Merkels lustige Plauderstunde

Geschrieben von: am 21. Jul 2010 um 23:21

In Merkels lustiger Plauderstunde am Mittwoch konnte man den Eindruck gewinnen, dass es bei den Medien nie einen kritischen Instinkt gegeben hat. Es war der Tag der wohlmeinenden Lacher und der Legendenbildung. Frau Merkel durfte Erfolge aufzählen, die es in Wahrheit gar nicht gibt. Doch die Presse schreibt dann nur, dass die Erfolge zwar vorhanden seien, wie ein stabiler Arbeitsmarkt und stabile Finanzmärkte, ein Aufschwung und ein stabiles Krisenmanagement, doch seien diese Erfolge nicht die von Frau Merkel, sondern die von Peer Steinbrück und Olaf Scholz.

Sie hat ja auch Spaß am Regieren. Sagt sie feixend und zählt Erfolge auf. Nur: Es sind nicht die Erfolge von Schwarz-Gelb, die Deutschland am Ende der globalen Wirtschaftskrise gut dastehen lassen. Die Stabilisierung der deutschen Finanzmärkte nach der Lehman-Pleite? Eine Leistung Merkels und ihres sozialdemokratischen Finanzministers Peer Steinbrück. Der Aufschwung der Automobilindustrie, der Bauwirtschaft? Erreicht durch Abwrackprämien und die Konjunkturpakete I und II. Der überraschend stabile Arbeitsmarkt? Eine Folge der Kurzarbeiterregelungen, initiiert von Arbeitsminister Olaf Scholz, SPD. Alles also Bilanz erfolgreichen Regierungshandelns der großen Koalition, geboren aus der disziplinierten Zusammenarbeit von Union und SPD.

Quelle: Tagesspiegel  

Da staunte ich nicht schlecht, als ich das gelesen habe. Mission erfüllt, könnte man meinen. Etwas anderes als die Botschaft einer erfolgreichen Politik zu verbreiten, lag doch auch gar nicht im Interesse der Kanzlerin. Für die Politik der Kanzlerin spielt es ja auch gar keine Rolle, ob es in der Koalition nun harmonisch zugeht oder nicht. Ganz im Gegenteil. Die unterhaltsamen Streitereien lenken doch so schön vom Versagen aller bisher angetretenen Regierungen von Rot-Grün über die Große Koalition bis hin zu Schwarz-Gelb ab. Seit 1999 werden wir von präsidialen Kabinetten regiert, deren Interessen gar nicht mehr darin bestehen, zum Wohle des deutschen Volkes alle Kraft einzusetzen, um dessen Nutzen zu mehren sowie Schaden von ihm abzuwenden. Das Schröder- wie das Merkel-Kabinett betrieben und betreiben reine Klientel-Politik, die sogar den Verfassungsbruch mit einschließt. Das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wurden und werden weder gewahrt noch verteidigt, sondern missachtet und mit Hilfe einer Zweidrittelmehrheit zum Teil so geändert und neu verfasst, dass sie zum politischen Willen passen.

Das Parlament wurde in dieser Zeit zu einer reinen Abnickerbude, in der sämtliche parlamentarischen Rechte an die Exekutive abgetreten wurden. So ermächtigte eine breite Mehrheit von CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen den damaligen Finanzminister Steinbrück, über eine halbe Billion Euro Steuergeld im Rahmen des Bankenrettungsschirms frei verfügen zu dürfen. Das Parlament gab sogar seine Kontrollrechte auf. Die Exekutive informiert lediglich in einem Ausschuss über die Verwendung des Geldes, aus dem natürlich unter Strafandrohung nichts öffentlich verbreitet werden darf.

Als die SPD im Jahr 2005 ihre Kanzlerschaft einfach abbrach, um die Agenda-Politik zu retten, wurde der Bundestag mit Hilfe einer fingierten Vertrauensfrage aufgelöst. Kanzler Schröder begründete seinen Schritt damals damit, keine eigene Mehrheit im Parlament mehr zu besitzen. Seltsam war dabei nur, dass nach der verlorenen Vertrauensfrage und der folgenden Auflösung des Bundestages durch den Bundespräsidenten noch rasch zahlreiche Gesetze durch Rot-Grün verabschiedet wurden. Als die SPD dann in der Großen Koalition die unermüdliche Kämpferin für eine sozialere Politik abgab und unentwegt den Mindestlohn forderte, den durchzusetzen sie sieben Jahre lang nicht für notwendig erachtete, lehnte sie sogar den eigenen Gesetzesantrag ab, weil er von den Linken ins Plenum eingebracht wurde.

Seit über zehn Jahren erleben wir eine Politik der neuen Einheitspartei Deutschlands (CDU/CSU/SPD/FDP/GRÜNE). Da konnten sie wählen, was sie wollten, sie bekamen immer die gleiche schlechte angeblich „alternativlose“ Politik serviert, die nur den vermeintlichen „Sachzwängen“ Rechnung trug. Jedoch die schlimmste Lüge der Kanzlerin, die man nur noch mit Demagogie übersetzen kann, war die Behauptung, dass das Ausland das deutsche „Herangehen an die Probleme“ mit Anerkennung quittiert hätte. So als ob es keinen offenen Streit mit Frankreich und den USA über die falsche deutsche Politik gegeben hätte. Merkel wischt den Disput einfach weg und erledigt damit auch die möglichen kritischen Nachfragen der Journalisten, die aber auch gar nicht gestellt wurden.

Merkel wird wiederkommen.

„Sie können sicher sein, dass Sie mich nach den Ferien wiedersehen.“

Gelächter im Saal. Wahrscheinlich weil sich die meisten spontan an den hier erinnerten.                         

I’ll be back! Hasta la vista, Baby.“

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Ormuz  Juli 21, 2010

    Der Auftritt war an Peinlichkeit kaum noch zu überbieten, ein kläglicher Versuch der Schönrednerei der gründlich nach hinten los gegangen ist – man hat sie ausgelacht dafür – richtig so !

  2. satiren  Juli 22, 2010

    Bei dieser Bundeskanzlerin besteht Politik vor allem in der »Kunst das Schönredens«.

    Merkel verleugnet nicht nur beharrlich die im Lande herrschenden Probleme, die weiterhin einer Lösung harren – nein – sie redet sie einfach schön, so als wären sie gar nicht vorhanden.

    Solche realitätsfernen Gestalten in politischer Verantwortung kann dieses Land – gerade jetzt in Zeiten der Krise – am allerwenigsten gebrauchen, denn es handelt sich allem Anschein nach um Politikverweigerer.

    Schönreden ist zum Politikersatz geworden.
    Man kann diese rhetorischen Schönfärber auch als »Politiker des schönen Scheines« zu bezeichnen.

  3. Arnold  Juli 22, 2010

    Wer KanzlerIn werden will muss überall beliebt sein. Das heißt die „herausragende“ Fähigkeit der Kanzlerin besteht darin möglichst nichts zu sagen, was die Wähler gegen sie aufbringen könnte und gleichzeitig eine Politik zu vertreten die den Meinungsmachern (Springer, Mohn etc) gefällt. Fachkenntnisse über Wirtschaft Soziales etc sind dabei eher hinderlich (es könnten sich ob der schlechten Politik ja Gewissensbisse einschleichen – eine Grundausbildung in Physik wahrt ausreichend Abstand zur Realität). Für Fachwissen sind die Marionetten der Wirtschaft zuständig (Asmussen und Konsorten).
    Da unsere Bundeskanzlerin vor lauter repräsentieren und Wählerstimmen sammeln kaum dazu kommen dürfte sich einen Überblick über die Nachrichten zu verschaffen, wird sie nur das lesen, was ihre Berater ihr vorkauen. (Ich vermute den führenden Ministern geht es genauso.)

    Ich fürchte Schönreden ist Voraussetzung um KanzlerIn zu werden.

  4. literatenwelt  Juli 24, 2010

    Diese Regierung ist eine »Regierung der geistigen Windstille«.
    Dort, wo kein Wind geht, können auch keine Ziele erreicht werden.

    • adtstar  Juli 24, 2010

      So könnte man es ausdrücken. Wobei ich sagen würde, dass außerhalb des Regierungskopfes ein Orkan direkt ins Gesicht bläst.

  5. kalkzone  Juli 24, 2010

    Der sogenannte stabile Arbeitsmarkt schiesst auch auf weiteres „Neu- und Wiedereinsteiger“ aus.

    Durch die Kurzarbeit wurden Arbeitsplätze an die Menschen zementiert, die diese Arbeitsplätze innehatten.

    Derart „ausgelaugt“ vom Nichtstun schiebe sie nun Überstunden ohne Ende – und verhindern abermals das Erwerbsleben von Millionen.

    Das war Scheisse.