Warum Merkel mit Frankreich zusammenarbeitet

Geschrieben von: am 16. Dez 2010 um 19:53

Ich habe mich die ganze Zeit über gefragt, warum Madame No mit dem abgebrochenen Franzosen Sarkozy in Deauville eine Strandvereinbarung über alle europäischen Institutionen hinweg getroffen hat. Damals verzichtete sie auf den automatischen Sanktionsmechanismus für Defizitsünder, den sie zuvor immer wieder lautstark gefordert hatte. Von den Franzosen erhielt sie dafür die Zusage, einer Vertragsänderung der EU-Verfassung nicht im Wege zu stehen. Auf dem aktuellen Gipfel geht es ja auch um eine entsprechende Änderungen im Lissabon Vertrag, der eine Anpassung der no-bail-out Regel vorsieht, also eine Aufweichung des Beistandsverbotes. Dies braucht Deutschland auch dringend, da sonst jede finanzielle Hilfe schwebend verfassungswidrig ist.

Als Begründung für ihren Sinneswandel gab sie damals an:

„Eine deutsch-französische Einigung ist noch nicht alles in Europa. Aber: Ohne eine deutsch-französische Einigung wird vieles nichts.“

Nun im Vorfeld des Gipfels und der Euro-Bond-Diskussion gab Frau Merkel dann eine Pressekonferenz mit Sarkozy an ihrer Seite, auf der sie sagte, dass eine Vergemeinschaftung der Zinsen und Risiken uns nicht weiterhelfen würde. Das ist eine sehr, von nationalem Egoismus, geprägte Aussage. Warum stimmt nun Sarkozy dem uneingeschränkt zu? Die Antwort ist simpel und ich fand sie in der französischen Zeitung Le Monde:

Sur le fond, la chancelière ne dit pas autre chose : l’euro c’est l’Europe, et l’Europe c’est la paix, explique-t-elle régulièrement. Mais son engagement en faveur de l’Europe semble purement rationnel. A Paris, on ne se fait guère d’illusion. „Elle travaille avec nous parce que la France est le seul grand pays de la zone euro à être noté triple A“, observe un haut fonctionnaire.

Quelle: Le Monde

Da steht im Prinzip auch, dass Merkel weniger Europa im Blick hat als ihre nationalen Interessen. Es steht aber auch die Meinung eines hohen französischen Beamten dort, dass Merkel nur deshalb mit Sarkozy zusammenarbeite, weil Frankreich als einziges größeres Land in der Eurozone noch Triple A Status bei den Ratingagenturen hat. Aus monetärer Sicht hat man also die gleichen Interessen, die aber der Juckersche Euro-Bond-Vorschlag jäh durchkreuzen würde. Denn dann müsste nämlich auch Frankreich höhere Zinsen für seine Staatsanleihen zahlen. Das ist im Prinzip das Geheimnis der Achse Berlin-Paris.

So gleich die kurzfristigen Interessen auf dem Bond-Markt auch sein mögen, in der realen Wirtschaft sind sie es nicht. Und da liegt das Problem. Frankreich ist nämlich ebenfalls ein Defizitland. Seit 2004 vergrößert sich das Minus in der Handelsbilanz. Daher hatte die französische Finanzministerin Lagarde auch auf die Handelsungleichgewichte innerhalb der EU verwiesen und betont:

„Wenn man in einer Gemeinschaft ist, wie wir es in Europa sind, dann müssen alle sich anstrengen: Die, die zu viele Defizite haben, müssen diese abbauen, das ist vorrangig. Und die, die Handelsüberschüsse haben und ihre ganze Kraft nur aus dem Export ziehen, müssen einsehen, dass sie nicht der einzige Motor der Gemeinschaft sind – und überlegen, ob sie Wachstum auch auf anderen Wegen erreichen können.“

Quelle: Tagesschau

Nur um diese wichtige und vorrangige Diskussion, die einer längerfristigen Perspektive bedarf, geht es noch immer nicht in Brüssel. Merkel und Sarkozy denken in kurzfristigen und einzelwirtschaftlichen Dimensionen. Ihnen geht es vor allem um die Haushaltskontrolle in den Schuldnerstaaten. Denn nur wenn für die Forderungen von deutschen und französischen Banken gespart wird, müssen diese keine Abschreibungen in ihren Bilanzen vornehmen.

Es geht also nicht um die Rettung des Euro oder der Eurozone, sondern noch immer um die Rettung jener Banken, die den Geburtsfehler der Währungsunion ausnutzten und Milliardenkredite vergaben, mit denen einerseits der deutsche Exporterfolg erst emöglicht und andererseits Kreditblasen, wie in Irland, aufgepumpt wurden.

So richtig Merkels Forderung nach einer Beteiligung privater Gläubiger auch sein mag, sie ist in einem ganz zentralen Punkt schlicht unglaubwürdig. Und zwar aufgrund der Tatsache, dass die Haftung nicht schon jetzt, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt eingeführt werden soll. Warum? Wenn Ackermann gezwungen sein würde, sich an der Pleite Irlands zu beteiligen, würde seine Bank nicht untergehen und kein Steuerzahler müsste sie retten. Er müsste einfach nur von seinem Ziel Abstand nehmen, 25 Prozent Eigenkapitalrendite ergaunern „erwirtschaften“ zu können.

Über den Renditewahnsinn, der noch immer bei der Deutschen Bank tonangebend ist, spricht keiner mehr. Wahrscheinlich lässt sich Frau Bundeskanzlerin auch deshalb künftig von Lena Meyer-Landruts Onkel in europapolitischen Fragen beraten. Das bringt wieder ein wenig Ablenkung unters Volk.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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