Mediales Trauerspiel

Geschrieben von: am 15. Jan 2015 um 9:21

Vor ein paar Wochen haben sich die Medien noch bemüht, Putin auf dem G20-Gipfel als isolierte Person darzustellen, was misslang. In Paris bemühten sich die Medien nun, Staatschefs, die sich selbst isolierten, als Teil einer großen Masse darzustellen. Auch das misslang. Die Medien sollten vielleicht ihre Mission überdenken.

Ich finde, Kai Gniffke von der ARD sollte noch mal einen Grundlagenkurs zum Thema journalistische Arbeit machen. Natürlich sind Pressebilder Inszenierungen. Man verständigt sich auf ein Motiv oder eine Aussage mit den Abgebildeten. Eine Unterschrift oder ein Handschlag werden oft fürs Foto nachgestellt. Das ist Pillepalle und gehört zum Job.

Doch wie ich beim simplen Spatenstich das Wörtchen „symbolisch“ in der Bildunterschrift verwende, obwohl klar ist, dass ein Gebäude nicht in diesem Moment errichtet wird, so hätte dasselbe Wörtchen beim Aufmarsch der Staats- und Regierungschefs in Paris den zahlreichen Berichten, die etwas anderes suggerierten, sicherlich auch gut zu Gesicht gestanden.

Es wäre keine Schande für die Kollegen, dieses klare Versäumnis einzugestehen. Wer eine Botschaft der Geschlossenheit transportieren will, muss eben auch zur Kenntnis nehmen, dass es sie aus durchaus verständlichen Sicherheits- oder Termingründen nur eingeschränkt geben kann. Der amerikanische Präsident betritt in Europa auch nur Straßen, wenn die Gullydeckel verschweißt sind.

Ob man das ganze dann als symbolischen Akt oder als eine bewusste Inszenierung für die Weltöffentlichkeit beschreibt, ist tatsächlich eine Bewertungsfrage, die im Rahmen der journalistischen Freiheit diskutiert und entschieden werden darf. Die Presse darf das ganze auch ignorieren, wenn ihr die Wirklichkeit als unwichtig erscheint.

Die Aufgabe der Medien ist aber nicht, eine Wirklichkeit zu erfinden oder eine vermeintliche Realität zu zeigen, die andere oder man selbst ganz gern hätte, weil es möglicherweise ein Mehr an Aufmerksamkeit verspricht. Die Aufgabe der Medien besteht nach meinem Verständnis darin, aufzuklären und zu bewerten. Eigentlich ganz simpel.


Link-Tipp: Lesenswert ist in diesem Zusammenhang auch der Beitrag von feynsinn mit dem Titel Hoftheorie: Alles nur Theater

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Jochen Walter  Januar 15, 2015

    Ja, das stimmt. Medien konstruieren natürlich immer irgendwie die Realität (sie sind selektiv, sie spitzen zu und sind auf Neuigkeitswert aus – das geht nicht anders). Im vorliegenden Fall (und bei einigen anderen der jüngeren Vergangenheit) sieht das aber natürlich nochmal anders aus, da hier ja eine bewußte Inzenierung vorliegt.

  2. Manfred Corte  Januar 15, 2015

    … schon verständlich, daß manche Bilder, auch Fernsehbilder „gestellt“ werden und Politiker auch „abgesichert“ werden müssen. Was Du aber unerwähnt gelassen hast, ist viel schlimmer: In ARD und ZDF gleichermaßen wurde durch Schnitte und Ton bewußt der Eindruck erweckt, daß tapfere Politiker hier vorweg gegangen sind und einen Trauermarsch „angeführt“ haben. Diese bewußt manipulierte Darstellung ist es, was aufregen und erregen muß! Durch Schnitt und Ton wurde das so dargestellte Ereignis zu einer Lüge und Fälschung, nicht nur wegen eines unterlassenen, ergänzenden Kommentars!

    • adtstar  Januar 15, 2015

      Ich habe jetzt die Schnitte im einzelnen nicht gesehen, sondern mich nur auf die Bilder und Texte im Internet bezogen sowie die Stellungnahme von Gniffke.

      Aber auch das Schneiden von Video- und Tonmaterial folgt bestimmten dramaturgischen Regeln, damit ein Bericht funktioniert. Aus meiner Sicht ist die Methode also in Ordnung.

      Nur wenn am Ende ein Ergebnis steht, das eine Wirklichkeit vermittelt, die es offenkundig gar nicht gegeben hat, ist das bedenklich und unsauber, um nicht zu sagen, schlampig.

      Vorsatz will ich nicht unterstellen. Ich bleibe bei meiner These vom Herdentrieb. Das hat übrigens auch Gniffke einmal bestätigt, als er rechtfertigend schrieb, seine Redaktion hätte nur das Wording der Agenturen und der Qualitätspresse übernommen.

  3. Hoehenrausch  Januar 15, 2015

    Das passierte ja nun nicht zum ersten Mal.

    Kein Wunder, wenn manche rufen: Lügenpresse.

    Schnell noch dazu gesagt:
    Ich bin kein Anhänger von PEGIDA

  4. Florian Hohenwarter  Januar 15, 2015

    Ich kann nur jeden das Buch

    „Bildlegenden- Fotos machen Politik“

    http://www.amazon.de/Bild-Legenden-machen-Politik-F%C3%A4lschungen-Manipulationen/dp/3902732040

    empfehlen.
    Darin werden etlichen Manipulationen und die angewandte Technik erläutert.

    Wenn Sie dieses Buch gelesen haben, werden Sie Medien ganz anders wahrnehmen.