Es ist erst ein paar Tage her, da meldete das Statistische Bundesamt lauter Umsatzeinbrüche. Im verarbeitenden Gewerbe wie auch im Einzelhandel will die Realität einfach nicht zu den Erwartungen passen. Deutschland ging es im Dezember offenbar so gut, dass die Leute doch glatt das Einkaufen an Weihnachten vergessen hatten. Die Umsätze rauschten regelrecht in den Keller, ein reales Minus von 2,5 Prozent mussten die Einzelhändler hinnehmen. Den Medien war das kaum eine Meldung wert.
Heute war wieder der Tag der guten Stimmung. Und wie erwartet, hat es die Meldung der GfK zur stabilen Konsumlaune wieder in die Nachrichten geschafft. Hier ein Screenshot mit den Headlines zum Schlagwort Kauflaune bei Google News:
Auch die Bundesregierung legte ihren Jahreswirtschaftsbericht vor. Nun freuen sich die Medien auf ein angeblich kräftiges oder wahlweise robustes Wachstum von 1,8 Prozent. Denn laut Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel habe die deutsche Wirtschaft auf einen stabilen und breit angelegten Erholungskurs eingeschwenkt. Das Bruttoinlandsprodukt, so Gabriel weiter, dürfte vor allem zulegen, weil es von der Binnenwirtschaft gestützt werde.
Die Botschaft ist also klar. Die Deutschen haben an Weihnachten nur für das BIP-Wachstum 2014 gespart. Doch warum jubeln alle über ein angeblich robustes/kräftiges Wachstum? Die Zahlen haben sich nicht geändert. Es sind jene Werte, auf die die optimistischen Prognosen, die bis zum vergangenen Herbst galten, nach unten korrigiert werden mussten. Damals jubelte aber keiner, weil die Experten die schwächeren Zahlen mit sinkenden Exporten und rückläufigen Investitionen begründeten. Daran hat sich also nichts geändert. Somit gebührt es erneut dem ökonomischen Analphabetismus und der Vergesslichkeit der Medien, dass heute wieder gejubelt werden darf.
Diesen propagandistischen Mist muss man eigentlich nicht mehr kommentieren, wäre da nicht die Aussage von Gabriel, die ungeprüft und unwidersprochen blieb. Er behauptete, dass die Dynamik der deutschen Binnenwirtschaft auch gut für die europäischen Partner wäre. Wir kommen damit unserem Ziel, die wirtschaftlichen Ungleichgewichte im Euroraum abzubauen, ein Stück näher. Dieses Ziel liegt ferner denn je. Die deutschen Ausfuhren sanken 2013 um 0,2 Prozent. Die Importe gingen mit 1,2 Prozent allerdings noch stärker zurück, was den Handelsbilanz-Überschuss auf 198,9 Mrd. Euro anschwellen ließ.
Das heißt, insgesamt reicht die Binnennachfrage eben nicht aus, um die Ungleichgewichte abzubauen. Sie werden sogar noch vergrößert. Aber Gabriel meinte ja die Eurozone. In die Länder der Eurozone wurden im Jahr 2013 Waren im Wert von 401,9 Milliarden Euro ( 1,2 Prozent) geliefert und Waren im Wert von 401,2 Milliarden Euro ( 0,2 Prozent) aus diesen Ländern bezogen. Beinahe ausgeglichen, möchte man meinen. Doch diese Zahlen sind geschönt, wie Stephan Kaufmann in der Frankfurter Rundschau feststellt. Er schreibt:
Doch so rosig ist die Lage nicht. Denn die aktuelle Statistik beruht auf dem Versendungsland-Prinzip. Das bedeutet: Eine chinesische Ware, die über die Niederlande nach Deutschland geliefert wird, zählt als niederländischer Export. Aussagekräftiger ist das so genannte Ursprungsland-Prinzip, in dem diese Ware als chinesische Lieferung gezählt wird.
Nach dieser Statistik die erst für die ersten elf Monate 2013 vorliegt sieht es so aus: Deutlich mehr nach Deutschland exportieren konnten 2013 nur die Niederlande, Portugal und Belgien. Spanien gelang ein moderates Plus. Aus Frankreich, Griechenland, Irland und Italien bezog Deutschland weniger Importe. Das Defizit dieser Länder im Handel mit Deutschland schrumpfte nur, weil ihre Einfuhren aus Deutschland noch stärker sanken. Gegenüber Griechenland konnte Deutschland seinen Überschuss im vergangenen Jahr sogar ausweiten.
Fazit: Trotz einigen Verbesserungen erzielt Deutschland gegenüber den EU-Krisen- und Wackelstaaten weiter hohe Handelsüberschüsse. Berechnet nach dem Ursprungsland-Prinzip lag der Überschuss mit der Euro-Zone 2013 bei 56 Milliarden Euro.
Also, auch hier tut sich nichts. Um die Ungleichgewichte tatsächlich innerhalb der Eurozone abbauen zu können, müsste Deutschland deutlich mehr Importe aus den Defizitländern zulassen als es selbst Waren dorthin ausführt. Da das aber nicht so ist, haben die Staaten im Süden auch keine Chance wirtschaftlich aus der Krise herauszuwachsen. Die von Gabriel erhoffte Wirkung wird also ausbleiben, spätestens dann, wenn sich das Gerede von einer Zunahme der Binnennachfrage wieder als Luftnummer herausstellen wird, da eine dringend notwendige Anpassung der Kaufkraft an die ständig kolportierte Kauflaune auch in diesem Jahr wohl wieder ausbleiben wird. Darauf deuten übrigens auch schon die ersten mageren Tarifabschlüsse des Jahres hin.
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FEB
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.