Lesebefehl für Jens Bergers "Stuttgart 21 – der Bahnhof, den niemand will und niemand braucht"

Geschrieben von: am 11. Okt 2010 um 12:19

Jens Berger liefert in seinem Blog „Der Spiegelfechter“ eine lesenswerte Zusammenfassung zum Streitobjekt Stuttgart 21. Dabei wirft er nicht nur einen Blick zurück auf die Planungen und die Entstehung des Projekts in den 90er Jahren sowie auf die Argumente, die allesamt gegen einen unterirdischen Durchgangsbahnhof sprechen, sondern auch auf die Profiteure eines Neubaus. Dabei weist Berger gezielt auf die Verflechtungen zwischen Politik und regionaler Wirtschaft hin.

Wer Tunnel bohrt, braucht Bohrgerät. Weltmarktführer für Großbohrmaschinen für den Tunnelbau ist die Herrenknecht AG im schönen baden-württembergischen Schwanau. Im Aufsichtsrat der Herrenknecht AG sitzt Lothar Späth, einer der „alten Herren“, auf deren Mist S21 gewachsen ist. Martin Herrenknecht ist nicht nur ein guter alter Freund von „Cleverle“ Späth, sondern auch ein Nutznießer dessen politischer Netzwerke. So begleitete das CDU-Mitglied Herrenknecht nicht nur Späth, sondern auch dessen Amtsnachfolger und S21-Befürworter Teufel und Oettinger gerne auf Auslandsreisen. Für so viel Protektion zeigte sich Herrenknecht auch stets dankbar, so überwies er beispielsweise im letzten Jahr erst einmal 70.000 Euro an die CDU, um deren Wahlkampf zu unterstützen.

Es ist eigentlich nicht wirklich verwunderlich, dass mit einer „Spätzle-Connection“ im Ländle erneut bewiesen werden kann, dass politische Großprojekte stets mit direkter oder nachgelagerter Korruption verknüpft sind. Die Drehtürkarrieren von Politikern sind auch hier wieder sichtbar. Wirklich wütend macht einen aber die Tatsache, dass bereits im Vorfeld dafür gesorgt wurde, eine mögliche Abkehr von diesem Projekt besonders teuer zu machen. Denn offenbar wurden die freien Grundstücke, die nach dem unterirdischen Neubau an der Oberfläche entstehen, bereits an private Investoren verkauft. Jens Berger stellt sich daher die Frage, was dann eigentlich passiert, wenn die Bahninfrastruktur auf zunehmenden Druck der Öffentlichkeit oberirdisch bliebe. Dann gäbe es ja keinen Platz mehr für die fest eingeplanten Neubauten für Luxuswohnungen und Büros.

Ich hätte da natürlich einen Vorschlag. Wie wäre es denn mit einem unterirdischen Büro- und Wohnkomplex auf Kosten der privaten Investoren? Dort wären die neuen Bewohner aus der Hochfinanz, der Industrie und der Politik dann auch unter sich, es gäbe keinen Lärm von Zügen und auch keine ungebetenen Gäste, die das anspruchsvolle Wohngefühl stören könnten. Man wäre sicher vor der sich überirdisch ausbreitenden Gefahr des Islams. Deutschlands selbsternannte Elite könnte also im Untergrund fortbestehen und somit der zunehmenden „Deutschenfeindlichkeit“ entgehen. Bundesfamilienministerin Schröder hat sich ja darüber am Wochenende wieder beklagt. Das tat sie übrigens schon einmal. Und zwar zur hessischen Landtagswahl 2008, als sie ihren politischen Ziehvater Roland Koch in einem Akt politischer Inzucht bei seiner Kampagne gegen kriminielle Ausländer unterstützte und forsch behauptete, dass eine sog. „deutschenfeindliche Gewalt“ von Ausländern wissenschaftlich erwiesen, zunehmen würde.

Wer soviel Angst hat und an offenkundiger Seeschwäche leidet, sollte dann auch als Maulwurf unter die Erde ziehen.

Europäische Maulwürfe sind wie die meisten Insektenfresser Einzelgänger, die außerhalb der Paarungszeit den Kontakt zu Artgenossen meiden. Die Gänge und die Nester werden mit Drüsensekreten markiert, um eindringende Artgenossen aufmerksam zu machen.

Quelle: Wikipedia

Als Zugabe könnte man aber auch einen unterirdischen Park anlegen, in dem die neuen Bewohner die verschiedenen Arten radioaktiver Abfallprodukte bestaunen können, die im Zuge der Laufzeitverlängerung von AKWs sicher anfallen werden, für die aber noch kein Platz zur Endlagerung gefunden wurde. Dann könnte die Regierung Merkel und Mappus zusammen mit ihren Freunden aus den Banken und der Wirtschaft unterirdisch um die Wette strahlen, während das Volk an der Oberfläche über den Appell Merkels nachdenkt, auch auf künftige Generationen Rücksicht zu nehmen.

Karikatur: Klaus Stuttmann
Quelle: Klaus Stuttmann

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Britta99  Oktober 12, 2010

    Ganz so ist es ja nicht, dass der Bahnhof weder gebraucht noch gewünscht wird. Ich werde auf jeden Fall sehr froh sein, wenn ich weniger Zeit zur Arbeit brauche oder auch weniger Verspätungen der Züge in Kauf nehmen muss.

    • adtstar  Oktober 12, 2010

      Da sollten sie wirklich Jens Bergers Beitrag lesen, den ich oben verlinkt habe. Die Fahrplanabstimmung im Kopfbahnhof ist besser, als es die Planungen für den unterirdischen Durchgangsbahnhof vorsehen. Da wurde getrickst. Gutachter sprechen daher zurecht von einem unkalkulierbaren Nadelöhr.

      „Was die Schweizer Prüfer vor zwei Jahren herausfanden, war eine schallende Ohrfeige für die S21-Planer. Das gesamte Fahrplankonzept gleicht demnach einem Ritt auf der Rasierklinge. Selbst unter optimalen Annahmen führen strukturbedingte Probleme zu massiven Folgen für den Fern- und Nahverkehr: So müssen ICEs und ICs beispielsweise in den eingleisigen Tunneln häufiger hinter S-Bahnen herfahren, Kreuzungen von Nah- und Fernverkehr sind sekundengenau abstimmt, jede kleinste Verspätung einer S-Bahn würde somit den Fernverkehr durcheinanderbringen, da die ICEs in den engen Tunneln steckenblieben. Das ist immerhin noch befriedigender als das Ausfallkonzept im S-Bahn-System. Bleibt hier eine S-Bahn im Tunnel stecken, fällt der S-Bahn-Verkehr bis zur Behebung des Problems komplett aus. Das Chaos ist somit vorprogrammiert.

      Selbst ohne Störungen führt das Tunnelkonzept dazu, dass nur noch zwei Fernzüge pro Stunde auf der – zum S21-Projekt gehörenden – Neubaustrecke Stuttgart-Ulm fahren können. Stuttgart ist somit nicht nur für den deutschen Bahnverkehr, sondern auch für die Magistrale Paris-Budapest ein unkalkulierbares Nadelöhr.“

      Verspätungen werden also zunehmen und eine marginale Verkürzung von Fahrzeiten durch häufigerer Störungen im Betriebsablauf gar nicht wahrnehmbar…