Was da Mindestlohn genannt wird

Geschrieben von: am 02. Mrz 2013 um 21:13

Derzeit spricht ganz Deutschland über faule Eier. Die Diskussion um den Mindestlohn gehört auch dazu. Da hat der Bundesrat eine Initiative gestartet, wonach Deutschland einen flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro bekommen soll. Die Bundesregierung lehnt das natürlich ab, die Arbeitgeber auch und der Vize der Agentur für Arbeit Heinrich Alt meint, der Mindestlohn würde an der Zahl der Aufstocker nichts ändern.

Recht hat er, denn die 8,50 Euro machen bei einer Vollzeitbeschäftigung von 160 Stunden im Monat gerade mal einen Bruttomonatslohn von 1360 Euro aus. Und wer hat schon einen Vollzeitarbeitsvertrag? „Von den 1,2 Millionen Aufstockern, die wir haben, sind 320 000 Vollzeit beschäftigt“, sagt Alt im Interview. Die niedrigen Löhne sind das eine, die prekäre Beschäftigung das andere. Darüber redet nur keiner.

Doch was ist von dem Vorstoß des Bundesrates zu halten? Der SPD-Chef Sigmar Gabriel plustert sich schon mal mächtig auf und brüllt in Richtung FDP: „Ein Mindestlohn ist der Lohn, den man braucht, um trotz Vollzeitarbeit nicht zum Sozialamt gehen zu müssen.“ Das sagt der Richtige, der wie einst bei der Geburt der Agenda 2010 jetzt auch wieder nicht merkt, wie missgebildet die Realität doch ist.

Hinzu kommt, dass erst kürzlich die Mathematik-Genies im Arbeitsministerium herausgefunden haben, was von der rot-grünen Senkung des Rentenniveaus am Ende übrig bleibt. Demnach führe ein Bruttomonatsgehalt von unter 2500 Euro nach 35 Beitragsjahren zwangsläufig zur Altersarmut. Das heißt, wenn Gabriel wirklich wollte, dass niemand trotz Vollzeitarbeit zum Sozialamt gehen muss, müsste er in Kenntnis der großen Rentenreform seiner Partei einen Mindestlohn von wenigstens 15,63 Euro fordern, statt lumpige 8,50 Euro als einen noch größeren sozialdemokratischen Wurf zu bezeichnen. Denn, so betont Erzengel Gabriel ja immer, nur gerechte Löhne würden vor echter Altersarmut schützen.

Doch um eine vernünftige Politik geht es schon lange nicht mehr. Die jetzige SPD-Initiative für den Mindestlohn ist genauso verlogen, wie das fast geschlossene Nein der SPD-Fraktion zum Mindestlohn im Jahr 2007. Damals meinten die Sozialdemokraten als Juniorpartner der CDU noch, die Linken würden nur einen Politzirkus veranstalten wollen. Den Zirkus veranstaltet die SPD nun wieder selbst. Sie fordert den Mindestlohn immer nur dann, wenn sicher ist, dass sie ihn nicht durchsetzen kann.

Die Arbeitgeber halten den Mindestlohn für „Gift“. Diese drastischen Worte wählte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann. Er sagte, vielen Geringqualifizierten würde damit der berufliche Einstieg erschwert. Das ist interessant. Heute war ich in Hannover auf der jährlich stattfindenden Berufs- und Ausbildungsmesse. Dort referierte ein Vertreter der IHK Hannover. Er meinte, dass der Fachkräftemangel in Niedersachsen und die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Spanien eine Win-Win-Situation darstellen würde. Das sagt eigentlich alles.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Sabbelcafe  März 3, 2013

    Wahre Worte, ich bin gespannt ob dieser sogenannte Mindestlohn dann wirklich ein flächendeckender Mindestlohn für alle sein wird. Ich denke da besonders an Niedriglohn Gewerbe im Hotel und Gastronomiebereich oder auch zum Beispiel Frisöre…

    Sabbelcafe

  2. AlterKnacker  März 4, 2013

    Schon am 01.03.2013 habe ich auf Google+ geschrieben: –
    +1 auf http://www.zeit.de
    – Öffentlich

    Ein absolutes Trauerspiel der Politik … dieser Betrag ist BRUTTO … nach den Hartz-Gesetzen … jetzt soll die nächste Sauerei fest genagelt werden und dann soll man auch noch Rot-Grün für diese ‚Wohltat‘ wählen … NIE und NIMMER

    Lohnuntergrenze: Bundesrat stimmt für Mindestlohn »
    SPD, Grüne und Linke nutzen ihre neue Mehrheit in der Länderkammer, um symbolisch einen Mindestlohn von 8,50 Euro zu beschließen. Dafür gab es auch Stimmen aus der CDU.

  3. Gekis  März 4, 2013

    Was müssen Menschen verdienen, um eine armutsfeste Rente erwarten zu können?

    Aus dem Text: “… Anders gerechnet: Um (bei einem Rentenniveau von 43%) mit einem Stundenlohn von 8,50 € (immer unter der Bedingung gleichbleibenden Geldwertes) die Grenze zur Armutsgefährdung zu überschreiten (die heute bei 1060 Euro liegt) müsste mensch 79,9 Jahre lange arbeiten, in Ostdeutschland noch ein wenig länger…

    http://www.labournet.de/politik/wipo/rente-wipo/rente-allg/was-mussen-menschen-verdienen-um-eine-armutsfeste-rente-erwarten-zu-konnen/?cat=6757

  4. landbewohner  März 4, 2013

    man darf sicher sein, daß der von den spezialdemokraten (falls überhaupt) mitbeschlossene mindestlohn unterhalb des existenzminimums liegen wird. gleiches gilt natürlich auch für die übrigen scheindemokraten in bundestag und -rat.
    volksverarsche die 989.?

  5. OttoKar Toffel  März 4, 2013

    Versteh die Aufregung nicht. Der Mann hier sagt ganz klar was Sache ist.

    Hans-Dieter Bremer,
    Präsident der Vereinigten Unternehmerverbände für Mecklenburg-Vorpommern:
    „….Also insofern ist das ne ganz soziale Ungerechtigkeit, aus meiner Sicht, wenn man jetzt sagt: Also ‚gutes Geld für gute Arbeit’ oder ‚man muss von seiner Arbeit leben können’, also diese Sprüche, die sind richtig unsozial.“

    Also, im Interesse der Erhaltung unserer sozialen Markwirtschaft…..

    Quelle DLF 01.03.2013,

    http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2013/03/01/dlf_20130301_1411_f758cdd8.mp3
    Transkript von mir

  6. Uwe Bieser  September 4, 2014

    Sie haben sich einen klassischen Rechenfehler geleistet. Da ein Monat nicht aus exakt 4 Wochen besteht, hat ein Monat bei 8 Stunden täglicher Arbeitszeit eine durchschnittliche Gesamtarbeitszeit von 174 Stunden. Dies entspricht einem Bruttogehalt von 1479 EUR, bei 8,50 EUR die Stunde.

    • adtstar  September 4, 2014

      Das ist richtig, wobei Vollzeitbeschäftigung ein dehnbarer Begriff ist. Die Angaben zur Gesamtstundenzahl schwanken von Betrieb zu Betrieb und von Tarifvertrag zu Tarifvertrag. Meine 160 Stunden stammen aus einem üblichen Branchentarifvertrag. Dort wird in der Regel von 20 Arbeitstagen pro Monat ausgegangen, egal wie viele Arbeitstage es tatsächlich sind.

      Sie stimmen mir aber zu, dass auch bei einer Stundenzahl von 174 das errechnete Bruttoentgelt viel zu niedrig ist.