Über die Kontrahenten im TV-Duell möchte ich mich eigentlich gar nicht äußern, sondern zunächst einmal die Frage stellen, warum auf der anderen Seite immer dieselben Kandidaten der vier großen TV-Anstalten stehen und zum Teil dämliche Fragen stellen. Peter Limbourg zum Beispiel. Nachdem Frau Merkel erklären durfte, warum sie gegen einen gesetzlichen Mindestlohn ist und gleichzeitig ihr Bedauern darüber zum Ausdruck brachte, dass Frisörinnen im Osten zum Teil nicht hinnehmbare 3,50 Euro verdienen, fragte der hellwach wirkende Sat.1 Mann den Herausforderer doch glatt, wie er den möglichen Verlust von Arbeitsplätzen, wie eben in solchen Frisörbetrieben, verantworten könne.
Da hätte man am liebsten die erste Dose Ravioli in den Fernseher geschmissen. Offenbar scheinen einige Journalisten angesichts der Realtität in diesem Land, dass Arbeitnehmer zunehmend ausgebeutet werden und sittenwidrige Löhne hinzunehmen haben, nicht mehr klar denken zu können. Wie kann man aus der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn nur einen Vorwurf konstruieren, der gerade mit dem Wegfall von jenen Arbeitsplätzen begründet wird, die es in einer sozialen Marktwirtschaft eigentlich gar nicht geben dürfte? Warum fragen diese angeblichen Topjournalisten die verantwortliche Regierungschefin nicht nach deren Gesundheitszustand oder Weltbild, wenn diese zu einer solchen bedrückenden Wirklichkeit nur mit einer Floskel des Bedauerns antwortet, aber ansonsten mit dem Geplapper Vorfahrt für Arbeit punktet.
Oder nehmen sie Herrn Plaßberg, der Steinmeier beim Thema Gesundheit eine Falle stellte und sich dann diebisch darüber freute, als dieser hinein stolperte und von selbst das Thema Dienstwagen ansprach. Wirklich albern. Wer im ZDF die Nachberichterstattung gesehen hat, wird vielleicht die Schalte in ein Krankenhaus gesehen haben. Dort gab es dann von einer Ärztin einen konkreten Hinweis darauf, was man beim Thema Gesundheitspolitik dringend hätte ansprechen sollen. Nämlich die Einführung des betriebswirtschaftlichen Denkens und seine Folgen für die Gesundheitsversorgung. Hoch aktuell, wenn man sich die letzten Meldungen anschaut, wonach niedergelassene Ärzte Patienten gegen entsprechendes Schmiergeld in Krankenhäuser haben einweisen lassen. Die Reporterin vor Ort hat das natürlich nicht verstanden und sofort etwas vom lieben Geld gefaselt, um dass es ja immer gehen würde. Erbärmlich!
Oder nehmen sie abschließend Frau Illner vom ZDF, die bei ihren Fragen zum Teil länger sprach, als die Duellanten. Vielleicht könnte Herr Priol in der Anstalt die Redezeit von Frau Illner mal nachmessen und vielleicht ein Zimmer vorbereiten. Auch im Anschluss schwärmte die ZDF-Ikone über Belanglosigkeiten. Schrecklich! Doch am allerschärfsten war mal wieder das kollektive Versagen der Wahlforschung. Zunächst einmal hatte man erwartet, dass das Duell ein Straßenfeger würde. Heute wissen wir, dass sechs Millionen weniger zugeschaut haben, als beim letzten Mal.
Doch nun zu den Hardcore-Facts von infratest dimap, Forschungsgruppe Wahlen und Forsa. Frau Merkel sei syphatischer, kompetenter und noch irgendwas. Überall lag sie vor Steinmeier. Doch dann kam die Frage, wer insgesamt besser überzeugt habe und schwupps lag Steinmeier vorne. Keinem der Beteilligten war das suspekt oder keiner fragte einmal kritisch zurück, wie man denn zu solch unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann und ob da vielleicht etwas mit den Fragen oder der Methode nicht stimme. Eine zweite Lachnummer war die Frage nach richtigem Duell oder sachlicher Diskussion. Zwei Prozent empfanden das Gesehene als richtiges Duell. Eine tendenziöse Frage, die man sich angesichts der tendenziösen Berichterstattung im Vorfeld hätte sparen können, wie die komplette Veranstaltung überhaupt.
Aber das war ja allen auch klar, wie im Nachhinein auf sämtlichen Kanälen enttäuschend festgestellt wurde. Besonders bemerkenswert fand ich dann noch Helmut Markworts Statement im ZDF, dass die Schreibenden, also unter anderem auch er, angesichts der kaum feststellbaren Unterschiede, ja ohnehin dazu beitragen, die Menschen zu beeinflussen. Danach war bei mir Schluss. Aus Anne Will im Ersten habe ich jetzt nichts behalten, außer die schiefe Brille auf der Nase von Günther Jauch.
SEP
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.