Die Regierungskoalition von SPD und Grünen will überraschend ihren Entschließungsantrag zur Abschaffung der Studiengebühren zum Wintersemester 2011 heute nicht mehr im Landtag zur Abstimmung stellen, weil sie einer Niederlage aus dem Weg gehen will. Dazu Özlem Demirel, hochschulpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE: Die Koalition war nicht bereit, unseren Änderungsvorschlägen zuzustimmen, eine Abschaffung spätestens zum Sommersemester 2011 und einen finanziellen Ausgleich für die Hochschulen vorzusehen. Deshalb hätten wir den Antrag von SPD und Grünen abgelehnt.
Rot-Grün kann nicht ernsthaft erwägen, die gemeinsame Regierungszeit mit dem Bruch eines Wahlversprechens zu beginnen. Hannelore Kraft hat selbst kurz vor der Wahl so wörtlich eine spürbare Senkung der Studiengebühren noch im Jahr 2010 angekündigt. Davon will sie heute nichts mehr wissen. Die Finanzlage von NRW war auch damals schon bekannt. Wir wollten eine schnelle Abschaffung, waren verhandlungsbereit. Rot-Grün wollte sich nicht bewegen.
Quelle: NRW-Linke
Entweder man will die Abschaffung der Studiengebühren oder nicht. Im Wahlprogramm der SPD hieß es noch vage:
Wir stehen für ein gebührenfreies Studium, in dem kein junger Mensch vom Studium abgeschreckt wird. Wir werden jegliche Formen von Studiengebühren zeitnah nach der Wahl abschaffen.
Es wäre in der Tat einmal interessant zu erfahren, was „zeitnah“ in diesem Zusammenhang eigentlich zu bedeuten hat. Allerdings finde ich das Aufgreifen der Wortbruch-Formulierung durch die Linke sehr ungeschickt. Das rechte Lager um Union und FDP dürften sich mal wieder freuen. Strategisch klug ist das nicht. Auf der anderen Seite ist es von Rot-Grün auch töricht, da weiterzumachen, wo man bei der Bundespräsidentenwahl aufgehört hat. Die Linke nicht ernst zu nehmen und ihr Anträge nach dem Motto „Friss oder Stirb“ vorzulegen, ist jedenfalls nicht der richtige Weg. Da hat Frau Kraft mit ihrer Ankündigung, schon am ersten Arbeitstag mit der Abschaffung der Studiengebühren Fakten schaffen zu wollen, etwas zu dick aufgetragen.
Sie muss auf die Linken, deren Stimmen sie nun einmal braucht, zugehen. Ganz pragmatisch und nicht ideologisch verbohrt.
JUL
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.