Eigentlich wollte ich nix mehr zu diesem Thema schreiben, aber dieser Medienhype gestern liefert doch Stoff für einige Anmerkungen. Zunächst einmal habe ich gestern im Rahmen meines Anstalt Beitrags darauf hingewiesen, wie ich zur Person Käßmann stehe. Die öffentliche Bedeutung ihres Amtes war und ist mir einfach zuwider. Und sie tat mir auch noch einmal den Gefallen und wies in ihrer Abschiedserklärung darauf hin, dass es zum Selbstvertändnis der evangelischen Kirche Deutschlands gehöre, eine gewichtige politische wie gesellschaftliche Stimme zu sein.
„Aber auch wenn ich ihn bereue, und mir alle Vorwürfe, die in dieser Situation berechtigterweise zu machen sind, immer wieder selbst gemacht habe, kann und will ich nicht darüber hinweg sehen, dass das Amt und meine Autorität als Landesbischöfin sowie als Ratsvorsitzende beschädigt sind. Die Freiheit, ethische und politische Herausforderungen zu benennen und zu beurteilen, hätte ich in Zukunft nicht mehr so wie ich sie hatte.
Ich kann nicht mit der notwendigen Autorität im Amt bleiben. So manches, was ich lese, ist mit der Würde dieses Amtes nicht vereinbar. Aber mir geht es neben dem Amt auch um Respekt und Achtung vor mir selbst und um meine Gradlinigkeit, die mir viel bedeutet.“
Das sehe ich einfach anders. Die Kirchen sollen ihren Glauben unter ihren Gläubigern verbreiten und nicht in einer Öffentlichkeit, zu der auch Menschen zählen, die diesen Glauben nicht teilen und es demzufolge auch nicht hinnehmen müssen, dass die christlichen Kirchen sich anmaßen, eine notwendige Autorität vertreten zu müssen. Allein dieser Satz verstößt gegen die Verfassung. Aber das ist ein anderes Thema.
Sie hatte ja durchaus ihre Autorität positiv zu nutzen gewusst und sich in der Afghanistan-Frage auf der richtigen Seite eingeschaltet. Ich wies aber gestern auch darauf hin, dass die ihr entgegengebrachte Gesprächsbereitschaft seitens der politisch Verantwortlichen nicht auf Grundlage ihrer Aussage geschehen ist, sondern wegen ihrer Autorität, die sie in ihrem Amt als EKD-Vorsitzende ausstrahlt. Für mich ist das jedenfalls äußerst sonderbar, mit anzusehen, wenn mit Theodor zu Guttenberg, ein adliger Vertreter der weltlichen Regierung, und die Chefin der evanglischen Kirche zusammentreffen, um eine politische Sachfrage zu besprechen. Das hat eben mehr mit ancien régime und alter Tradition zu tun, als mit Aufklärung und Demokratie. Vertreter der politischen Opposition in diesem Land werden und wurden in genau dieser Frage als Spinner bezeichnet, während Frau Käßmann voller Respekt und Achtung zu Teil wurde.
Im Anschluss an die gestrige Pressekonferenz, die in epischer Breite nicht nur im Radio übertragen wurde, sondern auch im Fernsehen – dafür wurde die Übertragung der Aktuellen Stunde im Bundestag unterbrochen – quittierten die anwesenden Journalisten die Rede Käßmanns mit Beifall, und wahrscheinlich hatten sie auch mit den Tränen zu kämpfen. Nachfragen waren ja nicht erlaubt. Dabei hätte ich mir eine Frage dennoch nicht verkneifen können. Und zwar, warum der liebe Gott Frau Käßmann nicht davon hat abhalten können, gleich zwei Fehler zu begehen? Erstens den strafbaren Verkehrsverstoß und zweitens, Alkohol während der christlichen Passionszeit zu konsumieren. Ich kenne mich ja da nicht so aus. Aber ist es nicht so, dass von Aschermittwoch bis Karsamstag auch in der evangelischen Kirche Fastenzeit herrscht?
So weit ich weiß, nennt sich das Programm bei den Protestanten „7 Wochen Ohne“ und beinhaltet den Verzicht auf bestimmte Nahrungs- und Genussmittel, darunter bestimmt auch übermäßiger Konsum von Alkohol. Immerhin nehmen daran schon rund zwei Millionen Menschen jährlich teil. Wieso also verstößt die nunmehr ehemalige Ratsvorsitzende gegen eigene Regeln und Glaubensüberzeugungen und spricht dann in ihrer Abschlusserklärung davon, dass man nie tiefer fallen könne, als in Gottes Hand? Nur zum Verständnis, mir ist wurscht, was Frau Käßmann in ihrer Freizeit macht. Für mich zählt allein der strafbare Verkehrsverstoß, für den sie sich, wie jeder andere auch vor der Öffentlichkeit verantworten muss. Ich finde aber auch, dass die holde Geistlichkeit desöfteren mal die Mauern der eigenen selbstgebauten Kirchen verlassen sollte, um an der Wirklichkeit teilzunehmen. Blöd daherreden kann ja schließlich jeder.
FEB
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.