Deutschland kommt wieder zu spät

Geschrieben von: am 13. Mai 2013 um 20:30

Opportunismus umschreibt man neuerdings so:

„Frei von großen Visionen versuchte sie offenbar damals wie heute, kurzfristige Ziele innerhalb der gegebenen Strukturen zu verwirklichen.“

Die angeblichen Enthüllungen von Boulevard-Journalisten sind schon ziemlich lächerlich, aber die Debatte um Merkels Vergangenheit ist noch alberner. Uns sollte doch die Merkel der Gegenwart interessieren. Allein diese Erkenntnisse reichen schon aus, um sie aus dem Amt zu schreiben. Hier schauen die Medien aber ganz bewusst weg oder sehen in der Frau, die einst kurzfristige Ziele innerhalb der gegebenen Strukturen zu verwirklichen suchte als weitsichtige Krisenmanagerin.

Gerade heute ist das ganze Ausmaß des politischen Versagens Merkelscher Politik wieder sichtbar geworden, als die Nachricht die Runde machte, dass Portugal von der Troika dafür belohnt werden soll, weil es seine Rentner zu einer Sonderabgabe zwingt, Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst massenhaft entlässt und den Rest mit längeren Wochenarbeitszeiten beglückt. Dabei gilt der Kürzungskurs der Kanzlerin in Europa längst als gescheitert. Sogar auf der Ebene der G7 gibt es offen Streit über die richtige Wachstumsstrategie und vor allem Kritik an Deutschland.

Doch so offen diese Auseinandersetzung auch geführt wird, in Deutschland selber werden die Menschen damit nicht weiter belästigt. Stattdessen redet man hier über Merkels Vergangenheit und deren bescheidene Welt, die ihnen Brigitte liefert, fern ab von jedweder Realität. Es bleibt der Befund, Deutschland als Ganzes kommt mal wieder zu spät.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Hannes66  Mai 14, 2013

    Unfassbar, dass man versucht die Lage in Portugal zu verbessern, indem man die Arbeitszeiten verlängert, was selbstverständlich dazu führen wird, dass noch mehr Leute in die Arbeitslosigkeit entlassen werden.

    Wie vernagelt müssen denn die Neolibs sein, dass sie die kognitive Dissonanz die darin liegt nicht erkennen?

  2. Jenny  Mai 14, 2013

    Das ist doch die Strategie der Neolibs. Es geht nicht um die Schaffung von Stellen und bessere wirtschaftliche Lage oder gar NACHFRAGE, sondern um die Zerschlagung der Sozialstaaten allerorten, damit man dann mit China und Indien konkurrieren kann, immerhin Entwicklungsländer ohne Sozialstaat. Das war wohl von langer Hand geplant. Der Vollidiot Straubhaar sagt doch auch immer „DE ist Klassenbester, die anderen müssen sich an DE orientieren beim Löhnedrücken und Flexibilisieren und Löhnespreizen. Massenentlassungen passen doch einfach gut dazu, ebenso Kaputtsparen und Schuldenbremsen und stattdessen alles verscherbeln und privatisieren.

    Ziel ist es, das die EU die Sozialstaaten aufgibt und sich den Schwellenländern annähert, damit man im globalen Wettbewerb auch konkurrieren kann.

    Der Sozialstaat ist nunmal im weltweiten Maßstab so nicht die Regel. Der stört da doch nur. In Europa muss der auch weg. Dann können die Steuern schön niedrig bleiben und stattdessen muss jeder privat vorsorgen und Gebühren an Private zahlen.

    in Berlin demonstrieren bald die Brummifahrer — weitere Globalisierungsopfer im globalen Wettbewerb um die letzten Jobs und um sinkende Löhne — übrigens sind das welche unserer „gesuchten Fachkräfte im Fachkräftemangel“ der Republik.

    http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/05/14/lkw-fahrer-machen-mobil-wollen-nicht-von-osteuropa-ueberrollt-werden/

    aber nun muss jeder Brummifahrer dennoch mind. 3 Kinder bis 27 finanzieren (nicht, dass uns noch die künftigen Arbeitsdrohnen ausgehen), damit der demographischer Wandel in den Griff zu kriegen ist – gut das wir noch Geld zum Aufstocken über haben.