Norwegen

Geschrieben von: am 25. Jul 2011 um 0:20

“Ich bin stolz in einem Land zu leben, dass in schwierigen Zeiten zusammensteht. Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit.“

Ministerpräsident Jens Stoltenberg während des Trauergottesdienstes im Osloer Dom

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“Wir dürfen und werden uns in unserer offenen Lebenskultur nicht einschränken lassen. Deshalb vertrauen wir unseren Sicherheitsbehörden den Schutz unserer freien Gesellschaft an. Wichtig dafür ist ein effizientes Frühwarnsystem. Dazu brauchen unsere Behörden aber auch die notwendigen rechtlichen Befugnisse. Ich bin daher froh, dass wir die Antiterror-Gesetze, die für jede Form von Terrorismus gelten, auch in Zukunft zur Verfügung haben.”

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich via Bild am Sonntag

Zum Thema ist schon viel geschrieben worden und vor allem auch darüber, wie deutsche Medien berichtet haben. Ich will das nicht noch einmal wiederkäuen, nur kurz meine persönliche Erfahrung mitteilen, bevor ich den Fernseher am Freitag abgeschaltet habe.

Auf n-tv oder N24, keine Ahnung, beides jedenfalls keine Nachrichtensender, durfte der Lindenstraßen Schauspieler Georg Uecker, der als Halb-Norweger im Laufband beschrieben wurde, das Geschehen kommentieren und ins Blaue hinein spekulieren. Im Ersten wie im Zweiten waren umgehend die seit einiger Zeit unterbeschäftigten, aber immer noch bekannten Terrorismusexperten als Gesprächspartner vor der Kamera und erzählten mal wieder, um ihre Daseinsberechtigung zu untermauern, dass ein islamistischer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden könne, obwohl sie für diese Behauptung keinerlei Anhaltspunkte vorlegen konnten.

Nur die norwegischen Behörden und Politiker verhielten sich vorbildhaft und sagten nichts, bis verlässliche Fakten ermittelt waren. Erst als man wusste, wer die beiden Taten verübt hatte, wurde die Öffentlichkeit darüber unterrichtet. Doch da war man hierzulande fast schon davon überzeugt, dass entweder Gefolgsleute, des im Meer versenkten Osama bin Ladens oder des noch quicklebendigen Gadaffis die Anschläge durchgeführt haben mussten. 

Es kam bekanntlich anders. Die einfache Erklärung löste sich in Luft auf und die Einzelheiten über den Täter zwingen zur Überarbeitung des deutschen Lehrbuchs über den Terror. 

Gibt es eigentlich einen Zusammenhang zwischen den Ansichten des Täters, der Europa vor dem Marxismus und einer Islamisierung retten wollte, und den Ausdünstungen deutscher Qualitätspolitiker wie Sarrazin, die gegen Muslime hetzen, weil angeblich eine Verdummung der übrigen Deutschen drohe? Was ist mit Merkels biblischer Erkenntnis von einem “absolut gescheiterten Multikulturalismus” und der neoliberalen Angst vor einer Rückkehr von Planwirtschaft und Kommunismus?

Werden die Anschläge von Oslo zu einem neuen Fukushima für die Regierung werden und eine Wende im Denken hervorrufen? Wird Angela Merkel wieder vor den Deutschen Bundestag treten und behaupten, Oslo habe die Welt verändert, Multikulti dürfe doch nicht als gescheitert betrachtet werden? Wird Innenminister Friedrich zukünftig vor islamistischem Terror durch rechtsextreme Fundamentalisten in Designerkleidung warnen?

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Manfred Corte  Juli 25, 2011

    … es werden sich sehr schnell deutsche Politiker finden, die jetzt noch schneller eine erweiterte Vorratsdaten-Speicherung verlangen, veschärfte Terrorgesetze und weitere Beschneidung der demokratischen Rechte der Bürger. Alles mit Hinweis auf Norwegen ….. Diese Chance die Bürger noch mehr zu überwachen, zu gängeln und zu kontrollieren läßt sich keiner dieser Scheindemokraten entgehen! Und schon einmal mußte die Tabaksteuer für die Innere Sicherheit aufgestockt werden. Etwas ähnliches wird wieder kommen – der Soli wird umfunktioniert! Ihr werdet sehen, wer demnächst wieder in diesem Sinne seinen Mund dazu aufreißt … nicht nur in den zahlreichen Talk-Shows!

  2. Topkapi  Juli 25, 2011

    Bravo für diese Analyse. In der hiesigen Tageszeitung „WN“ (der etwas konservativeren der beiden konservativen münsteraner Zeitungen) stand auf der ersten Seite am Samstag ein Kommentar zu Oslo der zu 3/4 über den ismlamistischen Terror sinnierte (oder unsinnierte), dann zugeben mußte, dass wohl nicht so ein Fall gewesen sei und dann mit der eleganten Redewendung „Wie auch immer:“ in den Kanon einstimmte, wie wachsam wir alle sein müßten für die Zukunft blah und blah und blah…

    Sehr schön fand ich auch den Satz irgendwo (sicherliche vieler Orten zu finden): eine freiheitliche Demokratie müsse solche Gefahren hinnehmen. Bene. Aber bittesehr. Angesichts dieses durchgeknallten Täters, welche Gesellschaftsform von Dikatatur bis Oligarchie oder Debtokratie muss so etwas nicht hinnehmen? Es sei denn es werden alle angekettet?

  3. Conrad Canaan  Juli 27, 2011

    Ich finde es schrecklich, dass so eine Katastrophe passiert ist. Die Menschen sind in unserer heutigen Welt nicht mehr in Sicherheit. Ich befürchte, dass es in Zukunft mehr Attentate von Rechtsorientierten geben wird. Die Regierung muss sich mehr um die Sicherheit der Bevölkerung kümmern. Es sind bedauerlicherweise so viele Personen – vor allem Jugendliche – getötet worden. Jetzt kann man sie bedauerlicherweise nicht mehr zurückholen. Desswegen muss man schon vor solchen Anschlägen handeln. Mehr Informationen zu dieser Thematik kann man auf dieser Webseite finden.