Die Bundesagentur für Arbeit sorgt sich um ihre Finanzen, falls die Krise in mittlerer Stärke wieder zuschlagen sollte. Der Zeitpunkt des Aufschreis ist bemerkenswert, zeigt er doch, dass selbst die führenden Köpfe in der BA mit einer neuerlichen Zuspitzung rechnen, obwohl sie nach außen hin Gelassenheit demonstrieren und den Arbeitsmarkt wie auch das wirtschaftliche Umfeld gebetsmühlenartig als robust bezeichnen.
Bis zum Jahresende sollen die Rücklagen auf rund 1,7 Milliarden Euro sinken, heißt es. Damit wäre ein weiteres Programm zur Finanzierung von Kurzarbeit und ergänzender Maßnahmen, das zwischen acht und elf Milliarden kosten würde, nicht machbar, sagt Peter Clever, stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender. Er verlangt daher ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zur BA in Krisenzeiten. Doch kaum jemanden interessiert die Frage, warum es noch einmal zu einer Krise kommen sollte. Es interessiert sich von der schreibenden Zunft auch niemand für die Frage, warum die BA beim Bund eigentlich um Zuschüsse betteln muss. Sind etwa die Beiträge, die in den vergangenen Jahren permanent unter dem Vorwand des Überflusses gesenkt wurden, nicht ausreichend, um Krisenszenarien zu überstehen. Und warum ist die Finanzierung von Kurzarbeit das einzige Krisenrezept? Wo bleibt die Forderung nach einem Beschäftigungsprogramm oder einer antizyklischen Intervention des Staates mittels Konjunkturprogramm?
Wir haben keine Krise, sagt die Regierung. Merkel meint, das Land sei stärker aus der Krise herausgekommen als es hineingegangen ist. Der nächste Einbruch der Wirtschaft wird die politisch Handelnden, egal in welcher Farbkonstellation sie auch nach dem Wahltermin im September zusammenarbeiten werden, erneut wie ein Spring-ins-Feld-Teufel überraschen. Die Leugnung einer Rezession vor der Bundestagswahl ist praktische Übung und war nicht anders zu erwarten. Die Eingliederung der Arbeitslosenversicherung in das Bundesfinanzministerium ist allerdings ein Skandal, den die Versicherten, die zu Recht Leistungen im Krisenfall einfordern, nicht hinnehmen sollten. Dass der Ausgleich für die Senkung der Beiträge (160 Milliarden Verlust), von denen nur die Arbeitgeber wirklich profitieren, über Steuern laufen muss, macht die Bundesagentur für Arbeit zu einem bloßen Werkzeug der Bundesregierung. Sie bestimmt über den Haushalt und damit über Maßnahmen, die finanziert werden dürfen. Dass dabei immer mehr Versicherte mit Vermittlungshemmnissen auf der Strecke bleiben, ist politischer Wille, aber nicht mit dem Versicherungsprinzip vereinbar.
Wer darüber hinaus Krisen verhindern will, muss selbst aktiv werden, anstatt sich schmarotzend auf die Konjunkturprogramme anderer Staaten zu verlassen und bis dahin Kurzarbeit endlos zu finanzieren. Deutschland profitierte 2008/2009 weniger von der eigenen Wirtschaftspolitik als von der befreundeter Handelspartner. Wenn sich Ausspähen unter Freunden nicht gehört und inakzeptabel ist, dann aber auch das einseitige Nehmen auf Kosten anderer im volkswirtschaftlichen Sinne. Die Zinsen sind niedrig. Nie war es günstiger Schulden zu machen, um die Konjunktur zu stimulieren. Gerade Deutschland müsste fiskalpolitisch sehr viel mehr tun, um die Krise in Europa zu beenden und einer Verschärfung der Lage auch hierzulande vorzubeugen.
Das Senken von Beiträgen zur Sozialversicherung ist dabei ein Irrweg, da sich die angeblichen Entlastungen immer nur negativ auf den Leistungskatalog auswirken und nicht, wie behauptet, stimulierend auf die Konjunktur. Die Arbeitnehmer sind verunsichert, weil sie nicht wissen, ob sie ausreichend abgesichert sind und halten sich mit Konsum und Forderungen nach mehr Lohn eher zurück. Die Arbeitgeber sind dagegen glücklich über Lohnkosten, die sie nicht zu zahlen brauchen. Investiert wird unter diesen Voraussetzungen allenfalls am Kapitalmarkt, da die Nachfrage aus der realen Wirtschaft fehlt. Das führt am Ende zu jener Krise, die die Bundesagentur offenbar erwartet, auch wenn sie offiziell behauptet, alles sei robust.
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JUL