Kompromisse beim Mindestlohn kann es nicht geben

Geschrieben von: am 26. Nov 2013 um 22:03

Die Geschäftsführung der Süddeutschen Zeitung GmbH soll sich laut Bild mit einem Brief an alle Bundestagsabgeordneten gewandt und darin die Bitte geäußert haben, beim Beschluss über den Mindestlohn Augenmaß walten zu lassen. Gäbe es einen Mindestlohn, gäbe es auch Risiken bei der Zeitungszustellung vor allem im ländlichen Raum, heißt es. Mit anderen Worten: Ein flächendeckender Mindestlohn gefährdet die flächendeckende Zustellung der Süddeutschen Zeitung. Dabei dürfte aber nicht der Mindestlohn Abos kosten, sondern die Haltung des Verlages, Austräger mit Recht schlecht zu bezahlen.

Mit der Meinung, der Mindestlohn stelle eine Gefahr für die flächendeckende Versorgung mit Printprodukten dar, steht der Verlag sicherlich nicht allein da. Dass Zeitungszusteller vom Mindestlohn ausgenommen werden sollen, wird ja offenbar zwischen Union und SPD diskutiert. Inzwischen geistern mehrere Entwürfe des Koalitionsvertrages durch die Redaktionsstuben. In den ersten Entwürfen, die an die Öffentlichkeit lanciert wurden, hieß es noch, dass der Mindestlohn nicht nur nicht für Zeitungszusteller gelten solle, sondern auch nicht für Langzeitarbeitslose, Rentner und Erntehelfer. Auch Schüler und Praktikanten sollen außen vor bleiben, obwohl für letztere noch zu Beginn der Koalitionsverhandlungen ebenfalls eine Mindestlohnreglung verkündet wurde.

Bezeichnende Diskussion

Inzwischen ist der Mindestlohn im Eiltempo von der Maut überholt worden. Dennoch ist die Diskussion bezeichnend für das drohende Bündnis aus Union und SPD. Die Union will eigentlich keinen Mindestlohn, die SPD dagegen schon. Ein Kompromiss zwischen diesen beiden Positionen muss scheitern, weil es ein bisschen Mindestlohn genauso wenig geben kann wie ein bisschen Schwangerschaft. Dennoch werden Union und SPD ein Kunststück vollführen wollen. Gestritten wird nur noch um die richtige Formulierung. Angela Merkel gab zu Protokoll, dass es einen flächendeckenden Mindestlohn geben werde. Die Medien interpretieren diese Äußerung völlig falsch als Kompromissbereitschaft und tappen in die Falle der Spindoktoren.

Die geschäftsführende Bundeskanzlerin sprach nämlich auch von Modalitäten, die es beim Mindestlohn noch zu regeln gebe. Damit hat sich an der Haltung Merkels nichts geändert. Sie betreibt lediglich Umetikettierung. Raider heißt jetzt Twix und sonst ändert sich nix. Damit lässt sich der Urnenpöbel dank der schnarchenden Medien sicherlich begeistern. Ihr Modell der Lohnuntergrenze mit zahlreichen Ausnahmen und einer Kommission aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die künftig über die Höhe entscheiden sollen, ist weiterhin das Ziel – etwas anderes auch nicht wirklich erkennbar. Der SPD wird also nur gelingen, dass die Lohnuntergrenze der Union künftig als flächendeckender Mindestlohn bezeichnet werden darf.

Angst bestimmt das Handeln

Die Angst vor Arbeitsplatzverlusten, die von der Öffentlichkeit auch ohne empirische Belege geteilt wird, diszipliniert die SPD. Doch warum bestimmte Berufsgruppen in einer Volkswirtschaft durch politische Unterlassung weniger verdienen sollen, bleibt ein Rätsel. Wenn ein Unternehmen der Meinung ist, dass der Vertrieb seiner Produkte zwingend erforderlich ist, muss er diesen auch bezahlen oder die Dienstleistung anders organisieren. Die Tatsache, dass es seit Jahren möglich war, gerade im Bereich der Zustellung an der Lohnkostenschraube immer wieder zu drehen, kann ja keine Begründung sein. Wo die einzelwirtschaftliche Sichtweise vielleicht nachvollziehbar erscheint, bleibt sie volkswirtschaftlich unsinnig.

Denn niedrige Löhne kosten eben auch Geld und zwar das der Allgemeinheit oder kurz der Steuerzahler, die beim Aufstocken aushelfen müssen. Über diese Beträge redet nur keiner. Dabei stehen diese Steuergelder für andere Aufgaben nicht mehr zur Verfügung. Daran sollte man denken, wenn die künftigen Koalitionäre wie auch die Medien mal wieder über angeblich zu hohe Ausgabenwünsche und fehlende Gelder jammern. Außerdem sind die Kosten der einen immer auch die Einnahmen der anderen.

Wenn also die Süddeutsche ihre Zusteller anständig bezahlen würde, könnten die sich etwas mehr leisten, vielleicht einen regelmäßigen Restaurantbesuch. Dessen Besitzer hat höhere Umsätze und kann wiederum seiner Kellnerin mehr Gehalt überweisen. Die ist unter Umständen bereit, ein Abo der Süddeutschen Zeitung abzuschließen, weil sie besser informiert sein will und die Reportagen der Seite 3 sehr schätzt, aber bisher nicht genießen konnte, weil ihr wegen der Zweit- und Drittjobs schlicht die Zeit zum Lesen fehlte.

Die ökonomische Welt ist sicher viel komplexer, aber eins ist sicher. Der Binnenmarkt kann nur dann funktionieren, wenn es verfügbare Einkommen gibt, mit denen Nachfrage hergestellt und Kaufkraft entwickelt werden kann. Nur dann lohnt es sich auch für Unternehmen Kapital zu investieren und Menschen einzustellen, um gemeinsam mit ihnen Waren zu produzieren oder Dienstleistungen anzubieten. Eine Volkswirtschaft ist eben mehr als die Summe aller betrieblichen Einzelinteressen. Leider verlässt sich die Politik auf Letzteres.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Anonymous  November 27, 2013

    Das hätte ich von der Süddeutschen nicht erwartet…
    tja, man lernt jeden Tag dazu

  2. Gerhard767  Dezember 14, 2013

    „Außerdem sind die Kosten der einen immer auch die Einnahmen der anderen.“ In diesem Punkt stimme ich Ihnen völlig zu. Die Unternehmen haben durch höhere Löhne geringere Gewinne, was die Nachfrage, hier die Investitionsnachfrage, verringern müsste. Aber das ist ja nach Ihrer Auffassung scheinbar kein Problem, denn wegen der gestiegenen Kaufkraft erhöhen sich die Erträge analog. Wenn ich Ihre Gedanken richtig verstehe handelt es sich scheinbar um ein selbstverstärkendes Pendel, das auf jeder Stufe an Schwungkraft gewinnt.
    Ich will hier auf die offensichtlichen Löcher in der Argumentation mal gar nicht eingehen, so haben etwa Aufstocker nicht wirklich mehr in der Tasche; sie kriegen es nur aus anderen Quellen. Aber zumindest zwei Fragen stellen sich in jedem Fall:
    1.Warum nur 8,5 € – warum nicht 10, 20, oder 30 € – Es gibt ja in diesem Gedankenspiel keine Zielkonflikte. Je höher der Lohn desto höher die Nachfrage und Nachfrage ist immer gut.
    2.Kann man diese Logik nicht auch nach Belieben auf andere Märkte anwenden? Kann ich nicht beispielsweise sagen, wenn ich Politikern mehr Diäten zahle, können die mehr Luxuslimousinen und Edelrestaurantbesuche nachfragen? Nachfrage ist gut also – erhöhen wir die Diäten. Die höheren Steuern sind kein Problem, weil ja die Steuerzahler durch die gestiegene Nachfrage mehr in der Tasche haben.

    Das ganze klingt ein bisschen nach Baron Münchhausen, der sich selbst am Schopf aus dem Sumpf zog.

  3. adtstar  Dezember 14, 2013

    „Die Unternehmen haben durch höhere Löhne geringere Gewinne, was die Nachfrage, hier die Investitionsnachfrage, verringern müsste.“

    Da liegt schon das erste Missverständnis. Durch den Verstoß gegen die Lohnregel (Rate des nominalen Stundenlohnwachstums = Rate des Stundenproduktivitätszuwachses + Zielinflationsrate) sichern sich die Unternehmen Gewinne, die sie nur in Form von Krediten weiterverwenden können. Und zwar dort, wo die Bereitschaft besteht, eine Nachfrage durch Schulden zu finanzieren. Das können andere Staaten sein oder aber eine Blase am Kapitalmarkt, wie uns die Krise lehrt.

    Würde die Lohnregel hingegen eingehalten, hätten die Unternehmen auch weiterhin Gewinne, die sie zum Teil ausschütten, klar, aber mit Sicherheit auch reinvestieren würden, da die korrekte Lohnentwicklung auch die Binnennachfrage stimuliert.

    Löhne können aber nicht beliebig hoch sein. Eine zu hohe Nachfrage durch zu hohe Löhne würde durch höhere Preise einerseits und höhere Zinsen auf Seiten der Zentralbank gebremst. Doch davon ist die Weltwirtschaft sehr weit entfernt. Eine Überhitzung der Konjunktur wäre geldpolitisch beherrschbar, die sich ausbreitende Deflation aufgrund des Lohndumpings hingegen nicht.

    Es hat übrigens keinen Sinn, nur einzelne Gruppen mit hohen Einkommen zu versorgen. Entscheidend ist die Massenkaufkraft und der damit verbundene Fortschritt im Produktionssektor.

  4. Gerhard767  Dezember 14, 2013

    Also Ihre Lohnregel halte ich nun wirklich für volkswirtschaftlichen Unsinn, denn die Produktivität erhöht sich mit dem Mindestlohn in jedem Fall – einfach weil die zu unproduktiven Arbeitsplätze wegfallen. Die Produktivität zählt letztlich nur Output/Arbeitskraft (die noch Arbeit hat). Löhne sind letztlich Preise und Preise sind Knappheitsindikatoren. Wenn sie die relative Knappheit nicht wiederspiegeln kommt es zu Fehlallokationen. Übrigens steigt gegenwärtig die Produktivität in Griechenland. Nach dieser Logik müsste trotz fehlender Wettbewerbsfähigkeit dort die Löhne erhöht werden. Tatsächlich aber sitzen die weniger produktiven Arbeiter einfach auf der Straße. Wenn sie die Preise(hier Löhne) weiter erhöhen – wie wollen Sie die dann wieder in Arbeit bringen? Eine weitere Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit ist wohl in niemandes Interesse.
    Auch die Verwendungsseite kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Ihnen dürfte schon klar sein, dass es ich bei den Unternehmen, die geringqualifizierte Arbeit nachfragen nicht um global agierende Konzerne handelt, die irgendwelche Kapitalmarktblasen auslösen? Die Friseuse in Eberswalde, die gegen das Friseursaloneldorado in Polen ankämpft wird dem wohl heftig wiedersprechen. Preistreiber ist langfristig immer die Geldmenge; nicht die Löhne selbst. Und das Geldangebot hat ist eine politische Entscheidung der Zentralbank. Gegenwärtig werden die Zinsen massiv gesenkt, obwohl die Löhne im Süden Europas eindeutig zu hoch sind. Mit der Angst vor Deflation wiederspricht sich Ihre ganze Argumentation selbst, denn Löhne verändern sich langsamer als Güterpreise (nominale Lohnregidität); gäbe es also Deflation (etwa wegen knapper Geldmenge), würden die Reallöhne steigen (wozu dann Mindetstlohn?).
    Der letzte Absatz bleibt nebulös – Massenkaufkraft, Produktionssektor? Ich dachte es geht Ihnen um die aggregierte Nachfrage – Verteilungspolitik ist da jedenfalls irrelevant.

    • adtstar  Dezember 14, 2013

      „Also Ihre Lohnregel halte ich nun wirklich für volkswirtschaftlichen Unsinn, denn die Produktivität erhöht sich mit dem Mindestlohn in jedem Fall – einfach weil die zu unproduktiven Arbeitsplätze wegfallen.“

      Häh? Was sind denn zu unproduktive Arbeitsplätze und wie berechnet man die Grenzwertproduktivität dieser Jobs? Nach Ihrem simplen Kurzschluss müsste ein Busfahrer sofort keine Lohnerhöhungen mehr erhalten, ja sogar entlassen werden, weil er seine Produktivität niemals über das Maß hinaus steigern kann, das ihm die Straßenverkehrsordnung im Sinne einer völlig vernünftigen Geschwindigkeitsbegrenzung vorschreibt.

      „Löhne sind letztlich Preise und Preise sind Knappheitsindikatoren.“

      Dann frage ich mich, warum die Löhne beim angeblich grassierenden Fachkräftemangel nicht steigen.

      „Übrigens steigt gegenwärtig die Produktivität in Griechenland. Nach dieser Logik müsste trotz fehlender Wettbewerbsfähigkeit dort die Löhne erhöht werden. Tatsächlich aber sitzen die weniger produktiven Arbeiter einfach auf der Straße. Wenn sie die Preise(hier Löhne) weiter erhöhen – wie wollen Sie die dann wieder in Arbeit bringen? Eine weitere Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit ist wohl in niemandes Interesse.“

      Wettbewerbsfähigkeit ist im Gegensatz zur Produktivität eine relative Größe. Der eine kann nur in dem Maße an Wettbewerbsfähigkeit hinzugewinnen, wie ein anderer bereit ist, an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Und hier kommen die Löhne ins Spiel. Zwischen 1999 und 2009 sind die Lohnstückkosten (wichtigste Determinante der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb einer Währungsunion) in Griechenland um 26 Prozent gestiegen. In Deutschland sind sie hingegen nur um 8 Prozent gestiegen. Laut Inflationsziel der EZB von knapp 2 Prozent hätten die Lohnstückkosten in jedem EWU-Land in diesem Zeitraum um 21 Prozent steigen müssen, um Ungleichgewichte zu verhindern. Griechenland hat also 5 Prozentpunkte über seinen Verhältnissen gelebt, weshalb Lohnkürzungen durchaus berechtigt wären, nicht aber um den Preis der Zerstörung einer kompletten Volkswirtschaft wie geschehen und von Ihnen zu Recht erkannt. Deutschland hat hingegen 13 Prozentpunkte unter seinen Verhältnissen gelebt. Wer hat also gesündigt? Und wer sollte in der Lohnpolitik aktiv werden?

      „Ihnen dürfte schon klar sein, dass es ich bei den Unternehmen, die geringqualifizierte Arbeit nachfragen nicht um global agierende Konzerne handelt, die irgendwelche Kapitalmarktblasen auslösen? Die Friseuse in Eberswalde, die gegen das Friseursaloneldorado in Polen ankämpft wird dem wohl heftig wiedersprechen.“

      Wieso sollte eine Frisörin geringqualifiziert sein. Das verstehe ich nicht, nur weil sie Opfer einer falschen Lohnpolitik ist? In dieser Geringschätzung drückt sich das ganze vorurteilsbehaftete Dilemma aus. Binnenmarkt ist nur etwas für Geringqualifizierte und Exportindustrie etwas für die Spezialisten.

      „Preistreiber ist langfristig immer die Geldmenge; nicht die Löhne selbst.“

      So so. Die EZB hat seit Beginn der Finanz- und Eurokrise zwischenzeitlich fast eine Billion Euro zusätzlich in Umlauf gebracht und davon 500 Mrd. Euro schon wieder zurückgeholt, ohne dass es dadurch zu einem Anstieg der Inflation gekommen ist. Die Inflationsrate ist im Gegenteil so niedrig, dass die EZB ihre Leitzinsen weiter senkt und „billiges“ Geld zur Verfügung stellt, wie Sie selbst feststellen. Es fehlen aber die Schuldner, weil alle sparen, öffentliche wie private Haushalte inklusive die Unternehmen.

      „Mit der Angst vor Deflation wiederspricht sich Ihre ganze Argumentation selbst, denn Löhne verändern sich langsamer als Güterpreise (nominale Lohnregidität); gäbe es also Deflation (etwa wegen knapper Geldmenge), würden die Reallöhne steigen (wozu dann Mindetstlohn?).“

      In der Eurozone ist die Inflationsrate seit Januar 2013 von 2 Prozent auf 0,9 Prozent im November 2013 gefallen. Der Preisverfall hat also längst begonnen, weshalb auch die EZB panisch mit Zinssenkungen (die FED denkt sogar über Strafgebühren auf Einlagen nach) reagiert. Die Deflation ist also kein Hirngespinst, sondern längst Realität und für Unternehmen zu einem Risiko geworden, da Preisverfall eine nachhaltige Kalkulation unmöglich macht. Die Folge werden Massenentlassungen sein, wie wir das in Südeuropa längst beobachten können. Die Menschen dort werden ja nicht vor die Tür gesetzt, weil sie unproduktiv sind, sondern weil die Wirtschaft auf Befehl Merkels kaputtgespart werden musste. Oder ist jeder vierte Erwerbsfähige oder jeder zweite Jugendliche einfach nur geringqualifiziert?

      In Deutschland werden geringe Preissteigerung leider noch als etwas Tolles betrachtet, anstatt die Gefahr des Preisverfalls zu erkennen. Wir fürchten uns ja auch jetzt noch vor Inflation.

  5. Gerhard767  Dezember 15, 2013

    Also der Busfahrer kann jede Lohnerhöhung erhalten, solange das Angebot an Busfahrern ausreichend knapp bleibt – mit der Straßenverkehrsordnung hat das gar nichts zu tun. Hier kann ich Ausführungen einfach nicht folgen. Die Preise steigen mit der Knappheit – mit der Knappheit steigt das Grenzproduckt. Wäre ich der einzige Busfahrer in Deutschland, wäre mein relativer Wert sehr hoch.
    „Dann frage ich mich, warum die Löhne beim angeblich grassierenden Fachkräftemangel nicht steigen.“ Ich dachte das hätte ich schon angesprochen – aber egal. Löhne sind träge – sie verändern sich nicht so schnell wie Güterpreise. Das ist ärgerlich aber Fakt. Ich selbst gehe nur aller zwei Jahre mal wegen einer Lohnerhöhung zum Chef (während die Tankstellen ihre Preie stündlich ändern). Ich bestreite auch nicht, dass die Löhne stellenweise zu niedrig sind. Ich glaube nur nicht, dass der Staat die Preisfindung besser regeln kann.
    „Wettbewerbsfähigkeit ist im Gegensatz zur Produktivität eine relative Größe.“ Ok in diesem Punkt gebe ich Ihnen völlig Recht. Wir könnten die Ungleichgewichte in Europa mindern, indem wir die Löhne erhöhen. Allerdings glaube ich nicht, dass wir dem griechischem Beispiel folgen sollten. Und im Übrigen müsste dies ja vor allem in der exportierenden Industrie erfolgen. Die sind aber vom Mindestlohn gar nicht betroffen.

    „Wieso sollte eine Frisörin geringqualifiziert sein.“ Ok da haben Sie mich wohl erwischt. Fakt ist aber, dass Friseuse in Ostbrandenburg nicht knapp sind. Ich wohne am Stadtrand von Berlin und ich kenne gutsituierte Beamte, die nach Polen fahren, um sich die Haare scheiden zu lassen. Sie können den Mindestlohn hier einführen – mich wundert nur, dass Sie sich über die Konsequenzen nicht im Klaren sind.

    Also wenn nach Ihrer Interpretation die Inflation von 2 auf 0,9 Prozent fällt haben wir bereits Deflation. Dies ist ein neuer Gedankengang, den ich bisher noch gar nicht kannte. Ich dachte immer wir hätten Inflation oder Deflation. Einen Preisverfall kann ich nicht erkennen – die Preise steigen ja unstrittig weiter – nur weniger als früher.
    Es ist schon eigenartig, dass Sie zwar zugeben, dass die Löhne in Griechenland deutlich stärker gestiegen sind als in Deutschland dennoch die Massenentlassungen wegen der gesunkenen Wettbewerbsfähigkeit einzig Merkel in die Schuhe schieben. Dies macht ja nur Sinn, wenn Sie den griechischen Arbeitsmarkt als beispielgebend ansehen. Die Griechen werden vor die Tür gesetzt, weil sie zu teuer sind und genau so wird es auch einigen hier in Deutschland gehen, wenn der Mindestlohn eingeführt wird.

    • adtstar  Dezember 15, 2013

      „Also der Busfahrer kann jede Lohnerhöhung erhalten, solange das Angebot an Busfahrern ausreichend knapp bleibt“

      Sie weichen aus. Eben noch argumentieren sie mit Jobs, in denen die Beschäftigten nicht genug erwirtschaften und daher keine Lohnerhöhung erhalten dürften und nun wieder das Konstrukt Angebot und Nachfrage. Dann eben ein anderes Beispiel: Pflegekräfte sind knapp. Doch auch hier weigern sich die Arbeitgeber, vernünftige Löhne oder Lohnerhöhungen gemessen an der Steigerung der volkswirtschaftlichen Produktivität zu zahlen. Sie meinen, das läge nun wiederum an der Trägheit der Löhne, die erst sehr viel später den Preisen folgen. Es ist erstaunlich wie viel Zeit sie dieser Trägheit einräumen und dabei ignorieren, dass Deutschland bei der Lohnfindung seit Gründung der EWU die Regeln bricht.

      „Wäre ich der einzige Busfahrer in Deutschland, wäre mein relativer Wert sehr hoch.“

      Wieder so ein Blödsinn. Der Berufsstand der Busfahrer ist nur dann erträglich, wenn ein Land als Ganzes sich auch Busfahrten leisten kann. In armen Ländern mit sehr geringer Produktivität gehen Leute wahrscheinlich eher zu Fuß, egal wie knapp oder üppig das Angebot an ausgebildeten Busfahrern ist. Ist das Land aber produktiver und dabei reicht es schon aus wenn einige Branchen in der Industrie diesen Prozess vollziehen, können sich die Menschen mehr leisten und fragen auch mehr Busfahrten nach. Der Preis einer Busfahrt steigt also und damit auch der Lohn der Fahrer. Oder anders gesagt, der Fahrer “erwirtschaftet” zwar immer noch die gleiche Anzahl von Busfahrten, kann diese aber gegen wesentlich mehr Industrieerzeugnisse “umtauschen”, eben weil die Produktivität der Industrie steigt.

      „Ich bestreite auch nicht, dass die Löhne stellenweise zu niedrig sind. Ich glaube nur nicht, dass der Staat die Preisfindung besser regeln kann.“

      Der Staat regelt auch nicht die Preise, indem er einen Mindestlohn einführt. Er regelt wenn überhaupt nur eine vernünftige volkswirtschaftliche Entwicklung, zu der er sich im Rahmen der europäischen Verträge und übrigens auch im Grundgesetz verpflichtet hat.
      Schon mal daran gedacht, dass Wettbewerb über Löhne ausgetragen wird, wenn eine Grenze nach unten fehlt? Ist das der Fall kommen Sie auch mit Ihrer Kartoffelmarkt-Theorie nicht weit, wonach der Preis für die Arbeit nur immer geringer sein muss, um das Angebot an Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt zu räumen. Die Preisfindung der Tarifpartner versagt seit Jahren, wie die Entwicklung der Lohnstückkosten zeigt. Das liegt unter anderem auch daran, dass die Politik mit Hartz IV ein System mit Absicht geschaffen hat, dass zum einen Druck auf Arbeitslose ausübt und zum anderen die noch Beschäftigten diszipliniert. Sie scheinen ja ein Beispiel zu sein, wenn sie nur alle zwei Jahre bei Ihrem Chef wegen einer Lohnerhöhung nachfragen.

      „Allerdings glaube ich nicht, dass wir dem griechischem Beispiel folgen sollten. Und im Übrigen müsste dies ja vor allem in der exportierenden Industrie erfolgen. Die sind aber vom Mindestlohn gar nicht betroffen.“

      Auch das ist ein Trugschluss. Die maßgeblich durch Deutschland verursachten Leistungsbilanzungleichgewichte innerhalb der EWU können nur dann nachhaltig abgebaut werden, wenn Deutschland seine Überschüsse im Außenhandel reduziert und sogar selbst einmal Defizite hinnimmt, damit andere Volkswirtschaften durch Überschüsse ihre seit Jahren aufgebauten Defizite abbauen können und Deutschland als Nettogläubiger auch die geliehenen Kohlen zurückerhalten kann. Das heißt aber nicht, wie immer wieder behauptet wird, dass Deutschland seine Exportindustrie schließen oder weniger exportieren müsste. Das heißt nur, dass Deutschland seine Importe erhöhen muss. Diese können aber nur dann erhöht werden, wenn die Binnennachfrage zunimmt und sich die Menschen mehr Waren und Dienstleistungen auch leisten können. Dafür ist eine Zunahme von Löhnen, Gehältern und Sozialleistungen unerlässlich.
      Eben haben wir festgestellt, dass Deutschland innerhalb eines Jahrzehnts 13 Prozentpunkte unterhalb seinen Verhältnissen gelebt hat. Würden höhere Löhne durchgesetzt folgt das Land also keinesfalls dem griechischen Beispiel, sondern der eigenen hohen Produktivität.

      „Ich wohne am Stadtrand von Berlin und ich kenne gutsituierte Beamte, die nach Polen fahren, um sich die Haare scheiden zu lassen.“

      Was ist das denn für ein Argument? Ich wohne bei Hannover und würde nie auf die Idee kommen, nach Polen zu fahren oder vielleicht nach China zu fliegen, um mir dort die Haare schneiden zu lassen. Sie müssen Ihren Mikrokosmos schon verlassen, um zu verstehen, was volkswirtschaftlich vernünftig ist.

      „Also wenn nach Ihrer Interpretation die Inflation von 2 auf 0,9 Prozent fällt haben wir bereits Deflation. Dies ist ein neuer Gedankengang, den ich bisher noch gar nicht kannte. Ich dachte immer wir hätten Inflation oder Deflation. Einen Preisverfall kann ich nicht erkennen – die Preise steigen ja unstrittig weiter – nur weniger als früher.“

      Sie müssen verstehen, dass sich die EWU auf ein Inflationsziel von knapp unter 2 Prozent pro Jahr geeinigt hat. Halten die Staaten gemessen an ihrer Produktivität diese Regel ein, also lassen sie einen Lohnstückkostenanstieg um genau diesen Wert pro Jahr zu, hätten wir eine vernünftige Entwicklung (Wir Deutschen sprechen dann aber schon von der Inflationsgefahr).
      Es gibt nur ein Land der EWU, das diese Regel über 10 Jahre lang eingehalten hat. Frankreich, und dennoch stehen unsere Nachbarn am Pranger, weil sie gegen das notorische Unterschreiten des Inflationsziels diesseits des Rheins relativ an Wettbewerbsfähigkeit verlieren mussten. Deshalb sollen ja auch die Franzosen, die volkswirtschaftlich alles richtig gemacht und sich an die Verträge gehalten haben, bitteschön Reformen nach deutschem Vorbild umsetzen. Dabei wird verkannt, dass Deutschland durch Unterschreiten des Inflationsziels die anderen Mitglieder der Eurozone regelrecht ausplündert und mit der Empfehlung, es dem angeblichen Musterschüler jetzt gleichzutun auch noch die irrige Annahme verbreitet, jeder könnte Überschüsse anhäufen und genauso wettbewerbsfähig sein, wie Deutschland.
      Dieses Konzept muss scheitern, was sich im Sinken der Inflationsrate widerspiegelt. Das verharmlosen Sie mit Ihren Äußerungen genauso wie der Mainstream in diesem Land. Während bei einem Anstieg der Inflation von 2 Prozent und mehr, die Angst vor der Geldentwertung massiv befeuert wird, bleibt es umgekehrt still.
      Fakt ist: Verbraucherpreise und Erzeugerpreise sinken im Gleichschritt. Das heißt, die Unternehmen machen beim Preis Zugeständnisse, um die Auslastung ihrer Kapazitäten zu verbessern. Da alle in der EWU, einschließlich Deutschland, nunmehr und weiterhin auf sinkende Lohnstückkosten setzen, wird der Euro gegenüber dem Rest der Welt über kurz oder lang aufwerten müssen. Das wiederum mindert die Chancen der Südeuropäer, aus ihrem wirtschaftlichen Tal herauszukommen.
      Sie mögen ja keine Deflation erkennen, weil die Preise weiter steigen. Eine konstruktive Diskussion ist auf dieser Basis aber kaum möglich.

      „Es ist schon eigenartig, dass Sie zwar zugeben, dass die Löhne in Griechenland deutlich stärker gestiegen sind als in Deutschland dennoch die Massenentlassungen wegen der gesunkenen Wettbewerbsfähigkeit einzig Merkel in die Schuhe schieben.“

      Sie müssen schon genau lesen. Die Griechen haben in 10 Jahren 5 Prozent über und die Deutschen 13 Prozent unter ihren Verhältnissen gelebt. In einer Währungsunion ersetzen die Lohnstückkosten die Wechselkurse. Was hätte denn dagegen gesprochen, die Lohnstückkosten über mindestens eine Folgedekade in Griechenland stagnieren oder weniger stark ansteigen zu lassen und dafür die Lohnstückkosten in Deutschland deutlich stärker? Man muss nur mal darüber nachdenken und nicht permanent das Lobbyistengeschwätz nachplappern, wonach jede Erhöhung der Löhne unbezahlbar wäre und zwangsläufig zu Entlassungen führe. Der Lohn ist nicht nur ein Kostenfaktor, sondern er hat eine volkswirtschaftliche Funktion, auf die auch die Arbeitgeber nicht verzichten können. Wenn ich Ihrer Argumentation folge, fordern Sie ein Recht der Arbeitgeber ein, Arbeitnehmer schlecht zu bezahlen. Und von den Griechen fordern Sie nicht weniger, als dass sie ihr Schicksal leider ertragen müssen, weil sie eben viel zu teuer waren.
      Liefe aber alles im Grunde so weiter, müssen andere Staaten die Rolle der Griechen übernehmen, also über ihren Verhältnissen leben, um jene Produkte und Dienstleistungen der Deutschen abzunehmen, die sie selbst nicht verbrauchen können. Ist das ihre Strategie für die Zukunft? Und wenn diese Staaten dann auch am Ende und überschuldet sind, sagen sie diesen Menschen dann auch, ihr seid leider viel zu teuer gewesen und müsstet am Deutschen Wesen genesen? Und mit wem wollen Sie dann noch Handel treiben, wenn alle Staaten dieser Erde sparen, kürzen und entlassen. Kennen Sie etwa Märkte außerhalb des Planeten und Wesen anderer Himmelskörper, die nur darauf warten, von uns mit Waren und Dienstleistungen versorgt zu werden?
      Sie sehen also, dass Volkswirtschaft schon etwas mehr gedankliche Arbeit erfordert, als es die Wirklichkeit am Standrand von Berlin möglicherweise zulässt.

  6. Gerhard767  Dezember 16, 2013

    „Eben noch argumentieren sie mit Jobs, in denen die Beschäftigten nicht genug erwirtschaften und daher keine Lohnerhöhung erhalten dürften und nun wieder das Konstrukt Angebot und Nachfrage.“ Beides kann man m.E. nicht voneinander trennen – je weniger Busse unterwegs sind desto voller weder sie sein. Sie können das sehr schön an den griechischen Taxikonsessionen sehen – der Markt ist ja immerhin ähnlich. Dort hat man sich entschieden den Markt nicht über den Preis (wie Sie es empfehlen) zu regulieren – sondern direkt über das Angebot. Dies ist ja auch leichter zu kontrollieren und außerdem können Politiker und korrupte Beamte ordentlich mitverdienen. Das Ergebnis ist das gleiche wie bei einer Preisregulierung während in Deutschland die Taxis auf die Kunden warten, warten dort die Kunden auf die Taxis. Trotzdem – die Preise sind hoch und die Taxifahrer haben ordentlich Einkommen, weil sie ja nicht warten müssen. Wohlbemerkt – währen diese Einkommen auf normalem Wege zustande gekommen hätte ich damit kein Problem. Die hohe Produktivität ist Ihrer Logik Grund genug für weitere Einkommenserhöhung und damit weitere Verknappung der Konsessionen. Die nun arbeitslos gewordenen Taxifahrer und gestressten Touristen kommen in dieser Rechnung irgendwie nicht vor. Stattdessen verweisen Sie auf angebliche Kaufkrafteffekte, die einfach nicht erkennen kann.
    „In armen Ländern mit sehr geringer Produktivität gehen Leute wahrscheinlich eher zu Fuß, egal wie knapp oder üppig das Angebot an ausgebildeten Busfahrern ist.“ Klar in armen Ländern ist die Nachfrage gering – das ist eine Binsenweisheit. Hier weiß ich nicht genau worauf Sie hinauswollen – in jedem Fall habe ich bei meinem Verknappungsbeispiel vorausgesetzt, dass alle anderen Variablen konstant bleiben. Wenn Sie den einzigen Busfahrer also in ein Land setzen, in dem sich niemand etwas leisten kann liegt der Fall natürlich anderst. Die Annahme, dass sich alle Menschen mehr kaufen können, wenn die Löhne steigen ist aber gerade der strittige Punkt.

    „Der Staat regelt auch nicht die Preise, indem er einen Mindestlohn einführt. Er regelt wenn überhaupt nur eine vernünftige volkswirtschaftliche Entwicklung, zu der er sich im Rahmen der europäischen Verträge und übrigens auch im Grundgesetz verpflichtet hat.“

    Jeder Staat, der irgendetwas reguliert wird immer behaupten es diene einer vernünftigen wirtschaftlichen Entwicklung, aber ob dies der Fall ist soll ja gerade geklärt werden. Was in den europäischen Verträgen zu Preisregulierungen steht weiß in nicht, aber ich bin auch kein Jurist. Natürlich findet Wettbewerb immer auch über den Preis statt – das heißt aber nicht, dass Preise am freien Markt stetig fallen müssen – wie manche Preise zeigen. Ich bin auch Arbeitnehmer und damit an hohen Löhnen interessiert – nur schweben mir hierzu andere Instrumente vor:
    1. Wachstumsfreundliche Wirtschaftspolitik (Erhöhung der Nachfrage)
    2. Mehr Investitionen in Bildung und Ausbildung (Erhöhung der Qualität des Angebots)
    3. Geregelte Zuwanderung (Verknappung des Angebots bei denen die ohnehin schon unter Druck stehen)
    „Was ist das denn für ein Argument? Ich wohne bei Hannover und würde nie auf die Idee kommen, nach Polen zu fahren oder vielleicht nach China zu fliegen, um mir dort die Haare schneiden zu lassen. Sie müssen Ihren Mikrokosmos schon verlassen, um zu verstehen, was volkswirtschaftlich vernünftig ist.“ Klar sind staatliche Regulierungen leichter durchzusetzen, wenn man nur weit genug abgeschottet ist. Trotzdem gibt es auch hier Anpassungsmechanismen: Schwarzarbeit, do it yourself oder einfach nur weniger Nachfrage bei Verzicht auf gewisse Eitelkeiten. Aber eigentlich war dies auch nicht der Kern meines Argumentes. Ich sage nur solange die Dienstleistung Friseur nicht knapp ist werden sie keinen hohen Preis erzielen oder ein Teil wird auf der Straße sitzen. Einfach die Preise zu regulieren, ändert nichts am Kern des Übels. Selbst wenn die Menschen ihr Nachfrageverhalten diesbezüglich nicht anpassen (wie Sie es unterstellen), würde ihnen das Geld ja an anderer Stelle fehlen. Ihre Unterstellung, dass durch eine staatliche Preisregulierung auf einmal alle reicher sind ist pure Fiktion und widerspricht ja auch Ihrer eigenen Aussage „Außerdem sind die Kosten der einen immer auch die Einnahmen der anderen.“
    „Sie müssen verstehen, dass sich die EWU auf ein Inflationsziel von knapp unter 2 Prozent pro Jahr geeinigt hat.“ Tja hier liegt nun ebenfalls ein grundsätzlicher Dissens. Denn meines Erachtens ist die Inflationsbekämpfung (oder auch Förderung) nicht mehr Aufgabe der Einzelstaaten, sondern der EZB. Die Tatsache, dass einige Staaten mehr Inflation hatten hängt damit zusammen, dass sie Wachstum über Schulden finanziert haben. Wachstum erhöht auch immer die Inflation. Deutschland hatte im Zeitraum 1995(Beginn der Zinskonvergenz)-2005 die niedrigsten Wachstumsraten in Europa. Sie sagen es ja selbst: es hat unter seinen Verhältnissen gelebt. Hätte Deutschland eine ähnliche Politik betrieben wäre das Wachstum in den Südländern gar nicht möglich gewesen. Wer hätte denn dann die Defizite der anderen finanzieren sollen?
    „Und wenn diese Staaten dann auch am Ende und überschuldet sind, sagen sie diesen Menschen dann auch, ihr seid leider viel zu teuer gewesen und müsstet am Deutschen Wesen genesen?“ Ich habe nicht gesagt, dass die Griechen unsere Politik übernehmen müssen; vielmehr haben Sie angedeutet, dass wir deren Politik nachvollziehen sollen. Und Griechenland ist auch nicht wegen der Politik Überschuldet, die ich empfehle, sondern vielmehr wegen der, die Sie präferieren. Ich bin AfD-Wähler – mir schwebt ein System flexibler Wechselkurse vor. Dann können die dort so viel Geld drucken wie sie meinen zu brauchen. Um unseren Außenhandel mach ich mir keine Sorgen – der hat auch vor dem Euro funktioniert. Im Übrigen macht es auch keinen Sinn ihm mit öffentlichen Geldern Exportüberschüsse zu finanzieren, die uneinbringlich sind.

    • adtstar  Dezember 17, 2013

      „Ich bin AfD-Wähler – mir schwebt ein System flexibler Wechselkurse vor. Dann können die dort so viel Geld drucken wie sie meinen zu brauchen. Um unseren Außenhandel mach ich mir keine Sorgen – der hat auch vor dem Euro funktioniert.“

      Danke für den Hinweis, wes Geistes Kind Sie sind. Und damit meine ich nicht, dass Sie die AfD wählen. Wählen können Sie ja, was Sie wollen. Allein Ihre alberne Vorstellung, dass der deutsche Außenhandel auch ohne den Euro genauso wunderbar funktionieren würde, spricht Bände und führt Ihre gesamte Argumentation ad absurdum. Würde der Euro durch ein System flexibler Wechselkurse ersetzt, wäre über Nacht der Wettbewerbsvorteil der deutschen Wirtschaft dahin, weil die Währung, die dann in Deutschland gelten würde massiv aufwerten müsste, was die Preise für deutsche Exportwaren und Dienstleistungen verteuert. Gleichwohl würde der Wert der deutschen Vermögensbestände im Ausland rapide sinken und die Stabilität der deutschen Banken und Versicherungen gefährden. Dann müssen Sie den Leuten aber erklären, warum Sie den Gürtel noch enger schnallen sollen und ihre kapitalgedeckte Altersvorsorge abschreiben können.

      „Deutschland hatte im Zeitraum 1995(Beginn der Zinskonvergenz)-2005 die niedrigsten Wachstumsraten in Europa. Sie sagen es ja selbst: es hat unter seinen Verhältnissen gelebt.“

      Sie sollten endlich mal Ihre Hausaufgaben machen oder richtig lesen. Mit Start der EWU im Jahr 1999 gab es keine nennenswerten Leistungsbilanzungleichgewichte und damit auch kein markantes Gefälle in der Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Euroländern. Die Wechselkurse wurden entsprechend der Leistungsfähigkeit der Beitrittsländer festgelegt. Wir bekamen für 1 DM rund 0,51 Euro. Die Belgier für ihren Franc 0,02 Euro, die Griechen (Beitritt 2001) für ihre Drachme 0,45 Euro, die Spanier für ihren Peseten 0,01 Euro und die Iren für ihr Pfund 1,27 Euro. Diese Kurse sind amtlich und gelten heute noch.

      Erst innerhalb der EWU sind die Leistungsbilanzen durch Regelverstöße bei der Entwicklung der Lohnstückkosten auseinandergegangen. Das ist nur niemandem aufgefallen, weil die Eurozone als Ganzes eine ausgeglichene Leistungsbilanz vorweisen konnte. Denn die Defizite des Südens waren spiegelbildlich die Überschüsse des Nordens. Das hatte Folgen für den Eurokurs, der trotz der extremen Exportüberschüsse Deutschlands niemals dramatisch aufwerten musste. Das ändert sich jetzt. Da der Süden zu einer radikalen Anpassung und zu einem Ausgleich der eigenen Handelsbilanz gezwungen wurde, fällt nun der Windschatten für die deutsche Exportwirtschaft weg. Die Leistungsbilanz der Eurozone ist nun insgesamt nicht mehr ausgeglichen, sondern weist ebenfalls einen Überschuss aus. Die Folge: Der Euro wird aufwerten und die Exporte aus Deutschland, aber auch aus Griechenland und jedem anderen Euroland in den Rest der Welt verteuern.

      Wenn Sie also sagen, dass der Mindestlohn oder eine vernünftige Lohnpolitik falsch sind, plappern Sie nur nach, was im Interesse der Exportindustrie ist. Die wissen nämlich ganz genau, was ihnen blüht, sollte der Euro scheitern. Da sie aber auch wissen, dass es künftig schwieriger wird, Exporte auf dem Weltmarkt abzusetzen, muss an den deutschen Löhnen weiter gespart werden. Denn nur durch Lohnmoderation sind die Preise am Markt zu halten, sollte sich der Wechselkurs ändern.

      „Was in den europäischen Verträgen zu Preisregulierungen steht weiß in nicht, aber ich bin auch kein Jurist.“

      Dazu braucht man kein Jurist zu sein, sondern nur lesen können. Artikel 282, AEU-Vertrag. Das vorrangige Ziel des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) ist die Preisstabilität. Innerhalb der Eurozone als Ganzes ist das auch gelungen, da es die ausgeglichene Leistungsbilanz nach außen gab. Beim näheren Blick in die Einzelstaaten stimmt das aber nicht, da die einen über und die anderen unter ihren Verhältnissen gewirtschaftet haben. Hier müssen die Europäer nacharbeiten und der Zentralbank mehr Befugnisse einräumen. Diese müsse neben der Geldpolitik auch die volkswirtschaftliche Entwicklung in den einzelnen Mitgliedsstaaten im Blick behalten. Es gehört zu den Gründungsfehlern der EWU ausschließlich auf die monetäre Integration der Staaten zu setzen und parallel auf Regelungen zum Ausbau einer Fiskal- und Wirtschaftsunion zu verzichten. Nun haben wir den Salat und die AfD, die mit gefährlichem Halbwissen und der Unterschlagung von wesentlichen Teilen der Wahrheit auf erfolgreichen Stimmenfang geht.

      Für mich ist diese Diskussion an dieser Stelle beendet. Bitte trollen Sie woanders weiter.