, in dem ein Steinmeier als amtierender Vizekanzler und Angela Merkel als Kanzlerin eine Konfrontation mieden und Steinbrück damals gar davon faselte, die große Koalition sei kein Unglück, bildete den bisherigen Tiefpunkt der parlamentarischen Demokratie. Mit der historisch niedrigsten Wahlbeteiligung von 70,8 Prozent quittierten die gelangweilten Wähler die Weigerung der Kandidaten, in eine politische Auseinandersetzung einzutreten.

Es war aber auch die Zeit der großen Ausschließeritis. Nach dem Ypsilanti-Desaster in Hessen wurde im Vorfeld von Wahlen immer nur gesagt, was auf keinen Fall zusammengehe. Das hält mit Blick auf die Linkspartei bis heute an. Dass die Wahl nun auf Sprücheklopfer Steinrück fiel, dient lediglich der Unterhaltung, der Ablenkung und dem strategischen Ziel, die Wähler ein weiteres Mal zu täuschen. Sie sollen von sich aus auf ihr Recht, zwischen Alternativen auswählen zu können, verzichten und dennoch das Gefühl haben, als hätten sie die Wahl gehabt.

„Er kann es nicht: Die Genossen müssen sich fragen, wohin man mit einem Spitzenkandidaten kommt, der einen perfekten Wahlkampf für den Gegner macht.“

Quelle: FAZ

Die Frage stellt sich nicht, da die Medien mit Steinbrück doch ihren Kandidaten in der SPD durchsetzen konnten. Im Übrigen hat das Amt des Regierungschefs nichts mit Können zu tun, wie Angela Merkel seit fast acht Jahren beweist. Nach gegenwärtigem Stand könnte den Job auch ein Hydrant übernehmen. Die wichtigen Entscheidungen werden stets von einer breiten Mehrheit im Parlament getragen. Sie nennen das dann staatspolitische Verantwortung. Man kann aber auch von einem Blockparteiensystem sprechen, in dem sich alle schlechten Schauspieler auf der politischen Bühne einig sind.

Entgegen der Hoffnung von Albrecht Müller glaube ich nicht an einen geordneten Rückzug von Peer Steinbrück. Die SPD schafft es ja bis heute nicht, sich von ihrer gescheiterten Agenda-Politik zu distanzieren. Trotz ihres 150. Geburtstags fürchte ich, die SPD zieht das bis zum bitteren Ende durch.

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Guten Rutsch und ein frohes neues Jahr

Geschrieben von: am 31. Dez. 2012 um 18:02

Eines der peinlichsten Jahre in der Geschichte der Bundesrepublik klingt aus. Ich bedanke mich bei allen Leserinnen und Lesern meines Blogs, meiner Facebook-Seite und meines Twitter-Accounts für das gezeigte Interesse, für Kommentare, für das Klicken auf „Gefällt mir“ und das Weiterverbreiten meiner Texte. Machen sie weiter so und feiern sie schön. Ich muss jetzt auch los.

Wir lesen voneinander im nächsten Jahr.

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Ein begossener Pudel meint im Feuer zu stehen

Geschrieben von: am 31. Dez. 2012 um 12:45

Zum Jahresende reiht sich auch der Bundesbankpräsident Jens Weidmann via Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in die Reihe jener Wichtigtuer ein, die noch einmal bedeutungsschwanger zu Wort kommen wollen. Sehr geschickt, wie ich finde, gelingt es aber den beiden Redakteuren Rainer Hank und Christian Siedenbiedel den Merkel-Günstling als finanzpolitische Nulpe vorzuführen, der mit seiner ablehnenden Haltung zum Kurs der EZB lediglich einen Beitrag für Deutschlands Isolation in Europa geleistet hat.

Dafür werde Weidmann hierzulande als Held gefeiert, fügen die Fragensteller listig an. Und der vermeintlich Gelobte nimmt die Vorlage wie erwartet auf, um geschmeichelt zu erwidern. Nein, die Heldenrolle sei nichts für ihn, aber zeige die Begeisterung, dass die Menschen Vertrauen in die Bundesbank hätten. Und darum gehe es ja schließlich. Vertrauen in die Fähigkeit der Notenbank, Preisstabilität mittel- und langfristig zu sichern.

Doch wo ist der befürchtete Vertrauensverlust seit dem Eingreifen der EZB geblieben, fragen die Journalisten sichtlich irritiert. Beide stellen fest, dass die bloße Ankündigung Draghis, im Notfall unbegrenzt Anleihen aufkaufen zu wollen, zu einer erkennbaren Entspannung an den Märkten geführt habe, ohne auch nur einen Euro tatsächlich investieren oder aber eine von Weidmann einst herbeifantasierte Inflation in Kauf nehmen zu müssen. Eine Momentaufnahme frotzelt Weidmann zurück:

“Dass, wie Sie sagen, momentan an den Märkten alles gut läuft, kann nicht der Maßstab sein.

Ich befürchte, dass der Reformeifer erlahmt, wenn immer wieder die Geldpolitik zur Problemlösung bereitsteht.”

Und da liegt der ganze abscheuliche Kern deutscher Rettungslogik. Die Peripherieländer seien das Problem, meint auch Weidmann. Da unterscheidet er sich ja gar nicht von der Politik und seiner Kanzlerin, die ihn stets protegiert hat. Europas Südstaaten trügen die Schuld an der Krise und von ihnen hänge auch ab, wie sich Deutschland weiter entwickele. Entsprechend erbärmlich fällt auch die Prognose des vermeintlichen Widerstandskämpfers aus, der meint, für seine Positionen in einem Feuer zu stehen. Dabei ist er nur ein begossener Pudel, auf den schon längst keine Sau in Europa mehr hört.

“Sie erwarten hoffentlich keine Prognose zum Wahlausgang, und Wirtschaftsprognosen sind derzeit noch schwerer als sonst. Aber insbesondere zum Jahreswechsel sollte man ja optimistisch sein. Insofern bin ich zuversichtlich, dass wir nach einer kurzen Durststrecke wieder auf Erholungskurs kommen – in Deutschland und im Rest der Welt. Wichtig ist vor allem, dass der deutsche Arbeitsmarkt stabil bleiben dürfte. All das basiert allerdings auf der Annahme, dass die Reformen in den Krisenländern vorankommen.”

EDIT: Diese Einschätzung wäre noch um den Zusatz “Sturz von der Fiskalklippe” zu ergänzen. Denn auch die Amis gefährden angeblich das deutsche Wirtschaftswunder, falls es heute nicht zu einer Einigung im US-Haushaltsstreit komme.

Wie wäre es denn, wenn die Deutschen selbst mal was für die Weltwirtschaft tun und ihr einseitig orientiertes Exportmodell, dass nur darauf setzt, dass andere permanent Schulden machen, überdenken. Ein guter Vorsatz fürs neue Jahr wäre das.

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Harte Zeiten im deutschen Gottesstaat

Geschrieben von: am 31. Dez. 2012 um 1:21

Erst war die Krise eine Chance, das war Ende 2008, dann folgte ein schwieriges Jahr, anschließend eine positive Bilanz und dann der Aufruf zur Zuversicht. Jetzt tritt die Kanzlerin am Ende des vierten Krisenjahres erneut mit der gleichen Abschlussrede vor ihr Volk und stimmt es auf harte Zeiten ein, nachdem ihr Finanzminister vor ein paar Tagen noch vom Gegenteil sprach und tönte, das Schlimmste hätten wir hinter uns.

Ich danke der Tagesschau Nachtredaktion für die kurze Zusammenstellung der vergangenen vier Jahre. Sehr aufschlussreich. Und doch wieder nicht.

Neujahrsansprache

Inzwischen ist die unterbezahlte Regierungschefin bei der schändlichsten aller Durchhalteparolen angekommen. Früher hätte man von einer Blut, Schweiß und Tränen Rede gesprochen, aber nicht einmal dazu ist der wandelnde Hosenanzug wirklich fähig. Die Hütte brennt, die Kanzlerin weiß es inzwischen, doch nun gelte es, sich anzuspornen für die richtige Balance zwischen dem Nichtstun auf der einen Seite und der abverlangten Geduld auf der anderen.

Was jetzt noch zählt, ist wohl der Glaube an den neuen deutschen Gottesstaat und die Hüterin der Ordnung. Sie sagt: „Wenn wir etwas können, was andere nicht können, dann erhalten und schaffen wir Wohlstand.“

Sie hätte auch sagen können: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche! Zum Zeichen dessen, dass Sie fest entschlossen sind, ohne Parteiunterschied, ohne Stammesunterschied, ohne Konfessionsunterschied durchzuhalten mit mir durch dick und dünn, durch Not und Tod zu gehen, fordere ich die Vorstände der Parteien auf, vorzutreten und mir das in die Hand zu geloben.“

In diesem Sinne, Guten Rutsch…

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Von der geistigen Klippe springen

Geschrieben von: am 29. Dez. 2012 um 21:18

Lustig am US-Haushaltsstreit ist ja die spezielle Reaktion deutscher Meinungsmacher. Komme es zu keiner Einigung zwischen Demokraten und Republikanern vor Jahresfrist folgen automatische Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen, die zu einer Schwächung der amerikanischen Binnenkonjunktur beitrügen und damit die Weltwirtschaft insgesamt gefährden. Doch wie kann das sein? Halb Europa ächzt doch unter der deutschen Sparwut, die nichts anderes als Steuererhöhungen (vor allem auf Konsum) und Ausgabenkürzungen vorsieht. In diesem Fall sprechen dieselben Meinungsmacher aber nicht von einer Gefahr für die Weltwirtschaft, sondern von gemachten Hausaufgaben.

Es muss natürlich auch weiterhin einen solventen Schuldner geben, der die deutschen Exporte finanziert. Wenn die USA auf einmal ganz ohne Zwang Ausgaben kürzen, führe das unweigerlich in eine Rezession. Wenn aber Südeuropa zu Austeritätsprogrammen gezwungen wird, spricht man von einer schmerzlichen aber notwendigen Strategie, die, so die deutschen Klippenlogiker, zu irgend einer ökonomischen Besserung der Gesamtsituation beitragen würde.

Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken sagt im Interview mit dem Deutschlandradio:

“Sie müssen sehen, die Exporte in die USA sind sehr gut gelaufen: In den ersten neun Monaten des Jahres 2012 gab es da eine Steigerung um 21 Prozent auf 65 Milliarden Euro, das heißt, das ist schon ein gravierender Betrag, und wenn es hier Störungen gibt, das heißt, wenn die Binnenkonjunktur in den vereinigten Staaten massiv abstürzt – und das würde sie sicher tun, wenn die über dieses Fiscal Ciff runterfallen. Dann hätte das unmittelbare Auswirkungen auf Deutschland und auf Europa.”

Quelle: dradio

Aha, mich wundert nur, dass dem Banker der ungleich höhere Batzen von 310 Milliarden Euro, der im gleichen Zeitraum aus Exporten in die Eurozone erzielt wurde, keinerlei Erwähnung wert ist. Bei diesen Ausfuhren hat es in den ersten drei Quartalen einen Einbruch um 2,2 Prozent gegeben. Ist die Eurozone für die deutsche Exportwirtschaft und deren Berater etwa schon abgeschrieben? Es scheint so, denn, so der Banker:

“Natürlich muss man weiterhin Druck auf Griechenland und auf die anderen Peripherieländer richten, damit die ihre Reformen weiter durchziehen, was bei Griechenland nicht ganz einfach ist.”

Demagogie ist das Gebot der Stunde. Innerhalb der Eurozone hat man einen brutalen Anpassungskurs eingeschlagen und glaubt, dadurch die bestehenden Leistungsbilanzdefizite abbauen zu können, ohne auf die eigenen Überschüsse verzichten zu müssen. Kemmer behauptet im Gespräch mit dem Deutschlandradio, die Strukturreformen hätten zu einem tatsächlichen Abbau der Leistungsbilanzdefizite in den Südländern geführt. Beim genauen Blick auf die Zahlen des statistischen Bundesamts wurden von Januar bis Oktober Waren und Dienstleistungen im Wert von 347,8 Milliarden Euro in die Eurozone ausgeführt, dagegen schlugen die Importe aus der Eurozone mit 339,4 Milliarden Euro zu Buche.

Das macht immer noch einen Bilanzüberschuss von 8,4 Milliarden Euro auf deutscher Seite und logischerweise ein zusätzliches Defizit in Höhe von 8,4 Milliarden Euro auf Seiten der übrigen Eurozone, das über Kredite finanziert werden muss. Im Vergleich zu 2011 betrug der Überschuss bzw. das Defizit zu diesem Zeitpunkt noch 17,3 Milliarden Euro. Was sich geändert hat, ist also die Höhe des nach wie vor bestehenden Ungleichgewichts. Mit einem Ausgleich der Leistungsbilanz wäre zudem überhaupt nichts gewonnen, da die über Schulden finanzierten Defizite ja auch zurückgezahlt werden müssen. Das wiederum kann nur gelingen, wenn die jetzigen Schuldnerländer ihrerseits Überschüsse erwirtschaften dürfen, aus denen sie ihre Verbindlichkeiten bedienen können.

Konkret heißt das, dass insbesondere Deutschland eine Zeit lang Defizite hinnehmen müsste, um den Schuldnerländern überhaupt die Chance zu verschaffen, aus der Krise herauszuwachsen. Allein von 1999 bis 2011 hat Deutschland gegenüber den sogenannten PIGS-Staaten (Portugal, Italien, Griechenland und Spanien) einen Leistungsbilanzüberschuss von rund einer halben Billion Euro angehäuft. Um diesen Berg wieder abzutragen, ist eine ganz andere Strategie notwendig als die gegenwärtig gefahrene brutale Anpassung durch neoliberale Reformen, unter denen die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit in den betroffenen Ländern immer weiter zurückgeht.  

Doch zurück zur geistigen Klippe, über die man so manchen Zeitgenossen gern stoßen würde. Die Leistungsbilanz mit den USA scheint Kemmer egal zu sein, wie auch Zusammenhänge der Finanzkrise insgesamt. Die Rettung der Banken beschreibt er als Abwägungsprozess mit abscheulicher Begründung:

“Ich kann das gut verstehen, dass die Leute sagen, das kann doch nicht wahr sein, dass man den Banken das Geld in den Rachen wirft und ansonsten für Sozialausgaben und Ähnliches keine Mittel hat. Aber das ist nur auf den ersten Blick richtig, es gilt immer abzuwägen, was ist das geringere Übel, und das Problem der Bankenbranche ist natürlich, dass sie eben systemrelevant ist.”

Menschen sterben zu lassen, ist das geringere Übel. Sie sind ja nicht so systemrelevant wie Banken, deren Schieflage nicht hausgemacht, sondern durch die Staaten heraufbeschworen worden sei. Und das ist wirklich der Gipfel der Kemmerschen Unverschämtheiten:

“Und die Staatsschuldenkrise ist natürlich etwas, was letztlich aus den Ländern heraus selbst gekommen ist, und das hat die Banken mit nach unten gezogen. Und in der Staatsschuldenkrise war es schon so, dass einige Staaten die Banken in Schwierigkeiten gebracht haben, denn es gab ja schon das unausgesprochene Versprechen, dass die Staatsanleihen sicher sind – die mussten ja auch nicht mit Eigenkapital unterlegt werden, sodass die Banken hier in der Tat sehr eng auch an den Problemen der nationalen Volkswirtschaften hängen.”

Zum Glück haben die Banken ja das Gröbste hinter sich und stehen so gut da wie nie. Dank der Umschuldungsstrategie halten nicht mehr sie, sondern öffentliche Gläubiger die kritischen Staatsanleihen. Damit muss der Steuerzahler zusehen, wie er zu seinem Geld kommt. Die Schuldscheine könnte der ja prima zu jenen toxischen Papieren packen, die noch immer in den Bad Banks lagern, also in jenen Abfallverwahrungsinstituten unter ebenfalls öffentlicher Schirmherrschaft, in die die armen systemrelevanten Banken ihre Tripple A Schrottpapiere aus der geplatzten Immobilienblase hineinschmeißen durften, um ihre Bilanzen zu bereinigen.

Aber um diese geistige Klippe schippert schon längst kein Bankerhirn mehr.

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TV-Tipp: Tilt! 2012 – Der etwas andere Jahresrückblick

Geschrieben von: am 28. Dez. 2012 um 15:40

Den einzigen brauchbaren Jahresrückblick liefert wie jedes Jahr Urban Priol. Tilt! 2012 läuft am Samstag, 29. Dezember um 20.15 Uhr auf 3sat.

Was für ein Jahr! Und was für einer, der es durch den Pointenhäcksler dreht! Urban Priol, der fränkische Kabarett-Anarcho, dreht und wendet die Ereignisse von 2012 – aus scheinbar Unzusammenhängen – dem knüpft er aberwitzige Fäden, die sich am Ende zu einer unglaublichen Logik verstricken.

Quelle: 3sat 

PS: Die Stunde davor sollten sie 3sat meiden.

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