Kurze Randnotiz zur Bundespräsidentenwahl

Geschrieben von: am 09. Jun 2010 um 13:17

Bei der bevorstehenden Bundespräsidentenwahl gibt es einen neuen Liebling des Monats. Joachim Gauck. Der ehemalige Chef der Stasi-Unterlagenbehörde wurde zur Überraschung aller von SPD und Grünen ins Rennen geschickt, nachdem Angela Merkel ihren Kuschel-Wulff aus Niedersachsen nominiert hatte. Seit dem geht ein Ruck durch die Medienlandschaft. Gauck ist plötzlich Springers Liebling. Entsetzt fragen sich nahezu alle Redaktionen, warum die Linke den Kandidaten von SPD und Grünen nicht mittrage. Schließlich würde die Linke durch eine Zustimmung signalisieren, endlich in der demokratischen Parteienlandschaft angekommen zu sein.

Das können sie überall so nachlesen. Doch keiner wundert sich. Wie war das doch gleich letztes Jahr, als Gesine Schwan für SPD und Grüne gegen Horst Köhler antrat und die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung knapp waren? Da haben aber alle laut aufgeschrien und getrommelt, dass es unverschämt von SPD und Grünen sei, eine Gegenkandidatin zum äußerst beliebten Bundes-Horst zu nominieren, die sich ja nur mit den fürchterlich dreckigen Stimmen der Linken hätte wählen lassen können. Das wurde damals als Zeichen für ein rot-rot-grünes Bündnis interpretiert, so kurz vor den Wahlen zum deutschen Bundestag.

Und nun trommelt die gesamte Presse auf die Linke ein, sie solle doch aus demokratischer Verantwortung heraus einen Gegenkandidaten zum Merkelvorschlag unterstützen. Damit könne sie sich gleichzeitig aus der schmutzigen Ecke befreien, heißt es. Also deutlicher kann die Abhängigkeit der Tintenknechte von ihren Brötchengebern nicht mehr dargestellt werden. Gestern noch wurden Gesine Schwan, SPD, Grüne und Linke fertig gemacht, weil sie es wagten, dem schwarz-gelben Siegeszug etwas entgegenzusetzen und heute haben die Mächtigen entschieden, dem schwarz-gelben Modell ihre Liebe zu entziehen. Und die einst so euphorisch klingenden Tölpel aus den Redaktionsstuben wollen nun ihre Narretei um die schwarz-gelbe Erlösung vergessen machen.

Jetzt motzen sie über ihren einstigen Volksliebling Horst Köhler und gehen in Opposition zur ständig in den Himmel hoch geschriebenen Volkskanzlerin. Das ist sehr verdächtig und vor allem durchschaubar. Es interesssiert nur wieder keinen…

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Einhard  Juni 9, 2010

    Hm, naja, es wäre schon clever von der Linken gewesen – nichts gegen Luc – aktiv dabei zu helfen, Wulff zu verhindern…

    • adtstar  Juni 10, 2010

      …um einen Keil zwischen Schwarz und Gelb zu treiben?

      Das ist mMn schon längst geschehen. Inhaltlich gibt es zwischen Wulff und Gauck kaum Unterschiede. Die Linke hat ihre Entscheidung übrigens auch ausführlich und nachvollziehbar erklärt.

      http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/100610_linke_zu_den_kandidaten_gauck_und_wulff.pdf

      Das haben die anderen nicht hinbekommen. Wenn ich nur an die Präsentation von Wulff denke und die inhaltsleeren Phrasen von Merkel und Westerwelle.

      Wulff, ein Mensch der neugierig sei, Neues ausprobiere und kreativ sei, führte Merkel als Begründung an. Häh??? Und Westerwelle erst mit seinem klaren inneren Kompass, den er bei Wulff gefunden haben will. Würg… Was soll man denn damit anfangen?

      Zum Vorschlag der Linken kann ich aus Mangel an Informationen nichts sagen. MMn hätte die Linke es einfach unterlassen sollen, einen Kandidaten zu benennen und es jedem Mitglied freistellen, wie er oder sie in der Bundesversammlung abstimmt. Das ist Demokratie.

      Schließlich geht es nur um den Grußonkel, der als nächstes das Land vor aller Welt blamieren darf. Oder anders formuliert. Wenn der Flieger abstürzt, hat es keinen Sinn, sich einen neuen Kapitän zu wählen, der den Menschen wieder Mut machen will. Das ist irgend wie absurd.

      Dann lieber Dombrowski als Präsident, der der Oberschicht noch einmal die Leviten liest und vor dem Aufschlag die Verdienst-Orden einsammelt. :>>

      • Einhard  Juni 10, 2010

        Dombrowski wäre tatsächlich die beste Wahl gewesen, vielleicht wird er ja doch noch nominiert :>>