Seit gestern geistert ein angebliches Sparprogramm aus dem Schäuble Ministerium durch die Medien. Neben den üblichen Kürzungen wird jetzt genau das vorgeschlagen, was absehbar war und auch als nächster alternativloser Schritt den Menschen verkauft werden wird. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Jetzt beginnt die Diskussion und das Spiel über Bande. Besonders widerlich mal wieder das Auftreten der FDP, die vordergründig Kritik übt und eine weitere Belastung der Bürger ablehnt, obwohl sie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer im Grundsatz und ohne mit der Wimper zu zucken mittragen würde.
FDP-Fraktionsvize Volker Wissing sagte der „Welt am Sonntag“, eine Reform mit Mehrbelastungen für die Bürger sei mit seiner Partei nicht zu machen. Wenn es, etwa durch eine Mehrwertsteuer-Erhöhung, zu Mehreinnahmen komme, müsse man diese an anderer Stelle zurückgeben. Na klar. Und zwar über eine Senkung der Einkommenssteuer, die vor allem den Besserverdienenden und dem Wahlkampf der Liberalen nutzt. Sie profitieren bekanntlich durch eine Flat-Tax, weil sie ihr Einkommen nur zu einem Teil verkonsumieren. Eine Anpassung würde absolut der neoliberalen Dogmatik entsprechen. Der Anteil der indirekten Steuern am Gesamtsteueraufkommen liegt seit einigen Jahren schon über 50 Prozent.
Eine etwas ältere Grafik zeigt die Entwicklung der Zusammensetzung des Steueraufkommens:
Wenn nun aber insgesamt weniger Steuern aus Einkommen zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden, ist auch klar, dass die höheren Einkommensbezieher auch nicht absolut mehr an Steuern zahlen als andere, wie das die FDP und zahlreiche Medien immer wieder behaupten. Gemessen an ihren Einkommen, sind Gering- und Normalverdiener über die Mehrwertsteuer sehr viel mehr belastet, als Spitzenverdiener und Vermögende.
Wer also über die Erhöhung der Konsumsteuern nachdenkt, will ein Konjunkturgift verabreichen und die Massenkaufkraft schwächen. Wie das nun aber mit der angeblich steigenden Konsumlaune der Haushalte und dem immer wieder beschworenen privaten Verbrauch als verlässliche Stütze der Konjunktur zusammenpassen soll, bleibt ein Regierungsgeheimnis. Selbst das Bundesfinanzministerium rechnet mit einem Einbruch des privaten Konsums.
Die Verunsicherung der Konsumenten hinsichtlich der weiteren konjunkturellen Entwicklung ist jedoch weiterhin sehr hoch. Dies dürfte zusammen mit den bereits erkennbaren Auswirkungen der konjunkturellen Abschwächung auf dem Arbeitsmarkt die Konsumneigung belasten. Ein Anzeichen könnte bereits der deutliche Rückgang der realen Einzelhandelsumsätze (ohne Kraftfahrzeuge) zu Beginn des Schussquartals sein.
Deshalb ergibt es auch Sinn die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Schon klar. Es ist immer noch erstaunlich, dass Schäubles Beamte den „deutlichen Rückgang der Einzelhandelsumsätze“ nur als Zeichen betrachten, die bekloppte Messung der Verbraucherstimmung aber für bare Münze nehmen.
Solche Aussichten und Analysen, die von Dogmatik geprägt sind, können nur finanzpolitische Taliban verfassen.
DEZ
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.