Wie das statistische Bundesamt heute mitteilte, veränderte sich das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal 2009 im Vergleich zum Vorquartal nicht.
Quelle: destatis
Die Erholung der deutschen Wirtschaft ist Ende 2009 ins Stocken geraten: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte im vierten Vierteljahr 2009 preis-, saison- und kalenderbereinigt auf dem Niveau des Vorquartals (+ 0,0%), teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) mit. Damit hat sich der leichte Aufwärtstrend der Wirtschaft aus dem zweiten (+ 0,4%) und dritten Quartal 2009 (+ 0,7%) nicht fortgesetzt.
Aber viel wichtiger ist die Tatsache, dass im Vergleich zum letzten Vorkrisenquartal 01/2008 die gegenwärtige Wirtschaftsleistung ein Minus von 5,6 Prozent aufweist (siehe Jahnkes Infoportal). Konsumausgaben und Investitionen nahmen weiter ab. Lediglich der Außenhandelsbeitrag wuchs ein wenig an. Interessant an den Zahlen ist aber, dass selbst die Stagnation im Grunde nur ein statistischer Effekt ist, da die rückläufigen Importe sich positiv auf die Gesamtbilanz niederschlagen. Jahnke schreibt dazu:
Das heißt aber auch, daß ohne die rückläufigen Importe die Wirtschaftsentwicklung bei einem geringeren Außenbeitrag negativ und nicht stagnierend gewesen wäre oder anders ausgedrückt: selbst die Stagnation ist noch einer negativen Entwicklung zu verdanken.
Bei uns glaubte man indes weiter an das Märchen vom Aufschwung. Die dummen Ökonomen in ihren Instituten hatten bereits nach der Stagnations-Schätzung des statistischen Bundesamts vom Januar lauthals widersprochen und protestiert, dass man die Lage nicht so schwarz malen könne. Sie rechneten daher mit einem Zuwachs von 0,2 Prozent. Nun fallen sie mal wieder überrascht aus allen Wolken und werden Lügen gestraft. Andere Volkswirtschaften erholen sich dagegen auch statistisch nachweisbar. In Frankreich zum Beispiel trug ein gestiegener privater Konsum (+0,9 %) zum Gesamtwachstum auf Quartalssicht um 0,6 % bei.
Das füge ich nur deshalb an, weil es in Deutschland eine derzeit total verrückte Debatte gibt, wie viel Geld arbeitenden und nichtarbeitenden Menschen zusteht. Auch dem letzten politischen Hinterwäldler in diesem Land muss eigentlich klar sein, dass wir an einer chronischen Nachfrageschwäche leiden. Der private Konsum liegt am Boden und man tut nichts dagegen. Es wird eher dafür gesorgt, die Lage noch weiter zu verschärfen. Als die Krise ausbrach, haben alle politischen Kräfte im Chor das Lied vom privaten Konsum gesungen, der nach dem Wegbrechen des Exports zu einer Stütze der wirtschaftlichen Leistung werden könne und müsse. Doch mit jedem zurückgelegten Quartal musste man feststellen, dass gerade der private Konsum immer weiter einbrach.
Im Jahr 2010 beschließt der Gesetzgeber nun Steuersenkungen für Hotelbesitzer und Menschen, die über genug Einkommen verfügen, um dank der Steuerpolitik zusätzlich noch mehr sparen zu können. Geringverdiener und Sozialleistungsempfänger gehen dagegen weiterhin leer aus. Viele Beschäftigte der unterschiedlichsten Branchen werden im Augenblick medial darauf vorbereitet, dass sie bitteschön in den bevorstehenden Tarifverhandlungen nichts bis gar nichts zu erwarten hätten und den Gürtel lieber noch enger schnallen sollten, wenn sie denn an ihren Jobs hängen. Andernfalls könne man sich ja im angeblichen Luxus Hartz-IV einrichten.
Der Bundesaußenminister Guido Westerwelle, der gleichzeitig selbsternannter geistig politischer Vordenker in diesem Land sein will, fällt derzeit mächtig aus seiner diplomatischen Rolle. In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Regelsätzen will Westerwelle sozialistische Züge entdeckt haben (Hat er es überhaupt gelesen?). Und ganz allgemein kommentierte er:
„Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein.“
Vergessen sie Westerwelle. Der Mann ist bereits politisch tot. Man könnnte jetzt alternativ auch das Geblubber von Frau von der Leyen, Frau Köhler oder sonst irgendwelchen Leuten anfügen, die meinen die sozialpolitische Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Tenor aller Wortmeldungen war jedenfalls, dass es nicht mehr Geld geben dürfe, das die Betroffenen, oh Schreck, einfach nur ausgeben könnten. Dabei wäre genau das der Weg, um aus der wirtschaftlichen Krise herauszukommen. Eine Stärkung der Massenkaufkraft und damit der Nachfrage. Kostet zuviel Geld heißt es da ermahnend aus den Politikerstuben, während man gleichzeitig ein Födergesetz verabschiedet, das Hotelbesitzer, Erben und Gutverdiener abermals reichlich beschenkt. Welche Nachfrage soll diese Gruppe eigentlich entwickeln, die sie nicht schon vorher dank ausreichender Mittel befriedigt hätte? Eine einfache Frage.
Die FDP würde jetzt darauf antworten, Leistung muss sich halt lohnen. Es lohnt sich aber volkswirtschaftlich überhaupt nicht, wenn man ganz bestimmte Leistungsträger staatlich belohnt, ihnen quasi spätrömische Dekandenz ermöglicht, so dass sie beispielsweise auf den noch immer unregulierten Kapitalmärkten verstärkt aktiv sein können. Auf der anderen Seite lohnt es sich volkswirtschaftlich auch nicht, von der großen Masse zu verlangen, diesen Belohnungsprozess auch noch solidarisch zu begleiten und brav die Rechnung zu bezahlen, wenn das ganze System einmal ins Wanken gerät.
Lesen sie dazu mal die Erklärung des Generalsekretärs der FDP, Christian Lindner:
„Die teils reflex- und teils flegelhaften Reaktionen auf Guido Westerwelle zeigen, dass Deutschland seinen inneren Kompass zu verlieren und sein Kraftzentrum in der Mitte der Gesellschaft zu beschädigen droht.
Faire Politik muss zwischen den Interessen der Leistungsgeber und den Interessen der Leistungsnehmer vermitteln. Solidarität fordern Liberale von den Starken, die die Bedürftigen unterstützen, genauso wie von den Schwachen, die Hilfe nur soweit als erforderlich in Anspruch nehmen sollten.“
Quelle: pressrelations
Die FDP scheint noch immer nicht begriffen zu haben, wie das mit der kapitalistischen Produktionsweise funktioniert. Deutschlands Wirtschaft schrumpft ja nicht, weil die Sozialleistungen zu hoch sind, sondern weil die herrschende Politik will, dass der Wohlstand der Masse weichen soll für das dekadente Bedürfnis einiger Weniger nach immer mehr Reichtum. Den innereren Kompass der FDP möchte ich mal sehen. Wahrscheinlich hat sich in deren Wirklichkeit das Magnetfeld umgedreht.
FEB
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.