Die Woche der faulen Kompromisse beginnt

Geschrieben von: am 18. Nov 2013 um 10:12

Bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin steht die Entscheidungswoche an. Bis zum 27. November soll der Vertrag zwischen Union und SPD stehen. Eigentlich sind es aber traurige Tage, an denen ein fauler Kompromiss nach dem anderen geschlossen werden wird wie zum Beispiel die feste aber unverbindliche Frauenquote. Manuela Schwesig, die vor dem Parteitag der SPD noch medienwirksam mit dem Abbruch der Verhandlungen drohte, spricht nun von einem wichtigen Signal für die Frauen und von einem großen Fortschritt in Sachen Gleichstellung. Brauchbare Ergebnisse sind das aber nicht.

Die Durchbrüche, die der Öffentlichkeit jetzt wahrscheinlich jeden Morgen aufs Butterbrot geträufelt werden, taugen vielleicht etwas für die ARD-Themenwoche Zum Glück, nicht aber für die Mitglieder der SPD, die über das Bündnis mit der Union abschließend entscheiden sollen. Beim ganz wichtigen Thema Mindestlohn droht die Union ebenfalls mit einem Kompromiss. Dabei ist allein schon die Vorstellung eines Vergleichs beim Mindestlohn abwegig. Entweder man ist dafür oder dagegen. Wenn eine Seite das Etikett für eine Schachtel liefert, in der die Überzeugung des anderen enthalten ist, nennt man das Etikettenschwindel. Und genau daran arbeiten Union und SPD.

Das großzügige Entgegenkommen der Union besteht nämlich darin, der SPD eine Lohnuntergrenze anzubieten, die erst 2016 kommen, von einer Kommission aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern überwacht werden und nicht für alle Branchen und Regionen gelten soll, dafür aber offiziell gesetzlicher Mindestlohn genannt werden darf. Die Union will Übergangsfristen durchsetzen, um einen nach ihrer Auffassung drohenden Anstieg der Arbeitslosigkeit vor allem im Osten zu vermeiden. Damit räumt die Union beiläufig und dennoch ganz konkret ein, dass das angebliche Jobwunder auf einer Scheinbeschäftigung beruht, die ohne staatlich subventioniertes Lohndumping nicht funktionieren würde.

Nicht Flexibilität, sondern Teilhabe

Beide Verhandlungspartner verstehen Löhne nur als Kosten, die sich dem Dogma der Arbeitsmarktflexibilität unterzuordnen haben. Daher werden Union und SPD auch einen Kompromiss finden, wo eigentlich nur eine klare Entscheidung für den Mindestlohn angemessen ist. Würden die großen Koalitionäre, die sich wechselseitig finanz- und wirtschaftspolitische Kompetenz ins Stammbuch schreiben, endlich begreifen, dass nicht möglichst flexible Arbeitsmärkte, sondern die Teilhabe der Arbeitnehmer die Wachstumsentwicklung stabilisiert, wäre schon viel erreicht.

Wenn dann noch klar würde, dass die Arbeitslosigkeit gestiegen ist, obwohl die Zunahme der Reallöhne hinter der Produktivitätsentwicklung zurückgeblieben ist und im Süden Europas sogar das radikale Kürzen der Löhne zu einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt hat, wäre vielleicht auch mal Schluss mit dem Verbreiten des irrigen Glaubensbekenntnisses, wonach eine Lohnanpassung nach oben unweigerlich zu mehr Arbeitslosigkeit führe. Das Gegenteil ist richtig, wie jeder sehen kann, der Augen im Kopf hat.

Eine Phalanx deutscher Autobauer hält das aber nicht davon ab, vor dem Mindestlohn und überhaupt vor weitreichenden Zugeständnissen an die Arbeitnehmer zu warnen. So dürfe beispielsweise an den Regeln für die Leiharbeit nicht gerüttelt werden. Das sei hochgefährlich, meint etwa Daimler-Chef Zetsche. Die Flexibilität am Arbeitsmarkt müsse erhalten und Energie bezahlbar bleiben. Andernfalls, drohen die Manager, müsse die Produktion ins Ausland verlagert werden. Das zieht immer. Die CDU will die Bedenken der hohen Herren umgehend mit der SPD besprechen und beweist damit einmal mehr die eigene Erpressbarkeit.

Gerade bei der Leiharbeit werden die vier Automanager Dieter Zetsche (Daimler), Norbert Reithofer (BMW), Martin Winterkorn (VW) und Opel-Chef Karl-Thomas Neumann deutlich. Ohne die Leiharbeit sei ein wirtschaftliches Arbeiten kaum möglich, erklärt Reithofer. Zetsche meint sogar, dass man ohne Leih- und Zeitarbeit gar nicht mehr produzieren könnte. Richtiger wäre wohl, dass ohne Leiharbeiter und Werkverträgler Gehälter wie 14,5 Millionen Euro (Winterkorn), 8,2 Millionen Euro (Zetsche) und 6,6 Millionen Euro (Reithofer) nicht drin wären oder kostspielige Zukäufe und Fusionen, die hinterher mit hohen Verlusten wieder rückgängig gemacht werden müssen (siehe DaimlerChrysler Desaster).

Auch die unanständig hoch bezahlten Manager liefern nicht mehr ab als das Ergebnis einer Scheinbeschäftigung. Wenn der eine mit goldenem Handschlag geht, korrigiert sein Nachfolger dessen Unternehmenspolitik umgehend und zwar auf die immer gleiche Weise. Entlassungen und Lohnkürzungen. Vielleicht sollte an dieser Stelle über eine Beschneidung des Sozialstaates nachgedacht werden und eine Diskussion über die Begrenzung von Gehältern und Boni nach oben sowie höhere Steuern stattfinden. Das wäre tatsächlich mal eine Meldung, die man auch als Erfolg verkaufen könnte.

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Er steht da nur und kann nicht anders

Geschrieben von: am 17. Nov 2013 um 13:24

Da steht er nun und kann nicht anders. Sigmar Gabriel empfiehlt seiner Partei die Große Koalition. Er würde einen ausgeben, wenn in Prozent umgerechnet nur so viele Mitglieder den Koalitionsvertrag ablehnen würden wie ihn als Parteivorsitzenden. Gleichzeitig kann er seiner Basis aber nichts anbieten, denn die Verhandlungen mit der Union sind bisher ergebnislos verlaufen. Gabriels Dialektik besteht nun darin, einen Koalitionsvertrag mit SPD-Handschrift in Aussicht zu stellen und dafür bereits um Zustimmung zu werben. Gleichzeitig würde er einen Vertrag aber gar nicht erst vorlegen, wenn dieser nicht den Kriterien seiner Partei entspricht.

Das heißt, am Ende geht es bloß um hübsche aber inhaltsleere Schaufensterschachteln, wie Peer Steinbrück vor der Wahl und zugegebenermaßen treffend formulierte, als er das Programm der Union kritisierte. Natürlich wird es eine Schachtel mit der Aufschrift Mindestlohn geben und natürlich wird es auch eine Schachtel mit der Aufschrift doppelte Staatsbürgerschaft geben. Das wird die Union schon liefern, aber konkret geht es doch dann um Formulierungen, mit denen sowohl Union als auch SPD vor ihre Anhänger treten und sich das Bündnis absegnen lassen können.

Daher können beide Seiten, obwohl sie ihre Zustimmung zu einem Koalitionsvertrag gerade wieder öffentlich infrage stellen, auch von Verhandlungen sprechen, die sich auf der Zielgerade befänden und Ende November zu einem Abschluss gebracht werden sollen. Wer hier wen gemeinschaftlich für dumm verkauft, das sollte inzwischen klar sein. Machen Sie sich auf ein Feuerwerk der Durchbrüche gefasst, die weder zum Wohle der einen noch der anderen Partei vermeldet, sondern einzig und allein in Ihrem Sinne ausfallen werden. Merken Sie sich die Worte Volker Kauders: “Die großen Streitpunkte werden in den letzten zwei Verhandlungstagen entschieden.”

Das alles wäre viel einfacher, wenn es keine Mehrheit links von Frau Merkel gäbe. Diese aber sei nur eine Scheinmehrheit, die nach kurzer Zeit schon wieder zerbrechen würde, meinte Gabriel auf dem Parteitag, weshalb sie auch frühestens ab 2017 wahrgenommen werden dürfe. Es handelt sich also quasi um eine Mehrheit auf Zeit. Doch was unterscheidet diese Mehrheit auf Zeit von einem offen propagierten Bündnis auf Zeit mit der Union? Nun, für das Bündnis auf Zeit mit der Union spricht offenbar die Verlässlichkeit eines Vertrages mit den oben bereits erwähnten Schaufensterschachteln. Ein vorzeitiger Ausstieg wäre aus- und die Ablehnung des eigenen Wahlprogramms im Bundestag mit eingeschlossen.

Ein Bündnis mit Grünen und Linken scheitere zwar nicht an der Kanzlerwahl, so Gabriel, dafür aber an dem Hass einiger Linker gegenüber der SPD. Wenn überhaupt beruht das Verhältnis auf Gegenseitigkeit. Das nur zur Klarstellung. Im Kern spielt Gabriel mit seinen Spitzengenossen immer noch die gleiche Leier. Weil es auf der persönlichen Ebene nicht klappt, könne eine Zusammenarbeit nicht funktionieren. Doch wie passt dieses infantile Gehabe zum Pathos der Inhalte, um die sich bei den Sozialdemokraten doch alles drehe?

“Die Deutschen wollen, dass wir nicht im Interesse von Parteien handeln, sondern im Interesse der Menschen in unserem Land”, sagte Gabriel im Interview mit der ARD. Das trifft aber nur für Verhandlungen mit der Union zu, mit denen man sich im Interesse der Menschen offenbar viel besser versteht als mit den Linken, die zufällig das gleiche inhaltlich wollen, wie die SPD. Was wäre da wohl besser für die Menschen? Eine Große Koalition, die im Grunde nur eine Fortsetzung dessen ist, was seit ein paar Wochen Koalitionsverhandlungen genannt wird, nämlich über die Medien zum gegenseitigen Einlenken aufzurufen, um sich dann im Koalitionsausschuss auf einen windelweichen Kompromiss zu einigen? 

Oder sollte eine Regierung tatsächlich daran interessiert sein, möglichst schnell jenes Programm umzusetzen, dass man für absolut notwendig erachtet, auch wenn man sich persönlich nicht leiden kann? Sogar die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat wären zur Zeit so, dass man eine Politik im Interesse der Mehrheit der Menschen in diesem Land wagen könnte.

Quelle: Bundesrat

Doch Sigmar Gabriel steht da nur und kann nicht anders. Weil er es einfach nicht will.

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Die SPD und die 100 Prozent

Geschrieben von: am 14. Nov 2013 um 20:22

„Viele Wähler haben eben nicht für die SPD gestimmt. Da kann am Ende eines solchen Prozesses auch nicht 100 Prozent SPD rauskommen“, sagte Hannelore Kraft heute auf dem Parteitag der SPD in Leipzig und Gabriel so etwas Ähnliches. Aber mehr als Nichts sollte es doch schon sein. Nach derzeitigem Stand könnte die SPD allerdings mehr von ihrem Programm umsetzen, wenn sie in der Opposition bliebe. Ob die Delegierten aber auch wissen, dass eine SPD-Bundestagsfraktion in der Großen Koalition ihr eigenes Programm, ihre eigenen Inhalte, für die Frau Kraft und der heuchelnde Rest der Parteispitze angeblich so sehr kämpfen, offen ablehnen müssten, wenn die Linkspartei oder die Grünen es ihr servieren?

Neben all der leisen und selbstkritischen Töne bleibt doch immer noch die simple Arithmetik, die der Traumrealität entgegensteht. Was könnte die SPD schon mit der Union umsetzen, das sie nicht viel besser in einer Koalition unter eigener Führung verwirklichen könnte? Aber die ist für den Moment noch ausgeschlossen, obwohl es, wie wir seit heute wissen, nie an der SPD lag. Geredet habe man mit den Linken. Für die Zukunft gelten Bedingungen, und zwar eine stabile und verlässliche parlamentarische Mehrheit, ein finanzierbarer Koalitionsvertrag und eine „verantwortungsvolle Europa- und Außenpolitik im Rahmen unserer internationalen Verpflichtungen“.

Demnach reicht eine einfache Mehrheit nicht aus, und die Linke müsste, wie die SPD heute, im Rahmen verantwortungsvoller Außenpolitik, dem Kauf und Einsatz von weiteren Kampfdrohnen zustimmen, egal ob sie nun fliegen dürfen oder nicht oder wenn sie denn doch in der Luft sind nacheinander abstürzen. Aber das sind ja nur Kompromisse, die der staatspolitisch Verantwortliche eingehen müsse. Ziel der SPD sei es aber wirklich, versichert Frau Kraft, Verbesserungen für die Menschen zu erreichen. „Die Inhalte sind wichtig. Messt uns am Ende an den Inhalten“, rief sie mit gebrochener Stimme. Doch welche Inhalte sind noch übrig oder nicht bereits verwässert?

Die SPD dürfe nicht vergessen, dass 75 Prozent der Wähler nicht für die Sozialdemokraten gestimmt haben. Man könne deshalb auch nicht erwarten, dass in einem Koalitionsvertrag mit der Union zu 100 Prozent SPD-Forderungen erfüllt werden, sagte Kraft, wie oben bereits erwähnt. Richtig, die SPD ist von einer überwältigenden Mehrheit nicht gewählt worden. Keiner erwartet deshalb 100 Prozent SPD, aber doch in jedem Fall den Rücktritt der Personen, die das zweitschlechteste Ergebnis der Geschichte zu verantworten haben.

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Jobabbau, weil Milliarde bei Milliardengewinn fehlt

Geschrieben von: am 14. Nov 2013 um 7:26

VoRWEg gehen heißt beim Energiekonzern RWE vor allem übliche Strategien konsequent anzuwenden und bei Gewinneinbrüchen Stellen zu streichen sowie Gehälter zu beschneiden. Worum geht es: Der Konzern erwartet “nur” noch einen Gewinn von 7,6 bis 8,1 Milliarden Euro vor Steuern, rund eine Milliarde weniger als 2012. Bis September hat das Unternehmen “gerade so” 6,71 Milliarden Euro Betriebsgewinn erwirtschaftet und damit das Vorjahresniveau noch einmal halten können, erwartet wurden 6,8 Milliarden. 

Aus Sicht der Manager und vor allem der Anteilseigner ist das offenbar eine Katastrophe, auf die mit dem üblichen in der Summe radikalen Personalabbau reagiert werden müsse. Wohlgemerkt, nicht die Kosten sind zu hoch, sondern die Gewinne und Gewinnerwartungen zu niedrig. RWE streicht seit Jahren Stellen und liegt damit an der Spitze in der oligopolistisch organisierten Energiebranche. Diese leide vor allem unter dem stark gesunkenen Börsenstrompreis. Das ist allerdings komisch, da die niedrigen Strompreise an der Börse überhaupt nicht an die Kunden weitergebeben werden.

Die Wiedereinführung einer staatlichen Preisaufsicht, die es bis 2007 einmal gab, hatte es vor der Wahl als Versprechen gegeben. In den Koalitionsverhandlungen ist davon allerdings keine Rede mehr. Das Fehlen einer solchen Instanz hat die Strompreise für Verbraucher in sechs Jahren um fast 40 Prozent steigen lassen. Die Folge: Milliardengewinne auf Seiten der Energieversorger, die nun herumjammern, dass von den vielen erwarteten Milliarden eine fehlen wird. Fakt ist, dass die Konzerne seit Jahren den Strompreis und damit ihre Einnahmen beinahe nach Belieben regulieren dürfen.

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Dummdreiste Deutschtümelei in den Tagesthemen

Geschrieben von: am 13. Nov 2013 um 22:51

In Brüssel bei der EU, in Berlin bei den künftigen Koalitionären wie auch in Hamburg bei den Tagesthemen ist man sich einig. Es müsse in Europa mehr Deutschländer geben. Die Kritik an den hohen Exportüberschüssen sei absurd und allenfalls von Neid geprägt. Der Kommentar von Sigmund Gottlieb aus München setzte dem ganzen dann noch einmal die Krone auf. Gustav A. Horn schreibt angesichts dieser intellektuellen Minderleistung auf facebook über ein Meisterwerk der Ignoranz geprägt von dummdreister Deutschtümelei.

Wirtschaftspolitik wird nach wie vor als Schlachtfeld begriffen, auf dem es ausschließlich um die Verteidigung von Wettbewerbspositionen geht. Man habe nichts zu verschenken. Die anderen müssten einfach nur besser werden und ihre Hausaufgaben nach deutschem Vorbild machen. Dass Deutschland selbst noch einmal die Hefte herausholen müsste und beispielsweise über höhere Löhne und höhere Investitionen nachdenken müsse, geißeln die Ahnungslosen, die so tun, als verstünden sie etwas, als abwegig.

Die Wischiwaschi-Kritik der EU-Kommission macht es ihnen aber auch leicht. Von dort schwappt eine Mischung aus Bewunderung für die deutsche Wirtschaftskraft und sanfter Kritik an dem dadurch ausgelösten Ungleichgewicht herüber, die in Berlin entsprechende Reaktionen auslösen musste. Europa könne man nicht stärken, indem man Deutschland schwächt, säuselt etwa Alexander Dobrindt von der CSU in die Mikrofone und Andrea Nahles von der SPD sieht sogar keinen Handlungsbedarf, weil ihr nicht klar ist, was die Kritik an den Überschüssen konkret zu bedeuten habe.

Beide hätten auch sagen können, dass ihre Kenntnisse über volkswirtschaftliche Zusammenhänge nicht ausreichen, um die Kritik erstens verstehen und zweitens die richtigen Schlüsse daraus ziehen zu können. Aber auch die Medien versagen auf ganzer Linie. Der Mann der ARD in Brüssel mit Doppel-Null-Status, Rolf-Dieter Krause, hätte ja den Zuschauern mal erklären können, warum die Kommission Verfahren gegen EU-Staaten eröffnet, die Handelsbilanzdefizite ab vier Prozent des BIPs ausweisen und Länder wie Deutschland allenfalls prüfen will, deren Überschüsse sechs Prozent des BIPs überschreiten.

Da die Überschüsse der einen immer auch die Defizite der anderen sind, was inzwischen auch bei der ARD angekommen ist, stellt sich doch die Frage, warum beides ungleich behandelt wird. Es stellt sich aber noch eine weitere Frage. Die oben beschriebene Sixpack-Regelung ist auf Betreiben von Deutschland und namentlich Finanzminister Wolfgang Schäuble erlassen worden. Die gesamte deutsche Öffentlichkeit sowie die Politik beklagen sich also über ein lasches Prüfverfahren, dass sie selbst und zu ihrem Vorteil verändert, aber immer noch unter der Maßgabe, makroökonomische Ungleichgewichte zu verringern, mitbeschlossen haben.

Volkswirtschaftlich betrachtet, gibt es eben überhaupt keinen Zweifel an den schädlichen Auswirkungen der deutschen Exportfixiertheit. Nur wollen oder können Frau Nahles, Herr Dobrindt oder Herr Gottlieb nicht begreifen, dass eine Wirtschaft aus mehr als nur dem Export besteht. Es geht eben nicht um die Drosselung der Wirtschaft oder darum, Wachstum einzubremsen – dafür sorgen die Deutschen mit ihrer Verbohrtheit übrigens schon selber, die Freude über minimale Wachstumsraten inmitten der Rezession unterstreichen das – sondern darum, die Binnenwirtschaft zu stärken, mehr Konsum und folglich mehr Importe zu ermöglichen.

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Die Zinsentscheidung und die deutsche Reaktion

Geschrieben von: am 08. Nov 2013 um 7:47

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins weiter gesenkt. Die Entscheidung hat natürlich auch die deutsche Öffentlichkeit erreicht und dort vor allem Unverständnis hervorgerufen. Beim Lesen der Zeitungskommentare heute morgen, die auszugsweise über dradio zu bekommen sind, ist der Tenor immer gleich. Mit mehr billigem Geld werden Probleme in der Eurozone nicht gelöst, sondern verschärft. Doch keiner stellt fest, dass an der bisherigen Rettungspolitik etwas gehörig falsch gelaufen sein muss. Anders lässt sich der letzte Schuss der EZB nämlich nicht erklären.

Die Zentralbank warnt vor Deflation. In Deutschland reibt man sich da verwundert die Augen, da aus Sicht der Mehrheitsökonomen keine Deflation, sondern Inflation als gefährliches Szenario in beständiger Regelmäßigkeit beschworen wurde. Einige lassen davon auch jetzt noch nicht ab. Die anderen haben durchaus erkannt, dass mit der Zinssenkung die Gemeinschaftswährung gegenüber dem Dollar manipuliert, d.h. abgewertet werden soll, um verlorene Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen. Sie reden von einem geschickten Schachzug.

Zu dem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit ist es ja gekommen, weil die Eurozone in ihrer Leistungsbilanz zum ersten Mal einen Überschuss ausweist und der Euro folglich aufwertete. Da Überschüsse, so haben wir immer wieder gelernt, etwas Gutes sein sollen, müssen sie verteidigt werden. Die Senkung der Leitzinsen schwächt also den Euro im Vergleich zum Dollar und das wiederum hilft der Exportwirtschaft, auf die es nach Meinung vieler immer noch entscheidend ankomme. Doch da haben sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Warum sollte der Rest der Welt die Überschüsse der Eurozone finanzieren? Denn nichts anderes bedeutet ja das Plus in der Handelsbilanz. Warum sollte der Rest der Welt sich verschulden, um den Staaten und Unternehmen der Eurozone einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen oder ihn zu sichern? Warum sollte der Rest der Welt es hinnehmen, dass die Eurozone ihnen anschließend auch noch Ratschläge in solider Haushaltsführung erteilt, obwohl niemals alle Überschüsse in ihrer Leistungsbilanz zur gleichen Zeit ausweisen können? Antworten auf diese Fragen werden aber nicht gegeben, sondern weiter daran festgehalten, dass Deutschland alles richtig mache und die Wende zum Besseren gelingen könne oder bereits vollzogen sei.

Der Versuch, die Wettbewerbsfähigkeit um jeden Preis und das heißt auf Kosten der Löhne zu verbessern, muss scheitern. Geschickt ist an dem Schachzug, wie einige meinen, nämlich gar nichts, da das billige Geld in der realen Wirtschaft mangels Nachfrage gar nicht ankommen wird. Denn dazu müsste sich die Einsicht durchsetzen, selbst ins Defizit zu gehen und durch Stärkung der Binnennachfrage eine Nachfrage an Kapital und Sachinvestitionen zu erzeugen. Doch wenn alle nur sparen wollen, das heißt private wie auch öffentliche Akteure ihre Verschuldung reduzieren wollen, führt das in dieser Lage zwangsläufig in die Rezession. Eine anhaltende Wirtschaftskrise ist die Folge.

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Die SPD will in die Koalition

Geschrieben von: am 07. Nov 2013 um 22:39

Die SPD will die Koalition mit der Union um jeden Preis und keinen Politikwechsel. Diese Erkenntnis ist schon länger klar. Doch nun gibt es auch immer mehr Beispiele, die das belegen. Die PKW-Maut lehnt die SPD ja ab, aber die Koalitionsgespräche würde sie an dieser Frage auch nicht scheitern lassen. Heute Morgen antwortete der niedersächsische Verkehrsminister Olaf Lies im Interview mit NDR Info, dass nicht er der Typ sei, der mit dem Fuß aufstampfe. Es wäre nicht gut, noch mehr Seehofers in einer möglichen Koalition zu haben. Lies wolle in einer sachlichen Diskussion Seehofer überzeugen und keine Fronten aufbauen.

Natürlich nicht, denn die SPD will ja in die Koalition

Das zweite Beispiel ist die heutige Einigung bei den Rüstungsexporten. Das Zauberwort heißt Transparenz. Was für ein bahnbrechender Erfolg, der beinahe einem echten Politikwechsel gleichkommt. Der Bundessicherheitsrat soll seine Entscheidungen künftig “unverzüglich” dem Bundestag mitteilen. Das ist das Ergebnis, welches die Unterhändler Thomas de Maizière (CDU) und Frank-Walter Steinmeier (SPD) stolz verkündeten. Sie wissen also unter schwarz-rot künftig etwas eher bescheid, wenn die Bundesrepublik Waffen an Menschenrechtsverletzer und Diktatoren verkauft. War nicht mal ein Verbot von derartigen Lieferungen oder zumindest die parlamentarische Kontrolle solcher Geschäfte im Gespräch?

Sicher, aber die SPD will ja in die Koalition.

Das dritte Beispiel ist die doppelte Staatsbürgerschaft. Hier scheinen die Fronten total verhärtet. “Wir sind weit auseinander”, sagte Innenminister Friedrich nach den Gesprächen heute. Sein Gegenüber Thomas Oppermann von der SPD stellte fest: “Da geht überhaupt nichts mehr.” Und es geht doch etwas. Die Frage wird nämlich an die große Runde und schließlich an die Parteichefs weitergereicht. Ein Scheitern ist damit ausgeschlossen. Warum dann das Theater? Na ja es ist noch Zeit bis Weihnachten.

Und erst dann will die SPD in die Koalition.

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Irrglaube ist immer noch alles

Geschrieben von: am 05. Nov 2013 um 22:56

Die Großkoalitionäre in spe haben sich vorsichtig auf ein gemeinsames Programm in Sachen Wirtschaftspolitik geeinigt. Glückliche Gesichter allenthalben. Man fragt sich nur, worüber sich die Damen und Herren von Union und SPD freuen. Über wichtige Themen ist offenbar gar nicht geredet worden. Ganz oben steht die bereits erwähnte Einigung beim Breitbandausbau. Eine Offensive soll es werden und der Bund eine Milliarde jährlich beisteuern. Wenn die Finanzierung steht, kommt noch ein Schleifchen um das Paket und auf das Kärtchen wird dann vielleicht der Name Breitbandbeschleunigungsgesetz geschrieben.

Superschnelles Internet für den ländlichen Raum. Das klingt nach Aufbruch und Dynamik, nach Aufschwung eben. Über die Konjunkturaussichten scheint aber gar nicht diskutiert worden zu sein, weshalb über allen windigen Beschlüssen auch der Finanzierungsvorbehalt schwebt. Heute kam die EU mit ihrer Herbstprognose heraus und wie erwartet, müssen die optimistischen Zahlen aus dem Frühjahr wieder nach unten korrigiert werden. Zwar sprach EU-Währungskommissar Olli Rehn von einem Wendepunkt, warum auch immer, dennoch wird das Bruttoinlandsprodukt der gesamten Eurozone in diesem Jahr erneut schrumpfen.

Klare Botschaft bei unklarem Verstand

Die klare Botschaft lautet: “Die Sparprogramme in den Krisenländern lasten auf Unternehmen und Verbrauchern, die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie nie. Auch im übrigen Europa ist das zu spüren.” Nicht so in Deutschland. Statt über die Folgen dieser düsteren Aussichten zu beraten und einen Masterplan zu entwickeln, reden 75 Leute lieber über die Förderung von Internet-Geschäftsideen und feiern sich anschließend für ihre unter Beweis gestellte Harmonie, die sie als großen Fortschritt verkaufen.

Dass aber nicht nur in Europa, sondern überall auf der Welt die Konjunktur und vor allem die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen aus der Eurozone lahmt, scheint niemanden in den Koalitionsverhandlungen zu interessieren. Es wird im übrigen auch nicht über die in der vergangenen Woche vom amerikanischen Finanzministerium geäußerte Kritik an den enormen deutschen Überschüssen in der Leistungsbilanz geredet. Demnach trage die Bundesrepublik zur Deflation in der Eurozone bei und belaste mit seiner einseitigen auf Export ausgerichteten Wirtschaftspolitik zunehmend auch die Handelsbeziehungen weltweit.

Denn nachdem die südeuropäischen Länder ihre Defizite auf brutale Weise abbauen müssen, Deutschland seinerseits aber weiter Überschüsse zulässt, steht nun die gesamte Eurozone mit einer unausgeglichenen Handelsbilanz da. Es gibt aber auch niemanden, der im Inland kritische Fragen stellt und die Verhandlungspartner darauf hinweisen würde. Die Medien versagen bis auf die üblichen Verdächtigen erneut auf ganzer Linie und richten ihre kindische Wut in Richtung des Absenders. Deutschland gehe es schließlich gut, hat die Mutti gesagt. Unsere Produkte seien einfach unschlagbar, die deutsche Wirtschaft eine Wachstumslokomotive, die für die Stabilität Europas stehe und von der auch die Arbeitnehmer durch höhere Lohnzuwächse profitieren würden. Die Kirche mit ihrem Gott ist nichts gegen diese absurde Gläubigkeit.

Der saudumme Michel

Auch in der Bevölkerung herrscht der Glaube vor, hohe Exportüberschüsse seien ein Ausdruck besserer Arbeit, um die uns die anderen bloß beneiden. Dank der grottenschlechten Berichterstattung zum Thema Leistungsbilanzen wächst schon wieder die Wut des wirklich saudummen Michels, der glaubt, man wolle ihn in seiner Leistungsfähigkeit nur einbremsen und dazu zwingen weniger zu exportieren. Das ist nur leider nicht der Punkt. Deutschland soll nicht weniger exportieren, sondern weniger Überschüsse anhäufen, die ja spiegelbildlich nur die Schulden der anderen sein können. Deutschland muss folglich mehr importieren, vielleicht auch mal mehr Waren und Dienstleistungen ein- als ausführen, um seinen Überschuss im Außenhandel abzubauen.

Erst dann kann der Süden seine Schulden bezahlen, die nur deshalb existieren, weil es Überschüsse gibt. Ohne Überschüsse keine Schulden und ohne Schulden keine Überschüsse, die eigentlich Forderungen heißen. Die sprichwörtliche Schuldenkrise ist genauso eine Überschuss- oder Vermögenskrise. Wer das eine verringern oder steigern will, muss das andere ebenfalls verringern oder steigern. Wer also Überschüsse toll findet, muss zwangsläufig auch die Schulden akzeptieren und bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auf seine Forderung verzichten. Für den saudummen Michel bedeutet das, er hat umsonst den Gürtel immer enger geschnallt und seinen Lohn, für den er sich etwas hätte leisten können, gegen einen Überschuss eingetauscht, der als fauler Kredit nun abgeschrieben werden muss.

Wer mehr importieren will, muss eine höhere Binnennachfrage entfalten. Das geht wiederum nur durch höhere Einkommen, die zu einer Stärkung der Massenkaufkraft beitragen. Und da frage ich mich doch verwundert, was der saudumme Michel, der gemessen am Volkseinkommen immer weniger verdient, nur gegen mehr Geld in seinem Portemonnaie haben kann. Vielleicht weil er sich seinen Überschuss, der mehr einem Sockenschuss gleicht, nicht nehmen lassen will und mehr von Kauflaune hält als vom realen Konsum. In Wirklichkeit fürchtet er nur um seinen Job, was angesichts der vielen Drohungen und Warnungen, den Pfad des Irrglaubens bloß nicht zu verlassen, nur allzu verständlich ist.

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Springer ruft wieder den Krieg der Generationen aus

Geschrieben von: am 05. Nov 2013 um 7:51

Nachdem die erste Woche der Koalitionsverhandlungen eher magere Ergebnisse zutage förderte, haben Union und SPD nunmehr Einigungen in mehreren Bereichen erzielt, hieß es gestern Abend. Beide Seiten hätten sich zum Beispiel darauf verständigt, den Rentenbeitrag konstant zu halten und nicht wie geplant abzusenken. Diese Ankündigung löste vor allem bei den Springer Medien und hier ganz speziell bei Dorothea Siems einen redaktionellen Amoklauf aus. Mit “Bei der Rente droht ein Krieg der Generationen” und “Schwarz-Rot plündert die Rentenversicherung” sind auf Welt Online gleich zwei unsägliche Artikel erschienen, an denen Siems mitwirkte.

Einen Krieg zwischen den Generationen anzetteln, das will anscheinend nur Frau Siems und ihr Arbeitgeber. Wenn Sie sich das soeben eingenommene Frühstück noch einmal durch den Kopf gehen lassen wollen, ist das genau die richtige Lektüre. Was in Zeiten zunehmender Altersarmut für eine Absenkung der Beiträge spricht, lässt Siems gar nicht offen, sie leugnet einfach, dass es sie gibt. Dabei zeigt die jährliche Rentenbestandsstatistik, dass über 6 Millionen Rentner in Deutschland mit Bezügen von unter 500 Euro und gut 13,5 Millionen Rentner von unter 1000 Euro im Monat auskommen müssen. Über die Hälfte aller Rentner hat weniger als 750 Euro im Monat zur Verfügung.

Siems nimmt das in ihrer Wahnvorstellung nicht zur Kenntnis. Rente ist für sie ohnehin nur eine soziale Wohltat und nicht eine Versicherungsleistung, auf die die Menschen einen Anspruch haben. Und weil sie schon dabei ist, hirnlos um sich zu schreiben, wettert sie auch gleich gegen den Mindestlohn, der gerade den jungen Leuten, auf deren Seite sie sich noch bei der Rentenfrage schlug, den Einstieg in die Berufswelt erschweren würde. Die sollen wohl nach Auffassung von Dorothea Siems von noch niedrigeren Löhnen erstens leben und zweitens eine private Altersvorsorge aufbauen. Diese wird dann auf wundersame Weise von jenen Menschen des Globus erwirtschaftet, die unter dem Dogma der Austeritätspolitik ihre Länder in die Deflation abgleiten sehen.

Siems begreift nicht, dass Beschäftigungslage und die Höhe der Löhne sehr viel mehr Einfluss auf die Rente haben, als die bloße Anzahl alter Menschen im Vergleich zur jungen Generation. Ein ausufernder Niedriglohnsektor, prekäre Arbeitsverhältnisse und ständig verordnete Lohnpausen machen der Sozialversicherung als Ganzes zu schaffen, egal wie die Alterskohorten auch aussehen mögen. Eine aktive Beschäftigungspolitik ist daher die Grundbedingung für sichere Renten. Höhere Beiträge zur Rentenversicherung sind demnach kein Teufelszeug, sondern durchaus sinnvoll, wenngleich die Löhne gemessen an der Produktivität ebenfalls steigen.

Im übrigen müssen schon heute Menschen höhere Beiträge zahlen, die zum Abschluss einer privaten Altersvorsorge genötigt wurden. Mindestens 4 Prozent ihres Einkommens sollen sie verriestern oder aus dem Fenster werfen. Doch über die einseitige Belastung der Arbeitnehmer bei der privaten Altersvorsorge – der Arbeitgeber zahlt da nämlich keinen eigenen Anteil ein wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung – echauffiert sich Siems natürlich nicht. Sie findet es im Gegenteil toll, wenn die einseitige und teure Belastung der Arbeitnehmer und damit auch Rentner durch zahlreiche politisch beschlossene Dämpfungsfaktoren in der gesetzlichen Rente oder Zumutungen, wie der Anhebung des Renteneintrittsalters begleitet wird, um den Versicherungskonzernen rasch neue und vor allem verängstigte Kunden zuzutreiben.

Es ist doch absurd, dass steigende Rücklagen im Rentensystem, wie zuletzt geschehen, nicht dazu verwendet werden dürfen, etwas gegen die sich abzeichnende Altersarmut zu unternehmen, sondern als Argument für ein weiteres Absenken des Versicherungsbeitrages herhalten müssen. Solange das Bruttoinlandsprodukt zunimmt, gibt es auch etwas zu verteilen. Der Sozialstaat kann also finanziert werden, wenn das politisch gewollt ist. Leider wird das Volkseinkommen immer ungerechter verteilt. Die Gewinn- und Vermögensseite profitiert stärker und versteckt sich dabei hinter der Worthülse Leistungsgerechtigkeit.

Das Brutto-Inlandsprodukt stieg von 2000 bis 2012 um 29,1 Prozent von 2,048 Billionen Euro auf 2,643 Billionen Euro.

Die Brutto-Löhne und -Gehälter stiegen im gleichen Zeitraum um 25,3 Prozent von 897 Milliarden Euro auf 1,124 Billionen Euro.

Der Anteil der Arbeitnehmer am BIP ging also in den 13 Jahren von 2000 bis 2012 (um rechnerisch 34,36 Milliarden) von 43,8 Prozent auf 42,5 Prozent zurück.

Rentabel ist, was Arbeit schafft und Löhne senkt …

Das schreibt Egon W. Kreutzer in seinem Tageskommentar vom 30. Oktober 2013. Es geht also nicht um einen Krieg der Generationen – leider lassen sich junge und alte aber durch Artikel wie die oben genannten sehr leicht bewaffnen – sondern um den Profit einiger weniger, für den das Sicherheitsversprechen des Sozialstaates schlichtweg geopfert werden muss.

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Worüber verhandelt die SPD eigentlich?

Geschrieben von: am 03. Nov 2013 um 20:33

Die SPD Basis soll sich nicht so anstellen und auf keinen Fall erwarten, dass Angela Merkel einen Koalitionsvertrag unterschreiben würde, der die Handschrift der SPD trage. Man solle kompromissbereit sein. So oder so ähnlich sprach der große Vorsitzende, Sigmar Gabriel, an diesem Wochenende in Berlin vor seinen Parteifreunden. Okay ich weiß, er nannte Zahlen. Es sei eine Illusion zu glauben, dass Merkel in einem Koalitionsvertrag zu 100 Prozent das SPD-Programm unterschreibe. Doch welche Teile des SPD Programms werden hier eigentlich verhandelt und durchgesetzt?

Bislang ist nicht viel bei den Koalitionsverhandlungen herausgekommen. Allein die Einigung bei der Finanztransaktionssteuer konnte vermeldet werden – keine wirkliche Neuigkeit. Auf diesem Gebiet sind sich alle seit Jahren einig. Passiert ist allerdings wenig. Außerdem wollen die künftigen Koalitionäre Breitbandverbindungen im ländlichen Raum ausbauen. Damit werden auch auf diesem relativ unproblematischen Terrain bahnbrechende Weichenstellungen vorgenommen. Möglicherweise reicht das ja schon für die Verhandlungsführer der SPD, um ihre Unterschrift unter einen Koalitionsvertrag zu setzen. Denn laut Gabriel könne es sich eine Partei wie die SPD nicht leisten, alles oder nichts zu sagen.

Es sei auch eine Illusion zu glauben, die SPD gewinne bei der nächsten Wahl mehr als 25 Prozent der Stimmen, weil sie an ihrem Programm festgehalten habe, so Gabriel. Vielleicht fährt die SPD ja nur deshalb schlechte Ergebnisse ein, weil der Partei das versagende Führungspersonal wichtiger ist, als das eigene Programm. Doch auf das Naheliegende kommt Herr Gabriel nicht. Er sehe es lieber, wenn seine Partei verhandelt und sich einem Abwägungsprozess stellt. „Wenn wir den Beweis antreten, dass wir davor Schiss haben, sind 20 Prozent nicht die untere Grenze.“ Dafür gibt es sogar Lob für den SPD-Chef. Nicht von den eigenen Genossen, aber vom politischen Gegner, der wohl nie einer war.

Finanzminister Schäuble bewundert Gabriel regelrecht. Er mache es sehr gut, wie er seine Partei auf den Weg in eine Große Koalition mitnehme, sagt Schäuble. Der ist sich sicher, dass das Projekt gelingt. Was nützt es da noch, wenn Gabriel vor der Parteibasis so tut, als könnten die Verhandlungen auch noch scheitern? Klar, eine Einigung bei Themen wie dem Mindestlohn, der doppelten Staatsbürgerschaft oder der Re-Regulierung des Arbeitsmarktes müssen her oder zumindest vorzeigbar sein. Letztlich werden sich Gabriel und seine Spießgesellen aber nicht querstellen, wenn die entsprechenden Pöstchen winken. Denn auch hier verzichtet die Parteiführung auf das Prinzip alles oder nichts. Augenhöhe reicht den bescheidenen Funktionsträgern ja aus.

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