Nun ist Hannelore Kraft Ministerpräsidentin einer rot-grünen Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen. Der Wähler hat das so bestellt und damit hat sich die Angelegenheit erledigt, möchte man denken. Falsch gedacht. Denn in Berlin standen bereits die schwarz-gelben Looserkoalitionäre bereit, um der Kraft mal gehörig die Meinung zu geigen. Die Generalsekretäre Hermann Gröhe (CDU), Alexander Dobrindt (CSU) und Christian „Bambi“ Lindner (FDP) gaben sich die Ehre und teilten vor lustig inzensiertem Hintergrund kräftig lächerlich aus.
Quelle: Welt Online
Besonders gefallen, hat mir dabei das FDP-Bambi. Lange gab es ja nichts für ihn zu holen. Diesmal leider auch nicht. Er sagte, dass Hannelore Kraft eine griechische Verschuldungspolitik in Kauf nehme, um sich eine Mehrheit mit der Linkspartei im Landtag zusammenzukaufen. Ja ja, die bösen Linken und die bösen Schulden. Es war schon immer klar, dass linke Spinner und dazu zählt das Bambi mit Sicherheit auch die SPD noch nie mit Geld umgehen konnten. Dieses Vorurteil sollte einmal mehr bedient werden.
Dumm nur, dass jeder inzwischen weiß, wer hier nicht mit Geld umgehen kann. Über die Steuergeschenke, die FDP, CDU, CSU und natürlich auch SPD und Grüne seit Jahren verteilen (Absprachen im Vermittlungsausschuss eingeschlossen), kann keiner mehr hinwegsehen. Würden die Steuergesetze von 1998 noch gelten, hätte der Staat heute rund 51 Mrd. Euro mehr Einnahmen zur Verfügung, lautet das Ergebnis einer IMK-Studie. Die Ausgabenseite hingegen, die Herr Lindner immer so sehr als Problem darstellt, sei demnach von 1998 bis zum Ausbruch der Krise 2008 um jährlich real 0,2 Prozent zurückgegangen.
Aber das ist ja auch egal. Viel idiotischer ist doch der Hinweis darauf, Schulden nur machen zu wollen, um sich eine gemeinsame Politik mit den Linken zu erkaufen. Wenn es nur das wäre, würde es dem Land doch zukünftig besser gehen, weil den Schulden Investitionen in die reale Wirtschaft hoffentlich gegenüberstehen würden. Mich würde dann aber mal interessieren, wie der liberale Schlaumeier und Geldversteher die verdeckten Schulden bewertet, die im Musterländle des Kapitals und des Marktes, in Großbritannien, gerade zu Tage treten.
Britains debt: The untold story
The true scale of Britain’s national indebtedness was laid bare by the Office for National Statistics yesterday: almost £4 trillion, or £4,000bn, about four times higher than previously acknowledged.
Quelle: The Independent
Was sind denn das für Schulden? Wodurch wurden sie verursacht? Durch linke Spinner? Nein.
The debt primarily consists of the cost of public sector and state pensions, and of payments promised to private contractors under private finance initiatives.
Das heißt bei uns ja Public Private Partnership (PPP) oder zu deutsch Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP). Das bei öffentlichen Vorhaben private Investoren weitaus tiefere Löcher in die öffentlichen Haushalte reißen, zeigt nicht nur die Praxis, sondern sagt auch der Bundesrechnungshof. Die Liberalen juckt das aber nicht. Privat vor Staat lautet da nach wie vor die Leitlinie. Das gilt aber auch für CDU, CSU, Grüne und SPD, die bei der Schuldenproblematik auch gerne verschweigen, dass die Politik dem Finanzsektor, mit seinen Banken und Versicherungen, bereitwillig und mit unvorstellbar hohen Milliardensummen unter die Arme gegriffen hat.
Nun haben wir dank der großen Einheitspartei aus CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen eine Schuldenbremse im Grundgesetz. Es war klar, dass diese blödsinnige Konstruktion nun benutzt werden würde, um jeden alternativ politischen Ansatz von vornherein verwerfen zu können. Der CSU-Generalschwachkopf Dobrindt meinte, dass Frau Kraft bewusst einen Verfassungsbruch in Kauf nehmen würde, weil ihre Minderheitsregierung mit der geplanten Neuverschuldung gegen die im Grundgesetz vorgegebene Schuldenbremse absichtlich verstoßen wolle. Dabei ist die Schuldenbremse selbst ein Verfassungsbruch, weil durch das bundeseinheitliche Neuverschuldungsverbot gegen die in Art. 109 GG festgelegte Haushaltssouveränität von Bund und Ländern verstoßen wird.
Wenn also das Sekretärsdreigestirn der Berliner Dummkopfkoalition meint, NRW müsse so haushalten, dass die Schuldenbremse im Grundgesetz eingehalten werde, ist das verfassungsrechtlich höchst bedenklich formuliert. Hinzu kommt noch, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung selbst in diesem und im nächsten Jahr mit einer Rekordneuverschuldung gegen die eigenen Vorgaben verstoßen wird und mit dem Sparpaket auch dafür sorgt, dass die öffentlichen Haushalte der Länder wie der Kommunen sehr stark belastet werden. Wenn sich also die drei Flachpfeiffen von der Bundesregierung hinstellen und mit ihren Fingern auf die Schulden der Länder zeigen, zeigen sie gleichzeitig mit jeweils drei Fingern auf sich selbst.
Aber darum geht es ja gar nicht. Es geht um den Wortbruch. Nach Überzeugung der drei Demokratieidioten, die über ihre beinahe täglichen Wortbrüche kaum ein Wort verlieren, hätte sich Frau Kraft gar nicht zur Ministerpräsidentin wählen lassen dürfen. Sie hätte also nicht das Recht gehabt, sich einer demokratischen Wahl in einem durch den Souverän gewählten Parlament zu stellen. Und das am 14. Juli! Ich zweifle doch sehr stark daran, dass die drei Gerneralhampelmänner Gröhe, Dobrindt und Linder auf dem Boden unserer Verfassung stehen und die freiheitlich, demokratische Grundordnung unserer Demokratie auch wirklich ernst nehmen. Der Verfassungsschutz sollte da aktiv werden…
JUL.
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.