Das Konsumklima startet durch oder so ähnlich

Geschrieben von: am 23. Nov 2010 um 16:27

Während der Bundesfinanzminister im Parlament seinen Etat mit den eindringlichen Worten verteidigt,

„Wir schwimmen nicht im Geld, wir ertrinken allenfalls in Schulden.“

feiert der Bundesbewirtungsminister Rainer Brüderle weiter seinen und unseren Aufschwung. In einer Mitteilung seines Hauses heißt es heute euphorisch:

„Großer Sommer, goldener Herbst, Dem großen Aufschwung-Sommer folgt ein goldener Konjunktur-Herbst. Unser Aufschwung steht auf einer breiten Basis.“

Ich wusste gar nicht, dass man im Aufschwung an Schulden ertrinken kann, allenfalls im Wein, so wie der Brüderle. Jedenfalls freut sich die große Zukunftshoffnung der FDP und mit ihm zahlreiche Gestalten, die sich als Wirtschaftsexperten vertehen. Sie behaupten, dass der Aufschwung zunehmend vom privaten Konsum getragen werde, weil die GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) einmal mehr haltlose Weissagungen zum voraussichtlichen Konsumverhalten der Deutschen verbreitet.

Vorhin meinte ein Radiosprecher, der Konsumklimaindex starte durch und dies sei ein deutliches Zeichen dafür, dass es in der Wirtschaft weiter bergauf gehe. Na ja, vor allem ist diese Einschätzung ein Zeichen von geistiger Schwäche, die nicht nur auf die biorhytmisch bedingte Müdigkeit zur Mittagszeit geschoben werden kann. Denn das, was die GfK von Menschen erwartet, deren Erwartungen sie angeblich auf eine Stelle hinterm Komma genau messen kann, wird regelmäßig durch die Ergebnisse statistischer Erhebungen zu den Umsätzen im Einzelhandel widerlegt.

Es gibt aber noch eine andere Quelle, auf die sich die Aufschwungsabsäufer berufen. Das statistische Bundesamt hat heute nähere Angaben zur wirtschaftlichen Entwicklung im dritten Quartal 2010 gemacht. In Brüderles Sommerhoch ging es um 2,3 Prozent nach oben und danach mit nur +0,7 Prozent weiter. Wer klar sehen und denken kann, wird vielleicht erkennen, dass sich der Aufschwung im dritten Vierteljahr deutlich verlangsamt hat. Man wird auch erkennen, dass das dritte Quartal die Monate Juli, August und September umfasst. Von einem goldenen Konjunktur-Herbst kann der Minister doch noch gar nix wissen.

Heißt das aber nun wirklich, dass der Aufschwung weitergeht? Zumindest die „breite Basis“, von der Brüderle faselt, ist eher schmaler geworden. Nun behauptet man aber auch, dass der private Konsum das Wachstum tragen würde. Dabei sind die privaten Konsumausgaben gar nicht nennenswert gestiegen. In der Meldung der Statistiker heißt es dazu:

Im Inland wurde im dritten Quartal 2010 im Vorjahresvergleich sowohl deutlich mehr konsumiert als auch investiert. So lagen die privaten Konsumausgaben im Vorjahresvergleich erstmals seit über einem Jahr wieder über ihrem Vorjahresniveau und stiegen preisbereinigt um 1,2%.

Klar ist, dass im Vergleich zum Vorjahresquartal, das noch von der Kurzarbeit gekennzeichnet war, die Konsumausgaben in Q3/2010 höher liegen würden. Im Vergleich zum Vorkrisenzeitraum haben sich die Ausgaben hingegen kaum verändert. Das ist auch nicht verwunderlich, wenn man sich noch einmal vor Augen hält, dass die Entwicklung der Arbeitnehmereinkommen seit Jahren eher unterirdisch verläuft, während Unternehmens- und Vermögenseinkommen weiter explodieren.

Einkommen
Quelle: Michael Schlecht, MdB

Bei diesen Zahlen kann das Konsumklima noch so sonnig aussehen, aber was die reale Kaufkraft anbelangt, herrscht weiterhin eisige Kälte. Falls trotzdem mehr Geld in Lohnverhandlungen herausspringen sollte, was durchaus anzunehmen ist, wird man das sicherlich für steigende Gesundheits- und Pflegekosten sowie höhere Energiepreise beiseite legen müssen. Ich hatte ja bereits darüber berichtet, dass die Aufschwungsabsäufer in ihrer jüngsten Gemeinschaftsprognose davon ausgehen, dass die Einkommen um 1,4 Prozent steigen werden, aber auch die Verbraucherpreise um 1,4 Prozent bei gleichbleibender Sparquote. Wie unter diesen Voraussetzungen ein Aufschwung vom privaten Konsum getragen werden soll, bleibt nach wie vor ein Rätsel der Konsumklima- und vorweihnachtlichen Kaufrauschverkünder.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Ormuz  November 23, 2010

    Damit der private Konsum angekurbelt werden könnte, bräuchte die Leute erst mal Geld was sie dafür ausgeben können , und ich kennen keinen einzigen (und ich kenne wahrlich viele Leute) die welches mehr bekommen hätten …