Wenn es sprudelt, verarmt meistens der Staat

Geschrieben von: am 12. Mai 2013 um 18:38

Seit vergangener Woche ist die neueste Steuerschätzung raus und die Kommentare zur angeblich üppig vorhandenen Einnahmebasis des Staates sind geschrieben. In ihnen heißt es mal wieder, dass es an der Zeit sei zu sparen, weil Finanzminister Schäuble trotz des prognostizierten Rückgangs immer noch über eine Rekordsumme an Steuern verfügen könne. Dabei sind höhere Einnahmen bei einem steigenden Bruttoinlandsprodukt (BIP) nichts ungewöhnliches. Außerdem, und das ist viel gravierender, sagen nominale Rekordeinnahmen für sich genommen überhaupt nichts aus. Das könnten Journalisten allein schon daran erkennen, dass im Schatten der zu erwartenden Höchststände beständig über große Finanzierungslöcher bei Bund, Ländern und vor allem den Kommunen geklagt wird.

Die öffentliche Hand kann immer seltener ihre Aufgaben übernehmen, trotz angeblich sprudelnder Einnahmen. Das prognostizierte „Rekordsteueraufkommen“ muss also in ein Verhältnis gesetzt werden, um darüber eine verlässliche Aussage treffen zu können. Doch nirgendwo, außer in der Publikation der Steuerschätzer selbst, findet sich etwas über die Steuerquote, also jenen Wert, der die Steuereinnahmen zum Bruttoinlandsprodukt in Beziehung setzt. Er liegt bei geschätzten 22,77 Prozent für das Jahr 2013 und damit auch auf einem Rekordniveau, das aber nicht das obere, sondern immer noch das untere Ende der Fahnenstange beschreibt. Zumindest unterdurchschnittlich ist die Entwicklung dieser Quote wenn man sie mit der anderer Länder vergleicht. Das heißt also, dass die Steuereinnahmen zwar einen noch nie dagewesenen Höchstwert erreicht haben mögen, gemessen am BIP aber dem Staat immer weniger Geld zur Wahrung seiner Aufgaben zur Verfügung steht.

Das hat auch einen Grund, der vor allem in den Steuersenkungsorgien der Regierungen Schröder bis Merkel zu finden ist. Sie haben den Staat um Einnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe gebracht. Dennoch will das Lied von der Ausgabendisziplin nicht verklingen. Gerade jetzt, wo halb Europa unter dem Spardiktat der Deutschen zu leiden hat und der Kontinent als Ganzes auf eine jahrelange Depression zusteuert, fällt deutschen Journalisten nichts besseres ein, als das zu fordern, was sie immer reflexhaft fordern, weil sie von Volkswirtschaft einfach nichts verstehen wollen. Man möge doch endlich richtig sparen. So als ob es hierzulande keine verrottende Infrastruktur geben würde. Dabei gammeln Schulen, Straßen und öffentliche Gebäude nur deshalb seit Jahren vor sich hin, weil man sich die Renovierung aus Kostengründung immer wieder spart. Zuletzt jammerte ja auch der deutsche Städtebund über einen Investitionsrückstand von rund 100 Milliarden Euro.

Für diese Schieflage in der Wahrnehmung haben Medien wie auch die Steuervermeidungsfetischisten immer die gleiche Antwort parat. Der Staat sei kein guter Haushälter und gebe zu viel Geld an Stellen aus, wo er es doch lieber bleiben lassen sollte. Bei den Sozialleistungen zum Beispiel bestehe immer Einsparpotenzial. Nur traue sich aus Angst vor unpopulären Entscheidungen niemand so recht an diesen Posten heran. Doch auch hier stützen die wenig aussagekräftigen nominalen Daten die wackelige Argumentation. Gemessen am BIP lagen die Ausgaben im Jahr 2002 allerdings höher als heute und mit einem aktuellen Niveau von 30 Prozent kaum höher als 1975. Doch ginge es nach den Hardlinern, könne der Sozialstaat allein von der Spendenbereitschaft gönnerhafter Steuerhinterzieher wie Uli Hoeneß leben, die schließlich besser wüssten, für welchen guten Zweck Vermögen eingesetzt werden sollte.

Mehr Steuern zu verlangen, widerspricht hingegen dem trotzigen Weltbild vieler Meinungsmacher, die sich im Augenblick genüsslich und giftig am Wahlprogramm der Grünen abarbeiten, das ja bekanntlich eine zaghafte Erhöhung einzelner Abgaben vorsieht. Was aber dagegen spricht, beispielsweise die Abgeltungssteuer von 25 Prozent in die Mülltonne zu werfen und alle privaten Kapitaleinkünfte wieder mit dem persönlichen Einkommenssteuersatz zu versteuern, erklären die notorischen Steuerhasser nicht. Und was ist gegen eine Wiederbelebung der Vermögenssteuer zu sagen, die es ja offiziell noch gibt, aber keine Einnahmen generiert?

Insgesamt tragen die vermögensbezogenen Abgaben, also Vermögensteuer (Erhebung seit 1997 ausgesetzt), Grundsteuer, Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer gerade einmal 4 Prozent zum Gesamtsteueraufkommen bei und machen damit nicht einmal 1 Prozent des BIP aus. Das ist weniger als die Hälfte des Durchschnitts der entwickelten Länder. Zudem besitzt das reichste Zehntel der Bevölkerung inzwischen 66 Prozent des Gesamtvermögens, also 6,4 Billionen Euro. Steuergerechtigkeit muss daher die Antwort auf vermeintlich “sprudelnde” Einnahmen heißen, die nur deshalb so abgefeiert werden, um die systematisch vorangetriebene Verarmung des Staates zu verschleiern.

Wer darüber hinaus Steueroasen wirksam austrocknen will, muss mit deren Mästung aufhören und die verfehlte Unternehmens- und Vermögensbesteuerung des vergangenen Jahrzehnts beenden bzw. korrigieren. Es muss beispielsweise Schluss sein mit der Steuerfreiheit auf Veräußerungsgewinne, die rot-grün einmal beschloss und seit dem nie zurückgenommen wurde. Zudem ist mit 20 Prozent die Steuerbelastung von Unternehmens- und Vermögenseinkommen historisch, vergleichsweise und rekordverdächtig niedrig. An dieser Stelle gäbe es viel Reformbedarf, um den Staat als ganzes auf solidere Füße zu stellen und gleichzeitig für eine gerechtere Finanzierung zu sorgen.

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CSU braucht gute Umfragewerte und GMS liefert

Geschrieben von: am 05. Mai 2013 um 14:50

Die CSU braucht mal wieder gute Umfragewerte und der Haus- und Hof-Demoskop der Partei liefert. In einer aktuellen Umfrage im Auftrag von Sat.1 Bayern soll die CSU trotz der Abgeordneten-Affäre stabil bei 47 Prozent liegen und kann damit weiterhin auf die absolute Mehrheit hoffen. In der Süddeutschen vom 17. August 2010 heißt es über den GMS-Chef Helmut Jung:

“Jung, gebürtiger Kölner, leitete zwischen 1972 und 1979 die Abteilung Wahlforschung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Danach stieg er zu einem der führenden Meinungsforscher für die Union auf. 1998 hat er sich mit der Gesellschaft für Markt- und Sozialforschung (GMS) in Hamburg selbständig gemacht.”

Zuletzt war ja das ebenfalls als unionsnah geltende Allensbach-Institut bei der CSU in Ungnade gefallen. Deren Chefin Renate Köcher schockte die Christsozialen in Wildbad Kreuth zu Beginn des Jahres mit Ergebnissen, wonach die Partei nur auf 41 Prozent käme, wenn im Januar Bundestagswahl gewesen wäre. “Völliger Quatsch” und “Stimmt nicht” waren die Reaktionen. Die Zahlen stünden im scharfen Kontrast zu der Stimmung auf den Neujahrsempfängen der CSU, hieß es empört. Andere Umfragen, die bereits erwartet wurden, fielen hingegen deutlich positiver aus.

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Geh doch nach drüben

Geschrieben von: am 05. Mai 2013 um 13:51

Das Motto des Kirchentages lautete “Soviel du brauchst”. Es stand für Grundsätze wie, das richtige Maß finden, nicht über die Stränge schlagen und verantwortlich mit den Ressourcen umgehen. In Sachen Lohngerechtigkeit und Arbeitnehmerrechte weiß die Kirche, wie viel ihre Arbeitnehmer brauchen und was sie auf keinen Fall dürfen, denn, so Kirchentagspräsident Robbers, Mitarbeiter, die das Prinzip der Dienstgemeinschaft nicht mittragen könnten, sollten halt woanders arbeiten. So einfach ist das aber nicht.

Die Kirche ist ein ziemlich großer Arbeitgeber, der vor allem soziale Einrichtungen wie Kindertagesstätten, Altenpflegeheime, Krankenhäuser und sogar Schulen betreibt, also öffentliche Aufgaben übernimmt. Rund 450.000 Menschen sind allein in den sozialen Einrichtungen der evangelischen Kirche beschäftigt. Bestens ausgebildete Fachkräfte, Pflegepersonal, Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrerinnen und Lehrer können nicht mal eben woanders arbeiten, wenn Kommunen und Länder gleichzeitig einen immer tieferen Sinn in der engen Zusammenarbeit mit den Kirchen sehen.

Die mit Steuergeldern unterstützte Kooperation mag in den Augen vieler Vorteile haben, sie ist aber für Arbeitnehmer dann niemals voraussetzungslos. Neben der Eignung durch Qualifikation ist das Bekenntnis zum Glauben offenbar unabdingbar und immer auch Teil der Stellenbeschreibung. Außerdem wird Mitarbeitern in Führungspositionen schon mal nahegelegt, sich öffentlich zum christlichen Glauben zu bekennen, um damit das kirchliche Profil der Einrichtung auch nach außen hin stets erkennbar zu halten. Der Grund dafür kann nur der Wettbewerb sein, in den die Politik auch die Kirchen getrieben hat. Sie müssen sich gegenüber privaten Anbietern, die ganz klar auf Profitmaximierung setzen, behaupten.

Doch was ist, wenn sich Mitarbeiter nur pro forma zum Glauben bekennen, weil sie es müssen, um den Job zu bekommen? Kann sich die Kirche dann überhaupt auf die im Grundgesetz verbrieften Sonderrechte berufen? Während sich Gewerkschaften und Kirchenvertreter über diese Frage streiten, hält sich die Politik freilich heraus und erklärt sich für nicht zuständig. Sowohl Kanzlerin Merkel als auch ihr Herausforderer Wahlhelfer Peer Steinbrück nutzten die Plattform Kirchentag, um Wahlkampf in eigener Sache zu führen. Die eine sprach von der Energiewende unter dem albernen Stichwort Schöpfung in der globalisierten Welt und der andere über eine schärfere Bankenregulierung.

Die Schlagzeilen zum Thema Lohn liefern beide aber nicht, sondern ausgerechnet die FDP auf ihrem Parteitag im fernen Nürnberg. Dabei hat diese marktradikale Splitterpartei überhaupt nichts beschlossen, was es nicht schon gibt. Dennoch plappern die Medien eine Agenturmeldung nach, wonach sich die Liberalen einer moderaten Öffnung bei Mindestlöhnen hingegeben hätten. So ein Blödsinn. Rösler versucht nur auf der Basis des Bestehenden alles, um sich und seine verkommene Partei über die 5-Prozent-Hürde zu hieven.

Zum Beispiel muss die Regierungs-FDP den gerade im Friseurhandwerk ausgehandelten Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro für allgemeinverbindlich erklären. So steht es im Arbeitnehmerentsendegesetz, das bereits in vielen Branchen Mindestarbeitsbedingungen regelt. Wenn die FDP also öffentlichkeitswirksam über Mindestlöhne streitet, um dann ein politisches Programm zu verabschieden, das vorschlägt jene Regelungen umzusetzen, die bereits jetzt durch Schwarz-Gelb angewendet werden, so kann man nur von einem durchschaubaren Theater sprechen. Der FDP geht es dabei nur um ein verbessertes Image, nicht aber um eine bessere Politik.

Denn auch die Liberalen finden, dass in Sachen Lohnpolitik niemand, außer ihresgleichen, über die Stränge schlagen sollte, weil es die Ressource Arbeit angeblich gefährde. Und wer findet, zu wenig zu verdienen, soll doch einfach woanders hingehen, in eine andere Stadt vielleicht und zu einem anderen Betrieb. So einfach ist das aber nicht.

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Neues zum 1. Mai mit Priol und Pelzig

Geschrieben von: am 01. Mai 2013 um 12:40

Neues zum 1. Mai haben Pelzig und Priol in der Walpurgisnacht geliefert.

Neues vom 1.Mai

Wer die Sendung verpasst hat, weil er wie ich lieber Fußball schauen wollte, obwohl Priol das Ergebnis des Spiels selbstverständlich live in die Dialoge miteinbaute,  oder wer irgendwo besoffen in den Mai gestolpert ist, der kann Neues aus der Anstalt wie immer in der ZDFmediathek abrufen. Es lohnt sich, besonders der Teil, in dem es um den armen Steuersünder Edgar ging. Eine absolut geniale Anspielung auf das rührselige Interview von Uli Hoeneß mit der Zeit, das am Donnerstag erscheinen wird.

Auf youtube gibt es ebenfalls einen Mitschnitt.

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Finde den Fehler: Es ist übrigens immer derselbe

Geschrieben von: am 30. Apr. 2013 um 17:40

Was stimmt hier bloß nicht? Wissen Sie es? Die Meldungen stammen beide von heute und spiegeln zum einen die Gewichtung zwischen Wirklichkeit und Traumwelt wider – letzterer wird deutlich mehr Raum zugebilligt – wie auch die Qualität eines Mediums, das auf Nachdenken offenbar verzichtet.

Welt_Einzelhandel

Quelle: Welt Online

Welt_GfK

Quelle: Welt Online

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Aber die Überzeugung stimmt

Geschrieben von: am 30. Apr. 2013 um 16:08

Der Parteitag der Grünen hat einiges an Erkenntnissen gebracht. Unter anderem die, dass die Ausweitung des Niedriglohnsektors nicht zu dem erhofften Wohlstand geführt hat. Aber hören sie selbst.

Katrin Göring-Eckardt ist von mehreren Überzeugungen überzeugt.

Ja leider haben die Minijobs keine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt schlagen können. Wie auch, wenn das erklärte Ziel der Regierung Schröder nicht die Schaffung von regulärer, sondern atypischer Beschäftigung war, um so die neoliberale Forderung nach einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes zu erfüllen.

“Wir müssen und wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt. […] Wir haben einen funktionierenden Niedriglohnsektor aufgebaut”

Gerhard Schröder, World Economic Forum in Davos, 28.01.2005

Wenigstens haben es die Grünen versucht und schon nach zehn Jahren festgestellt, dass die Politik, die sie mit zu verantworten haben, leider misslungen ist. Aber die Überzeugung stimmt und das ist es doch, was zählt. Alles weitere zum Parteitag der Grünen hat Volker Pispers zusammengefasst. Er spricht unter anderem über den Schulterschluss der Grünen mit dem natürlichen Partner SPD. Der Wähler liebt ja geschlossene Reihen, weil er dann nicht sehen muss, was dahinter liegt.

Volker Pispers über den Schulterschluss
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Das Zeitalter der politischen Wende

Geschrieben von: am 30. Apr. 2013 um 6:49

Der Fall Hoeneß kam offensichtlich sehr überraschend für die Berliner Politik. Die einen zeigten sich menschlich enttäuscht, aber in der Sache wenig kompromissbereit und die anderen verwandelten die Vorlage aus Bayern souverän ins eigene Tor. In der Frage der Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung bereitet Bundeskanzlerin Angela Merkel nun ihren nächsten Schwenk um 180 Grad vor. Nachdem CDU und FDP eine Woche lang auf das falsche Pferd gesetzt hatten, soll nun eine Arbeitsgruppe unter Wolfgang Schäuble das Umdenken organisieren. An Merkel wird wie immer nichts haften bleiben.

Nach dem Motto, mir nach, ich folge euch, fällt auch dieses Schauspiel unter das alte Schema des plötzlichen Kurswechsels. Die Liste der Kehrtwenden ist lang. Zuletzt plädierte Merkel für die steuerliche Gleichstellung der Homo-Ehe. Die Schwenks in der Atompolitik, bei der Wehrpflicht, bei der Eurorettung oder beim Mindestlohn sind hinlänglich bekannt und haben der Kanzlerin nie geschadet. Es scheint so, als hätte Merkel die politische Wende von 1989, über die sie immer so gern erzählt, auf ihr Handeln als Regierungschefin einfach übertragen.

Natürlich sind die Kurswechsel nicht immer ernst gemeint, sondern folgen einem Plan zur Verbesserung des Images. Merkel musste vergangene Woche feststellen, dass nahezu alle Deutschen, mit Ausnahme derer, die ein Konto in der Schweiz haben, es nicht gut finden, wenn Steuerbetrüger straffrei ausgehen. Auf Dauer ließ sich also die bisher vertretene Position nicht aufrecht erhalten. Mit dem albernen Vorschlag, nun eine Arbeitsgruppe einzusetzen, gewinnt die Kümmerin mal wieder Zeit und sicherlich auch Ansehen. Die Tatsache aber, dass der Regierungssprecher, der ja für Merkel spricht und nicht für sich selbst, bereits kräftig auf die Bremse getreten ist und vor einem “Schnellschuss” warnte, fällt da nicht weiter ins Gewicht.

Es ist wie immer. Merkel täuscht an und alle fallen darauf herein. Denn warum sollte das Umdenken in einer ziemlich einfachen Frage Monate dauern und wahrscheinlich kurz vor der Bundestagswahl entschieden werden? Wahltaktik? Natürlich nicht. Der Grund ist banal. Die Abgeordneten, die ihren Verstand offenbar an der Garderobe abgegeben haben, müssen die internen Sprechblasenautomaten neu programmieren und Sätze erfinden, die das Gegenteil vom bisher Gesagten ausdrücken. Das dauert halt. Doch wenn die Führung eine andere Meinung vorgibt, muss man sich als gewissenhaft arbeitender Parlamentarier eben anpassen.  

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Neues vom “dümmsten Gericht”

Geschrieben von: am 29. Apr. 2013 um 18:34

Die “wichtigen” überregionalen Medien gehen bei der Platzvergabe im NSU-Mordprozess leider leer aus. Frankfurter Allgemeine, Die Welt, Die Zeit, Frankfurter Rundschau, taz und auch die Süddeutsche hat es getroffen. Dafür dürfen Bild (freut sich schon über den gewonnenen “Verlosungskrimi”), Brigitte und RTL2 ausführlich berichten. Ausgerechnet RTL2, die eine vermeintliche Nachrichtensendung nur deshalb im Programm haben, um die Sendelizenz nicht zu verlieren. Das ganze Verfahren ist an Peinlichkeit kaum noch zu überbieten. Natürlich haben sich bei der Verlosung mehr Medien angemeldet, als bei der ersten Akkreditierungsrunde. Der Ausgang des Losverfahrens war also vorhersehbar wie auch die Tatsache, dass einige Medien das Ergebnis nun anfechten werden.

Und das alles nur, weil das Gericht offenbar beleidigt von der Karlsruher Entscheidung ein noch korrekteres Vergabeverfahren vollziehen wollte. Was wäre aber gewesen, wenn das Gericht den zahlreichen Vorschlägen und Angeboten zur raschen Lösung der unbefriedigenden Situation gefolgt wäre? Warum hat man den Tausch von Plätzen nicht zugelassen oder gar einen größeren Gerichtssaal gewählt? Selbst der Vorschlag von Oliver Welke in der heute-show vom 19. April, einfach ein paar Klappstühle im Gerichtssaal aufzustellen, hatte seinen Charme. Nein, Vorschriften müssen eingehalten werden, egal wie lächerlich man sich auch macht. Bei Problemen wird einfach die ahnungslose Pressesprecherin in den Ring geschickt.

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Da hat irgendein Journalist gut recherchiert

Geschrieben von: am 29. Apr. 2013 um 17:52

Eine unabhängig handelnde Kanzlei hat Strafanzeige gegen unbekannte Beamte der Münchener Staatsanwaltschaft gestellt. Die hätten, so die Anwälte, im Fall Hoeneß dessen Selbstanzeige öffentlich gemacht und damit gegen das Steuergeheimnis verstoßen. Von parteiischer Strafverfolgung nach US-amerikanischen Vorbild ist da in der Begründung die Rede. Harter Tobak und lustig zugleich. Denn die Behörde sollte in Anlehnung an einen Satz von Karl-Heinz Rummenigge zum vorzeitig bekanntgewordenen Götze-Transfer einfach erwidern: “Da hat irgendein Journalist sehr gut recherchiert.”

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Nun ist wieder von Vollbeschäftigung die Rede

Geschrieben von: am 28. Apr. 2013 um 17:56

Die FAZ fabuliert in einer aktuellen Serie über die bevorstehende Vollbeschäftigung. Arbeit für Alle heißt der radaktionelle Unsinn, bei dem der verantwortliche Redakteur für Wirtschaft Online, Patrick Bernau (Jahrgang 1981), glaubt, anhand von 10 Punkten belegen zu können, warum es Vollbeschäftigung geben wird und die Einwände gegen diese “optimistische Prognose” haltlos sind. Was dann aber folgt, ist übelste Vulgärökonomie.

Zunächst einmal stellt der Autor fest, dass ja eine Menge Menschen demnächst in den Ruhestand wechseln werden. Das heißt, Arbeitsplätze werden frei, die folglich von der viel kleineren jüngeren Generation besetzt werden können. So als ob Arbeitsplätze, die ihren Besitzer verlieren, einem Naturgesetz folgend automatisch wieder besetzt werden müssen. Scheinbar hat der Autor noch nie etwas von Stellen gehört, die ersatzlos wegfallen können, weil Unternehmen schließen oder die vorhandene Arbeit auf die noch verbliebenen Mitarbeiter verteilt wird. Auf der anderen Seite steigt natürlich die Zahl der Beschäftigten, was Bernau als Beleg für seine These anführt. Doch ignoriert er ganz bewusst die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden, die trotz Zunahme der Beschäftigung nahezu unverändert blieb. Das wiederum heißt, dass die Beschäftigungszunahme auf Kosten regulärer Vollzeitstellen zustande gekommen sein muss.

Doch auch das Suchen und Finden einer Lehrstelle gehe heute ohne Probleme vonstatten, behauptet Bernau. Er stützt sich damit wohl auf die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, wonach es mehr offene Ausbildungsstellen als nicht vermittelte Bewerber gebe. Dass aber immer noch fast jeder dritte Jugendliche, der eine betriebliche Ausbildung sucht, in einer Maßnahme steckt und damit in einer Warteschleife festsitzt, verschweigt der FAZ-Autor. Für ihn und seine Redaktionskollegen gilt die simple Rechnung, dass Demografie und angeblicher Fachkräftemangel zu einer wundersamen Bereinigung des Arbeitsmarktes beitragen werden. Doch das ist eine freche Lüge, die der bitteren Realität mit Täuschungsabsicht vorangestellt wird.

Die im Augenblick grassierende Jugendarbeitslosigkeit im Süden Europas nimmt Bernau freilich zur Kenntnis, das liege aber, wie sollte es anders sein, an fehlenden Reformen nach deutschem Vorbild. Diese haben uns schließlich vorangebracht. Lohnzurückhaltung und Hartz-Reformen, von denen übrigens nur eine einzige – nämlich Hartz IV – überlebt hat, hätten die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähiger gemacht. Wenn die Krise nun nicht noch einmal eskaliert (wie würde man wohl den aktuellen Zustand sonst beschreiben?), würden die so geschaffenen Arbeitsplätze, gemeint ist der tolle Niedriglohnsektor, nicht mehr so einfach verschwinden, schreibt Bernau. Was da gerade in Europa geschieht, sieht der Autor offenbar weniger als Bedrohung für Deutschlands Wirtschaft an, wohl aber höhere Löhne. Die seien ein Risiko für bestehende Arbeitsplätze, meint er.

Überhaupt sei schlechte Bezahlung eher ein Märchen, schwadroniert Bernau weiter. Denn in Berufen, in denen Arbeitnehmer knapp und begehrt sind, diktieren nicht die Arbeitgeber, sondern die Bewerber den Preis. Auch das ist eine schamlose Verdrehung der Tatsachen. Kein Altenpfleger und keine Altenpflegerin, deren Fehlen ja immer zu beklagt wird, diktiert den Arbeitgebern die Höhe des Gehalts. Vielmehr ist auch hier Lohndumping angesagt, was unweigerlich zu einem Mangel an qualifiziertem Personal führt. Besonders perfide ist Bernaus Bezug auf Amazon und den aufgedeckten Leiharbeiter-Skandal. Hier schreibt er gegenüber dem Versandhändler wohlwollend:

“Diese Stellen waren zwar gar nicht schlecht bezahlt, nämlich mit neun Euro je Stunde und damit über der Niedriglohngrenze und allen Mindestlohnforderungen. Trotzdem hatte Amazon für diese Stellen kaum Mitarbeiter in der Nähe seines Lagers gefunden. Stattdessen musste die Firma Studenten und andere Leute aus ganz Europa nach Hessen holen und dort beherbergen.”

In der Tat hat Amazon keine Mitarbeiter in Deutschland gefunden, aber hätte dann nicht nach der Logik Bernaus der Lohn steigen müssen? Die Gewerkschaften fordern von Amazon einen Tariflohn in Höhe von 11 bis 12 Euro zu zahlen, wie er für Lagerarbeit im Einzelhandel üblich ist. Doch stattdessen ist nur ein kleiner Teil der Mitarbeiter überhaupt fest angestellt, der Rest befristet oder als Hilfskraft über Leiharbeit im Unternehmen beschäftigt. Die spanischen Mitarbeiter, deren Not infolge der von Deutschland aus betriebenen Austeritätspolitik ja bloß ausgenutzt wird, sind zudem mit falschen Gehaltsversprechungen gelockt worden. Das kann man auch als Geschäftsmodell begreifen, das gezielt darauf ausgerichtet ist, alle legalen wie illegalen Möglichkeiten zu nutzen, um Personalkosten einzusparen, selbst wenn das Angebot an Arbeitskräften knapp ist.

Toll ist auch die bahnbrechende Erkenntnis, wonach sich die Arbeitslosigkeit in manchen Regionen Deutschlands quasi von selbst erledige, da dort in Zukunft kaum noch Menschen leben würden.

“Im Osten mögen strukturschwache Gegenden übrig bleiben, doch dort sind dann nicht mehr viele Menschen arbeitslos, weil dort nicht mehr viele wohnen.”

Außerdem, so lernen wir aus Punkt 10, bauen wir dank zusätzlicher Maschinenhilfe mehr Autos je Arbeitsstunde, was natürlich ebenfalls automatisch zu mehr Geld in der Unternehmenskasse führt. Warum dann aber Opel in Bochum dicht machen muss und andere Autobauer ihre Fahrzeuge nur noch schwer loswerden, spielt für Bernau keine Rolle, wie überhaupt in seiner Vorstellung von Wirtschaft keinerlei Nachfrage und zusammenbrechende Absatzmärkte eine Rolle spielen.

Was ist aber, wenn viele Menschen nicht in Rente gehen, sondern gleich in die Altersarmut? Die jährliche Rentenbestandsstatistik, die kürzlich veröffentlicht wurde, zeigt, dass über 6 Millionen Rentner in Deutschland mit Bezügen von unter 500 Euro und gut 13,5 Millionen Rentner von unter 1000 Euro im Monat auskommen müssen. Über die Hälfte aller Rentner hat weniger als 750 Euro im Monat zur Verfügung. Das sind Einkommen, die kaum Kaufkraft entwickeln dürften. Hinzu kommt die schwache Lohnentwicklung, die den niedrigen Renten vorausgeht. Auch von dieser Seite kann kein Nachfrageimpuls ausgehen.

Ein Abschmieren der Konjunktur im Wahljahr kann sich die Regierung aber dennoch nicht leisten, daher wird die Lage weiterhin beschönigt und so gerechnet, dass das Ergebnis am Ende den Erwartungen entspricht. Das ifo-Institut sieht eine konjunkturelle “Verschnaufpause” und der Bundeswirtschaftsminister meint, der “Konjunkturwinter” liege hinter uns. Dabei hat es seinen bisherigen Äußerungen nach, einen solchen ja nie gegeben. Stets befand sich Deutschland auf einem guten Weg. Allenfalls eine Wachstumsdelle mochte die Fehlbesetzung im Bundeswirtschaftsministerium einmal zugeben.

Forsch behauptet Rösler weiter, die Stimmung bei den Verbrauchern und in den Unternehmen habe sich in den letzten Monaten verbessert. Dabei ist bei den Stimmungskanonen der GfK und dem ifo-Institut schon leise von Stagnation und Dämpfern die Rede, weil sich die tollen Indizes nicht mehr beliebig nach oben manipulieren lassen. Und weil das so ist, springen Medien wie die FAZ in die Bresche und starten eine abwegige Serie über Vollbeschäftigung. Das ist so überflüssig wie durchschaubar. Statt einer rein statistischen Vollbeschäftigung hinterherzuschreiben, wäre es klüger für ein Blatt der scheinbürgerlichen Klientel, eine Politik zu entlarven, die nicht ökonomischer Vernunft gehorcht, sondern allein darauf ausgerichtet ist, Partikularinteressen zu bedienen.

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